Liebesschwüre ... irgendwie

Noch einmal schluckte ich kräftig.

„Viel zu viel, als dass es gut für meinen seelischen Zustand wäre“, murmelte ich. „Mehr als ich … dir, wahrscheinlich.“

Aus Verlegenheit sah ich auf meine Finger. Zart, dünn und zerbrechlich sahen sie aus, wie ich sie ausstreckte, spreizte und wieder zu Fäusten ballte. Wieder einmal bemerkte ich, wie blass meine Haut war, sogar meine Handinnenflächen beinhalteten nicht viel Farbe. Sicher hätte ich damit als Vampir durchgehen können, mir fehlten nur die goldbraunen Augen und die überirdische Schönheit. Schon in meinem Traum hatte ich mir sehr schwer vorstellen können, wie sich jemand wie Edward – wunderschön, lieb, klug, einfach perfekt – für mich interessieren könnte, doch es jetzt in der Wirklichkeit, die hoffentlich kein Traum war, zu spüren, war noch unglaublicher.

Langsam schaute ich wieder auf und wurde sogleich von seinem berauschenden Blick aufgesogen. Er raubte mir jedes Mal, wenn er auch nur ansatzweise in meiner Nähe war, den Atem und brachte mein Herz zum totalen durchdrehen und hyperventilieren. Durch das offene Fenster wehte ein kühles Lüftchen herein, kräuselte seine bronzefarbenen Haare auf seinem Kopf und mir strich ein dezenter Hauch seines köstlichen Duftes entgegen. Er brauchte mein Blut in mir zum kochen, und zum ersten Mal in meinem menschlichen Leben konnte ich mir annähernd vorstellen, wie es für ihn sein musste, mich zu riechen. Es war nicht dasselbe, aber dennoch – wenn auch zu einem winzigen Anteil – damit vergleichbar. Dann schüttelte ich meinen Kopf. Ich musste endlich aufhören, über solche sinnlosen Dinge nachzudenken, wenn er direkt neben mir saß. Sowas passierte in letzter Zeit nicht oft, und ich musste seine Anwesenheit genießen, als sei sie mein letzter Atemzug.

Jetzt erst sah ich, dass er nicht mehr lächelte. In seine Augen trat eine merkwürdige Mischung aus Spott und Rührung. Wenn gleich kommen würde, wovon ich wusste und hoffte, dass es kam, würde ich in Ohnmacht fallen, ohne Zweifel.

„Glaubst du wirklich, ich bedeute dir mehr als du mir?“

Na gut, ich würde mein Bewusstsein nicht verlieren – nicht jetzt! – aber ich war nahe dran. Sehr nahe dran, es wurde beinahe gefährlich. Mein Blick fror sich auf seinem Marmorkörper fest, alles was nicht zu Edward gehörte, verschwamm und drehte sich, sodass mir schwindelig wurde. Als ich dann spürte, dass meine Lungen schmerzhaft zusammengezogen waren, füllte ich sie augenblicklich mit Luft und bemerkte, dass jetzt wieder alles an seinem Platz blieb, und war dem sehr dankbar. Es würde sich nicht gut machen, würde ich mich auf seine sündhaft teuren Sachen übergeben. Und ganz nebenbei, würde ich mir dann die Sache mit Australien nochmal durch den Kopf gehen lassen. Ihm danach nochmal in die Augen sehen? Oh Gott!

„Naja“, begann ich leise, unsicher, „da wäre einmal die Tatsache, dass du weggewesen bist. Und du wolltest mich umbringen, vergiss das nicht. Aber daran denke ich gar nicht, denn du hast mir alles erklärt, was es zu erklären gab, und jetzt stehen beinahe keine Fragen mehr im Raum.“

Edward runzelte die Stirn. „Beinahe?“

Ich räusperte mich. „Ich … ich meine keine.“

„Du sagtest ‚beinahe‘.“

„Ich meinte aber ‚keine‘.“

„Du weißt doch eigentlich, dass du schlecht lügen kannst.“

„Woher willst du das denn jetzt wissen?“, fragte ich ihn. Ich konnte mit gutem Gewissen sagen, dass er jetzt unglaublich erpicht darauf sein musste, in meinen Kopf schauen und dort die unausgesprochene Frage lesen zu können. Da er das aber nicht konnte, versuchte er es auf diese Weise und witterte schon jetzt einen leichten Sieg.

