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ℐ 𝓉ℴ𝓁𝒹 𝓂𝓎 ℊ𝓁𝒶𝒹ℯ 𝒶𝒷ℴ𝓊𝓉 𝓎ℴ𝓊. .𝒯𝒽ℯ 𝒸𝓁ℴ𝓊𝒹𝓈 𝓅𝒶𝓇𝓉ℯ𝒹
𝒶𝓃𝒹 𝓈𝒽ℴ𝓌ℯ𝒹 𝓂ℯ 𝓉𝒽ℯ 𝓈𝓉𝒶𝓇𝓇𝓎 𝓈𝓀𝓎.
ℬ𝓊𝓉 𝓃ℴ𝓃ℯ ℴ𝒻 𝓉𝒽ℯ𝓂 𝓌ℯ𝓇ℯ ℯ𝓃ℴ𝓊ℊ𝒽 𝓉ℴ
𝒸𝒶𝓅𝓉𝓊𝓇ℯ 𝓉𝒽ℯ 𝓁ℴ𝓋ℯ 𝒻ℴ𝓇 𝓎ℴ𝓊
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Der Raum war unheimlich still. Das Ticken der Uhr kam mir ohrenbetäubend vor. Meine Augen huschten zu den Zeigern und fokussierten sich darauf. Eine Sekunde nach der anderen verstrich. Das Zimmer roch noch Desinfektionsmittel und war ziemlich schlicht gehalten. Inmitten stand ein großer, massiver Schreibtisch, auf dem mehrere Monitore waren. Eine Druckmaschine, Stempel, viel Papierzeug und eine Vase mit wunderschönen Blumen. Sie waren die einzigen Farbkleckse im Raum. Auf meiner Stirn stand ein Schweißfilm. Mit zitternden Händen wischte ich mir den Schweiß mit meinen Ärmeln weg.
» Aldreda «, rief mich meine Therapeutin und versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Ich seufzte und wandte mich zu ihr. Mich hatte man auf einem weichen Sofa hingesetzt und gegenüber von mir saß mein Doktor auf einem Plastikstuhl. Wie ironisch. Nichts von alldem verdiente ich. Ausgeburt der Hölle, so würden sie nach mir rufen.
» Was haben Sie gesagt ? «, fragte ich nach.
Denn anscheinend hatte sie mich etwas gefragt, da sie erwartungsvoll mit großen Augen zu mir herübersah. Meine Beine waren angewinkelt, und meine Hände legte ich auf meine Knie. Mit kaputten Fingernägeln versuchte ich den losen Faden, der aus meiner Hose hervorlugte, abzureißen. Ich war alles andere als anschaulich. Man würde sagen, ich wäre von den Toten auferstanden oder unter Drogen. Also eins von den beiden Behauptungen stimmte und das waren nicht die Drogen. Meine sehr hellblonden, fast silbrigen Haare hatte ich unter einer Kapuze versteckt. Die Blässe meiner Haut verursachte, dass meine Sommersprossen kaum zu übersehen waren. Und natürlich die Narben. Diese hässlichen Narben.
» Die Stimmen « , sagte sie zögerlich. » Hörst du sie noch ? «.
Die Stimmen, sie verließen mich nie. Es war fast schon zu einer Gewohnheit geworden. Die Beschimpfungen, die zuckersüßen Lügen, die sie mir damals aufgetischt hatten und natürlich die grauenhaft qualvollen Schreie. Nicht nur sie hörte ich. Sondern die ekelhaften Gelächter und genussvolle Stöhnen, während sie von uns einen nach dem anderen vergewaltigten. Ein eiskalter Schauer durchfuhr mich.
» Nein, ich höre gar nichts mehr «.
» Dieses Gespräch hatten wir oft, ich kann dir nicht helfen, wenn du mich belügst. Rede offen mit mir. Ich möchte dir helfen «
» Keiner kann mir helfen, ich bin sowieso so gut wie Tod «, flüsterte ich. Dieses Mal sagte ich die Wahrheit. Es war nur die Frage der Zeit, bis mich der Untergang einholen würde. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es nicht mehr so lange dauern würde, und wieder mal kam mir die tickende Uhr viel zu laut vor.
