2 - Nardò - Italien
"Nonna! Du sollst doch nicht arbeiten! Du bist krank, du musst zuerst gesund werden!" Elena Pignatelli schaut ihre Grossmutter Maria streng an. Die zwei Frauen stehen in der grossen Küche bei der riesigen Feuerstelle. Maria wollte gerade den Kamin reinigen und die Asche wegbringen. Sie hustet.
"Ich habe mein Leben lang gearbeitet, Kind. Ich kann das schon. Ist ja nur ein kleiner Husten." Die über neunzig Jahre alte Frau wirkt beleidigt.
Elena schüttelt den Kopf und nimmt Maria Schaufel und Besen aus der Hand. "Ja, Nonna, du kannst arbeiten. Das wissen wir alle. Aber jetzt hast du schon seit vielen Wochen diesen Husten, und er geht nicht weg. Glaube ja nicht, dass ich nicht auch längst weiss, was los ist. Ich habe schliesslich deinen Abfalleimer geleert."
Maria schaut ihre Enkelin mit Tränen in den Augen an. "Ich habe Angst, Elena. Aber ich freue mich auch."
Die beiden Frauen fallen sich in die Arme und weinen. Die Zeit um sie herum scheint stillzustehen. Aus dem nebenan liegenden Soggiorno, dem grosszügigen Wohnraum, klingen Babyschreie herüber. Elena löst sich aus der Umarmung, wischt sich die Tränen aus den Augen und sagt entschuldigend: "Ich bin gleich zurück. Enzo braucht mich kurz." Dann verschwindet ihr brauner Lockenkopf aus der Küche.
Maria setzt sich an den langen Esstisch aus Kastanienholz, welcher neben der Feuerstelle steht. Sie fühlt sich schwach. Ihre Gedanken sind bei ihrem vor vielen Jahren ermordeten Ehemann Giuseppe Pignatelli, dem einst mächtigen Führer der Apulischen Mafia. Nach seinem gewaltsamen Tod hatte sie die Organisation geleitet und sich weitherum Respekt verschafft. Zusammen mit ihrem Jugendfreund Pietro Romito, der in Palermo die Cosa Nostra führte, kontrollierte Maria den Süden Italiens. Man kannte sie als Maria Lapia di Copertino und ihn als den Duce. Bei ihren Gedanken an die wilde Zeit, muss Maria schmunzeln. Pietro verstarb vor einem Jahr bei einer Schiesserei und Maria hatte sich ihren Tod immer ähnlich vorgestellt. Nun aber scheint er andere Pläne mit ihr zu haben. Sie spürt ihren Zerfall und hofft, es möge schnell gehen.
Maria hört ihre Enkelin Elena mit ihrem Urenkel Enzo Pietro sprechen. Dabei verspürt sie eine grosse Dankbarkeit, dass Elena nach vielen Jahren des Rumtreibens endlich nachhause gefunden hat, zusammen mit ihrem Marco, dem Schweizer, der heute mehr Italiener ist als viele andere, die hier geboren wurden. Maria ist glücklich darüber, dass die beiden das Landgut 'La Pineta' als Agriturismo 'Antica Puglia' ausgebaut haben und es erfolgreich betreiben. Die Namen Giuseppe und Gabriele Pignatelli sind im angrenzenden Automobilmuseum verewigt worden, nachdem Elena und Marco die sagenhafte Automobilsammlung gefunden hatten, welche Marias Mann und sein Vater sehr gut versteckt gehalten hatten. Es scheint sich alles zu einem Ganzen zu fügen, denkt Maria. Der Kreis schliesst sich, es ist Zeit, heimzukehren.
Elena kehrt in die Küche zurück, sie kann die Tränen ihrer Nonna nicht sehen. Auf dem Arm trägt sie den kleinen Enzo, der wieder zufrieden hin und her wippt und mit den Armen winkende Bewegungen macht. "Wills du zu Nonna? - Magst du ihn nehmen?"
Maria nimmt den Kleinen zu sich und legt ihn in ihre Arme. Mit grossen, wachen Augen schaut das Baby sie an, Maria lächelt. "Wenn du schon reden könntest, was möchtest du fragen? - Du hast auch immer so neugierig in die Welt geschaut, Elena. Er kommt sehr nach dir, der Strampler."
"Nur singen kann er noch nicht so gut - da kommt er mehr nach Marco!"
"Ja, das ist wahr!", die beiden Frauen lachen und Enzo lächelt mit.
"Habe ich soeben meinen Namen gehört?" Marco tritt durch die Küchentüre von draussen herein. "Guten Morgen, ihr zwei, ... drei - entschuldige, Elena."
