8 - Souanké - Kongo

Eine gewaltige Gewitterzelle über dem Mittelmeer hat den Flug verzögert. Nach acht Stunden verlassen Umbigwe und seine Freunde die Maschine. Sie bedanken sich herzlich bei den Piloten und der Crew.

Als sie ins Freie treten, schlägt ihnen die Hitze unbarmherzig ins Gesicht. Es ist heiß und feucht. Umbigwe lacht. "Willkommen in Afrika, meine Freunde. Hier ist es nicht immer so heiß, es ist oft noch heißer", scherzt er. Marco stöhnt und Java lacht ihn aus.

"Umbigwe, unser Schweizer hier vermisst den Schnee."

"Gar nicht wahr! Ich mag die Hitze, so lange sie trocken ist. Aber hier ist es zudem feucht wie in einem türkischen Dampfbad. Seht her - mein T-Shirt ist bereits klitschnass." Wie zum Beweis seiner Worte zupft Marco an seinem Shirt.

"Das wird es auch bleiben. Duschen macht wenig Sinn, denn du wärst wenige Minuten später wieder am gleichen Punkt. Du wirst dich daran gewöhnen, mein Freund."

"Ich weiß nicht. Ich glaube kaum." Marco blickt zur Seite. "Dir macht das nichts aus, Java?"

"Nein. Auch ich komme aus den Tropen, vergiss das nicht", gibt sie ihm lachend zurück.

Sie schlendern über die Rollbahn, auf einen Hubschrauber zu, der etwas abseits steht. Vor der Maschine wartet ein Mann, rauchend im Schatten seiner Maschine stehend.

"Guten Tag. Ich bin Umbigwe Ndembo. Hat Isabella Sie herbestellt?"

"Guten Tag, Monsieur. Ja. Sie sagte, es sei ein Geschenk für ihre Freunde. Bitte, steigen Sie ein und setzen Sie ihre Kopfhörer auf. Dann können wir auch während des Fluges miteinander reden. Ich bin Louis, Ihr Pilot."

Umbigwe schüttelt dem Piloten die Hand, dreht sich um und bittet seine Freunde einzusteigen. Ein Mann in einem grauen Overall hat sich bereits um das Gepäck gekümmert. Anschließend dürfen sie in den Hubschrauber klettern.

"Ich bin noch nie in einem Hubschrauber geflogen", freut sich Marco.

"Du wirst es lieben, Drummer. Rein mit dir, setze dich ans Fenster. Da siehst du mehr." Java klettert nach ihm in die Maschine, den Schluss macht Umbigwe. Louis hilft ihnen mit den Kopfhörern und zeigt ihnen, wie sie die Mikrophone ein- und ausschalten können.

Die Person auf dem Nebensitz vorne dreht sich um und begrüßt sie auch herzlich. "Mein Name ist Ladina, ich bin die zweite Pilotin. Bitte schnallen Sie sich an."

Die Turbine heult auf, die Rotoren drehen immer schneller, dann wippt die Maschine kurz und hebt ab. Marco schaut begeistert aus dem Fenster. Der Flugplatz wird kleiner, aber nicht so wie in einem Flugzeug. Die Maschine bewegt sich bloß knapp über den Baumwipfeln, Marco hat das Gefühl, sie berühren zu können. Wäre der Hubschrauber langsamer geflogen, hätte es den Schweizer an die Fahrt in einer Seilbahn in den Alpen erinnert.

"Wahnsinn! Das fühlt sich großartig an! Als ob wir fliegen könnten - wenn der Lärm nicht wäre." Die Maschine dröhnt so laut, dass sie ohne die Funkanlage nicht miteinander reden könnten.

"Ja, es fühlt sich beinah an wie Peter Pan. Ich liebe es auch. Manchmal, wenn es eilt, fliegen wir so zu unseren Konzertorten."

"Der Wald ist sehr dicht hier. Ist das ganze Land so stark bewaldet?"

