Prolog

"Die Ignoranz der Kundschaft nährt die Arroganz der Grosskonzerne."

(Bruno Heter, 2022)

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"Dieses neue Gesetz wird uns bestimmt eine Menge Geld kosten. Können wir das nicht billiger haben?"

"Sie wollen weiterhin Kinder beschäftigen?" Der grossgewachsene, muskulöse Mann im bunten Hemd fixiert den schwitzenden, leicht übergewichtigen Mann aus der Schweiz.

"Nicht doch!", der Schweizer wischt sich den Schweiss von der Stirn, "Wer spricht denn hier von Kinderarbeit? Wir sprechen von billigeren Arbeitskräften. Man könnte es auch Entwicklungshilfe nennen."

"Nennen Sie es, wie Sie wollen. Hauptsache, Sie liefern mir den Stempel auf diesem Papier. Sie versichern uns, keine Kinder auf Ihren Plantagen zu beschäftigen. So will es die UNO. Die haben ihr Büro doch in Ihrem Land, oder etwa nicht? Dann sollte es für Sie kein Problem sein, den Stempel zu bekommen." Lächelnd reicht er dem Schweizer ein Dokument.

Während der Geschäftsmann danach greift, wechselt ein kleiner, dicker Umschlag die Hand. Der Afrikaner blickt stur geradeaus, den Umschlag lässt er unter seinem Hemd verschwinden. Der Schweizer kontrolliert das Formular.

"Aber sehen Sie doch! Der Stempel ist bereits drauf! Was diskutieren wir hier? Sie müssen meine Plantage wieder freigeben. Die Arbeit muss umgehend wieder aufgenommen werden können." Er reicht das Papier an den Schwarzen zurück.

Dieser greift nach einem Stempel, drückt ihn auf ein weiches Stempelkissen und schlägt danach auf das Papier. "Sie einer an, Sie haben recht; hier ist der Stempel. Den muss ich wohl übersehen haben. Sir, bitte entschuldigen Sie. Es ist alles in Ordnung mit Ihrer Bewilligung. Die Plantagen entsprechen den neuesten Vorschriften. Sie dürfen die Ernte einfahren und weiterhin Kakao exportieren. Ich danke Ihnen, dass Sie aktiv gegen Kinderarbeit vorgehen!"

Der Schweizer hebt die Hand zum Gruss, verlässt dann wortlos das Büro. Draussen wartet bereits eine klimatisierte Limousine mit laufendem Motor. Verschwitzt und ausser Atem lässt er sich auf den Rücksitz fallen. "Zum Flughafen, schnell!"

"Sehr wohl Sir." Der Fahrer beschleunigt und die Limousine hinterlässt eine Staubwolke auf dem Platz.

Noch während der Fahrt telefoniert der Geschäftsmann mit seinem Hauptsitz in Vevey. "Ja, Vater. Es ist alles in Ordnung. Die Behörden hier haben vergessen, die Bewilligung in ihre Akten zu legen. Das Papier ist jetzt vor Ort. Die Sperre sollte aufgehoben werden." Er lauscht eine Weile.

"Aber ja, Vater. Wir erfüllen sämtliche Bestimmungen der UNO. Es werden keine Kinder beschäftigt auf unseren Plantagen. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Wir sehen uns in Genf."

Das zweite Telefonat führt er leise, damit der Fahrer nicht mithören kann. "Bono? Ja, wir können wieder beginnen. Hast du schon neue Arbeiter? - Ja? Aus Ghana? Hervorragend. - Nein, sprich mit niemandem ausser mit mir. Sieh zu, dass die Bengel diesmal nicht wieder fliehen können. Du haftest für sie, hörst du? Ich fliege zurück in die Schweiz. Salut."

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