Er lachte leise auf. „Erstens sehe ich dir das an, es ist so deutlich in deinem Gesicht zu erkennen, als stünde es mit roter Farbe auf deiner Stirn. Und zweitens hat mir Alice das erzählt.“

Mir klappte der Mund auf. „Das hat sie niemals!“

„Doch, so wahr ich hier sitze.“

„Das glaube ich dir nicht.“

„Musst du auch nicht.“

Ich verschlang die Arme vor der Brust und versuchte, böse zu gucken, was mir nur kläglich gelang. Wie sollte man denn einen solchen Engel grimmig anschauen? Ergeben atmete ich lautstark aus.

„Jetzt sei nicht böse auf mich“, verteidigte er sich. „Ich war es nicht, der es weitererzählt hat.“

Wo er Recht hatte … „Auch wieder wahr. Trotzdem, so etwas macht man nicht.“

„Das sagt eine Lügnerin.“

„Ach, du nennst mich Lügnerin?“ Diese Frage sollte eigentlich wütend und aufbrausend klingen, doch als er kicherte, entwischte auch mir ein Lacher. Wie verdammt nochmal machte er das nur?
Edward hob entschuldigend die Hände. „Sei du ehrlich zu mir, dann werde ich dich auch anders nennen.“

Damals nannte er mich Liebste. Liebste. Liebste. Das Wort hallte laut und schrill in meinem Kopf wieder, prallte gegen meine Schädeldecke und surrte noch eine ganze Weile lang nach. Es hatte immer so süßlich und wie für mich geschaffen geklungen, wenn er es ausgesprochen hatte, doch jetzt schien es das gravierende Gegenteil von mir darzustellen, so wie es vor meinem inneren Auge herumflitzte. Würde er vielleicht, irgendwann einmal, in ferner Zukunft … bestünde die Möglichkeit, dass … könnte ich Alice danach fragen?

„Wir sind vom Thema abgekommen“, sagte er und holte mich mit einem kurzen Seufzer aus meinen Gedanken. Hatte er jemals in der Realität vor meinen Augen geseufzt? Ich wusste es nicht mehr, doch ich bemerkte, wie verletzlich es ihn machte. Ich musste innerlich grinsen. Edward und verletzlich, oh natürlich! Er brachte mich langsam um den Verstand.

Ich schüttelte hastig den Kopf, um mich auf das Gespräch konzentrieren zu können. „Richtig.“

„Also …?“, fragte er zaghaft.

„Was also?“

„Du warst vorhin dabei, mir zu verraten, welche Frage für dich noch offen steht.“

Als ich erneut meinen Kopf schütteln wollte, wandte er seinen glühenden Blick an und ich wurde machtlos. Das war jetzt wirklich unfair, aber so wie ich ihn kannte, waren ihm alle Mittel recht, um mich zum Reden zu bringen.

„Hmm ja.“ In mir rangen Wahrheit und Vernunft, und ich glaubte schon zu wissen, wer stärker sein würde, deswegen sagte ich es einfach, egal, ob es meine Welt zum wanken brachte oder nicht. „Weißt du, Edward, ich habe zu große Angst, dich zu verlieren, als dass ich das hier noch länger aufs Spiel setzen möchte. Jeden Moment warte ich darauf, dass ich einen Knall höre, aufwache und einsehen muss, dass alles nur ein Traum war. Dass du noch immer in Denali bist, mich vergessen hast und ich innerlich zerbreche. Es ist alles einfach so unwirklich. Du kommst hierher – das Klavier lasse ich jetzt mal außen vor – und erzählst mir alles, damit ich verstehen kann, was los ist. Die Sache ist nur, ich erkenne keinen Sinn dahinter. Nicht nur die offensichtlichen Dinge lassen mich wissen, dass das, was ich mir wünsche, unmöglich ist.“

