3. Brief
Ich habe gestern Hermine getroffen. Was du ihr angetan hast, ist furchtbar. Sie ist gut darüber hinweggekommen, aber das macht es nicht weniger schlimm.
Du hast vielen Menschen das Leben genommen oder zumindest die Möglichkeit, es normal weiterzuführen.
Wie verzeihst du dir selbst? Tust du das überhaupt?
Ich habe folgende Theorie: Die Hysterie, die für dich so typisch geworden ist, hilft dir dabei, nicht so viel über deine Taten nachzudenken. Früher hast du viel nachgedacht. Von uns dreien warst du nie die Grüblerische, jedenfalls hat es nicht so gewirkt. Eigentlich ist Schein und Sein bei dir nie dasselbe.
Als wir noch Kinder waren, habe ich dich nicht selten nachts aufstehen und zum Fenster gehen hören. Du hast es aufgemacht und dich auf die Fensterbank gesetzt. Zuerst hatte ich Angst, du könntest fallen oder gar springen, aber du saßest bloß da. Immer wollte ich mich zu dir setzen, aber ich fürchtete, ich könnte den Moment zerstören.
Wir lebten beide den Moment, das unterschied uns von Zissy. Sie war diejenige von uns Black-Schwestern, die immer schon älter sein wollte als sie war, die, die sich ihren Märchenprinzen erträumte.
Ich habe aufgehört zu träumen. Eigentlich. Aber man könnte sagen, dass ich gerade träume.
Träume, dass du meine Briefe liest.
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