Nachdem er seinen Schatten zurückgezogen hatte, ging ich einen Deal mit dem Teufel ein. Konnte ich ihn so nennen? Womöglich. War er es? Vielleicht. Aber mein Herz sagte mir, dass es viel schlimmere Teufel gab als ihn. Und was hatte ich denn zu verlieren? Wenn ich nicht einging, wanderte meine Seele so oder so zu Satan. Wenn ich einging, hatte ich wenigstens die Chance, bei ihm zu landen. Wenn er seinen Versprechen nicht brach.

Als der Engel, der geboren wurde.

Ich fragte mich, wie er als Engel ausgesehen hatte. Die Engel hatten doch normalerweise Flügel. Aber bei ihm sah ich keine. Ein Schauer rieselte mir über meinen Rücken. Ich wollte nicht daran denken. Es war was anderes, gefoltert zu werden, jedoch ein anderer, seine lebendigen, mit dem Körper verbundenen Flügel herausgerissen zu bekommen. Es war denkbar, dass ich mir das aber auch nur über den Kopf steigen ließ. Vielleicht gab es solch einen Vorfall nicht und ich bildete es mir nur ein.

» Wie sieht der Plan aus ? «, fragte ich.

» Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung «, brummte er. Ich ging auf die Kücheninsel und nahm die kalte Klinge. Der Dämon verzog eine Augenbraue nach oben und sah mich fragend an. Ein Deal wurde nicht nur sprechend gemacht, nein. Es verlangte immer nach Blut. Denn Blut war der mächtigste Teil von uns. Es gab uns Leben und ob wir es wollten oder nicht, waren wir damit verbunden.

» Der Deal ist nur gültig, wenn man es mit Blut unterzeichnet «.

» Ich möchte dein Blut nicht «, sagte er sachlich und schüttelte seinen Kopf. Unsicher ließ ich meine Klinge sinken. Ein Deal ohne Blut ? Das bedeutete, dass wir nicht aneinander gebunden waren. Vertraute er mir ? Es schien ihm zu reichen, nur mit Wörtern ein Versprechen zu geben. » Wenn ich Blut gewollt hätte, hätte ich deine Wunde nicht versorgt. Der Boden ist sowieso ein Blutbad «. Belial bückte sich und tunkte einen Finger in mein noch reines Blut, das sich noch nicht mit seinem verbunden hatte, und steckte es sich in den Mund. Für einen kleinen Moment schien er sich darin zu verlieren. Es hatte wieder etwas komisch Intimes, das mich unbehaglich mein Gewicht von einem zu anderen Fuß verlagern ließ. Ich gestand mir aber, dass es mir nicht viel ausmachte. König hin oder her, er war ein Dämon. Seine Speisen waren nun mal wir Menschen. Unser Blut, unser Fleisch und unsere Seelen.

» Köstlich «, hauchte er, wie weggetreten. Mein Blick lenkte sich auf seine vollen Lippen, als er sanft mit seiner Zunge darüber strich. Bewegung kam wieder in seinen Körper und endlich bemerkte er, dass ich ihn anstarrte. Etwas zurückhaltend lächelte er. » Tut mir leid, es ist schon so lange her, seitdem ich sowas Leckeres geschmeckt habe «.

Ohne auf seine etwas wirre Entschuldigung einzugehen, lehnte ich mich an der Insel und verschränkte meine Arme vor der Brust. » Ich will alles über die Unterwelt erfahren. Alles, was ich noch nicht weiß «.

» Das wirst du. Was willst du erfahren ? «.

Es gab vieles, das ich nicht wusste. Das wurde mir bewusst, nachdem Belial die jeweiligen Geschichten erzählte und nach und nach die Kerzen auspustete. Mir kam nie in den Sinn, dass Dämonen Persönlichkeiten haben konnten. Uns wurde beigebracht, sie wären direkt böse geboren. Die Vergangenheit interessierte mich. Wo sollte ich bloß anfangen ? Während ich meine Gedanken versuchte zu ordnen, hing der Name Luzifer darin fester, als die der anderen. Er begann die Sünde, sich in eine Menschentochter zu verlieben.

» Luzifer, fangen wir mit ihm an. Du sagtest er wurde als Engel verbannt , als er sich in einen Menschen verliebt hatte «.

Der böse Dämon mit schwarzen Augen und ohne Pupillen lächelte traurig. Es schien ihn zu schmerzen, über Luzifer zu reden, und ich fragte mich, wieso. Als wäre die Frage auf meinem Gesicht geschrieben, antwortete er darauf. » Luzifer war und ist einer meiner Freunde, und ich war mehr als nur erschrocken, als ich erfuhr, was er getan hatte. Das Wort erschrocken ist noch minder ausgedrückt. Ich war am Boden zerstört. Ich war der Erste, der davon erfuhr. Er vertraute es mir an. Natürlich hatte ich es keinem gesagt. Aber Gott weiß über alles Bescheid. Der Tag, an dem er verurteilt wurde, war das Schlimmste, das ich bisher je erlebt hatte. Die Erde, auf der die Menschen leben sollten, war damals noch nicht fertig gewesen «.