Während ich das gesagt hatte, hatte ich starr auf meine Handinnenflächen geschaut, doch jetzt musste ich wohl oder über aufschauen, um seine Reaktion zu sehen. Seine Stirn war in tiefe Falten gelegt, beinahe so, als wären sie auf Ewig darin eingemeißelt. Seine Blicke grub sich mit unendlich zärtlicher Wärme unter meine Haut, er schien mich mit ihnen zu streicheln. Er holte tief Luft, bevor er sprach.

„Was wünschst du …“ Er brach abrupt im Satz ab, seine Augen wichen von meinem Körper und sahen für einen kurzen Moment zur Decke. Als er sie dann wieder auf mich richtete, sah er fast wütend aus. „Offensichtliche Dinge?“

Ich räusperte mich. „Also … du kannst mir jetzt nicht sagen, dass du das nicht selbst siehst.“

„Was soll ich denn sehen?“

„Mich“, sagte ich – unnötigerweise, denn das tat er bereits. „Schau mich an und dann schau dich an. Ich bin tollpatschig und ungeschickt, dass es an körperliche Behinderung grenzt. Ein Elektron könnte nie so stark vom Pluspol angezogen werden, so wie ich Unfälle magisch anziehe. Aber von diesen beiden Tatsachen abgesehen, bin ich der Durchschnitt pur. Und du … Noch nie zuvor habe ich einen größeren Unterschied gesehen als den, den wir beide vorweisen. “

Obwohl ich geglaubt hatte, dass es unmöglich sein würde, vertieften sich die Falten auf seiner Stirn noch mehr. Er hatte den Denkerblick echt drauf.

„Ich muss dir widersprechen.“ Seine Stimme klang ruhig. „Okay, in Bezug auf deine negativen Seiten, also die Tollpatschigkeit und die Unfälle, hast du Recht. Doch du bist nicht mittelmäßig, wie du denkst, oder kannst du etwa in die Köpfe aller männlichen Wesen im Umkreis von mehreren Meilen sehen? Ich gebe zu, ich würde das auch gerne mal abschalten können, vor allem, wenn ich in Newtons Gedanken sehen muss“ – er schüttelte sich – „doch da es unmöglich ist, wegzuhören, kann ich dir nur sagen, dass du das exakte Gegenteil von Durchschnittlich bist. Und um das mit gutem Gewissen sagen zu können, brauche ich auch nicht die mentalen Stimmen der anderen Menschen. Ich habe Augen, die schärfer sehen, als die eines bloßen Menschen.“

Mein Herz, das mir zuvor in die Hose gerutscht war, befand sich jetzt wieder an seinem rechtmäßigen Platz und hämmerte wie wild gegen meine Brust. Ich ignorierte den Schmerz, den ich dadurch spürte, denn es war eigentlich ein schönes Gefühl. Vor allem, weil es durch ihn und seine Worte ausgelöst worden war. Der Atemzug, den ich gerade machen wollte, blieb mir im Halse stecken und brachte wieder alles um ihn herum zum wirbeln. Ich schloss meine Augen, schluckte einmal kräftig, öffnete sie dann wieder und alles war normal. So langsam bekam ich meine Übelkeit unter Kontrolle. Der Wind, der durch das offene Fenster hereinwehte, huschte über meine Haut und ich fröstelte. Edward deutete meine Gänsehaut falsch.

„Hab … hab ich dir jetzt Angst gemacht?“

Ich musste laut lachen. So etwas Absurdes! „Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin … überglücklich.“

„Das ist schön zu hören.“ Auch er lächelte. „Verrätst du mir denn auch, was du dir wünschst?“

„Das willst du nicht wissen.“

„Doch, sonst würde ich nicht fragen.“

Ich seufzte. „Es geht nicht.“

„Was?“ Er stutzte.