Umbigwe schüttelt den Kopf. "Nein, an den Küsten ist der Wald lockerer. Zudem gibt es große Gebiete der Abholzung rund um die größeren Städte. Das ist zwar nicht schön, aber die Bauern und die Industrie brauchen Platz, damit das Land sich entwickeln kann."

"Wie geht es mit der Entwicklung voran?", fragt Marco.

"Schleppend. Vor einigen Jahren, als die Regierung neu an die Macht kam, war es zuerst besser, die Wirtschaft blühte. Aber heute sind wir erneut in einem Strudel der Korruption gefangen. Das Geld scheint zu versickern, ohne dass unser Land Fortschritte macht." Umbigwe klingt traurig, als er dies sagt.

"Das ist in vielen Ländern Südamerikas nicht anders. Leider, muss ich sagen. Manchmal habe ich den Eindruck, das Amt des Regierungschefs lässt die Männer gierig werden. Aber wahrscheinlich trügt das Bild."

Der Hubschrauber überfliegt eine Lichtung im Wald. Marco wundert sich, keine Tiere sehen zu können.

"Die meisten Waldtiere sind nachtaktiv. Du wirst es heute Abend hören. Der Dschungel ist nachtsüber lauter als am Tag. Wenn ihr möchtet, können wir später einen Ausflug machen. Ich kenne einen guten Führer, der uns zu interessanten Plätzen begleiten kann."

"Gerne, das wäre großartig." Marcos Augen strahlen.

Wenig später landen sie auf dem extra angelegten Landeplatz etwas abseits der Plantage.

Vier Menschen stehen neben dem Flugfeld und warten, bis sich die Rotoren langsamer drehen und der Motor ausgeht. Umbigwe hat bereits die Schiebtür geöffnet und rennt auf seine Schwester zu.

Sie breitet die Arme aus und umarmt den heimkehrenden Bruder. "Umbigwe! Schön, habt ihr es geschafft. Ich bin froh, dass du hier bist, das bedeutet mir sehr viel."

"Wir sind eine Familie, meine Liebe. In dieser schweren Stunde müssen wir zusammenstehen."

Beide weinen um ihren getöteten Bruder. Einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Alle anderen halten sich in respektvollem Abstand. Es ist Malaika, die sich schließlich von ihrem Bruder löst und ihr Kleid glattstreift, während sie mit der anderen Hand die letzten Tränen aus dem Gesicht wischt.

"Begrüßen wir unsere Gäste." Malaika geht auf die Freunde zu, umarmt Java und danach Marco. "Willkommen auf unserer bescheidenen Kakaofarm. Fühlt euch bitte wie zuhause. Ich denke, ihr könnt eine Erfrischung vertragen nach der langen Reise."

"Da liegst du nicht falsch. Mein herzliches Beileid, Malaika. Schön, dürfen wir hier sein."

"Ich bitte dich, Marco. Es ist wunderbar, dass ihr meinen Bruder begleitet und hier seid. Kommt mit, wir haben einen kleinen Willkommenstisch bereitet."

Malaika weist ihnen den Weg, sie folgen ihr zwischen den Häusern hindurch bis zum großen Hauptgebäude. Die Piloten sind ebenfalls dabei, sie werden erst am nächsten Tag zurückfliegen.

Je näher sie dem Haus kommen, desto verführerischer ist der Geruch, der aus der Küche kommt. Umbigwe beginnt zu grinsen, dreht sich um und breitet seine Arme aus. "Meine Freunde, hier erfahrt ihr ganz neue Gaumenfreuden. Meine Schwester ist die beste Köchin des Kongo."

"Er übertreibt", lacht Malaika, "wie eigentlich immer - er ist der Koch in unserer Familie, nicht ich. Mit den unbekannten Gerichten liegt er aber richtig. Ihr werdet Dinge essen, die ihr nicht kennt. Ich hoffe, es schmeckt euch."

Java legt Marco eine Hand auf die Schulter. "Das wird hart für dich, Schweizer. Kein geschmolzener Käse und keine Rösti mit Bratwurst. Meinst du, du stehst das durch?"

"Du solltest mich besser kennen. Ich esse alles, ausgenommen frittierte Taranteln, damit hätte ich Mühe."