Diese Bemerkung bringt ihm einen leichten Faustschlag an die Schulter, gefolgt von einem langen Kuss. Er streicht ihr dabei mit der Hand über den tiefen Rücken.
"Ich werde Enzo bessere Manieren beibringen, als sie sein Vater hat", scherzt sie und wischt seine Hand weg.
"Ich brauche rasch einen Kaffee. Das Gras draussen ist widerspenstig! Was habt ihr für Pläne heute?"
"Ich dachte an eine Spritztour im Ferrari, vielleicht mit Enzo ans Meer oder shoppen - so Frauendinger halt ..." Elenas Bemerkung bringt alle zum Lachen. "Was denkst du denn? Ich werde Enzo füttern, seine Windeln wechseln, das Haus sauber halten, mit Nonna kochen und ..."
"Schon gut, Amore, ich hab's kapiert. Du weisst, ich bin da." Marco nippt an seinem Kaffee.
"Ja, und jetzt - schwirr ab, Gärtner, das Gras draussen wächst ja schon wieder nach."
Maria hat diesem Dialog lächelnd zugehört. "Du hast einen wundervollen Mann, mein Kind. Trag ihm Sorge."
"Ich weiss, Nonna. Er ist der Beste. Manchmal kann ich mein Glück selbst nicht fassen. Du kannst mir Enzo wieder geben. Ruh dich aus, Nonna."
"Ich werde einige Schritte zwischen den Olivenbäumen tun, das beruhigt und gibt mir heilende Kräfte."
Maria steht auf, nachdem Elena ihr das Baby aus dem Arm genommen hat. Nonna legt der jungen Mutter dankbar die Hand auf den Unterarm, dann verlässt sie das Haus. Es ist Frühling geworden. Langsam verwandelt sich die karge Landschaft in eine sanfte, grüne Welt voller Leben. Kleine Pflänzchen schiessen aus dem Boden, als wollten sie neugierig erfahren, was es alles zu entdecken gebe. Maria schlendert um das grosse Gebäude, überquert den schattigen Sitzplatz unter den Pinien. Der Ort, an welchem schon so viele interessante und lebensfrohe Gespräche stattgefunden haben. Hinter dem Haus beginnt der Olivenhain.
Die knorrigen Bäume mit ihrer leicht silbrigen Rinde strahlen Ruhe und Beständigkeit aus. Sie stehen da, trotzen allen Widrigkeiten und lassen den Stress, die Sorgen, welche die Menschen umtreiben, nichtig erscheinen. Maria schreitet zwischen den Bäumen hindurch, bis sie bei ihrem Lieblingsbaum steht, einem sehr alten, dicken Olivenbaum. Sein niedriger Stamm ist scheinbar aus zwei einzelnen Stämmen im Laufe der Jahre zu einem verdrehten, ineinander verknoteten Stamm verwachsen, was Maria daran erinnert, dass erst das Leben zu zweit die Kraft bringt, es zu meistern und zu geniessen. Sie streicht mit der Hand über die scharfkantigen Blätter, die nach dem Winter noch hart und zugeklappt sind. In einigen Wochen werden sie ihre grüne Seite der Sonne zukehren, sich öffnen und das Leben in sich aufsaugen.
Maria setzt sich unter den Baum, lehnt sich an den Stamm und geniesst den Ausblick zum Meer hin - so fühlt sich Frieden an.
***
Das Agriturismo Antica Puglia ist nur wenig belegt, zwei Pärchen aus Deutschland und Belgien. Marco und Elena haben wenig zu tun, und Umbigwe hat die Gelegenheit genutzt, die ruhige Zeit in seinem eigenen Haus auf Sizilien zu verbringen. Noch weiss er nicht genau, was er daraus machen soll - die Idee mit einem eigenen Agriturismo hat nicht funktioniert. Momentan beschäftigt der Kongolese sich mit der Idee eines gehobenen Gourmet- und Wellness-Resorts. Der talentierte Koch möchte auch einen Saal für Kultur und Konzerte errichten, vor allem seit er sich in die Sängerin Java verliebt hat.
Java heisst mit richtigem Namen Dominique Duchée, stammt aus der Dominikanischen Republik und ist eine langjährige Freundin Marcos. Umbigwe hat Marco vor wenigen Jahren auf einem Fährschiff kennengelernt; heute sind sie sehr gute Freunde und er darf Pate des kleinen Enzo Pietro sein.
