Neun
Der Schlag kam überraschend und mit solch einer Wucht, dass ich aufstöhnte.
"Gib's zu Ma, du hast eigentlich nur auf so eine Gelegenheit gewartet."
Vorsichtig betastete ich mein Auge und blinzelte um wieder eine klare Sicht zu bekommen. Ein blaues Auge wurde einen Gestaltenwandler zwar nicht umbringen aber weh tun tat es trotzdem. Meine Ma grinste und schüttelte ihre Hand aus.
"Komm schon Elvira ein bisschen kannst du dich auch wehren, es soll schließlich echt aussehen."
Ich schnaubte. Also für mich fühlte es sich schon verdammt echt an. Meine Ma war nämlich auf die geniale Idee gekommen mich als Boxsack zu verwenden.
"Warum ist es nochmal notwendig dass ich aussehe als hätte mich ein verrückter Vogelclan verprügelt?"
"Weil er genau das glauben soll. Brian wird dir zu Hilfe eilen, wie ein Ritter der hilflosen Jungfrau und dann erzählst du ihm, dass wir dich verstoßen haben, weil du das Wölfchen befreit hast. Während er dich gesund pflegt, schmeißt du dich an ihn ran und wenn er dir aus der Hand frisst, befreist du uns."
Meine Ma trug diesen Plan so ernsthaft und besonnen vor, dass es schon fast lachhaft war. Ich verkniff es mir, weil mir davon nur die Rippe weh getan hätte.
"Ach ja, so war der Plan", murmelte ich.
Da natürlich keiner wusste, wann der nächste Wolfswandler kommen würde, musste ich die ganze Zeit so aussehen als wäre ich vom Clan ausgestoßen worden. Idiotisch und nicht gerade vorteilhaft für mich. Insgeheim dachte ich immer noch, dass meine Mutter nachtragend war, weil ich das Wölfchen befreit hatte. Aber Hey, es war Rey gewesen, der Sohn des mächtigsten Gestaltenwandler und noch dazu gerade erst volljährig geworden. Ein bisschen zu viele Gründe um ihn in den Klauen meiner Mutter zu lassen. Ein Knarren ertönte und schreckte mich aus meinen Gedanken.
"Da kommt jemand", zischte Ravina, eine Vogelwandlerin, die sich bestens mit meiner Ma verstand und eine der Ersten gewesen war, die für diesen Plan gestimmt hatte.
Meine Ma wirbelte zu mir herum trat mir in den Bauch und rammte mir gleichzeitig ihre Faust ins Gesicht. Ich keuchte und klappte zusammen. In meinem Mund spürte ich den metallischen Geschmack von Blut. Ich blinzelte und versuchte die schwarzen Flecken vor meinem Blickfeld zu vertreiben. Ich hätte meine Ma gerne verflucht, aber mein Kiefer tat höllisch weh, also verzichtete ich darauf. Ein Keuchen vor meiner Zelle ertönte, dann ein Knurren.
"Lasst sie sofort in Ruhe."
Na super, das Wölfchen war hier. Irgendwie hatte ich gerade ein Deja-vu. Nur dass diesmal ich in der Zelle saß und das Wölfchen vor mir stand. Ich blinzelte und versuchte meinen Blick scharf zu stellen. Das Wölfchen sah mich kurz an, dann ging sein Blick zu meinem Clan und er knurrte.
"Keiner bewegt sich."
Ein Klirren ertönte und die Zellentür öffnete sich.
"Komm her Elvira."
Wow den Befehlston seines Vaters und Onkels hatte er schon voll drauf. Ich quälte mich hoch und taumelte zur Tür. Leise betete ich, dass mein Clan nicht so dumm sein würde, einen Fluchtversuch zu wagen. Rey war zwar jung, aber er war ein Wolfswandler und hatte unter der Fittiche seines Vaters bestimmt die beste Kampfausbildung bekommen, die man kriegen konnte. Tatsächlich schien wenigstens diese vernünftige Schlussfolgerung bei meinem Clan anzukommen. Keiner bewegte sich und kaum dass ich durch die Zellentür getaumelt war, schloss Rey sie mit einem letzten Knurren in Richtung der Vogelwandlerinnen. Ich setzte tapfer einen Fuß vor den anderen, auch wenn ich mich irgendwie ziemlich zermatscht fühlte. Eine Unebenheit im Boden ließ mich stolpern. Doch bevor ich fallen konnte, schob sich eine Schulter unter meinem Arm und fing mich auf.
"Warum zum Teufel haben sie dich so zugerichtet?"
Man hörte deutlich die Wut in Reys Stimme. Ich hatte etwas Gewissensbisse, weil er sich Sorgen um mich machte, obwohl ich sie alle nur täuschen wollte.
"Sie hatten ihre Gründe", murmelte ich deshalb nur wage.
Zum Glück fragte er nicht weiter nach. Er stützte mich vorsichtig die Treppe hoch. Als er die Kerkertür aufstieß, war ich kurz vom Licht geblendet. Der Weg über den Hof war eine Qual. Nicht nur weil mir alles weh tat, sondern auch weil jeder uns anstarrte.
"Was soll das?", grollte plötzlich eine Stimme hinter uns.
Das Wölfchen neben mir erstarrte und drehte sich mit mir zu Brian um. Der hatte ärgerlich die Arme verschränkt und hob eine Augenbraue.
"Interessant siehst du aus Vögelchen. Darf man fragen wie du zu diesem neuen Look kommst?"
Sein Ton klang spöttisch und er sah irgendwie selbstgefällig aus.
"Wenn's dir gefällt, bekommst du die Behandlung für dieses Aussehen von mir umsonst."
Ups, das hatte ich eigentlich gar nicht sagen wollen. So viel zum Thema Verführen. Wenn ich so weiter machte, würde er mich noch hochkant aus der Burg schmeißen und ich lande wieder im Kerker.
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