38 - Souanké - Kongo

Um die Mittagszeit treffen die Freunde auf der Ndembo-Plantage ein. Die Freude ist riesig. Malaika und Tajhari stehen mit ihren Kindern beim Eingang; Nala und Djamila gleich hinter ihnen.

Java lenkt den Bus ruhig in den Hof und stoppt beim Brunnen. Die fünf Kinder kleben an den Scheiben und freuen sich über den freundlichen Empfang. Sie wirken jedoch etwas ängstlich. Umbigwe kniet sich bei ihnen nieder.

"Willkommen bei mir zuhause. Ihr müsst keine Angst mehr haben - nie wieder. Meine Familie ist auch eure Familie. Kommt mit, ich möchte euch meine Schwestern vorstellen." Er steht auf und führt die Kinder durch den engen Gang zur Tür, die Java längst geöffnet hat.

Draußen fallen sich Selina und Malaika schon um den Hals; Djamila rennt auf Java zu. Marco begrüßt Tajhari; dann geht er jedoch zu den Soldaten.

"Meine Herren, vielen Dank für eure Dienste. Wenn ihr wollt, dürft ihr gerne noch einen Moment bleiben und die lieben Menschen kennenlernen."

"Das ist sehr freundlich. Aber wir sollen sofort weiterfahren; so lauten unsere Befehle."

"Ihr wisst nicht, was ihr verpasst. Aber okay. Danke nochmals und gute Heimfahrt."

Die Militärfahrzeuge wenden und fahren weg. Tajhari stellt sich neben Marco. "Wer waren die?"

"Gute Feinde, denke ich."

Tajhari schüttelt den Kopf. "Deine Welt ist nicht einfach zu verstehen, Bruder. Schön, seid ihr hier. Jetzt müssen wir feiern."

Nala hat unterdessen die neuen Kinder begrüßt und mit den Kindern der Plantage bekanntgemacht. Kwame Manu und John verstehen sich hervorragend; sie haben sich bereits einen Ball geschnappt und rennen in Richtung Sportplatz.

"Willkommen zuhause!", ruft Malaika allen zu. Bitte, wir haben Essen vorbereitet. Ihr müsst hungrig sein."

"Dürfen wir zuerst duschen gehen?", fragt Java, die als letzte aus dem Bus steigt, mit Djamila im Schlepptau. "Wir haben seit Tagen kein Wasser aber sehr viel Staub gesehen."

"Aber ja, du weißt ja wo. - Djamila, lass sie gehen, sie kommt ja wieder ..."

Selina und Java gehen in ihr altes Zimmer, welches ihnen wie ein nobles Hotel vorkommt. Marco folgt Umbigwe.

Nachdem sie sich frischmachen konnten, tragen Selina und Java wieder ihre Kleider, die sie von Tanisha erhalten haben. Sie werden wie Prinzessinnen gefeiert. Marco hat von Umbigwe ein traditionelles, grünes Gewand erhalten. Java bemerkt, dass er ihr darin gefällt; aber noch mehr bleibt sie an Umbigwe hängen. Sein langes Gewand ist in Gelbtönen gehalten, mit goldenen Verzierungen. Sie geht zu ihm und küsst ihn auf den Mund. "Mein schöner Mann - danke, dass du immer an mich geglaubt hast und danke, dass du hier bist."

Umbigwe schließt sie in seine starken Arme, hält sie fest und er weint. "Wir sollten reden, wir zwei", sagt er leise.

Java nickt. "Nach dem Essen; versprochen. Ich bin bereit dazu."

Malaika und ihr Team haben erneut alles aufgetischt, was sie haben auftreiben können. Ein wahres Festessen mit salzigen und süßen Speisen, wunderbar angerichtet auf langen Tischen. "Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe! Malaika, vielen herzlichen Dank!" Selina kostet von allen Leckereien, die sie noch nicht kennt.

