43. Weihnachten für alle?

Heute war es soweit. Es war der 24. Dezember, der Tag von Aiko's Entlassung. Kazutora kam lächelnd durch die Tür ihres Zimmers und sah seine Freundin auf dem Bett sitzen, die ebenfalls ziemlich erfreut aussah, als sie ihn erblickte.

„Hay Schatz, ich hab schon auf dich gewartet", sprang das Mädchen augenblicklich auf und fiel ihrem Freund um den Hals, der die Umarmung sofort erwiderte.

„Ja, tschuldige hat etwas länger gedauert", lächelte er verlegen.
Nachdem die beiden sich lösten nahm Kazutora die Tasche mit ihren Klamotten, während Aiko sich von den Krankenschwestern verabschiedete.

„Es ist so schön hier draußen, auch wenn es kalt ist. Ich hab es so vermisst", freute sich Aiko als sie endlich nach langer Zeit wieder einen Fuß aus dem Krankenhaus setzen durfte. Kazutora lachte nur leicht auf.

„Was lachst du denn?"

„Ach nichts, ich finds nur schön, dass es dir wieder gut geht", lächelte er ihr zu, woraufhin sie auch lächeln musste.

Schweigend liefen die beiden nebeneinander her. Es war eine angenehme Stille. Aiko genoss es endlich wieder die frische Luft um ihre Nase streichen zu lassen, während Kazutora mehr als froh war sie endlich wieder außerhalb ihres Bettes zu sehen. Jeden Tag hatte er sie besucht, mit ihr geredet, gelacht, sie abgelenkt, gekuschelt und geliebt wie niemals jemanden zuvor. Niemals wieder wollte er dieses Mädchen gehen lassen, sie tat ihm so unfassbar gut, dass er nicht einen Moment seine Entscheidung bereute.

Wenig später waren die beiden dann schon vor ihrem Haus angekommen, was den Jungen innerlich enttäuscht aufseufzen ließ. Zu gerne würde er noch mehr Zeit mit ihr verbringen, aber er wusste wie sehr sie sich freute endlich nach Hause zu kommen und das wollte er ihr unter keinen Umständen verderben.

„Bevor du gehst, warte noch kurz, ich hab da noch was für dich", lächelte Kazutora als die beiden vor ihrer Haustür standen. Er kramte kurz in seiner Jackentasche und zog ein rotes Schächtelchen hervor.
„Es ist nichts besonderes, ich hoffe es gefällt dir trotzdem", lächelte er etwas verlegen, während sich eine leichte Röte um seine Nase bildete.

Vorsichtig nahm Aiko die kleine Schachtel an sich und hob langsam den Deckel hoch.

Ein breites Lächeln strahlte über ihr wunderschönes Gesicht.
„Kazu, es ist wunderschön, vielen Dank", sofort umarmte sie ihren Freund innig.

„Freut mich, dass es dir gefällt", lächelte er herzig und dankte Baji in Gedanken, der ihm half etwas passendes für Aiko zu finden.

Als sie sich lösten zog sie mit glänzenden Augen das silberne Armband das mit einem Unendlichkeitszeichen versehen war heraus. Sofort machte sie es sich um und betrachtete es mit großen Augen und einen glücklichen Lächeln auf den Lippen.

„Steht dir super", lächelte der Vize und gab seiner Freundin einen kurzen aber dennoch zarten Kuss, der Aiko mehr Gefühle gab als alles andere auf der Welt.

„Tut mir wirklich Leid, dass ich nichts für dich hab, aber hätte nichts besorgen können", murmelte sie mit einem traurigen Unterton und sah etwas zu Boden. Kazutora aber zog sie zu sich und hob mit seiner rechten Hand ihr Kinn hoch, dass sie in sein wohliges Lächeln blicken musste.

„Hey, es ist alles gut, für mich ist es genug Geschenk, dass du glücklich bist", lächelte er, was sie augenblicklich besser fühlen ließ.

„Willst du dann heute Abend bei uns verbringen?", fragte sie sofort.