"Das ist Afrika hier, nicht Thailand", scherzt Malaika. "Bei uns gibt es vor allem Maniok. Aber kommt herein, seht selbst."

Das Haus ist aus solidem Mauerwerk, während die umliegenden Gebäude meist aus Holz gebaut sind. Der Einfluss der französischen Bauweise ist erkennbar, das Haus wirkt hell und freundlich, aber schlicht. Im Erdgeschoss liegen nebst der Küche noch ein großzügiger Wohnraum und einige Büroräume.

"Eure Zimmer sind oben", erklärt Malaika, "für die Piloten haben wir in einem Nebengebäude Zimmer bereitgestellt, wenn das für euch in Ordnung ist."

"Aber natürlich. Bitte keine großen Umstände unseretwegen. Wir können beinah überall schlafen."

Im Wohnraum steht ein langer Tisch aus dunklem Holz, massiv, sehr edel. Auf die Frage, um welches Holz es sich dabei handle, lacht Umbigwe und erklärt ihnen, dass Tropenholz hier einheimisch sei. "Es ist Azobé, aber ihr kennt es wahrscheinlich als Bongossi. Keine Angst, hier bei uns pflanzen wir für jeden gefällten Baum drei neue nach."

"Das ist ein außerordentlich schönes Holz. Sehr edel, mit leichtem Violettstich. Es gefällt mir sehr." Marco streicht mit der Hand über den Tisch.

"Setzt euch. Das Essen steht bereit."

Aus einem Nebenraum kommen zwei Mädchen angerannt und fallen Umbigwe um den Hals. "Onkel Umbigwe! Du bist wieder hier!"

Er lässt sich umreißen und albert mit den Mädchen auf dem Fußboden. "Nicht so stürmisch, Prinzessinnen! Ihr seid groß geworden - und schwer!"

Als er wieder aufstehen kann, stellt er die Mädchen seinen Freunden vor: "Das sind Singa und Amani, meine Nichten, und der junge Mann dort ist mein Neffe Kyano. Wir sehen uns zu selten."

Unterdessen hat Malaika zusammen mit ihrer Schwester Nala das Essen aufgetischt. Wasser und eine Art Wein stehen zwischen den Speisen. Umbigwe setzt sich zwischen seine Nichten. Er gießt seinen Freunden vom Wein ein. "Das müsst ihr kosten, das ist ein Wein aus Zuckerrohr, wir nennen ihn Lunguila, das bedeutet 'Höre mir zu'. Die geschälten Rohre werden gepresst und der Saft danach vergoren. Schmeckt süß."

Marco und Java genießen es, wie ihr Freund aufblüht und ihnen alles erklärt. Jede Speise auf dem Tisch wird mit der entsprechenden Geschichte vorgestellt, wodurch das Essen sehr lange dauert.

"Das ist Afrika", scherzt Malaika, "Die Zeit läuft hier anders als bei euch in Europa."

"Ich hatte bisher immer das Gefühl, nirgends mehr Gemütlichkeit anzutreffen als bei uns in Süditalien. Aber hier ist es ebenso. Ihr habt ein wunderschönes Zuhause."

"Wisst ihr, Gemütlichkeit ist kein definierbares Gefühl. Es ist eine Kombination vieler Eindrücke. Wenn du dein Herz öffnest, findest du auf der ganzen Welt Gemütlichkeit." Java sitzt längst neben Umbigwe und hat ihre Hand mit seiner verflochten.

Die Kinder sind im Bett, die Piloten ebenfalls. Java löst sich von Umbigwe und packt Marco am Arm. "Drummer, ab ins Bett. Lassen wir der Familie noch etwas Zeit."

Marco lässt sich mitziehen, die beiden verabschieden sich und steigen in den oberen Stock. Am Tisch bleiben Umbigwe, Malaika und Nala.

"Wir haben ihn beerdigt, Umbigwe. Verzeih uns, aber wir mussten es tun."