Nala setzt sich neben sie. "Du musst mir unbedingt die Telefonnummer dieser Lehrerin geben. Ich will mit ihr in Kontakt bleiben. Vielleicht finden wir noch Eltern der fünf Kinder, die ihr mitgebracht habt. Es sind liebe Kinder; wir konnten ihnen schon neue Kleider geben und sie haben sich sofort bedankt."

"Wir hoffen auch, dass wir die fünf Familien noch finden. Auf jeden Fall werden wir auch von zuhause aus weiter behilflich sein, wenn wir können."

"Und du warst tatsächlich krank im Dschungel? Erzähle mir alles."

Am Nebentisch berichtet Umbigwe davon, wie sie die zwei Frauen gesucht und gefunden haben. Er berichtet aber auch davon, dass zwischen Ghana und Côte d'Ivoire noch immer mit Kindern gehandelt wird und dass es Kinderarbeit auf Plantagen nach wie vor gibt.

Marco erzählt Malaika von den Plänen für das Kinderheim und davon, dass Elena und er bereit sind, sich finanziell zu beteiligen.

Plötzlich steht Djamila auf, fasst Java bei den Händen und führt sie auf eine Bühne. "Du willst, dass ich singe? Jetzt? - Nein, jetzt will ich erst mal dich hören, meine Kleine."

Java verlässt die Bühne und setzt sich auf deren Rand. Djamila lächelt, schnappt sich das Mikrofon und ihre Band legt los. Sie spielen einen modernen Song, eine Mischung aus traditioneller kongolesischer Musik und Pop. Djamila gibt sich ausdrucksstark, sicher in Rhythmus und Stimme; Java ist begeistert. Weil sie den Song kennt, schnappt sie sich das zweite Mikro und klinkt sich ein. Zusammen beenden sie den Song, das Publikum applaudiert und verlangt mehr.

"Lasst uns kurz etwas Zeit, damit wir uns abstimmen können. Danach kriegt ihr mehr, wenn ihr unbedingt wollt", entschuldigt sich Java. Dann zieht sie sich mit Djamila in eine Ecke zurück.

"Ich wusste, dass du singen kannst. Aber gleich so? Mädchen, das ist der Wahnsinn! Also: Welche Lieder kennst du? Welche Lieder von hier könnte ich vielleicht kennen? Lass uns ein kleines Programm machen. Kann deine Band alles spielen?"

"Ja, das können sie. Sie müssen nur kurz den Song hören, dann klappt das schon. Sie sind super. Ich freue mich so, mit dir zu singen."

"Ja, es hat mir auch gefehlt, da draußen im Dschungel. Lass uns nachdenken."

Umbigwe zieht sich mit Malaika und Tajhari nach dem ersten Teil des Essens ins Büro zurück. Sie besprechen, wie es nun weitergehen soll.

"Bruder - warst du erfolgreich auf deiner Jagd?"

"Ja, Malaika. Die Mörder von Omari sind bestraft. Ihre eigene Welt hat sie eingeholt. Und wir konnten elf Kinder retten. Das ist für die Ehre unseres Bruders."

"Bist du nun bereit, für die neue Organisation unserer Plantage?"

"Ja, das bin ich. Egal, wie sie ausfallen wird. Was schlägst du vor?"

Malaika blickt ihren Mann kurz an. Als er nickt, beginnt sie: "Ich weiß, dass wir dich nicht hier behalten können, Umbigwe. Du bist auf der Erde zuhause, nicht nur hier in Souanké. Deshalb schlagen wir dir folgendes vor: Tajhari und ich leiten die Plantage. Die Personalführung wird Kweku Adika, Manus Onkel, übernehmen. Die Schule und das Heim geben wir in Nalas Hände. Ich selbst werde mich um die Finanzen kümmern, Tajhari um die Technik. Nala wird die Werbung und Social Media übernehmen. Wir werden keine Menschen entlassen, sondern neue einstellen. Schau her - Elena hat uns einen Vorschlag geschickt."

Malaika zeigt Umbigwe, was Elena und Kathrin unterdessen ausgearbeitet haben. Er ist mehr als begeistert.