Der Ausblick vom leicht über Castellamare del Golfo gelegenen Haus ist atemberaubend. Der kleine Ort schmiegt sich an die natürliche Bucht, die stark ansteigende Küste verhinderte einen überbordenden Wildwuchs von Ferienhäusern. Umbigwe betrachtet die Baupläne, welche sein Architekt ihm überreicht hat und versucht sich das fertige Resort vorzustellen. Wellness - genau der richtige Ort dafür. In Gedanken sieht er sich schon mit einer Bande kleiner Kinder durch den Gartenrennen, während ihre Mutter auf der Bühne ihre neuesten Songs probt. Umbigwe ist glücklich, obwohl er streng genommen noch keine Frau für seine Kinder hat - bloss eine Vorstellung davon.
Die Melodie seines Mobiltelefons reisst ihn in die Realität zurück und schiebt die Träume ins geistige Wartezimmer. "Pronto!"
"Umbigwe! Ciao - ich bin's, Java!"
"Welch schöne Überraschung, meine Sonne! Wo bist du gerade?"
"Ich bin in Meran. Wir haben morgen ein Konzert hier. Dann geht es weiter nach Salzburg."
"Immer auf Achse. Wie läuft es?"
"Prima. Gestern hatten wir volles Haus. Stell dir vor - Verona! Ausgebucht! Schon toll, wenn die Menschen das mögen, was ich mache. Du fehlst mir."
Diese Worte bringen die Gedanken von Wellness zurück in Umbigwes Kopf. "Du mir auch! Und wie! Ich hätte dich gerne hier und würde ein langes Menü für dich kochen."
"Mmmh, du bringst mich dazu, meine Tour abzubrechen, du Schelm! Nach Salzburg habe ich einige Tage nichts geplant. Wie wär's - wollen wir zusammen ins Meer rennen?" So ist sie, die gute Java. Immer lebensfroh, immer voller Energie, für jede verrückte Idee zu haben. "Ich würde sehr gerne vieles von dir vernaschen."
"Das klingt elektrisierend." Umbigwe spürt seine Jeans enger werden.
Sie lacht. "Ich spreche vom Essen, mein Lieber! Ich vernasche dein Essen. Zumindest vorerst."
Die beiden verabreden sich, dann legt Java auf. Umbigwe hält sein Mobiltelefon einige Sekunden in der Hand, grinst verschmitzt und widmet sich wieder seinen Bauplänen.
***
"Marco! Hast du Nonna gesehen?" Elena streckt ihren Lockenkopf aus einem Fenster im ersten Stock. Draussen mäht ihr Mann das hohe Gras mit einer benzinbetriebenen Motorsense. Er kann sie unmöglich hören.
Aus dem Augenwinkel sieht Marco seine Frau winken und stellt den Decespugliatore aus. Er hebt den Ohrschutz und macht mit der Hand ein fragendes Zeichen in ihre Richtung.
"Hast du Nonna gesehen? Sie wollte in den Olivenhain. Das ist aber schon mehr als eine Stunde her!"
"Ich gehe nachschauen. Sie ist bestimmt eingeschlafen."
Marco legt sein Arbeitsgerät ab. Er umrundet das grosse Landhaus, geht in Richtung Marias Lieblingsbaum. Das gelbliche Sonnenlicht erzeugt ein warmes Spiel mit den glitzernden Blättern der Olivenbäume und deren Schatten. Sattes Grün hat sich in den letzten Tagen und Wochen unter den Bäumen breitgemacht. Schon aus Distanz kann Marco Maria am Baum lehnen sehen, er nähert sich ihr in Ruhe, will ihren Frieden nicht stören.
"Maria? Alles in Ordnung bei dir?", fragt er mit sanfter Stimme. Sie scheint tief und friedlich zu schlafen. Als er ihre Hand nimmt, fährt ihm der Schrecken in den Körper wie Kindern, die eine fette Spinne hinter ihrem Bett entdecken. Marias Hand ist kalt, ohne jedes Gefühl. Sofort begreift Marco, was wohl geschehen ist, sucht nach einem Puls und beschliesst, als er keinen findet, keine Ambulanz und keinen Rettungsdienst zu rufen. Maria befindet sich auf dem Weg zu ihrem Mann und ihren Freunden.
Marco schliesst ihr sanft die Augen und setzt sich neben sie an den Olivenbaum, noch immer ihre Hand haltend.
"Gute Reise, Nonna", flüstert er. Er bleibt einige Minuten ruhig sitzen und schaut durch den Olivenhain auf die Küste, in der Ferne glitzert das Meer - der Ort, an welchem er Elena kennengelernt hat. Marco weiss nicht, wie lange er dagesessen hat, als er plötzlich Elenas Hand auf seiner Schulter spürt. Er schaut auf.
