20. Die Gefühle einer Mutter
Nach einem kurzen Fahrtweg lud Baji seinen besten Freund an dessen zuhause ab. Die beiden verabschiedeten sich mit einer kurzen, kumpelhaften Umarmung bevor Kazutora vorsichtig ins Haus schlich. Ihm zitterten die Knie, als er an dem spärlich beleuchteten Wohnzimmer vorbei schlich.
*Hoffentlich bemerkt er mich nicht*, betete er und versuchte seinen hektischen Atem zu beruhigen.
Vorsichtig lugte er um die Ecke, doch bei genauerem hinsehen, sah er, dass sich nur seine Mutter im Wohnzimmer aufhielt. Sie saß auf der Couch mit einer Schüssel Popcorn, dick eingehüllt in eine dunkelblaue Decke.
*Was macht sie da?*, fragte er sich in seinem inneren, da diese sonst nie zu dieser Uhrzeit hier aufzufinden war. Normalerweise beschlagnahmte sein Vater sonst immer den größten Raum des Hauses.
„Mutter?", fragte er vorsichtig, worauf sich die Frau so sehr erschreckte, dass ihr fast die Schüssel aus der Hand gefallen wäre. Ebenfalls erschrocken von ihrer Reaktion wich er abrupt zurück.
„Was machst du denn hier?", fragte sie erschrocken und richtete ihr Popcorn.
„Ähm wohnen?", gab der Junge belustigt von sich, worauf seine Mutter auf diese Aussage nur schmunzelte.
„Was schaust du da?", fragte er und blickte auf den eingeschalteten Fernseher vor sich, von dem seine Mutter ihre Augen kaum wegbekam.
„Halloween", antwortete sie nur knapp und schlang angespannt eine Hand voll Popcorn hinunter.
Er musste leicht auflachen. Es erinnerte ihn sehr an früher. Seine Mutter schaute schon immer gerne Horrorfilme, auch wenn sie dabei immer eine furchtbare Angst verspürte. Verstanden hatte er es nicht, aber meistens schaute er dann immer mit, da dies seine Mutter zu beruhigen schien.
„Wie oft hab ich dir schon gesagt, das solche Filme nichts für dich sind", lachte er leicht auf und schüttelte dabei leicht den Kopf.
Lange Zeit stand er einfach nur da. Schaute auf den Fernseher und überlegte. Überlegte ob er hier bleiben oder hoch gehen sollte oder ob er sich gar neben sie setzen sollte. Er dachte an heute Mittag. Den Zeitpunkt der ihn und seine Gefühle vollkommen aus der Bahn rissen. Zu gerne würde er nochmal das warme Gefühl spüren, welches ihm nur seine Mutter geben konnte. Doch er hatte Angst. Angst wieder so zu enden wie heute auf der Straße. Angst erneut nicht mit dieser Masse an Gefühlen umgehen zu können. Angst sich wieder von seiner inneren Stimme beeinflussen zu lassen. Doch er wollte es so sehr, er wollte noch einmal dieses wohlig warme Gefühl spüren.
Zögerlich ließ er sich auf dem Sofa nieder, während seine Mutter vor Angst und Anspannung teilweise zitterte. Kazutora hingegen machten diese Horrorschinken nichts aus, er war sie aber auch schon vol klein auf gewöhnt. Damals hatte er sie auch schon mit seiner Mutter geschaut und immer wenn diese sich fürchtete, drückte sie ihren damals noch kleinen Jungen an sich.
„Wo ist Vater eigentlich?", fragte er irgendwann nach, da es ihn eigentlich weniger interessierte wo er war, sondern eher wie lange er vor diesem Monster in Sicherheit war.
„Er ist die ganze Woche weg , er ist auf Geschäftsreise", antwortete seine Mutter knapp während sie im Sekunden Takt das knusprige, süße Zeug verschlang.
Kazutora hätte vor Freude eine Party feiern können. Es ließ ihn entspannter werden. Zuvor saß er angespannt und kerzengerade auf dem Sofa, doch diese Aussage ließ ihn zurück lehnen. Er dachte wieder an das Gefühl, welches er bis jetzt noch nicht bekommen hatte.
Vorsichtig rutschte er etwas näher zu seiner Mutter. Irgendwie hoffte er insgeheim sie hätte es nicht bemerkt. Etwas in ihm hatte immer noch Angst vor der Nähe zu ihr. Doch schon im nächsten Moment spürte er einen Arm um sich, der ihn kräftig zu ihr zog. Unruhe und Entsetzen breiteten sich in ihm aus. Irgendwie wollte er fliehen, aber irgendwie auch nicht. Er versuchte seine Anspannung zu lösen, doch sein Inneres sträubte sich. Sein Körper verkrampfte und seine Hände schwitzten.
*Beruhige dich, sie ist deine Mutter. Sie liebt dich.*, redete er sich selbst immer wieder ein, während er immer wieder kräftig ein und aus atmete. Die regelmäßige Atmung half ihm. Schon bald fühlte er sich wesentlich besser und entspannter. Der Arm seiner Mutter gab ihm inzwischen ein gutes Gefühl. Ein Gefühl von dem er mehr wollte, viel mehr. Er überlegte kurz ob er es wirklich tun sollte, doch dann nahm er seinen Mut zusammen. Zögerlich rutschte er noch näher zu ihr und legte seinen Kopf auf ihrer Schulter ab, so wie er es früher oft getan hatte.