Im Laufe des Erzählens wurde seine Stimme leiser und seine Augen starrten in die Leere. Als befände er sich nicht mit mir in meiner Küche, sondern weit weg. In seiner persönlichen Hölle. Besser gesagt, in Luzifers Hölle, die er mitansehen musste. Für eine kurze Zeit verstummte er, sein Körper angespannt. Ich kannte diese Haltung. So erging es mir, wenn mich meine Vergangenheit einholte und ich nichts tun konnte. Sie brachen immer wieder wie ein gewaltiger Tsunami über mich ein und ich ertrank hoffnungslos.

» Du musst nicht weiterreden «, fing ich an, aber er unterbrach mich, indem er mir deutete, ihm zu folgen. Zögerlich betrachtete ich das Blut auf dem Boden, bevor ich ihm folgte. Ohne einen Finger zu krümmen, schoben sich die Möbelstücke wieder an Ort und Stelle. Er setzte mich auf das Sofa und er selbst ging hinüber zu einer gegenüberliegenden Wand und ließ sich daran heruntergleiten. Wäre er kein Dämon, hätte ich wahrscheinlich gelacht. Ein König saß auf meinem alten Boden und ich auf meinem Sofa. Aber mir war nicht zum Lachen zumute. Ihm auch nicht. Seine rauchige, dunkle Stimme hallte im Raum wieder und hüllte mich in die Geschichte der verzweifelten Liebenden ein, die kein glückliches Ende bekamen.

» Er hatte vor, mit ihr abzuhauen. Sie hieß Althea. Nur einmal bekam ich sie zu Gesicht. Sie war wunderschön. Hatte schwarze, lange und glatte Haare, die ihr bis zur Taille reichten. Tiefe, braune, warme Augen, die jeden lieblich angesehen hatten. Makellose Haut, reine Ausstrahlung. Doch ihre mächtigste Waffe, war ihre Stimme gewesen. Sie liebte es, zu singen. Und so wurde Luzifer auf sie aufmerksam. Wenn sie anfing, verfiel jeder Engel, jeder Mensch und jedes Tier in Stille, nur um ihr zuzuhören. Luzifer verliebte sich direkt in sie. Es war Liebe auf den ersten Blick «.

Seufzend winkelte er seinen linken Bein an und ließ die rechte ausgestreckt. Er verkreuzte die Arme, so als würde er sich schützen wollen, für das was er als nächstes sagen würde.

» Es kam alles anders. Sie konnten nicht mal einen Schritt vorwärts, als schon Gottes Stimme auf sie nieder donnerte. Die beiden Liebenden mussten zusehen, wie der jeweils andere litt. Luzifer kämpfte gegen seine eigenen Brüder und Schwester, die versuchten, ihn festzuhalten. Und er konnte sich befreien. Seine Liebe zu ihr war schon... Besessenheit. Aber er kam zu spät. Gott verwandelte Althea zu dem Mond, den wir nun jeden Abend sehen konnten. Es war alles andere als schön. Auch sie versuchte sich zu befreien, es gelang ihr nicht. Ein Mensch gegen dutzende Engel. Alles passierte plötzlich. Ihr Geschrei nach Luzifer verstummte, nur um kurz darauf vor Schmerzen zu kreischen. Sie warf sich auf den Boden und schien zu explodieren «.

Die Geschichte wiederholte sich vor meinen Augen und ich sah alles buchstäblich vor mir, als wäre ich damals da gewesen. Das Mädchen, wie sie sich vor Schmerzen krümmte und sich dauernd umherwarf. Dann sah ich einen blonden, wunderschönen Mann, der von einem blassen, kräftigen Mann mit goldenen Augen festgehalten wurde. Der blonde Mann brüllte, trat um sich und kämpfte, als hinge sein Leben daran. Das tat es auch wahrscheinlich. Beim näheren Hinsehen, erkannte ich, dass der allerschönste Mann, mit den goldenen Augen und den goldenen, größten Flügeln, Belial war. Er hielt Luzifer fest.

» Wie machst du das ? «, fragte ich fassungslos.

» Ich finde es nur fair. Denn auch ich habe deine Vergangenheit gesehen, also lasse ich dich in meinen Gedanken und produziere sie wie eine Leinwand «.

Verblüfft stand ich von meinem Sofa auf und lief direkt auf die ältere Version von Belial zu. Seine Arme waren um Luzifers Oberkörper geschlungen. Man merkte, wie anstrengend es sein musste, da die Venen auf seinen Armen hervorstachen. Und Luzifer. Seine Augen aufgerissen vor Angst. Nicht um sich. Sondern um Althea. Ihre Schreie wurden immer lauter. Als ich mich zu ihr drehte, merkte ich, dass ich nicht mehr in meinem Wohnzimmer stand. Ich befand mich bestimmt auch nicht mehr auf der Erde. Ich befand mich in Belials Erinnerung. Vorsichtig ging ich zu dem hübschen Mädchen rüber und bemerkte erschrocken, wie sich ihr Körper aufblähte und ihre makellose Haut Risse bekam. Blut spritzte überallhin und tiefe, klaffende Wunden erschienen. Sie wurde auseinandergerissen.