Kazutora schüttelte leicht den Kopf.
„Danke, für die Einladung, aber feier du schön mit deiner Familie und genieß es. Du warst so lange weg, da will ich nicht stören. Ich feiere zusammen mit Baji und seiner Mutter", lächelte er und legte sein Kopf schief, worauf sein Glöckchen am Ohr leicht klingelte.

„Dann macht euch einen schönen Abend, wir sehen uns morgen", lächelte sie, daraufhin drückte sie Kazutora wie immer zum Abschied einen Kuss auf die Stirn, dann schloss sie die Tür hinter sich auf. Kazutora ging währenddessen und winkte ihr zum Abschied hinterher.

Circa eine halbe Stunde Busfahrt später kam er bei Baji an. Vorsichtig sperrte er mit dem Schöüssel den er von Keisuke's Mutter bekommen hatte die Wohnungstür auf. Heimlich lugte er nach rechts und links. Als er merkte, dass die Luft rein war schlich er ins Innere. Auf Zehenspitzen schritt er leise auf Baji's Zimmer zu. Geräuschlos öffnete er die Tür und schlürfte ins Innere.

„Hey, was schleichst du hier so rum", brummte eine Stimme hinter ihm. Laut schrie Kazutora auf und drehte sich zu Keisuke um der in der Tür stand.

„Das sollte ich dich eher fragen. Warum erschreckst du mich so?", keuchte er aufgebracht.

„Lenk nicht ab, was hast du vor"

„Ich hol nur meine Sachen und wollte euch nicht stören", seufzte Kazutora und hievte seinen Rucksack, den er gestern schon gepackt hatte auf seinen Rücken.

„Wo willst du hin?", stellte Baji sich ihm in den Weg.

„Zu Aiko"

„So und jetzt wirklich", stocherte Baji nach, der seinen besten Freund natürlich sofort durchschaut hatte.

„Zu Aiko und jetzt lass mich gehen", murrte Kazutora nun deutlich genervter.

Baji hob misstrauisch die Augenbraue, machte ihm aber dennoch seufztend Platz. Sein Vize schritt ohne groß zu überlegen an dem Schwarzhaarigen vorbei.

„Kazutora", hielt Baji ihn auf, als er die Klinke der Wohnungstür herunterdrücken wollte. Fragend sah er zu seinem Kommandanten, der ihn aus einer Mischung von Besorgnis und Traurigkeit musterte.

„Du weißt, dass das hier dein Zuhause ist. Du kannst immer herkommen, wann immer du möchtest, denn für uns bist du bereits ein fester Bestandteil dieser Familie."

„Danke, Baji. Ich weiß das zu schätzen". Er drückte die Türklinke herunter und verließ ohne weiter zu zögern die Wohnung.

Mit hängenden Schultern schlürfte Kazutora durch die festlich beleuchteten Straßen. Immer wieder liefen Familien mit Kindern an ihm vorbei, die glücklich lachten. Der Junge verschnellerte seinen Schritt, als wolle er vor der ganzen Fröhlichkeit fliehen. Wahrscheinlich war dies auch der Fall. Er hasste und verachtete diese glücklichen Menschen. Wieso hatte er so etwas nie? Warum hatte er nur so eine beschissene Kindheit, in der alles scheiße lief.

Am liebsten würde er eines dieser fröhlichen Bälger auf den Boden schubsen um ihr Gelächter nicht mehr ertragen zu müssen.

Weihnachten, Geburtstag, Silvester, sowas gab es bei ihm nicht, zumindest nicht wie in normalen Familien. Im Gegenteil. Bei ihm waren das die Tage an denen er noch mehr Schläge und Missgunst abbekam als sonst schon.

Als er noch klein war hatte er diese Tage meist eingesperrt im Keller verbracht oder er war vorher abgehauen um sich irgendwo zu verkriechen.

Dieses Jahr hätte er eine Möglichkeit nicht mehr allein zu sein, endlich zu wissen wie es sich anfühlte.