Diese schaute ihn verwundert an. Doch im nächsten Moment zauberte es ihr auch schon ein Lächeln ins Gesicht. Sie wanderte mit ihrer Hand nach oben und strich ihm durch seine weichen, schwarzblonden Haare, wie sie es schon früher gemacht hatte, wenn die beiden zusammen einen Film angeschaut hatten.
Normalerweise hasste Kazutora es, wenn irgendjemand seine Haare verstrubbelte, aber das war schließlich nicht irgendwer sondern seine Mutter. Wohlig schloss er seine Augen und genoss das Gefühl, das ihn an seine frühe Kindheit zurück erinnern ließ. Eine Zeit, in der noch nicht alles schlecht war. Das neue Gefühl nach dem er sich sehnte kam zurück. Endlich hatte er es. Und dieses Mal konnte er es so richtig genießen. Niemals würde er wieder wollen, dass es weggehen würde. Zum ersten Mal, seit er aus dem Knast draußen war, fühlte er sich wohl in diesem Haus.
Irgendwann wurden seine Augen schwer und er schlief behutsam an der Schulter seiner Mutter ein. Die junge Frau musste lächeln bei diesem Anblick. Vorsichtig griff sie seinen Oberkörper und ließ diesen sachte auf der Couch nieder. Liebevoll deckte sie ihn zu und strich ihm über den Kopf.
Lange beobachtete sie ihren Sohn. Sie wusste selber, dass sie früher vieles falsch gemacht hatte. Dass sie unverzeihliche Sachen gemacht hatte. Früher war ihr dies alles gar nicht bewusst gewesen. Erst die letzten zwei Jahren, in denen ihr kleiner Junge im Gefängnis war, zeigten ihr wie wichtig er ihr war, wie sehr sie ihn liebte und wie vieles sie falsch gemacht hatte. Sie war dankbar. Dankbar, dass Kazutora ihr anscheinend vergeben hatte und sie nicht hasste. Nichts war ihr wichtiger, als jetzt für ihn da zu sein und ihm alles zu geben, was sie früher nicht konnte beziehungsweise sich nicht traute.
Als der Film vorbei war, stand sie vorsichtig auf und flüsterte noch ein kurzes „Gute Nacht mein Junge"
Bevor sie auf Zehenspitzen den Raum verließ.
Am nächsten Morgen wurde Kazutora von den warmen Sonnenstrahlen geweckt, die ihm ins Gesicht schienen. Schützend hielt er seine Hand über die Augen, um nicht zu sehr geblendet zu werden.
Verschlafen drehte er sich um, bis er merkte, dass er gar nicht in seinem Bett lag sondern im Wohnzimmer auf dem Sofa. Sofort fiel ihm alles ein. Wie er gestern mit seiner Mutter den Film geschaut hatte und das Gefühl was er dabei hatte. Augenblicklich musste er lächeln.
Genüsslich streckte er sich und wankte in die Küche. Auf dem Tisch erblickte er einen zusammengefaltetes Stück Papier. Er nahm es auf und faltete es auseinander. Darin befanden sich 8000Yen (umgerechnet 60€). Erstaunt nahm er die Scheine an sich und las daraufhin die japanischen Schriftzeichen, die mit schwarzen Kugelschreiber auf das Blatt geschrieben waren.
>Hay Kazutora, die 8.000Yen sind dein Taschengeld hab einen schönen Tag<
Obwohl seine Familie reich war, war er doch erstaunt über die Menge an Geld, die sie ihm einfach so gab.
Lächelnd dachte er an Aiko. Sofort kam ihm die Idee das kleine Mädchen zum Essen einzuladen. Jetzt hatte er endlich mal die Möglichkeit sich ordentlich für alles was sie für ihn getan hatte zu bedanken.
Er nahm sein Handy aus seiner Hosentasche. Mit schnellen Bewegungen suchte er Aiko's Nummer heraus und schrieb ihr eine kurze Nachricht.
>Hey Aiko, ich bin's Kazutora :) ich wollte dich fragen, ob du heute Abend Zeit hast. Ich würde dich gerne zum Essen einladen, als kleines Dankeschön für alles, was du für Baji und mich getan hast ^^<
Wenig später bekam er auch schon eine Antwort von ihr.
>Sehr gerne^^ wann soll ich wo sein?<
>Ich hol dich um 20Uhr bei dir zuhause ab ^^< schrieb er noch und legte sein Handy wieder beiseite.
Daraufhin ging er ins Bad um sich fertig zu machen. Ein leises Klingeln ertönte aus seinem Zimmer. Mit schnellen Schritten folgte er dem Geräusch und sah sein Handy aufleuchten. Hastig hechtete er darauf zu und nahm grade noch rechtzeitig ab.
„Hallo?", fragte er etwas außer Atem.
„Ich muss dringend mit dir reden", vernahm er die Stimme seines Bosses am anderen Ende. Er hatte einen beunruhigenden Unterton.
„Mikey? Ist alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig nach.
„Das wird sich zeigen, sei in einer halben Stunde am Schrein", kam es nur noch vom Anführer dann legte er abrupt auf.
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Na was denkt ihr was Mikey von dem gute Kazutora will?
Findet ihr es gut wenn Kazutora und seine Mutter sich wieder besser verstehen?
Lasst gerne Feedback da :)
(1407 Wörter)
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