4҉
Er zog seinen Finger zurück und leckte an dem Salz. Keine Sekunde lang verzog er das Gesicht. Während er das tat, sah er mir tief in die Augen. Er erwartete eine Reaktion von mir. Mein Gehirn war wie benebelt. Der König Belial soll vor mir stehen? Das kann doch nicht stimmen. Bestimmt log er mich an. Dämonen waren dafür bekannt, Lügen auszuplaudern, immer wenn sie ihre Münder öffneten. Wenn er Belial wäre, hätte er mir seinen echten Namen nie verraten. Das gab mir Macht über ihn. Die einzige Schwäche von Dämonen. Wieso also sollte er mir seinen Namen anvertrauen? Ich könnte jeden Moment ein Ritual durchführen und ihn wieder in die Hölle katapultieren.
Eine Sekunde lang schwankten meine Gedanken. Konnte ich das wirklich? Es war eine Sache, unterrangige Dämonen zu verscheuchen, aber eine andere, einen König zu verbannen. Er hatte es mir ja demonstriert. Ein Fingerstrich und er hatte meine Barriere kaputt gemacht. Also musste er doch etwas Königliches haben. Jetzt ergab die Krone einen Sinn, der immer noch auf seinem Kopf saß, kein Stück verrutschte und höhnisch glitzerte.
Meine Beine reagierten wie von selbst und stemmten sich hoch. Wie vom Teufel gejagt rannte ich in die Küche und riss eine Schublade auf. Zum Vorschein kam eine Klinge. Sie war länger und dicker als gewöhnliche Klingen. Der Griff war mit einer üppigen, saphirblauen Haifischhaut umwickelt. Die Klinge war leicht gebogen und mehr als scharf. Bestens geeignet, einen Gegner im Nullkommanichts auszuschalten. Die Klinge verfügte über eine schmale, gewellte Parierstange, die eine ideale Gewichtsverteilung schaffte, um mit dieser Klinge sanfte und präzise Schwünge zu ermöglichen. Der Knauf war mit kostbaren Edelsteinen verziert. Die Klinge wurde nicht von irgendeinem Schmied gemacht. Sie wurde von meiner Sekte gemacht. Jeder bekam eine personalisierte Klinge. Meine Klinge selbst war blank. Keine Markierungen, keine Verzierungen und keine Gravuren. Das war üblich. Damals wollte ich nichts von alldem. Es würde der Kling nur schaden. Sie musste robust sein.
Ich wirbelte herum und sah den Dämon vor mir stehen. Sein Blick fixierte sich auf die Klinge in meiner Hand. Wie konnte er immer so verdammt leise sein und sich an mich ran schleichen? Der Griff um meine Klinge nahm zu und ich hob sie drohend hoch. Vor seinem Gesicht hielt ich an. Ein Wurf und die Klinge würde seinen Schädel durchbohren. Die Klinge wurde in meiner Sekte gemacht, ja, aber nie ausgehändigt. Ich stahl sie. In jener Nacht, als das Feuer ausbrach und alles verschlang. Außer mich. Es wäre töricht gewesen, so eine monströse Waffe jedem einzelnen Opfer zu geben. Hätte ich die Klinge schon bei meinen Folterungen gehabt, hätte ich jeden umgebracht, der mir in die Nähe kam.
» Noch ein Schritt und ich durchlöchere dich «, warne ich ihn.
» Denkst du wirklich, eine Klinge würde mir Schaden zufügen? Da musst du dich mehr anstrengen, Zuke «, gab er zurück und hob beschwichtigen seine Hände. » Und ich werde mich dir niemals nähren, solange du es nicht willst «.
Perplex versuchte ich, ihn irgendwie zu verstehen. Seine Handlungen machten keinen Sinn. Er half mir mit den Halluzinationen, gab mir meine Medizin. Obwohl er mit einer Handbewegung meine Barriere zerstören konnte, um mir Schaden zuzufügen, ließ er mich schlafen. Er blieb immer auf Abstand, weil er wusste, wie sehr ich Körperkontakt hasste und vermied. Mein Gehirn schrie mich an.
Gefährlich! Er war gefährlich.
Gewiss war er das. Wieso reagierte aber mein Körper ganz anders? Es war ein eigenartiges Gefühl. Wie eine innere Ruhe, die mein Hirn betäubte. War das seine Absicht? Mich in Sicherheit zu hüllen, damit ich unachtsam wurde, um mir den Rest zu geben?