"Das ist in Ordnung, ich verstehe das." Umbigwe hat Tränen in den Augen. "Ich möchte eine kleine Feier machen, zu seinen Ehren, für mich und meine Freunde."

"Das werden wir auf jeden Fall tun; wir haben schon alles vorbereitet. Wir warten noch auf Djamila. Sie kommt morgen her, sie war in Südafrika auf einer Weiterbildungsreise."

"Wer hat Omari umgebracht?"

"Das wissen wir nicht", erklärt Nala traurig, "Es waren viele Männer. Sie tauchten plötzlich auf, als hätten sie außerhalb der Farm auf irgendwas oder irgendwen gewartet und uns beobachtet."

"Waren es Männer in Uniform? Von der Regierung?"

"Nein, sie trugen zwar Uniformkleidung, aber nicht einheitlich. Es war keine Armee, wenn du das meinst. Wir vermuten, es waren Söldner, die für eine unbekannte Organisation arbeiten. Wahrscheinlich hat es mit dem Kakao zu tun."

"Was sind das für Papiere, von welchen du gesprochen hast, Malaika?"

"Der Junge hatte einige Seiten in seinem Stiefel versteckt. Auf den Papieren stehen Namen und Orte, Daten und Preise. Wir denken, es ist eine Liste von Kindern, die entführt und verkauft wurden."

"Was hat das mit uns zu tun?"

"Wahrscheinlich nichts. Wir vermuten, Omari wurde getötet, weil er sich gegen die Männer gewehrt und den Jungen beschützt hat."

"Ich möchte diesen Jungen morgen kennenlernen", fügt Umbigwe leise an.

Nala legt ihrem Bruder den Arm um die Schultern. "Er schämt sich und fühlt sich schuldig, obwohl er nichts dafür kann. Bitte mache ihm keine Angst, er ist unschuldig."

"Es geht mir nicht um Schuld, Schwesterherz. Dieser Junge ist erst zehn Jahre alt und flieht ganz allein durch halb Afrika, verfolgt von skrupellosen Mördern. Ist euch eigentlich klar, wie mutig dieser Knirps ist? Er ist gleich alt wie dein Sohn, Malaika."

"Ich weiß. Ich schaudere beim Gedanken, es könnte Kyano sein, der verfolgt wird. Die beiden Jungs verstehen sich übrigens sehr gut, sie sind schon Freunde geworden."

"Das ist schön. Ich möchte auch die Papiere sehen und sie Marco zeigen. Vielleicht entdecken wir Hinweise, die ihr bisher nicht gesehen habt."

"Ich will nicht noch mehr in Gefahr geraten", erwähnt Malaika mit fester Stimme.

"Und ich will, dass diese Männer büßen müssen."

"Davon wird unser Bruder nicht wieder lebendig."

"Ja, richtig, schon klar. Aber sein Tod soll nicht umsonst gewesen sein. Ich will diese Männer zur Rechenschaft ziehen. Und dazu brauchen wir diese Papiere."

"Die Männer sind gefährlich."

"Ja, Nala, das sind sie. Aber unser Land verkommt zur Wüste, wenn sich niemand gegen solche Männer wehrt. Je weniger Menschen etwas tun, desto mehr Macht haben diese Organisationen. Das wollt ihr doch auch nicht."

"Natürlich nicht! Aber wir wollen in Frieden leben können, ohne Angst."

"Ich kann nie in Frieden leben, wenn ich diese Männer tun lasse, was immer sie tun. Das ist nicht unsere Vorstellung von Frieden."

"Du lebst nicht mehr hier, Bruder." Malaikas Stimme ist lauter geworden.

"Echt jetzt? Du wirfst mir das vor?" Umbigwe schaut seine Schwestern schockiert und traurig an. "Wir sind eine Familie. Wir haben unseren großen Bruder verloren. Wir sollten nicht streiten, wir sollten zusammenstehen."

"Sehe ich auch so. Entschuldige, war nicht böse gemeint. Die Nerven liegen blank, wir sollten schlafen gehen."

"Ich danke dir für den lieben Empfang. Meine Freunde fühlen sich bereits sehr wohl."

