39. Geständnis

„Das ist einfach nicht fair", flüsterte Baji, als Mikey ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.

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Nach kurzer Zeit waren in der Entfernung leise Sirenen zu hören.

„Das ist der Krankenwagen", murmelte Takemichi der diesen angagiert hatte. Viel Hoffnung hatte der Blonde allerdings nicht, dass die Sanitäter Aiko retten könnten.

„Los! Verschwindet! Ich werd hier bleiben", rief Kazutora unter Tränen, da er die Gang nicht in Schwierigkeiten bringen wollte. Alle Blicke waren auf ihren Anführer gerichtet. Dieser Verstand auf was sein Freund hinaus wollte, auch wenn es ihm schwerfiel. Mikey richtete sich entschlossen auf.

„Lasst uns gehen!", befahl er und machte sich auf den Weg Richtung Ausgang.

„Ich werde sobald es möglich ist im Krankenhaus vorbei schauen.", rief er noch an Kazutora gerichtet, dann verschwand er und hinter ihm die restlichen Gangmitglieder.

Jetzt waren nur noch Kazutora und Baji bei dem Mädchen. Kazutora wischte sich die Tränen weg und nahm sie mit zitternden Armen hoch. Schon im nächsten Moment kam der Krankenwagen um die Ecke gefahren und bremste hastig ab. Sofort sprangen die Sanitäter aus dem Wagen und rannten auf den Jungen zu, der den bewegungslosen Körper in seinen Armen hielt.

„Was ist psssiert?", riefen sie geschockt als sie das viele Blut sahen, welches aus dem kleinen Körpert austrat.

„Sie würde angschossen, bitte helfen Sie ihr!", schrie der Vize ihnen mit aufgebrachten Gefühlen entgegen. Kazutora musste sich sehr zusammenreißen keinen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Er wusste, dass er jetzt stark sein musste. Stark für sie.

Sofort rückten zwei andere Sanitäter mit einer Trage nach.

„Bitte lassen Sie mich mitkommen", flehte er als er Aiko auf der Trage ablud. Die Sanitäter stimmten zu, woraufhin sie alle zu dem Krankenwagen eilten.

„Kazu, ich komm nach!", rief Baji seinem besten Freund zu, dann fiel die Tür zu.

Mit Blaulicht und Sirene raste der Krankenwagen durch die Straßen Tokyo's. Den ganzen Weg über hielt Kazutora die kalte Hand seiner besten Freundin und betete. Betete, dass sie es schaffen würde, dass sie überleben würde, dass alles wieder gut werden würde. Sie durfte ihn einfach nicht verlassen. Was sollte er denn sonst machen? Eine einzelne Träne tropfte auf ihre Hand.

Um die Liege herum standen einige Ärzte die sich um Aiko's Verletzung kümmerten. Kazutora wurde richtig schlecht als die Ersthelfer ihr seinen Hoodie abnahmen, den er benutzt hatte um ihre Blutung zu stillen. Darunter war alles rot. Die Schulter des Mädchens war über und über mit dunkelrotem Blut bedeckt. Am liebsten würde er weggucken, doch er konnte es nicht. Er wollte sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.

Die Sanitäter legten schnell eine Kompresse auf die Einschusswunde und banden den Verband fest zu.

„Ich habe einen Herzschlag, aber er ist ganz schwach", verkündete einer der Ärzte. Kazutora drückte Aiko's Hand instinktiv fester an sich.

*Bitte kämpfe Aiko, bitte überlebe. Dadraußen sind so viele Menschen die dich lieben, du musst einfach weiterleben*, dachte er dabei und sendete ihr seine Gedanken in der Hoffnung, dass sie ankommen würden.

Im Krankenhaus angekommen ging alles ganz schnell. Aiko wurde mit ihrer Liege aus dem Krankenwagen geschoben und eilig in die Notaufnahme verfrachtet. Kazutora lief eilig hinterher, bis seine Freundin in den OP Raum geschoben wurde. In diesen durfte er nicht mit rein. Nervös drehte er Kreise vor dem Raum und schaute immer wieder auf die Uhr um zu prüfen wie lange sie schon da drinnen war. Zu seinem Pech fühlten sich 5Minuten an, als wäre schon eine Stunde vorbei. Immer schneller lief er hin und her, alles machte ihn Wahnsinnig. Das Ticken der Uhr, seine hallenden Schritte, die Gespräche der Menschen um ihn herum und vorallem die Ungewissheit machten ihn fertig. Er wollte endlich wissen ob sie es geschafft hatte. Mit schwitzigen Fingern fasste er in seine Haare die vom Schweiß ebenfalls trieften.