Mir wurde schlecht und benommen kniete ich vor ihr. Das Mädchen schien mich gehört zu haben, denn sie öffnete die Augen und sah mich direkt an. Ihre aufgeplatzten Lippen formten ein einziges Wort, bevor sich ihr Körper ausdehnte und platzte. Hilfe . Ihre Organe flogen mir um die Ohren. Erschrocken stolperte ich zurück. Das, was von ihr übrig geworden war, verformte sich in Stein und sie schrie ein letztes Ich liebe dich, bevor sie verstummte. Der Mond, den ich von der Erde aus kannte, erschien vor mir und seine Ausstrahlung blendete mich fast. Ich erhob die Arme und schützte mich vor dem grellen Licht.

Die Explosion ließ meine Trommelfelder platzen. Benebelt blieb ich liegen und versuchte zu verdauen, was gerade passiert war. Leider hatte ich nicht genügend Zeit dafür, denn obwohl ich taub war, konnte ich Luzifers herzzerreißendes Gebrüll hören. Ich versuchte aufzustehen, was mir nicht gelang, also kroch ich auf allen vieren, auf die zwei Kämpfenden. Ich musste wissen, wie die Geschichte ausging, obwohl auch mir nun Tränen über die Wange rollten.

» Bitte, bitte, bestraft mich. Nicht sie. Ich flehe euch an. Tut ihr nichts. Verdammt, lass mich los «, kreischte Luzifer und warf sich gegen Belial. Dieser zitterte schon vor Anstrengung und ließ ihn los. Der blonde Engel konnte sich nicht auf den Füßen halten und fiel auf den Boden. Nun hockte er vor mir. Seine Flügel legten sich schützend um ihn, und er weinte, während er andauernd nach seiner Geliebten rief. Der Mond schien verzweifelt. Sie hörte ihn. Sie sah ihn. Belial kniete sich vor Luzifer hin.

» Es tut mir so leid, Luz «, flüsterte er und nahm seinen Kumpel in die Arme. Dieses Mal wehrte sich Luzifer nicht. Er ließ es geschehen. Denn ich sah an seiner Körperhaltung, dass alle Kräfte ihn verlassen hatten. Belial weinte mit ihm. Um seine Hüfte war nur ein lockerer Stoff gebunden. Sein Oberkörper war nackt. Seine Flügel waren doppelt so groß, als die von Luzifer, oder von den gesichtslosen Engeln, die um uns standen. Hinter seinem Flügel bemerkte ich Waffen. Überrascht runzelte ich meine Stirn.

Bevor die beiden ihre Verschnaufpause ausweiten konnten, fing der Boden an zu beben. Panisch schrie ich. Was passierte denn nun? Genau neben Luzifer und mir brach der Boden auf und ein endloser Tunnel erschien. Ganz unten erkannte man einen roten Punkt. Und als ich mich dahin beugte, schlug die Hitze in mein Gesicht. Ängstlich wich ich zurück. Luzifer wehrte sich nicht. Das Loch wurde größer und verschlang ihn. Belial war derjenige, der ihn angsterfüllt festhielt, damit er nicht in die Unterwelt fiel.

» Lass los «, flüsterte Luzifer mit gebrochener Stimme.

» Ich kann nicht, Luz. Verlange das nicht von mir ! «. Jetzt war es Belial, der schrie. Der blonde Engel sah hinab auf die endlose Leere unter sich, dann zu Belial und dann zu seinem Geliebten.

» Ich liebe dich «.

Er riss sich von Belial los und fiel. Der Dämonenkönig und ich schrien gleichzeitig auf. Belial versuchte noch, ihn festzuhalten, schaffte es aber nicht. Der blonde wunderschöne Engel fiel in die Unterwelt, verbannt, weil er sich verliebt hatte. Der Körper von Belial spannte sich an, als würde er herunterspringen wollen. Ich schrie seinen Namen und versuchte aufzustehen. Ich musste ihn aufhalten. Bevor er oder ich etwas unternehmen konnten, verschloss sich das Loch mit einem Ruck und ließ uns sprachlos zurück. Sogar in meinem Inneren ächzte eine schmerzliche Leere. Belial stürzte sich auf die Stelle und schlug mit seinen großen Fäusten dagegen. Er versuchte seinerseits, ein Loch zu erschaffen.

Ich zuckte zusammen, als ich seine Knochen brechen hörte. Er jedoch machte weiter. Als ihm die Kraft ausging, zog er hinter seinem Rücken ein langes, scharfes Schwert und versuchte, den Boden damit aufzubrechen. Der Boden rührte sich kein Stück. Verzweifelt ließ Belial seinen Kopf in den gebrochenen Händen sinken. Ich wollte zu ihm. Ich wollte ihn trösten. Das erste Mal wollte ich ihn von mir aus berühren. Gerade als meine zitternden Hände ihn berühren wollten, glitt meine Hand durch ihn hindurch. Alles löste sich auf und ich befand mich wieder in meinem Wohnzimmer.

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