Mit der anderen Hand hält sie sich den Mund zu, sie weint, zieht ihn zu sich hoch; er hält sie fest, streicht ihr über den Kopf. Elena zittert am ganzen Körper, es schüttelt sie von ihren Weinkrämpfen. Er küsst sie sanft auf den Kopf. "Sie war eine starke Frau, eine gute Nonna."
"Die Beste!", bringt Elena zwischen ihren Schluchzern hervor. Dann erst löst sie sich aus der Umarmung und kniet zu Maria hinab. "Buon viaggio, Nonna! Auguri." Elena umarmt den Körper und nimmt sie die Zeit, sich in Ruhe und Würde von ihrer Grossmutter zu verabschieden. "Danke, dass du nicht gleich Alarm geschlagen hast, Marco. Sie hätte es genau so gewollt. Friedlich, bei ihrem Olivenbaum." Elena spricht leise, macht immer wieder Pausen.
"Schon verrückt. Eben noch war sie oben, hielt den Kleinen im Arm."
"Sie hat sich verabschiedet. Weisst du, es klingt vielleicht verrückt - aber ich habe es gespürt. Ich habe den Moment gespürt, als sie ging. Erst danach habe ich dich gerufen. Tief im Innern wusste ich, was du finden würdest. Ich hatte bloss nicht die Kraft, als Erste hinzugehen. Bitte verzeih mir."
"Da gibt es nichts zu verzeihen, Elena. Im Gegenteil, ich danke dir für die Minuten, die ich mit Maria alleine sein konnte."
"Weisst du noch? Ich habe dir doch gesagt, dass du sie mögen wirst."
In Gedanken erscheint die Fahrt im alten Lastwagen, als Elena ihm gebeichtet hat, dass ihre Nonna die Führerin der Apulischen Mafia sei.
"Wie geht es nun weiter?"
"Keine Ahnung. Ich denke, wir müssen den Arzt vom Dorf rufen. Wahrscheinlich braucht es eine amtliche Todesurkunde. Zumindest in der Schweiz wäre das so."
"Ja, das ist hier nicht anders. Danach werden wir mit dem Pfarrer sprechen und die Beisetzung organisieren müssen. Aber zuerst will ich meine Eltern informieren. Schliesslich wohnen sie in Nonnas Haus, seit sie hierher zu uns gezogen ist."
"Und wir können sie nicht hier sitzen lassen. Wir sollten sie an einen schattigen, kühlen Ort bringen und sie hinlegen. Ich rufe unsere Gärtner."
"Ich bereite unterdessen eine gemütliche Ecke in der Scheune vor. Im Agriturismo haben wir Gäste, da sollte sie nicht dort liegen. Wir nehmen für die nächsten Wochen keine neuen Gäste auf, schliessen aus familiären Gründen für einige Wochen. Ich stelle das noch heute auf unsere Webseite."
"Ich werde Umbigwe und Isabella auf Sizilien informieren. Sie sollen herkommen können, wenn sie wollen."
"Es werden viele Menschen kommen. Auch solche, die wir lieber nicht sehen möchten, Marco. Nonna war eine mächtige Frau hier im Süden. Es werden auch ihre Feinde kommen wollen und wir sollten sie würdig empfangen. Man soll merken, dass wir eine neue Ordnung anstreben wollen."
"Die Sacra Corona Unita wird ohne deine Familie weitergeführt. Unseren Anteil am Gewinn lassen wir humanitären Projekten zukommen. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Man wird uns in Ruhe lassen."
"Ach, Marco, mein romantischer Autor. Ihr Schweizer seid so wunderbar harmoniebewusst. Hier unten läuft das alles etwas anders. Ich hoffe bloss, es trifft uns nicht zu hart, wenn die Zeit kommt, aber in Ruhe lassen? Das werden sie uns bestimmt nicht, jetzt nicht mehr, Marco. Maria und Giuseppe sind zu vielen Menschen in die Quere gekommen. Man wird ihr den nötigen Respekt erweisen - und sich danach um die fettesten Geschäfte streiten.
Elena und Marco bleiben noch einige Minuten sitzen, dann rufen sie die Gärtner. Elena eilt hinauf zur Scheune und lässt unter Hilfe zweier Gärtner in der Scheune, da wo sie einst die Oldtimer gefunden hat, eine bequeme Liege aufstellen. Sie richtet mit Kerzen und Olivenzweigen eine Art Ruhezimmer ein, am Kopfende stellt sie einen kleinen Nachttisch hin.
