Kapitel 5
~Lya Minusa~
"Die Sitze sind mit Leder überzogen!", fahre ich ihn an. "Natürlich hat das Auto ein halbes Vermögen gekostet." Es riecht sogar noch neu und die Fußmatten sind blitzblank. Es hat einen nahezu werksneuen Zustand ...
Wir sitzen noch immer auf der Rückbank des Jeeps, die leere Fast Food Tüte zwischen uns.
"Das ist das Privileg einer wohlhabenden Familie." Er hebt seine Schultern, als wäre es ihm gleichgültig, dass er ein so nobles Auto besitzt.
Er ist ein verwöhnter Schnösel, durch und durch, das ist keine Frage. Doch es ärgert mich, dass ihm scheinbar die Dankbarkeit fehlt.
Mich überkommt das Bedürfnis, ihn dafür kleinzumachen.
"Der Typ, der dir den Wagen gegeben hat, sah trotzdem echt zwielichtig aus", schnaube ich aufgebracht. "Scheint, als hätten deine Eltern dich dann doch nicht so lieb." Immerhin haben sie ihm keinen der typischen Anzugträger organisiert.
Kijan lacht. "Nein, sie haben mich in der Tat nicht so lieb." Doch es scheint ihm nichts auszumachen. Stattdessen beugt er sich zu mir vor und raunt: "Ich möchte dich nur kurz erinnern, wessen zwielichtiger Autoverkäufer am Ende nicht einmal aufgetaucht ist."
Meine Wangen füllen sich mit Blut. "Er ist ein alter Studienfreund meiner Mutter. Sicherlich gibt es einen vernünftigen Grund dafür, dass er nicht aufgetaucht ist."
Kijan zerknüllt die Fast Food Tüte und schmeißt sie in den Fußraum. "Sicher." Der Sarkasmus ist nicht zu überhören.
Ich will etwas erwidern, doch mir fällt nichts ein. Kurz überlege ich, wieder meine Kopfhörer aufzusetzen und darauf zu warten, dass er mich zum nächsten Hostel fährt, doch er unterbricht meinen Gedanken kühl: "Denk gar nicht erst daran." Er deutet auf die Kopfhörer. "Lass sie liegen und setzt dich wieder zu mir nach vorne. Wir fahren zum Strand."
"Na schön."
Dann sehe ich heute wenigstens noch etwas von Neuseeland, abgesehen von Auckland. Die Stadt sieht aus wie auch jede andere X beliebige Stadt.
Kijan startet den Motor und fährt uns von dem einsam gelegenen Parkplatz herunter.
"Woher kommst du eigentlich?", frage ich ihn. Wenn wir nun schon den ganzen Tag zusammen in seinem Auto hocken werden, dann soll er mir wenigstens etwas über sich erzählen.
"Berlin", entgegnet er. "Ist ganz nett da, aber wie jede andere Stadt auch - laut und dreckig."
"Hamburg ist schöner. Da ist es nur laut, aber weniger dreckig." Ich greife nach seinem Handy. "Wie ist dein Pin? Ich will Musik machen."
"Zwei, drei, eins, eins."
Ich tippe die Zahlen ein und sein Handy entsperrt sich. "Zweiter März Zweitausendelf?", frage ich.
Er grinst. "Das Geburtsdatum meiner Schwester. Andere Zahlen kann ich mir nicht merken."
Irgendwie ist es süß, dass er ihren Koffer dabei hat und ihren Geburtstag als Pin verwendet. "Ihr schein euch sehr nah zu stehen."
Seine Augen verengen sich, um gehen die Sonne anzugehen, die tief über der Erde steht. "Ja." Mit einer Hand dreht er das Lenkrad, während er mit der anderen schaltet. Wir biegen auf eine schmale Straße ab, in welche ein Straßenschild mit dem Wortlaut Anawhata Beach zeigt.
"Hast du Geschwister?", fragt er und ich schüttle den Kopf.