Nala zwinkert ihrem Bruder zu. "Und du dich auch, Bruder. Java ist eine sehr nette Frau. Verbock das nicht, hörst du?"

Umbigwe lacht. Die Situation ist entschärft. Obwohl sie alle hundemüde sind, helfen sich die Geschwister beim Aufräumen. Sie gehen erst schlafen, als sowohl das Wohnzimmer als auch die Küche sauber aufgeräumt sind. Als letzte löscht Malaika das Licht und kontrolliert, ob die Haustüre verschlossen ist. Eine Kontrolle, die sie erst seit dem Überfall macht - davor waren immer alle Türen unverschlossen.

***

Am frühen Morgen sitzt Marco draußen beim Brunnen und hält sein Telefon in der Hand. Nach dem fünften Klingelton meldet sich Elena am anderen Ende.

"Amore, ciao! Wie war die Reise?

"Anstrengend und fantastisch zugleich! Der Flug über die Sahara war traumhaft. Wir flogen in die Abendsonne, die Dünen sahen aus wie modelliert, orange und gelb, ein Meer voller mächtiger Wellen, ein Muster aus Sand. Der Hubschrauberflug danach über die grünen Wälder war aufregend."

Elena schmunzelt, als sie ihren Mann schwärmen hört. "Das klingt wunderbar. Wie ist die Stimmung vor Ort?"

"Gestern beim Abendessen war es unbeschwert, lustig. Wir haben viel gelacht und gesungen. Malaika ist eine tolle Frau und Gastgeberin. Heute treffen noch die jüngste Schwester Djamila und Malaikas Mann Tajhari ein. Danach wollen wir eine Gedenkfeier für Umbigwes Bruder abhalten. Vermutlich wird die Stimmung dann traurig werden. Omari war ein kluger und liebevoller Mann, sagt Malaika."

"Zum Glück durften wir ihn anlässlich unserer Einweihung des Museums kennenlernen. Es ist noch immer unfassbar, dass er nicht mehr lebt."

Ein neugieriges Wollschwein schnuppert an Marcos Fuß. Er lacht und erklärt Elena die Situation; sie erzählt ihm dafür kleine Episoden aus dem Alltag ihres Sohnes Enzo.

"Isabella verwöhnt den Kleinen. Er hat immer jemanden zum Spielen. Wir werden es schwer haben, wenn sie wieder abreist."

"Umbigwe will mit uns eine Nachtwanderung durch den Dschungel machen, damit wir die Tiere sehen können. Einer seiner Freunde bietet das für Touristen an. Das wird bestimmt interessant."

"Sehr schön. Genießt es. du kannst mir danach die Fotos zeigen und mir alles erzählen. - Oh, Enzo ruft. Wir hören uns später wieder, okay? Ti amo!"

"Ich dich auch. Bis bald, mein Schatz!" Marco beendet den Anruf und streichelt das Wollschwein, das noch immer um ihn herumstreicht.

"Keine zu große Beziehung aufbauen. Wir werden es irgendwann essen müssen." Nala schlendert auf Marco zu, in der Hand trägt sie einen Kaffeekocher und zwei Tassen. "Kaffee?"

"Sehr gerne. Die Wollschweine sind so süß. Ich will auch solche beim Agriturismo."

Nala lacht. "Ob Elena das gut findet?" Sie reicht ihm seinen Kaffee.

"Sicher! Sie liebt Tiere. Und die Touristen werden ihre Freude daran haben, vor allem die Kinder. Die rennen jetzt schon jeder Eidechse nach."

"Solche gibt es hier keine. Dafür haben wir Schlangen und jede Menge riesige Käfer und Spinnen."

"Daran hätten die Kinder wohl weniger Freude, denke ich", lacht Marco.

Ein Auto biegt auf den Hof ein und stoppt vor dem Hauptgebäude. Ein Mann und eine junge Frau steigen aus. Nala stellt den Kaffeekocher neben Marco auf den Brunnenrand und rennt den Gästen freudig entgegen.