*Was soll ich nur machen wenn sie nicht überlebt?*, fragte er sein verzweifeltes Inneres.

‚Du könntest dich selber umbringen, ohne sie hat dein armseliges Leben doch sowieso keinen Sinn mehr', meldete sich die Stimme aus seinem Unterbewusstsein seit langem mal wieder. Verzweifelt kämpfte er gegen den Gedanken an. Er wollte nicht sterben, aber was war diese Welt für ihn noch wenn sie nicht da wäre. Niemals wäre es eine gute für ihn. Er hatte kein Zuhause, keine Familie, hätte dann auch keinen mehr den er lieben würde. Kisaki würde ihn weiter versuchen zu manipulieren und versuchen ihm alles zu nehmen was er hat.

*Was soll das nur für ein Leben sein?!*, fragte er sich und ging dabei in die Hocke. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Immer schneller rannten ihm diese über die Wangen. Nun war er sich sicher, wenn Aiko sterben würde, würde er ihr folgen. Niemals könnte er mit ihrem Verlust klarkommen. Er würde nur in noch tiefere Depressionen fallen und sich noch mehr verletzen, als er es jetzt schon tat.

Aus seiner Verzweiflung heraus schrie er laut auf. Sein Heulen konnte er nun auch nicht mehr zurückhalten und schluchzte laut drauf los. Die umstehenden Leute, die ihn alle besorgt, aber dennoch abwertend ansahen kümmerten ihn einen Dreck. Er wollte es endlich wissen. Wissen, dass sie lebte und alles wieder gut werden würde. Sein Schluchzen und Schreien wurde immer intensiver. Keiner der um ihn herumstehenden wusste so recht, was sie tun sollten, also starrten sie ihn nur weiter an. Kazutora dagegen litt. Er hatte Schmerzen in seinem Herzen, sein Magen zog sich zusammen, worauf ihm kotzüblem wurde, seine Augen brannten wie Feuer von den ganzen salzigen Tränen, an denen er sich immer wieder hustend verschluckte. Er war fertig mit der Welt und seine Hoffnung die er in Aiko's Überleben sah war gering. Er wolle einfach nur gehen, gehen damit er diesen ganzen scheiß hier hinter sich lassen konnte. Die ganzen Schmerzen, seine Missgeburt von Vater und sein erbärmliches Leben. Immer tiefere sank er zu Boden, bis er auf dem weißen Fliesenboden kniete.

„Kazu, beruhige dich", flüsterte ihm kurz darauf eine sanfte Stimme ins Ohr. Gleichzeitig vernahm er zwei starke Arme, die sich um seinen gebrechlichen Körper legten.

„Baji...ich...ich kann nicht mehr", schluchzte der Vize, der seinen Freund ohne hinzusehen sofort erkannt hatte.

„Ich weiß, ich bin bei dir, alles wird gut", murmelte der Kommandant ihm beruhigend ins Ohr während er ihm sacht über den Rücken strich.

„Gib nicht auf Kazu, sie kämpft da drinnen, noch lebt sie, also glaub bitte an sie", gab er ihm zu verstehen, worauf Kazutora leicht zusammen zuckte.

„Du hast recht", flüsterte er und stellte sich langsam auf seine wankenden Beine. Baji stützte ihn zu den Stühlen des Wartezimmers. Kazutora ließ sich auf den klapprigen Sitz fallen und starrte wortlos auf den Boden. Der Schwarzhaarige setzte sich ebenfalls schweigend neben seinen besten Freund.

Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen. Mikey, Draken, Takemichi, Mitsuya und Chifuyu waren in der Zwischenzeit auch im Krankenhaus angekommen. Kazutora hatte sich in der ganzen Zeit nicht bewegt. Immer noch starrte er die weißen Fliesen an und blendete seine Umgebung dabei vollkommen aus. Für ihn war einzig und allein das Überleben seiner besten Freundin von Bedeutung.

„Denkst du wir können irgendwas für ihn tun?", fragte Takemichi besorgt an den Kommandanten der ersten Division gewand und sah dabei auf das Häufchen Elend neben Baji. Auch wenn der Blonde es sich fast gedacht hatte, schüttelte der Schwarzhaarige zu seiner Enttäuschung nur den Kopf.

„Wir können nur hoffen, dass sie überlebt, das ist das einzige, was ihn jetzt noch helfen könnte", murmelte Baji und schielte dabei besorgt zu seinem besten Freund neben sich.