Nein, flüsterte meine innere Stimme. Wenn das seine Absicht wäre, hätte ich die Nacht nicht überstanden. Eine andere Frage brannte mir auf der Zunge, und ich ließ sie über meine Lippen gleiten.
» Was willst du von mir? «.
Er antwortete nicht direkt. Stattdessen ließ er die Hände sinken. » Ich brauche deine Hilfe «, gestand er.
» Wieso sollte ich einem Dämon helfen ? «, knurrte ich zurück. War das sein verdammter Ernst? Was hatte ich denn ihm zu bieten? Nichts und wieder nichts ! Es war, als würde er mich verspotten. Mein Gesicht verzerrte sich vor Wut und ich presste die Lippen zu einem dünnen Strich.
» Ich brauche das Buch der Verdammten «.
Die Klinge rutschte mir fast aus meinen Händen. Nicht nur die Klinge, auch meine Gesichtszüge entglitten mir. So schnell es mir gelang, setzte ich mir mein Pokerface auf, aber zu spät. Er hatte mich erwischt. Er hatte mitangesehen, wie nah es mir ergangen ist. Meine Hände fingen an zu schwitzen, und die Klinge wog plötzlich tonnenschwer.
» Ich wusste es doch. Du weißt etwas darüber Bescheid «.
» Keine Ahnung, was du meinst «.
» Wirklich ? «, blaffte er und verdrehte die Augen, » Du bist eine schreckliche Lügnerin «.
Das Buch der Verdammten. Wir Menschen hatten die Bibel oder den Koran. Alle göttlichen Botschaften, die in diesen Pergamenten standen. So war das Buch der Verdammten dasselbe für die Hölle, für die Dämonen. Dieses Buch bestand aus purer, dunkler Magie. Wenn es in die falschen Hände gelang, würde es das Ende bedeuten. Es hatte die Macht, dutzende von mutierten Dämonen zu erschaffen. Die Dämonen in unsere Welt herauszulassen und noch viel schlimmere Sachen. Ein furchtbares Blutbad würde entstehen. Keiner würde überleben. Nicht mal die Dämonen, denn jedes Ritual erforderte ein Opfer. Und diese war hoch. Fast schon unbezahlbar.
» Was hast du damit vor ? «, wollte ich wissen. Lügen brachte mir nichts. Wie er schon erwähnt hatte, war ich eine schreckliche Lügnerin. Also, wieso nicht auf den Punkt kommen. Die eigentliche Frage war hier, würde er mich anlügen. Natürlich würde er das, es lag in seiner Natur.
»Satan und Leviathan bekämpfen. Das ist meine Absicht. In ihr Königreich einmarschieren und es niederreißen. Dafür brauche ich starke, solide Soldaten, die für mich kämpfen. Und nur das Buch der Verdammten kann mir das ermöglichen. Natürlich habe ich selber auch Soldaten, vertrauenswürdig und die Besten der Hölle. Aber es braucht mehr, gegen die zwei anzukämpfen «.
» Lügner. Kein Dämon würde seinesgleichen bekämpfen. Ihr seid ein und dasselbe «, fauchte ich.
» Menschen bekämpfen sich auch, Aldreda, muss ich dir das wirklich vor der Nase führen. Dir wurden Lügen aufgetischt. Du kennst unsere Unterwelt nicht, kennst nicht, wie die Seelen leben oder unsere Sitten. Du kennst mich nicht «, presste er angespannt hervor und kniff dabei die Augen zusammen.
» Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du nicht Belial bist. Kein Dämon, schon gar kein König würde mir Macht über sich geben «.
» Ich bin Belial! König von Plingax. Und was würde es schon ändern, wenn du meinen Namen weißt ? Du hättest es früher oder später schon erfahren. Außerdem «, fügte er hinzu und sah mir wieder in die Augen, » möchte ich dein Vertrauen gewinnen «.
Schallendes Gelächter entfuhr mir. Das Gewicht der Klinge wurde mir nur allzu sehr bewusst, und ehe er sich versah, schleuderte ich sie gegen sein Herz. Dämonen hatten ein Herz, sie schlugen nur nicht, weil sie nie menschlich waren. Ihr Körper brauchte kein pumpendes Herz, das sie mit Sauerstoff versorgte. Sie alterten nicht. Die Könige waren unsterblich, die Untertanen hingegen jedoch nicht.
Die Klinge traf sein Ziel. Der Dämon blickte mich ungläubig an und dann die Klinge. Seufzend schüttelte er den Kopf, setzte seine Hände an die Parierstange und zog sie grob heraus. Blut spritzte heraus und verwunderte, musterte ich die Farbe des Blutes. Normalerweise bluteten sie pechschwarz, doch seiner war eine Mischung aus dunkelrot und lila. Fast schon Purpur. Verwirrt lehnte ich mich gegen die Schublade, die noch offen stand.