"Djamila, Tajhari - da seid ihr ja endlich! Willkommen zuhause!" Sie umarmt beide, aus dem Haus strömen auch die Kinder und Malaika, die ihren Mann sofort lange umarmt und küsst. Marco schaut den Begrüßungen amüsiert zu. Es erinnert ihn stark an Familientreffen in Italien; die Herzlichkeit und die Familienliebe erfreuen sein Gemüt und erwärmen sein Herz.

Djamila, die jüngste von Umbigwes Schwestern, steuert direkt auf Java zu. "Du bist die Sängerin, die in Italien Musik gemacht hat! Wow, du bist es wirklich. Ich bin ein totaler Fan und ich muss zugeben, ich habe dich gegoogelt. Du bist so gut und ich freue mich sehr, dich kennenzulernen. Wir ..."

"Djamila! Lass Java auch mal reden!" Umbigwe blickt seine Schwester streng an, worauf sie aufhört zu reden und sich entschuldigt.

"Schon okay, Umbigwe. Ich mag ihre Energie! Hallo Djamila, ich bin Java. Die Freude ist auf meiner Seite. Ich habe gehört, du singst auch? Wir sollten mal jammen - das wolltest du doch eben vorschlagen, oder nicht?"

Djamila hüpft aufgeregt auf der Stelle und strahlt wie die Sonne, die soeben über die höchsten Bäume geklettert ist und den Vorplatz aufwärmt. Dann fällt sie Java um den Hals.

Tajhari hat sich von seiner Frau lösen können, begrüsst Marco und bittet ihn zusammen mit Umbigwe ins Büro. Die Frauen bereiten draussen ein spätes Frühstück zu und setzen sich an die wenigen Tische, die etwas abseits des Brunnens im Schatten stehen.

Im Büro sitzt bereits Kweku Adika und hat die Papiere vor sich auf dem Tisch liegen. Marco, Umbigwe und Tajhari setzen sich dazu.

"Was haben wir hier? Woher sind diese Papiere, Kweku?"

"Mein Neffe hat sie einem Schlepper aus Ghana abgenommen. Es waren die Männer, die ihn bis hierher verfolgt haben."

"Wegen diesen Papieren ist mein Bruder gestorben. Wir sollten sie genau lesen und sie danach den Behörden überreichen. Ich möchte kein Risiko eingehen."

"Warte, Tajhari", stoppt ihn Marco, "Ich glaube, ich habe da etwas entdeckt." Marco zeigt auf ein Logo, das auf einer der Seiten abgedruckt ist. "Das ist eine sehr grosse Schokoladenfabrik aus der Schweiz; genauer gesagt ist es der zweitgrösste Kakaoimporteur der Schweiz, oder gar der grösste, ich weiss es nicht genau. Jedenfalls ist hier die Rede von Arbeitskräften ohne nennenswerte Nebenkosten."

"Kindersklaven", fügt Tajhari an.

"Das würde bedeuten, dass diese Kinder, und damit auch dein Neffe, Kweku, von einer Firma aus meinem Land gekauft wurden." Marco legt die Papiere auf den Tisch und blickt die Männer ungläubig an.

"Das ist hier der traurige Alltag, mein Freund. In den meisten Fällen steckt ein internationaler Konzern dahinter. Amerikanisch, europäisch, chinesisch - glaube mir, die ganze Welt bedient sich an unseren Rohstoffen." Tajahri zuckt mit den Schultern, Kweku und Umbigwe nicken zur Bestätigung.

"Aber das muss nicht so bleiben", gibt Umbigwe zu bedenken. "Marco - wir sollten Selina anrufen. Was meinst du?"

"Das denke ich auch. Lass uns einige Anrufe machen! Die Männer sollen nicht ungestraft davonkommen."

"Aber ohne unsere Arbeiter und unsere Plantage in Gefahr zu bringen, einverstanden?" Tajhari ist sichtlich besorgt.

Die Männer einigen sich darauf, dass Marco mit Selina, der Journalistin aus der Schweiz, Kontakt aufnehmen soll. Danach legen sie die Papiere in einen Safe und gehen zu den Frauen nach draußen.

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