"Das sind tolle Veränderungen! Ich liebe sie! Die Zukunft unserer Plantage ist gesichert und wir werden Partner des Agriturismos von Marco und Elena. Das ist wunderbar. Wir müssen Gästehäuser bauen."

"Ja, das müssen wir", erwähnt Tajhari, "und ich habe schon mit der Planung angefangen. In einem Monat können wir mit dem Bau beginnen."

"Auf diese Art können Menschen aus Europa lernen, wie ihre geliebte Schokolade gemacht wird. Wir sollten auch eine Schokoladenproduktion in Betracht ziehen. Von der Pflanze bis zum Endprodukt im Erzeugerland - wie findet ihr das?"

"Ich weiß nicht, ob jemand kongolesische Schokolade kaufen wird. Aber die Idee gefällt mir, mein Bruder." Malaika umarmt Umbigwe. "Du bleibst übrigens stiller Teilhaber. Wir lassen dich nicht verschwinden. Omari hätte es so gewollt."

"Danke, Malaika. Danke Tajhari. Ihr seid die Besten! Das macht mich sehr stolz."

Jemand klopft an die Tür. Vorsichtig tritt Selina ein. "Entschuldigt bitte. Darf ich euch etwas berichten?"

"Aber natürlich. Der Familienrat ist fertig. Was gibt es denn", fragt Malaika.

Selina hält ihr Mobiltelefon in die Höhe. "Ich habe soeben mit Kathrin telefoniert. Blanchet Chocolats aus der Schweiz will ab sofort fair produzieren und in lokale Projekte investieren. Zudem arbeitet das UNO-Kinderhilfswerk mit Elena an einem Projekt zur Unterstützung eurer Pläne. Die Finanzierung und die Publicity dürften gesichert sein, denke ich."

Malaika umarmt zuerst Selina, danach Umbigwe. "Ihr seid wahrhaftig unglaublich! Wie kann ich euch das jemals danken?"

"Indem ihr gut zu den Kindern schaut - und mit noch mehr Essen." Selins strahlt und schaut in die verdutzten Gesichter der anderen. "Was denn? Ich bin nur ehrlich." Sie hält beide Hände nach außen gekehrt hoch.

"Kommt schon, das Essen wartet!" Malaika führt alle wieder nach draußen.

Am Tisch wartet Kwame Manu auf Umbigwe. Er sieht den Knaben und setzt sich zu ihm. "Siehst du? Deine gefährliche Reise hat sich gelohnt. Elf Kinder wie du konnten gerettet werden. Und die größte Schokoladenfirma der Schweiz will sich dafür einsetzen, dass die Kinderarbeit hier aufhört. Dein Vater wäre unglaublich stolz auf dich!"

Spät abends, nach einem farbenprächtigen Sonnenuntergang werden über der Bühne Lichterketten in Betrieb genommen. Die Band spielt ein Instrumentalstück, einige Arbeiter der Farm tanzen einen traditionellen Tanz dazu. Danach betreten Java und Djamila die Bühne. Das Publikum begrüßt sie herzlich. Sie singen zusammen zwei Songs, danach stimmt Java 'Heal The World' von Michael Jackson an; das Mädchen, das sie im Bus mitgenommen haben, spricht die Eingangsworte.

Alle hören aufmerksam zu, niemand spricht; einige summen leise mit. Djamila und Java teilen sich den Song und in der Band hat sogar Marco am Schlagzeug platzgenommen. Java hat Tränen in den Augen, als sie es sieht.

"Für Omari und für die Kinder. - Danke." Djamila legt das Mikro weg, dann umarmt sie Java. Das Publikum ist außer sich vor Freude, der Applaus hallt lange an.

***

Nach dem Essen, es ist längst dunkel, sitzen Java und Umbigwe bei den Kinderschaukeln hinter dem kleinen Schulhaus.

"Du warst großartig, vorhin mit Djamila. Sie vergöttert dich."

"Ja, ich weiß. Sie hat mich gefragt, ob sie mit mir auf Tour kommen darf. Ich habe ihr VIP-Backstage Tickets versprochen, wenn sie einst an ein Konzert kommen kann."