Auch wenn Baji sagte, er gehöre zur Familie, fühlte er sich für einen Tag wie den heutigen noch zu fremd, als würde er dort nicht hingehören. Bei Aiko war es ähnlich. Sie ist zwar seine Freundin, aber trotzdem kannte er ihre Eltern nicht, noch fühlte er sich so sehr familiär integriert. Egal bei wem, er hätte sich fehl am Platz gefühlt.

Inzwischen war er an seinem Lieblingsplatz angekommen. Der alten Eishalle am Stadtrand. Seine Beine baumelten in die Tiefe, während er mit dem Rücken auf dem Dach lag und in den inzwischen schon dunklen Himmel blickte.

Er seufzte laut auf und steckte sich seine Kopfhörer in die Ohren, startete seine Playlist und lauschte dem leisen Klang der Musik, während er wieder hinauf in den Himmel starrte. Es war so vieles das Kazutora nicht losließ. Seine Vergangenheit wird ihm für immer ein unüberwindbares Hindernis sein, egal wie sehr er es sich wünschen würde alles vergessen zu können, er konnte es nicht und er war sich sicher, dass er das auch niemals können würde.

Das Herz des Jungen schmerzte als er an seine geliebte Mutter dachte, die immer noch alleine mit dem Psychopathen in einem Haus war. Da er nun nicht mehr da war, wird es sie sein, die die ganzen Schläge für ihn abbekommen wird.

Der Junge wusste sich in dieser Sache nicht zu helfen. Er hatte es ihr versprochen. Versprochen sie zu retten und ihr zu helfen.

Grade im Moment bereute er es ihr so ein Versprechen gegeben zu haben. Ausgerechnet er, der am meisten Angst vor diesem Mann hatte, reißte sein Maul so weit auf, in dem er unmögliche Sachen versprach.

Wütend sprang er auf als er das Gesicht seines Vaters vor sich sah.

„Was ist los du Feigling, traust du dich etwa nicht", grinste ihn die Illusion herausfordernd an.

Knurrend schlug Kazutora danach, doch er verschwand sofort. Verwirrt drehte er sich im Kreis.

„Du musst mir schon etwas mehr bieten als so einen jämmerlichen Schlag", lachte die Stimme erneut.

„Wo bist du, du kleiner dreckiger Bastard, komm raus!", schrie Kazutora und suchte dabei mit seinen ganzen Augen das Dach ab, doch da war niemand. Schnell lief er zur Leiter auf der Rückseite und kletterte an ihr herunter.

Unten angekommen verschaffte er sich durch eine zersplitterte Glasscheibe Zutritt ins Innere der Halle. Die Scherben knirschten unter seinen Schuhen, während seine gleichmäßigen Schritte von den Wänden wieder hallten.

„Zeig dich endlich du Wixxer!", schrie er in den großen Raum, der seine Stimme bis an die letzte Ecke des Gebäudes trug. Zielstrebig nahm er seinen Baseballschläger, den er immer für den Fall der Fälle unter den Sitzen der Letzten Reihe versteckt hatte hervor.

Seine Blicke glitten in Sekundenschnelle durch die Halle und analysierten dabei jeden Winkel.

„Ich bin hier du nichtsnutziger Sohn", grinste die Illusion seines Vaters ihn an, der zwei Sitzreihen vor ihm auftauchte.

Ohne zu zögern rannte der Junge wutentbrannt los. Schreiend schwang er seinen Schläger gegen die Schläfe des Mannes und schlug ihn so zu Boden.

„Du Arschloch, das ist für alles was du mir angetan hast!", knurrte er wütend und schlug fester mit dem Schläger auf sein Gesicht.

„Ich war mein Leben lang allein! Du hast mich behandelt wie scheiße, als wäre ich irgendein dahergelaufener Penner! Du hast mich nie unterstützt oder gewertschätzt was ich getan habe. Ich hatte keine Sekunde in der ich ohne Angst leben konnte. Ich hatte weder Weihnachten, Geburtstag oder Neujahr, wegen dir! Du hast mir 15 Jahre meines Lebens genommen und sie in die reinste Qual verwandelt. Ich hasse dich! Ich hasse dich mehr als alles andere! Ich will, dass du verreckst du dummes Stück scheiße!", Schrie er sich immer mehr in Rage. In Sekundenschnelle raste der Schläger immer wieder unter seinen Schreien auf das Gesicht des Mannes zu. Blut spritzte zu allen Seiten. Es befleckte seine Hände und sein Gesicht. Das Geischt des Mannes war inzwischen kaum noch zu erkennen, doch Kazutora prügelte immer weiter schreiend auf ihn ein.