„Naja“, flüsterte ich, „was ich mir wünsche eben. Es ist unmöglich.“

„Sag das nicht.“

Ich musste lachen. „Mach mir keine falschen Hoffnungen.“

„Aber für was denn?“

Sollte ich es ihm wirklich sagen? Meine innersten, tiefsten Wünsche preisgeben? Ihm sagen, wie verrückt ich nach ihm war, wie abhängig von ihm? Wie sehr ich ihn brauchte? Warum er jede Nacht wieder und wieder die Hauptrolle in meinen Träumen spielte? Dass er mich allzu oft vom schlafen abgehalten hatte, als er nicht da war? Wie groß meine Sorge um ihn ist, immer wenn er nicht da ist, obwohl es lächerlich scheint? Dass ich ihn niemals mehr gehen lassen werde, wie Vernünftig seine Erklärung auch sein mag?

Die drei berühmten Worte konnte ich nicht sagen. Es ging einfach nicht, der Kloß in meinem Hals war zu dick und plump. Aber irgendetwas musste ich sagen, denn er wartete.

„So gerne ich es tun würde“, fing ich leise an, „alles kann ich dir nicht sagen. Nur, was meine Gefühle betrifft, darf ich erzählen. Weißt du … jeden Tag, an dem ich dich sah, wollte ich kämpfen, um ans Ziel zu gelangen, doch ich spürte nur allzu oft, dass ich nicht genug Kraft besaß, um dich zu gewinnen. Ich gab die Hoffnung schließlich völlig auf, als du weg warst. Es gab einfach keinen Sinn mehr, für nichts. Alice und Jacob hielten mich am Leben, doch eigentlich lebte ich nicht mehr. Das mit der leeren Hülle, wie Alice es dir beschrieb, stimmte. Ich lief herum, wie der Löwe in einem Käfig, ich aß und trank, ich sprach mit den Menschen um mich herum, doch zur Schule ging ich nicht, zu schlimm wären die Erinnerungen gewesen. Nacht für Nacht versuchte ich, wenigstens ein paar Minuten schlafen zu können, jedoch vergebens. Ständig gingen mir tausende von Fragen durch den Kopf, wo du warst, was du wohl tatest, wie es dir ging, ob du an mich dachtest. Und die Ungewissheit trieb mich beinahe in den Wahnsinn.

Gegen jede Vernunft beschloss ich trotzdem, zu warten. Ich wusste noch nicht einmal selbst, worauf, doch ich tat es, auf ein Wunder hoffend. Vielleicht wartete ich darauf, dass der Bescheid von Alice kam, sie sähe in der Zukunft dich mit Tanja oder mit einer anderen Frau, was weiß ich. Dann hätte ich möglicherweise Ruhe gehabt, doch das sah ich eher als unwahrscheinlich. Vielleicht wartete ich aber auch darauf, dass du zurückkommen würdest, du mich aber weiterhin hassen würdest. Das wäre auch okay gewesen, dachte ich mir, dann könnte ich dich trotzdem immer sehen. Ein riesen Problem wäre es dennoch für mich gewesen, doch das war mir egal. Womöglich habe ich eine masochistische Ader in mir. Ich schlug mich also mit diesen Gedanken durch den Tag, mal ging ich mit Alice shoppen, mal traf ich mich mit Jacob, doch meine Augen waren immer leer. Ich erkannte mich selbst nicht mehr im Spiegel, da war ein fremdes Mädchen, das zutiefst traurig aussah. Als ich Renée, meine Mutter, besuchte, konnte ich schon ein halbwegs normales Gesicht aufsetzen, sodass sie wenig merkte. Doch innerlich blieb alles gleich.