„Was machen wir mit ihm, wenn Aiko es nicht schafft?", fragte Mikey mit ernster Mine.

„Dann werde ich ihn keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, sonst wird etwas schlimmes passieren...", antwortete Baji, der zum Schluss immer leiser wurde. Er wollte sich dieses Szenario nicht ausmalen. Es sich nicht mal vorstellen. Er hatte Angst. Angst um seinen besten Freund, den er wie einen Bruder liebte. Angst, dass dieser ihn für immer verlassen könnte. Vor seinem inneren Auge erschien auf einmal, wie als wäre es ein Film, der Tag an dem er Kazutora von seinem Selbstmord abgehalten hatte. Der Tag an dem er fast zu spät gekommen wäre. Das Messer was sich in seinen gebrechlichen Körper bohrte. Das Blut, welches aus der Wunde lief und Kazutora's Oberkörper rot färbte. Seine Hand, die wie Feuer brannte, als er das Messer umklammerte um Kazutora vor sich selbst zu retten.

„Hey Baji, alles gut?". Keisuke sah nach oben in Mikey's Gesicht, dessen Blick ihn besorgt musterte. Erst jetzt bemerkte der Kommandant die einzelnen Tränen die ihn bei seinen Gedanken über die Wange liefen. Schnell wischte er sie weg.

„Ja...ich mach mir nur Sorgen", beantwortete er nun die Frage des Anführers.

Stunden waren vergangen und immer noch war nichts neues bekannt. Die Operation lief immer noch. Kazutora hatte sich seit er sich auf diesen Stuhl gesetzt hatte nicht bewegt. Immer noch hatte er seine Ellenbogen auf den Oberschenkeln abgestützt und seine Finger in seinen strubbeligen Haar vergraben. Baji saß schweigend neben ihm und sah ab und zu zu seinem besten Freund hinüber. Oft wollte er schon anfangen etwas zu sagen, hielt sich dann aber immer selbst auf. Mikey lief die ganze Zeit beunruhigt auf und ab und schaute dabei immer wieder zu der OP Lampe über der Tür, die immer noch rot leuchtete. Chifuyu, Takemichi und Draken saßen die meiste Zeit schweigend da, hin und wieder unterhielten sie sich kurz, was aber nie lange anhielt.

Hin und wieder kamen ein paar Krankenschwestern vorbei, die den sechs Jungen mitleidende Blicke zuwarfen. Auch ein paar Besucher oder Patienten liefen öfters an dem Wartezimmer vorbei. Sonst war es aber immer still, fast schon zu still. Die Zeiger der Uhr waren im regelmäßigen Takt zu hören. Genauso die Schritte von Mikey, die in dem fast leeren Raum laut wieder hallten.

Abrupt blieb der Blonde stehen und sah nach oben. Die rote Lampe leuchtete nicht mehr.

„Seht mal", machte der Anführer die anderen darauf aufmerksam, die alle bis auf Kazutora gleichzeitig die Köpfe hoben. Schon im nächsten Moment, bevor noch jemand etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür und ein Arzt kam heraus. Dieser kam etwas näher auf die Jungen zu. Kazutora hob leicht seinen Kopf, dass er in das Gesicht des Mediziners blicken konnte.

„Die Operation war ein Erfolg, sie ist jetzt wieder stabil, auch wenn es an ein Wunder grenzt", verkündete der Arzt lächelnd. „Es wird nur noch etwas dauern bis sie aufwacht".

Takemichi und Chifuyu brachen augenblicklich in lautes Jubeln aus und führten dabei eine Art Freudentanz auf. Mikey und Draken lächelten beruhigt. Baji grinste und legte seinen Arm um Kazutora, der das alles noch nicht so realisieren konnte.

„Hey sie lebt! Sie hat es geschafft! Jetzt freu dich endlich!", lachte Baji und schüttelte Kazutora dabei an den Schultern.

„Ich weiß", lächelte er sanft und stand nun auf.

„Darf ich zu ihr?", fragte Kazutora den Arzt der immer noch lächelnd im Wartezimmer stand.

Dieser nickte nur und sagte ihm die Zimmernummer.

Mikey trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Los geh und kümmere dich um sie, wir werden morgen nach ihr sehen.", lächelte der Anführer ihm zu, da er sich denken konnte, dass Kazutora gerade am liebsten alleine mit ihr sein wollte. Dankend nickte der Vize der ersten Divison und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer in das sie inzwischen gebracht war.