„Kazutora, bitte hör auf", flüsterte ihm eine ruhige Stimme ins Ohr, während er sanft zwei Arme um seinen Bauch spürte die ihn versuchten ihn vor sich selbst zu beschützen.

Langsam ließ der Junge den Schläger sinken. Baji nahm ihn diesen behutsam aus der Hand. Er drehte seinen besten Freund zu sich um und drückte ihn an seine Brust.

„Alles ist gut, niemand tut dir was", flüsterte Baji, während er über Kazutora's zerzauste Haare strich um ihn zu beruhigen. Kazutora keuchte aufgebracht und rang verzweifelt nach Luft.

Der Schwarzblonde sagte kein Wort mehr. Es war totenstill zwischen den beiden. Draußen pfeifte der kalte Wind um die Ecken und erzeugte dabei ein gruseliges Geräusch.

„Er war hier", flüsterte Kazutora kaum hörbar.

„Wer?", fragte Baji ruhig nach.

„Mein Vater, ich hab ihn umgebracht", murmelte Kazutora. Baji drückte ihn augenblicklich fester.

„Er war nicht hier, es ist alles in Ordnung", beteuerte Baji. Der Vize löste sich etwas und sah dabei die vollkommen zerstörten Stühle neben ihm. Stöhnend ging er in die Hocke und hielt sich mit beiden Händen an die Schläfe.

„Aber er war doch hier?", flüsterte er überrascht und betrachtete dabei sein Werk. Der Kommandant setzte sich vor ihm in die Hocke. Kazutora's gelbe Augen leuchteten im Dunkeln der Nacht. Seine Hautfarbe dagegen war Weißer als die Wand hinter ihnen.

„Ich dachte ich hätte es endlich geschafft mich zu wehren, ich dachte ich könnte ihr endlich helfen", keuchte Kazutora der inzwischen komplett auf seine Knie gesunken war.

„Du wirst es bald schaffen, da bin ich sicher", sprach Baji zu ihm und hob Kazutora's Kinn etwas an. Der Blick des Schwarzhaarigen war voller Zuversicht. Kazutora wusste auch, dass Baji ihm vertraute, aber er vertraute sich nicht selber, das hatte er noch nie.

„Was machst du eigentlich hier?", murmelte der Vize während er wieder etwas zur Seite schaute.

„Na was wohl, ich bin gekommen um dich abzuholen", grinste der Kommandant und richtete sich auf. Freundschaftlich hielt er Kazutora die Hand hin.
„Du brauchst dich nicht schlecht zufühlen, du gehörst zu uns. Du bist mein Bruder", lächelte Baji.

Kazutora's Blick erhellte sich etwas, dennoch war er unsicher. Schweigend stand Baji weiter da ohne seine Hand zu bewegen. Kazutora zögerte. Langsam hob er seine Hand. Zögerlich legte er sie in Baji's warme Hand, worauf der Größere zufrieden lächelte. Mit einem leichten Ruck zog er ihn vom Boden hoch. Als er stand zog er ihn an der Hand weiter mit sich bis zu seinem Motorrad. Die beiden setzten sich während Kazutora zarghaft seine Arme um Baji legte. Sein Herz pochte wild, schließlich wusste er überhaupt nicht wie er sich gleich zu verhalten hatte, denn noch nie hatte er Weihnachten gefeiert.

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Endlich kommt auch mal wieder etwas von mir 😅, war die letzten Tage leider mit Magen-Darm im Bett gelegen und da is schreiben nicht ganz so angenehm 😅

Ich widme dieses Kapitel dem heutigen Geburtstagskind _Keksx   🥳 ich hoffe du hattest einen schönen Tag😊
(2179 Wörter)

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