Naja, ich rede wieder um den heißen Brei herum, und du hast mir eine einfache Frage gestellt. Was ich mir wünsche …“ Ich schluckte und sah ihm fest in die Augen. Er schaute mich gebannt an. „Das Einzige, was ich mir sehnlichst und aus tiefster Seele wünsche, ist … mit dir zusammen sein zu können. Ich will nicht, dass alles Leiden in diesen Wochen umsonst war, und ich möchte endlich dieses Loch in meinem Herzen gefüllt haben, ich will, dass es schlägt, ohne weh zu tun. Und das kannst nur du beheben, schätze ich. Bitte versteh mich nicht falsch, du musst es nicht tun, es ist eben nur mein Wunsch. Ich kann dich zu nichts zwingen, und wenn du glaubst, du kannst es nicht, dann ignoriere mich, verletze mich oder mach sonstwas. Mir ist nur wichtig, dass du weißt, was ich … fühle.“

Ich war in diesem Moment selbst zutiefst von meiner inneren Ruhe und meiner Stärke überrascht. Ich hatte es ihm sagen können und ihm dabei noch direkt in die Augen geschaut, in diese wunderbar himmlischen goldbraunen Augen, die mich auch jetzt wieder vom Boden hoben und auf einer sanften Wolke trugen. In mir donnerte es, ich atmete viel zu schnell, doch das war es mir wert. Er wusste bescheid, und er konnte wählen. Was für ein Blödsinn, ging es mir durch den Kopf. Als ob ich ihn davon abhalten könnte, sich gegen mich zu entscheiden, was er sicherlich tun würde. Jetzt war ich diejenige, die auf eine Antwort wartete.

Gerade, als ich glaubte, Edward sei sprachlos, räusperte er sich und setzte zum Sprechen an. Seine Stimme war nur ein Hauch. „Ich habe vieles erwartet, nur nicht das.“

„Was meinst du damit?“

Er schmunzelte. „Dass ich dir so wichtig bin.“

„Also bitte, war das nicht von vornherein klar?“ Ich erwiderte sein Lächeln.

„Nicht für mich“, gab er zu.

Verlegen sah ich wieder auf meine Hände und verschränkte diese ineinander. „Und was bedeutet das jetzt für dich?“

„Was soll was bedeuten?“

„Naja“, murmelte ich, „du weißt jetzt bescheid. Was wirst du tun? Wirst du … dich von mir fernhalten, mich ignorieren oder gar schikanieren?“ Ich versuchte mir vorzustellen, wie Edward jemanden schikanierte, und stellte fest, dass ich nicht derjenige sein wollte, dem es geschah.

Wieder erklang sein leises Lachen in der Nacht und füllte mein Herz bis zum Rand mit Glück.

„Nichts von diesen drei Dingen werde ich tun“, flüsterte er.

Mir fiel ein unglaublich schwerer Stein vom Herzen, denn einen Augenblick lang glaubte ich wirklich, er würde ja sagen und einfach verschwinden.

Ich sah ihm wieder in die Augen. „Und was wirst du stattdessen tun?“

Ganz langsam beugte er sich näher zu mir und streckte seine eiserne Hand nach meinen verschlungenen Händen aus. Vorsichtig strich er über meine ineinander gekrallten Finger, die Kälte, die seine Haut ausstrahlte, und der Stromschlag, der in diesem Moment meinen ganzen Körper erfasste, brachten mich dazu, meine Hände voneinander zu lösen. Unglaublich zaghaft berührten seine Fingerspitzen meine Handinnenfläche und überall breitete sich bei mir eine Gänsehaut aus. Er fuhr sanft die Konturen meiner Haut nach und atmete dabei tief ein und aus. Schließlich umfasste er meine ganze Hand und unsere Finger verschränkten sich. Mit seinem Daumen strich er mir zärtlich über meinen Handrücken, während er mir tief in die Augen schaute. Mein Herz stand still, ich atmete flach.

„Halt einfach ganz … ganz still“, flüsterte er und sein berauschender Atem traf mein Gesicht. Sofort wurde mir schwindelig von seinem köstlichen Duft.