Inzwischen bringen zwei weitere Gärtner und Marco den Leichnam herbei. Sie legen Maria sanft auf die Liege, decken sie zu. Am Ende sieht die Szene sehr friedlich aus, ganz wie es sich Maria gewünscht hätte. Als sie krank wurde war sie einzig dazu bereit, ihr Eigenheim in Copertino zu verlassen und zu Elena und Marco nach Nardò zu ziehen. Sara und Enzo, Elenas Eltern, haben das Landhaus in Copertino bezogen und ihre Wohnung in Lecce verkauft.
Elena setzt sich unter die Pinien und ruft ihre Mutter an. Das Baby konnte sie getrost einige Zeit in Marcos Obhut geben. Schon nach dem dritten Signal nimmt Sara das Gespräch entgegen. "Mamma? Wie geht es bei euch drüben? Habt ihr Zeit?"
"Elena, wie schön. Ja, wir haben Zeit. Was ist los? Maria?"
Elena konnte ihrer Mutter noch nie etwas vorenthalten. Sara kennt ihre Tochter zu gut. "Ja, Mamma. Nonna hat uns verlassen. Friedlich, wie sie es immer gewollt hat. Sie ist unter ihrem Olivenbaum eingeschlafen."
"Wir machen uns sofort auf den Weg, dauert einige Minuten. Wir reden später. Danke, dass du uns anrufst. A presto."
***
Umbigwes Telefon klingelt erneut. Das klingende Alphorn zeigt Marco als Anrufer an. Erfreut greift Umbigwe nach dem Gerät. "Marco, mein Freund. Wie geht es deinem Sohn und deiner bezaubernden Frau?"
"Ciao Umbigwe, du alter Charmeur. Java erzählt mir alles! Gut gemacht, du Schlitzohr! Hör mir zu, ich habe traurige Nachrichten." Marco erzählt Umbigwe vom Tod Marias.
"Könntest du Isabella abholen und mit ihr zu uns rüber kommen?"
"Klar doch, mein Freund. Maria war unser aller Freundin. Wir werden kommen. Dauert vielleicht zwei Tage. Mit Isabella werde ich nicht so schnell fahren können."
"Kein Problem, lieber sicher als schnell. Isabella hat doch noch den Privatjet des Duce - vielleicht fliegt ihr ja. Ihr könnt bei uns im Agriturismo wohnen, Elena hat schon alles vorbereitet. Die letzten Touristen reisen morgen ab, danach haben wir für einige Wochen geschlossen."
"Wie geht es Elena?"
"Sie ist erstaunlich gefasst. Ich denke, es hat ihr geholfen, dass Maria die letzten Monate bei uns wohnen wollte. Sie haben viel miteinander gesprochen, Maria hat ihren Urenkel kennenlernen dürfen. Es war eine gute Zeit, friedlich und schön."
"Weisst du, manchmal finde ich es schade, dass ich so weit weg von meiner Familie wohne. Ich höre so selten von ihnen und habe Angst, dass ich plötzlich schlechte Nachrichten erhalte und ich es dann bereue, nicht dort gewesen zu sein."
"Sie waren doch alle hier, zur Einweihung des Museums und zu unserer Hochzeit. Das war schön. Du hast zwei wunderbare Familien, mein Freund. Und nun braucht dich deine Familie hier in Italien. Ich freue mich auf dich."
"Ich informiere auch Java. Sie wollte sowieso herkommen, nach ihrem Konzert in Salzburg."
"Soso, das wusste ich nicht."
"Sorry. Soll ich mich zurückziehen?" Umbigwe meint das nicht so, sagt es jedoch aus Respekt vor seinem Freund.
Marco lacht: "Nein, wie kommst du darauf? Heirate das Mädel - hätte ich mehr Mumm in den Knochen, hätte ich das vor Jahren schon getan. Ihr zwei passt so wunderbar zusammen - ich freue mich für euch beide. Schliesslich sind wir alle Freunde und das ist doch das Einzige, was zählt. Also, bis bald."
Nachdem Marco das Gespräch beendet hat, giesst sich Umbigwe einen Tee ein. Er setzt sich auf die Veranda und prostet mit der Tasse gen Himmel. "Maria, du mutige, starke Frau! Lebe in Frieden - du hast es dir verdient!" Schluck für Schluck geniesst er seinen Tee und denkt an die ungewöhnlichste Frau aus Süditalien, die er kennenlernen durfte. Im Stillen vergleicht er sie mit seiner eigenen Grossmutter und ist sich sicher, dass die beiden sich im Himmel mögen werden.
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