"Das wird sie bestimmt. Danke, dass du so gut bist zu ihr. Sie hatte es nicht immer leicht als die kleinste von uns."

"Sie ist auch schon volljährig, vergiss das nicht."

"Ja - die Zeit rast."

Einen Moment sagen beide nichts. Umbigwe fasst sich als erster ein Herz.

"Ich weiß, dass du weiterziehen wirst, Java. Ich weiß, dass ich dir das nicht nehmen kann und auch nicht nehmen will. Du sollst dein Ding machen und nicht nur wegen mir etwas ändern müssen."

"Ich danke dir. Das klingt nach einem 'Aber'. Was es auch ist, sage es mir, Umbigwe."

"Ich hätte gehofft, dass ich es bin, der dich zum Umdenken bringt, ohne dass ich etwas tun muss. Ich hätte gehofft, dass du bleibst."

"Ich weiß. Aber vielleicht habe ich ja gehofft, dass du mit mir kommst? Ich brauche auf Tour einen guten Koch und einen Mann, bei dem ich mich ausweinen oder kuscheln kann."

Umbigwe zieht Java zu sich heran und umarmt sie. "Wir können beide unser Leben nicht loslassen, denke ich."

"Ich habe dich gestern beobachtet, als du geschlafen hast. Im unbequemen Bus, verstaubt und verschwitzt. Du hast geschnarcht, aber du hast die zwei Kinder gehalten. Es sah so friedlich aus, dass ich geheult habe. Ich sah dich als Vater und ich weiß, dass es meine Kinder sein sollen, die in deinen Armen schlafen dürfen. Es sollen unsere Kinder sein. Irgendwann."

"Ich wette, dein Tourbus ist nicht so unbequem."

"Nein. Es hat sogar ein Schlafzimmer nur für mich. Die Band schläft unten."

"Ist das Bett groß genug für einen Koch?"

"Mehr als genug." Java beginnt zu strahlen, als sie begreift, was Umbigwe ihr gerade vorschlagen will.

"Und du bist dir ganz sicher?" sie blickt ihm tief in die Augen. "Ich will nicht, dass du das nur für mich tust."

"Ich tu es nicht für dich! Ich tu das für mich. Ich habe schon an vielen Orten auf der Welt gekocht. In einem Bus noch nie. Das stelle ich mir spannend vor. Meine Pension kann von den Angestellten geführt werden, kein Problem."

Java küsst Umbigwe lange und sinnlich. "Danke. Noch eine Tour oder zwei - dann fahren wir nach Italien; versprochen."

"Da muss ich dich leider enttäuschen, meine Liebe. Wir fahren morgen schon nach Italien."

Java boxt ihn in die Seite. Dann schlendern sie Arm in Arm zu den Hütten zurück.

***

Am anderen Morgen herrscht Aufbruchstimmung. Marco, Umbigwe, Selina und Java haben gepackt. Ein Hubschrauber bringt sie zum nächsten Flughafen, von wo aus sie nach Italien fliegen werden. Die Maschine von Isabella steht bereit, hat Elena Marco am Telefon versichert.

Der Abschied fällt allen schwer, doch sie versprechen, sich gegenseitig zu besuchen.

Als sie im Hubschrauber sitzen, stupst Umbigwe seinen Freund Marco an. "Nun? Freust du dich schon auf zuhause?"

"Aber sicher. Ich kann es kaum erwarten, Elena und den kleinen Enzo wiederzusehen." Marco strahlt förmlich, als er diese Worte sagt.

"Echt? Ich dachte, du hast vielleicht Schiss. Könnte ja sein."

"Nein. Ich werde mit Elena reden und ehrlich sein, genau wie du es mir geraten hast." Etwas leiser fügt er an: "Ich hoffe nur, sie versteht es auch richtig."

"Das hängt wie gesagt davon ab, wie ehrlich du bist. Aber du hast ja nun noch einige Stunden Zeit zu üben." Umbigwe grinst und gibt Java eine High-Five.

"Ihr nervt", bemerkt Marco nur und blickt beleidigt aus dem Fenster.

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