"Dann weißt du also nicht, wie es ist, sich gegenseitig in den Wahnsinn zu treiben, doch den anderen vor seiner Mum zu decken, wenn man Mist gebaut hat?" Er sieht mich an, während wir dieselbe Straße weiterfahren.
"Ich habe eine Mutter, die mich in den Wahnsinn treibt, das reicht."
Kijan schüttelt den Kopf. "Die schien am Telefon sehr nett, also zählt sie nicht als Ersatz-Geschwisterkind. Sie würde dich niemals so in den Wahnsinn treiben wie eine kleine Schwester." Er lacht in sich hinein, als erinnere er sich an eine bestimmte Situation.
Ich greife nach seinem Handy, tippe den Pin ein und überspringe zwei Lieder. "Glaub mir, Kijan, meine Mutter ist mindestens genauso nervig wie deine Schwester."
"Und trotzdem hat man sie gerne, ist das nicht komisch?" Er fährt sein Fenster runter und legt seinen Ellenbogen lässig ab. "Wie lange bleibst du in Neuseeland?"
Ich rümpfe die Nase. "Fünf Monate." Dann füge ich hinzu: "Also eine ganz schon lange Zeit ..."
Er schlägt mir auf den Oberschenkel. "Quatsch, das vergeht viel schneller, als du denken kannst."
"Wenn du meinst."
Er folgt den Schildern zum Anawhata Beach, bis wir die ersten Wellen entdecken. Sie glänzen in der Sonne.
Er parkt den Wagen rückwärts zum Strand, steigt aus und trägt seinen Koffer und meinen Rucksack auf die Rückbank. Dann setzt er sich in den Kofferraum und lässt seine Unterschenkel über dem Auspuff baumen. "Setzt dich zu mir", fordert er mich auf und ich bemerke, dass er Uno in seinen Händen hält.
Ich setzte mich neben ihn. "Du hast ein Kartenspiel mitgenommen?", frage ich überrascht. Irgendwie scheint er mir nicht der Typ zu sein, der Gesellschaftsspiele spielt, ... obwohl er es ja auch mag, viel zu schnacken.
Er lässt die Karten in irrer Geschwindigkeit durch seine Hände gleiten, dann teilt er aus.
"Du fängst an." Er dreht die erste Karte um und muss lachen. "Gut, du setzt aus, also fange ich an."
Ich sortiere noch die Karten auf meiner Hand, während ich mürrisch entgegne: "Eigentlich dreht man dann noch eine Karte um, bis keine Sonderkarte mehr obenauf liegt."
"Kenne die Regel nicht, deshalb fange ich jetzt an." Er legt eine grüne vier und sieht mich erwartungsvoll an.
Ich entgegne mit einer grünen Acht und er grinst. In dem Moment wirkt er wie ein kleiner Junge und nicht wie der großkotzige Aufreißer aus dem Flugzeug. Er überlegt kurz und wechselt die Farbe mit einer passenden Zahl.
Ich muss ziehen, weil ich nicht kann. "Darf man nach deinen Regeln Schwarz auf Schwarz legen?" Ich hebe meinen Blick von den Karten in meiner Hand und erblicke, wie er entrüstet den Kopf schüttelt. "Um Himmels Willen, Lya, nein!" Er schürzt seine dünnen Lippen, während er seine nächste Karte legt und dann ergänzt: "Das machen nur die Anfänger, wer richtig Uno spielt, lässt so einen Blödsinn sein."
Ich hebe abwehrend meine Hände in die Höhe und lache. Wer kann denn ahnen, dass er das Kartenspiel so ernst nimmt? Er sieht mich an, während ich lache und mit einem Mal wird mir ganz warm.
"Ich mag es, wenn du lächelst", sagt er und mir fällt auf, wie rau und tief seine Stimme ist. Augenblicklich erfriert mein Lachen.
"Ey, das war keine Aufforderung, damit aufzuhören." Sein Blick ist intensiv, während er auf meine Lippen starrt. "Mach das noch mal, lächle für mich, Lya."
Ich kann nicht widerstehen und gebe ein vorsichtiges Schmunzeln preis.
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