» Was hast du gesagt ? Ich habe dich nicht gehört « , meinte sie frustriert. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meinen Lippen. Es war so einfach. Wie ein Spiel, bei dem man, egal was man tat, verlor. Und der Preis war hoch. » Sie können mir nicht helfen, Doc. Ich bin sowieso Tod «, antwortete ich ihr nun lauter. Sie hörte es und klappte ihr Heft, indem sie alle möglichen Notizen vor mir nahm, geräuschvoll zu. Ihr Körper neigte sich leicht zu mir, als sie sich auf dem Plastikstuhl zurechtsetzte.
» Lass mich helfen «. Bei ihrer Aufforderung versteifte ich mich. Es war aber nicht ihretwegen. Sie versuchte nur ihrem Job gerechtfertigt zu werden, und wer weiß, vielleicht wollte sie mir wirklich helfen. Doch das konnte ich nicht zulassen. Niemals. Das Wort Vertrauen kannte ich, aber wusste nicht mehr, wie es war, mit jemandem vertraut zu sein. Blind den Rücken zu einem zu kehren und zu wissen, dass einem nie etwas passieren würde. Das Gefühl hatte ich nie und ich war nicht besessen darauf, es zu erfahren, denn sie brachte nichts außer Kummer und Enttäuschung.
Abrupt stand ich auf. Das Sofa knarzte leicht, als es meinem Gewicht loswurde. Meine Therapeutin stand ebenfalls auf und verschränkte die Arme miteinander. Sie wirkte wie eine tadelnde Mutter. Mutter... Ich schüttelte meinen Kopf. Die Gedanken würde ich nicht zulassen. Denn wenn ich es tun würde, gäbe es kein Zurück mehr und ich würde unter meinen ganzen Gefühlen ertrinken.
» Die Besprechung ist zu Ende, Doc. Sie haben 5 Minuten überschritten «, war das einzige, das ich sagte. Nun war es an ihr, ihren Kopf zu schütteln. Mit schweren Schritten ging sie hinüber zu ihrem Schreibtisch und öffnete eine Schublade.
» Weißt du, Aldreda, ich begleite dich schon seit Jahren. Von der ersten Begegnung bis jetzt und ich werde immer für dich da sein. Du bist die einzige, die diesen Vorfall ...überlebt hat. Körperlich zumindest «, redete sie, während sie in den Schubladen rumwühlte. » Aber seelisch ? Sie haben dir alles genommen. Das sehe ich in deinen Augen. Und es tut mir wahnsinnig Leid. Ich wünschte, ich hätte irgendwie helfen können. Dich früher finden zum Beispiel. Das winzig bisschen Lebensfunken zu wahren, der dir geblieben war. Aber ich konnte keinen von ihnen wahr machen. Das weiß ich «.
Nachdem sie in ihren Schubladen fündig wurde, kam sie mit bedächtigen Schritten auf mich zu und Panik machte sich in mir breit. Langsam hob sie die Hände, als stünde vor ihr ein verschrecktes Reh. Womöglich war es auch so. Mein Körper spannte sich an und meine Muskeln zitterten, bereit jeden Moment loszurennen. Aber Doc wäre nicht Doc, wenn sie nicht wüsste, wie sie mit mir umzugehen wüsste. Langsam, um mich nicht weiter zu erschrecken, legte sie eine Packung auf den Boden zwischen uns. » Was ist das ? «, fragte ich argwöhnisch.
» Medizin «, beantwortete sie meine Frage und ging zurück, um mir Platz zu lassen. Währenddessen erhob sie eine Hand und deutete mit ihrem Zeigefinger auf ihren Kopf. » Das ist Benzodiazepine. Beruhigungsmittel, besser gesagt. Um die Stimmen etwas einzudämmen. Ganz vertreiben wird es sie nicht. Aber es wird dir guttun. Benzodiazepine wirken dämpfend auf das Zentralnervensystem «.