Vorsichtig öffnete die Tür und lurte hinein. Er sah Aiko. Bewegungslos mit geschlossenen Augen. Eine weiße Decke lag über ihr. Ihre Haare waren auf dem ganzen Kissen neben ihr verteilt. Vorsichtig kam er näher und betrachtete sie. Ihre Schulter zierte ein weißer, dicker Verband. Behutsam nahm er ihre rechte Hand und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.

*Bitte, werd ganz schnell gesund*, flehte er in Gedanken und strich dabei behutsam mit seinem Daumen über ihren Handrücken.

Mehrere Stunden saß er nun schon schweigend neben dem Mädchen, ihre Hand dabei fest umgriffen.

„Hey Kazutora, ich bring dir dein Essen", hörte eine ruhige Stimme die ihn aufblicken ließ. Er sah in ein ihm vertrautes Gesicht und nahm der blonden Frau das Tablett mit Essen ab.

„Danke, Akaya", murmelte er nur, stellte das Essen neben sich ab. Danach nahm er sofort wieder Aiko's Hand und fuhr über diese.

„So wie es aussieht schläft sie immer noch", seufzte die Krankenschwester, die Kazutora schon seit Baji's Aufenthalt kannte. Sanft legte sie eine Hand auf die Schulter des blondschwarzhaarigen Jungen und lächelte ihm aufmunternd zu. „Das wird schon wieder".

Nach einem leichten Nicken von Kazutora verschwand diese auch schon.

Zögerlich aß er etwas. Doch schon nach drei Bissen in das Brot legte er es seufzend zur Seite.

Erschöpft legte er seinen Kopf auf seinen verschränkten Armen, die auf dem Bett lagen ab und schloss die Augen.

Auf einmal wurde Kazutora hellwach. Verschlafen öffnete er die Augen, woraufhin er sich verwirrt umsah. Im Zimmer war es stockdunkel.
*Warum bin ich denn jetzt schon wach?*, fragte er sich in Gedanken und gähnte dabei leise.

„Hey...Kazu", vernahm er eine zärtliche Stimme neben sich. Schnell riss er den Kopf herum. Seine Augen weiteten sich und ein Lächeln stieg ihm ins Gesicht. Aiko war wach. Ihre Augen sahen zwar noch etwas trüb aus, aber dennoch war er froh endlich wieder ihr wunderschönes Braun zu sehen.

„Aiko...ich bin so froh", lächelte er erleichtert und umarmte sie sanft, woraufhin eine kleine Träne des Glücks über seine Wangen lief.

Das Mädchen zog ihn näher zu sich und kraulte die Haare an seinem Nacken, was Kazutora genoss und dabei wohlig die Augen schloss.

„Es tut mir so leid, dass ich dir nicht geglaubt habe", durchbrach Aiko irgendwann die Stille. Kazutora setzte sich leicht auf und nahm dabei erneut sanft ihre Hand.

„Ist schon ok...du hast schließlich Hanma geliebt...natürlich glaubst du ihm da mehr als mir", antwortete er ruhig, auch wenn es dennoch an seiner Psyche nagte.

„Im Nachhinein frage ich mich echt wie ich ihn nur je lieben konnte", sagte sie mit einer gewissen Traurigkeit in ihrer Stimme.

„Du hingegen warst immer ehrlich zu mir. Du hast so vieles für mich getan, von dem ich gar nichts gewusst habe. Du hast so viel für mich geopfert und riskiert. Ich war einfach nur blind. Zu blind um zu erkennen, was für ein toller Kerl du bist. Zu blind um zu verstehen, dass du es warst den mein Herz eigentlich ausgesucht hatte. Dass du derjenige bist, der eigentlich an meiner Seite sein sollte.", flüsterte sie ihm zu und setzte sich dabei langsam auf, bis sie nur noch wenige Zentimeter von Kazutora's Gesicht entfernt war. Das Herz des Jungen klopfte ihm vor Aufregung und Überforderung bis zum Hals. Seine Sinne begannen sich erneut zu vernebeln. Schweigend saß er vor ihr und ließ es einfach zu.

„Ich liebe dich auch, Kazutora", bestätigte sie sein Geständnis von heute Nachmittag und legte sanft ihre Lippen auf seine.

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Das war doch mal wieder ein schönes Ende, nachdem die letzten in ziemlichem Drama geendet sind 😄

Was glaubt ihr wie Kazutora auf dieses plötzliche Geständnis reagieren wird?🤔

Denke mal die meisten werden es erst morgen lesen, deswegen wünsche ich euch einen schönen Tag, ich geh jetzt erstmal schlafen😅

Über Feedback würde ich mich freuen 😊

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