Ich tat, was er mir gesagt hatte, und rührte mich keinen Zentimeter. Ich sah ihm zu, wie er seine andere Hand vorsichtig an meine Wange legte. Wohlig seufzte ich und schloss meine Augen. Seine Finger streichelten meine Haut, die jetzt sicher puterrot war, die Berührung einer Feder wäre nicht sanfter gewesen. Ganz sacht glitt seine eisige Hand über meine geschlossenen Augen, fuhr dann über meine Nasenspitze zu meinen Lippen. Überall da, wo seine Kälte auf meine Hitze traf, brannte und glühte meine Haut. Zaghaft ließ er seine Finger an meinem Kinn meinen Hals hinunter gleiten, zu der Senke dazwischen und schließlich zu meinem Schlüsselbein, wo seine Hand verweilte. Ich genoss jede einzelne seiner Berührungen, als wären sie mein letzter Atemzug. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und erschrak, als ich bemerkte, wie nahe sein Gesicht dem meinen gekommen war.

„Habe ich dich erschreckt?“ Wieder sog ich seinen Atem ein und fühlte mich wie beflügelt.

Ich schüttelte langsam den Kopf und wunderte mich, dass er nicht von mir wich. „Nein.“

„Gut.“ Wenn ich bedachte, wie immens die Versuchung nach meinem Blut sein musste, hatte ich schon eine Menge Respekt vor ihm, denn noch immer trennten unsere Gesichter nur Zentimeter, und so wie es aussah, dachte er auch nicht daran, das zu ändern.

Vorsichtig hob ich meine freie Hand und legte meine Finger an seinen Hals. Ihm entwich ein Seufzer, als ich sachte über seine kalte Haut strich.

„Darf ich?“, fragte ich leise, und er nickte.

„Beweg dich nicht.“

Kein anderer konnte so regungslos sein wie Edward. Ich begann, noch langsamer, noch zaghafter über seine Haut zu streicheln. Meine Finger berührten seinen eisigen Hals, glitten über sein Kinn zu seinen Wangen, die nicht den leisesten Hauch von Röte oder Farbe verrieten. Er schloss seine Augen, so wie ich es zuvor getan hatte, als er meine Haut liebkoste. Zärtlich strich ich über seine rosafarbenen Lippen und war kurz davor, ihn zu küssen. Beherrsche dich, sagte ich mir innerlich. Ich bemerkte, dass ich die Bewegung meiner Finger kurz unterbrochen hatte und fuhr jetzt damit fort, über seine fliederfarbenen Augenlider zu gleiten. Wieder stieß er einen Seufzer aus und sein kalter, köstlicher Duft kitzelte mein Gesicht. Gleich würde ich den Verstand verlieren, rief es in mir und ich hielt mit meiner Hand an seiner Wange inne. Nur einen Bruchteil einer Sekunde später öffnete er seine Augen und sah mich an. Sein hungriger Blick drang direkt unter meine Haut und jagte mir eine prickelnde Gänsehaut über den Körper. Er schaute mich nicht so an, als dass ich hätte Angst haben sollen. Es war die Art, die mein Blut in meinen Adern pulsieren ließ.

„Bella“, flüsterte er und dieses seidig weich ausgesprochene Wort legte sich wie ein Tuch aus Samt um mein Herz. Ob er wohl ahnen konnte, wie verführerisch seine Stimme war?

Was er dann tat, war unbegreiflich. Die Hand von ihm, die zuvor noch an meinem Schlüsselbein gelegen hatte, legte sich in meinen Nacken. Seine goldbraunen Augen blitzten in der Dunkelheit auf und zogen mich in ihren Bann, sodass ich mich nicht rühren konnte, doch das wollte ich auch gar nicht. Er schloss sie erneut, und kurz darauf tat ich es ihm nach. Dann zog er mich an sich, ganz sanft und vorsichtig, als könnte er mich jeden Moment zwischen seinen Fingern zerbrechen. Unglaublich zärtlich legten sich seine Lippen auf meine und in diesem Moment schlug mein Herz bis zum Hals.

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