» War das wirklich nötig gewesen? Jetzt ist deine Küche voller Blut «.
» Wie kann das sein? Deine Blutfarbe. Wieso sieht sie so aus ? «, fragte ich fassungslos. Ein Lächeln huschte über seine Lippen und wir beide sahen, wie sich seine Wunde in innerhalb von binnen Sekunden heilte. Sein zerrissenes Fleisch ließ kleine Fäden von beiden Seiten erscheinen. In der Mitte trafen sich die Fleischfäden und zogen sich mit einem Ruck zusammen. Fast schon zu schnell für menschliche Augen, jedoch hatte ich etwas Erfahrung dabei und wusste, wie er heilte.
» Schon vergessen? Ich war einst ein Engel. Damals war mein Blut rein. Solch eine Farbe hatte ich noch nie gesehen . Ein schimmerndes, helles Rot. So hell, dass es wieder aussah wie fließendes Gold. Dämonen hingegen haben Blut wie Teer. Klebrig und dunkel. Schwärzer als die Nacht. Als sich meine zwei Blutsorten trafen, ergab sich die Farbe «, erklärte er mir und zuckte mit den Achseln.
Sein Gewand war zerrissen und Blut sickerte darauf. Jedoch war keine Wunde zu sehen. Zu unseren Füßen hatte sich eine kleine Pfütze von Purpurblut versammelt. Die Klinge hielt er in den Händen. Als er das bemerkte, schritt er auf die Kücheninsel und legte sie dort ab. Davor wischte er mit seinem kaputten Gewand sein Blut weg.
» Was habe ich davon ? «, flüsterte ich. Er hielt inne. Ohne sich umzudrehen, antwortete er mir. Seine Stimme klang nun kalt und gedämpft.
» Deine Seele, sie wurde markiert. Besser gesagt, verkauft von den Menschen, die in deiner Sekte waren. Ich kann es sehen. Ich sah es direkt am ersten Tag «.
» An wem ? «.
» Satan «, brummte er.
» Was bedeutet das ? «, stotterte ich.
» Verdammt «, knurrte der König und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Ich konnte seine Rückenmuskeln anspannen sehen. Er drehte sein Gesicht zu mir. Seine pechschwarzen Augen blickten gequält. » Cinnard, so hieß doch der Bastard. Er ist nichts im Vergleich zu Satan. Glaub mir, du wirst den dreckigen Priester noch suchen, wenn du in den Fängen des Teufels bist. Satan ist für seine Sünden bekannt. Wut, Rachsucht und das Allerschlimmste ist die Gewaltbereitschaft. . Er wird in deine dunklen Geheimnisse eindringen und sie dir immer wieder zufügen, bis deine Seele nur noch eine leere Hülle ist. Es gibt weitaus schlimmere Sachen wie den Tod, Zuke, und das ist eine Gefangenschaft in Satans Händen, denn du wirst niemals sterben können «.
Mir rutschte das Herz in die Hose. Ich versuchte, zu Atem zu kommen. Doch der Sauerstoff reichte nicht aus. Ich war kurz davor, zu kollabieren. Es würde sich wiederholen. Immer und immer wieder. Geistesabwesend berührten meine Hände die offene Schublade. Darin befand sich ein kühles, scharfes Messer. Mit der linken Hand griff ich in das Messer. Sie schnitt mir die Haut sofort auf und warmes Blut tropfte auf den Boden. Der Schmerz verdrängte meine unheilvollen Gedanken und ich holte tief Luft. Es half mir dabei, im Hier und Jetzt zu bleiben. Nicht zu kollabieren.
» Aldreda, was tust du ? «, fragte der König schockiert, als er das Blut wahrnahm, das sich mit seiner Blutpfütze verband. Etwas Intimes hatte es, als sich unser Blut vermischte. Also, mir kam das so vor. » Lass das Messer fallen «, befahl er und das erste Mal hörte ich auf ihn. Mit einem lauten Klirren kam das Messer auf den Boden auf.
» Lass mich dir helfen «, bat er, doch ich wich weiter zurück. Könnte ich es, würde ich eins mit dem Küchenschrank werden. »Keine Sorge, ich werde dich nicht berühren «.
