Kapitel 2
~Lya Minusa~
"Was möchte der Herr neben ihnen?", fragt die Stewardess und verzieht ihre roten Lippen zu einem breiten Lächeln.
Ich zucke mit den Schultern. "Kenne ihn nicht, keine Ahnung." Vor mir steht eine Plastikschale mit Reis und Gemüse gefüllt.
Die Stewardess hebt eine Augenbraue an. Sie ist verdammt hübsch. Nicht ein einziger Mitesser ziert ihre makellose Haut. Sie sagt: "Ich habe gesehen, wie sie sich vorhin unterhalten haben und angenommen, dass sie zusammen reisen." Sie deutet auf den jungen Mann neben mir, der die Augen geschlossen hält und Ohrstöpsel trägt. "Was wollen wir ihm denn hinstellen? Wenn er aufwacht, ist er bestimmt hungrig." Sie schaut zwischen dem Gemüse-Reisgerichten und dem Gulasch auf ihrem kleinen Trolley hin und her.
Verdammt, warum muss immer ich die kommunikativen Leute abbekommen? Ich drehe mich kurzerhand zu Kijan um und rüttle an seiner Schulter. Er zuckt zusammen, also hat er wirklich geschlafen und nicht nur so getan, als würde er mich ignorieren ... er nimmt die Ohrstöpsel heraus.
"Möchten sie das Gemüse-Reisgericht oder das Gulasch, der Herr?", trällert die Stewardess.
Er kratzt sich am Bart. "Gerne das Gulasch."
Sie reicht es ihm mit einem weiteren breiten Lächeln ihrer roten Lippen und er nimmt ihr die Schale ab.
"Fleischesser?", frage ich Kijan, nachdem die Stewardess mit ihrem Trolley weitergezogen ist.
Er nickt nur und schaufelt sich gierig die erste Gabel in den Mund. Während er kaut, spricht er: "Redest du jetzt wieder mit mir oder hörst du lieber weiterhin die Stille deiner Kopfhörer?"
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er von meinem vorherigen Kommentar gekränkt ist. "Sei erwachsen. Man muss auch mal unangenehme Wahrheiten ertragen." Ich schiebe mir drei Erbsen in den Mund. "Du bist eine Labertasche und ich eben nicht." Die Erbsen sind so salzig, dass ich sofort nach meinem Wasser greifen muss. "Wer zur Hölle hat sich ausgedacht, in Flugzeugen alles zu versalzen?" Ich trinke gierig, um das Brennen in meinem Hals zu löschen.
Er lacht in sich hinein. "Mir schmeckts." Seine Gabel verschwindet schon wieder in seinem noch kauenden Mund. "Beim Fliegen lässt die Kapazität der Geschmacksknospen nach, daher das kräftige Gewürz."
Ich schiebe meine kleine Schale mit dem Gemüse-Reisgericht von mir weg. "Meine Geschmacksknospen scheinen davon nicht betroffen zu sein."
Er greift nach meiner Schale und nuschelt: "Gut, dann esse ich für dich auf, Lya."
Ich mag es nicht, wenn er meinen Namen ausspricht. Er klingt so fröhlich von seinen Lippen.
"Mach das, Kijan", erwidere ich und spuke ihm seinen Namen regelrecht vor die Füße.
Er legt seine Stirn in Falten, als würde er fragen wollen: Was habe ich dir jetzt schon wieder getan? Doch er ist clever und behält seine Frage für sich.
Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. "Mach mal die Blende runter", spreche ich Kijan an.
Er streckt sich und zieht den Sonnenschutz bis auf den Anschlag herunter. "Wie wäre es mit einem vorgetäuschten Interesse an seinem Gegenüber, bevor man ihn herumkommandiert?" Er lacht.
"Frag mich was, na komm schon." Er sieht mich an. "Egal was, frag einfach." Er scheint nicht akzeptieren zu wollen, dass ich ihn nicht ausstehen kann.
"Na schön", entgegne ich. "Warum fliegst du nach Neuseeland?"
Er schüttelt den Kopf. "Basic Frage. Ich will ein paar Monate Work and Travel ausprobieren, um neue Erfahrungen zu sammeln. Frag mich was Spannenderes." Sein Blick ist intensiv. Das Blau seiner Augen zieht mich in einen Strudel.
"Wenn meine Fragen langweilig sind, dann frag doch selber was."
Er überlegt kurz. Dann grinst er. "Mit wie vielen Männern hast du schon geschlafen?"
Ich huste und ziehe mir die ausgeschalteten Kopfhörer von den Ohren. "Wie bitte?" Der Typ spinnt ja komplett. "Das geht dich nichts an." Ich verschränke die Arme vor der Brust und fühle mich mit einem Mal total unwohl.
Er beugt sich zu mir rüber: "Na komm schon, sag es mir."
Ich schüttle den Kopf. "Träum weiter."
Aber er fährt unbeirrt fort: "Ich tippe, es waren zwei." Er schaut mich neugierig an. "Hab ich Recht?"
Ich nicke. Woher wusste er das? Sehe ich aus, als würde mich niemand vögeln wollen? Wut überkommt mich. "Wie siehts mit dir aus? Ich wette, du kannst sie nicht mal mehr zählen." Er sieht gut aus, hat breite Schultern, ein stetiges Lächeln und vor allem so unfassbar tiefblaue Augen ... er hat bestimmt schon zwanzig Frauen im Bett gehabt, auch wenn er nicht viel älter wirkt, als ich.
Zu meiner Überraschung lacht er laut auf. "Sieben", sagt er. "Noch kann ich sie zählen." Er zwinkert mir zu und ich bin mir unsicher, ob es ein Flirtversuch sein soll.
Also beschließe ich zu kontern. "Hast du es jemals geschafft, dass eine kommt?" Die Frage ist gefährlich. Sie kratzt bei vielen Männern am Ego, weil sie nicht wissen, ob die Frauen es nur vortäuschen oder sie es wirklich schaffen.
"Finde es heraus, wenn du dich traust." Er grinst frech.
Ich verenge meine Augen zu dünnen Schlitzen: "Nein, danke. Mein Interesse an dir liegt im Minusbereich." Ich kann es nicht fassen, dass er so ekelige Dinge zu mir sagt.
Kijan fährt sich mit der Zunge über seine schmalen Lippen. "Wahrscheinlich wird dein Dritter auch dein letzter sein, wenn du so verklemmt bist. Du heiratest ihn und wirst dann eine unglückliche Hausfrau." Er tätschelt mir den Arm. "Arme Lya, das ist ein echt beschissenes Leben, das dich erwartet."
Ich schlage seine Hand weg. "Besser, als mit dreißig an einer Geschlechtskrankheit zu verrecken."
Er zieht empört seine Augen auf. "Ich bin erst fünfundzwanzig. Sehe ich schon so alt aus?"
Ich verdrehe die Augen. "Nein, aber ich habe schon einberechnet, dass du noch ein paar Jahre leidest, bevor du verstirbst." Ich lächle, doch es ist falsch und hämisch.
Er zieht die Sonnenblende hoch und grinst selbstgefällig, als das Licht mir in die Augen sticht. "Erst mal beobachten wir dich beim Leiden." Er lehnt sich entspannt zurück.
"Du bist so ein ekeliger Mistkerl", blaffe ich ihn an, doch er erwidert nur trocken: "Das hat meine Mom auch gesagt, als sie mich am Flughafen abgesetzt hat." Dann schiebt er sich wieder seine Stöpsel in die Ohren und schläft ein.
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