» Danke «, murmelte ich und hob die Medizin auf. Kühl und klein lag sie in meiner Hand. Sachte schüttelte ich sie und die kleinen Tabletten darin flogen umher und erzeugten einen leichtes Geräusch. »Liebend gerne. Keiner wird wissen, dass du hier warst und die Medizin bekommen hast. Das verspreche ich dir. Nimm sie nur ein, wenn du wieder Halluzinationen hast «.
Halluzinationen. Ja, manche davon waren wirklich Halluzinationen. Manche leider nicht. Das konnte ich ihr aber nicht sagen. Ich konnte es selber nicht unterscheiden, was real war und was nicht. Es gab manche Tage, an dem alles verschwommen war, als würde man versuchen durch Teer zugucken. Die Phantomschmerzen, die mich tagelang plagten und die Albträume, die mich nie losließen. Etwas wie Dankbarkeit durchflutete mich und mein Griff um die Packung wurde fester. Es war möglich, dass das Medikament, auch wenn es nur für ein paar Stunden war, mir etwas Frieden geben würde.
Ich nickte Doc zu und wendete mich, um meine Tasche zu holen und von hier zu verschwinden, bevor mich jemand zu Gesicht bekam. Aber mitten in der Bewegung erstarrte ich. Das Zimmer hatte große Fenster, die hinab auf die Stadt blickte. Es war schon dunkel draußen und die Lichter glitzerten um die Wette. Das Fenster spiegelte sich. Ein paar wirre Locken hatten sich aus meiner Kapuze gestohlen und umrahmten mein mageres Gesicht. Die Narbe, die mir zugefügt wurde, lag schwer und sichtbar auf meinem Gesicht. Aber keines von allem hat mich erstarren lassen. Ich kannte das alles schon.
Es war die Gestalt eines Mannes, der hinter mir stand und mich beobachtete. Außer meiner Therapeutin und mir war keiner im Raum. Keiner wusste, dass ich hier war. Und dennoch stand er da. Den Kopf leicht schräg gelegt und starrte mich an. Ich schluckte hart und versuchte mich zu entspannen. Er war nur eine Halluzination. Sachte drehte ich mich um und blickte von meiner Schulter nach hinten. Nur Doc stand dort und sah mich besorgt an.
» Ist alles in Ordnung, Aldreda ? Du siehst aus als ob du einen Geist gesehen hättest «.
Nein, er war kein Geist. Definitiv nicht. Der Raum füllte sich plötzlich mit Rauch, Schwefel und Verwesung. Bebend kehrte ich mich zum Spiegel und die Reflexion war immer noch da. Ich kannte diesen Duft. Nie würde ich sie vergessen.
Dämon. Er war ein Dämon.
Meine Lippen fingen an, vor Angst zu zittern. Der Dämon kam mir näher. Ich hielt den Atem an. Es fühlte sich an, als wäre der Raum um 15 Grad Celsius kälter geworden. Und mit jedem Schritt, den er zu mir tat, wurde es kälter. Direkt hinter mir blieb er stehen. Da es eine Reflexion war, konnte ich nicht viel ausmachen. Was mir recht war. Dennoch konnte ich die Aura von ihm sehen. Sie war dunkelgrün. In seinen Händen hielt er etwas, das ich nicht identifizieren konnte. Wieder neigte er den Kopf und seine pechschwarzen Augen bohrten sich in meine.
» Aldreda «.
Seine Stimme war rauchig, tief und rau. Ein unbekanntes Kribbeln durchfuhr mich. Seine Lippen verzogen sich zu einem schelmischen Lächeln und entblößten seine scharfen Zähne. Das Zittern hatte sich auf meinen ganzen Körper breitgemacht. Mein Medikament rutschte mir aus meinen schweißigen Händen und der Deckel sprengte auf. Die ganzen Tabletten lagen verstreut um unsere Füße. Ganz langsam verblasste sein Spiegelbild, wobei er keine Sekunde mit den Wimpern zuckte oder von mir wegsah. Als er komplett verschwunden war, ließ ich mich auf den Boden fallen. Mein Körper hatte keine Kraft mehr, aufrecht stehenzubleiben. Ein Wimmern durchdrang meinen Lippen.
Sie hatten mich gefunden...
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