Irritiert wartete ich auf seine nächste Handlung. Wie wollte er mir helfen, ohne mich zu berühren? Als ob er meine Frage gehört hätte, beantwortete er sie, indem er die Hände erhob. Die Handfläche nach außen gedreht. Aus seinen Fingerspitzen kam schwarzer Dampf empor. Ich erstarrte auf der Stelle. Die schwarze Wolke vermehrte sich und dichtete sich langsam zusammen. Zum Vorschein kam ein schwarzer Schatten, der sich frei bewegen konnte. Es hatte sein Abbild. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Jetzt wusste ich, dass er nicht log. Er war wahrhaftig Belial, der König von Plingax.
» Darf ich ? «, fragte er und ich nickte aufgelöst. Belial selbst stand weit von mir entfernt, sein Schatten jedoch schwebte geräuschlos zu mir her. Direkt vor mir blieb er stehen. Gespannt wartete ich, was er nun machen würde. Der Schatten sah mich fragend an. Er wollte noch eine Bestätigung.
» Ja, du darfst «, hauchte ich. Zufrieden legte der Schatten seine Hand an meine Verletzte und zog diese zu sich. Der Schatten sah solide aus, er war es aber nicht. Durch die anbrechende Sonne bemerkte ich die winzigen Lücken. Die Sonne schien sanft durch ihn hindurch. Es war wie ein kalter Windhauch. Kein echtes Fleisch, keine echte Haut. Wie eine kühle Herbstnacht wehte der Schatten um mich und betastete meine Wunde.
» Die Wunde ist nicht zu tief. Es wird leicht heilen «, bemerkte der König. Meine Augen suchten seine und sie trafen sich, über die Schulter des Schattens.
» Siehst du durch seine Augen ? «.
» Natürlich, es sind ja meine Augen. Mein Schatten, der dich berührt. Stell dir vor, es wäre eine Projektion«, sagte er. Sein Schatten verschwand kurz, nur um darauf mit Verbandszeug zu erscheinen. Um es ihm leichter zu machen, streckte ich brav meine Hand zu ihm und ließ mich verarzten. Der Schatten hatte kein Gesicht, keine bemerkbaren Körperteile, keine Augen. Nur durch sein Schema bemerkte man, dass es Belial war. Und die Krone natürlich.
» Das kann jetzt wehtun «, warnte er mich. Der Schatten hielt ein Desinfektionsmittel. Behutsam schüttete er die Flüssigkeit auf meine Wunde. Es brannte. Mit zusammen gebissenen Zähnen versuchte ich keinen Ton von mir zu geben. Als das geschafft war, war nur noch ein leichtes Pochen zu spüren. Sanft verband der Schatten meine verletzte Hand. Währenddessen versuchte ich mich abzulenken.
» Warum nennst du mich Zuke ? « .Diesen Begriff hatte ich noch nie gehört. Der Schatten stoppte kurz, bevor er fortfuhr. Der König ließ sich Zeit und wartete, bis sein Schatten fertig war. Ich sah hinab auf meine Hand. Sie war sorgfältig verarztet. Ich bedankte mich beim Schatten. Hätte es ein Gesicht, hätte ich schwören können, dass er grinste.
» Zuke bedeutet Silber. Deine Haare «, murmelt er und sein Schatten griff sanft in meine Haare hinein, » Erinnern mich an flüssiges Silber. Wie die sachten Bächer des Himmels. Ich habe sehr viele Engel in meinem Leben gesehen, aber keines kann dir das Wasser reichen «. Seine Stimme flüsterte nur noch. Der Schatten wickelte zärtlich eine Strähne um seinen Finger und ließ sie wieder hindurch geleiten. Es war ein bemerkenswerter Kontrast. » Aber nicht nur deine Haare, nein, sogar deine reine Haut. Sie ist schöner und strahlender als der Mond. Würde man alle Sterne zusammenzählen und mit dir vergleichen, wären sie neidisch «. Gefühlvoll legte der Schatten seine Hand an meine Wange und streichelte sie. Und ich ließ es erstaunlicherweise zu. Die Röte schoss mir in die Wangen und ich neigte meinen Kopf nach unten. Meine Haare versteckten meine brennende Wange. Mein Herz raste wieder mal, dieses Mal aus einem anderen Grund.
» Hör mir zu, Aldreda «, verlangte der König und ich war gezwungen, ihm in die Augen zu sehen. » Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dich von Satan zu befreien und dich in mein Reich zu holen. Nach Plingax. Keiner wird dir dort Schaden zufügen können. Du wärst unter meinem Schutz. Das verspreche ich dir. Und nicht als der Dämon, der ich wurde. Sonders als der Engel, der geboren wurde «.
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