Kapitel 11 | Entschluss ✔️
Er saß auf dem Sofa vor dem Fenster und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab, während die Zimmertür weit offen stand. Eine Sorgenfalte hatte sich auf seiner breiten Stirn gebildet und er blickte nachdenklich auf seine gekreuzten Finger. Jasper war anscheinend so in Gedanken versunken, dass er meine Anwesenheit im Türrahmen gar nicht zu merken schien. Langsam trat ich einen kleinen Schritt in den Raum hinein, die Dielen knarrten leise unter meinen Schuhen - für ein menschliches Gehör kaum vernehmbar -, für einen Vampir jedoch nahezu unhörbar. Er schreckte auf, seine verschränkten Arme lösten sich automatisch und mit weit aufgerissen Augen starrte er mich entgeistert an. Seine Augen leuchtenden golden, was darauf hindeutet, dass er tatsächlich jagen gewesen war. Vermutlich hatte er es getan, um sich zu beruhigen - so wie ich ihn kannte.
Ich trat einen weiteren Schritt auf ihn zu, meine Hände weiterhin tief in den Taschen meines Mantels vergraben und schweigsam biss ich mir auf die Lippe. Ich brachte keinen Ton heraus. Wusste nicht einmal was ich überhaupt sagen sollte. Er war zurück gekommen, war das einzige was ich feststellen konnte. Und er anscheinend auch.
,,Du bist zurück.'' sagte er schließlich nach einer Zeit und drehte seinen ganzen Körper zu mir herum. Es war schon fast merkwürdig ihm in die Augen zu sehen.
,,Du auch.'' bemerkte ich knapp und setzte mich unmittelbar an das andere Ende des Sofas. Mein Herz wollte näher an ihn heran, ihn in die Arme schließen und ihn spüren, doch mein Verstand ließ mich sitzen –wortwörtlich.
Jedoch war ich noch ein wenig wütend auf ihn, dass er einfach gegangen war, weswegen ich es für das Beste hielt, erstmal Abstand zu halten. Und er hatte, wie es aussah nichts, dagegen einzuwenden.
,,Ich-'' begann er, doch unterbrach sich selbst. Jasper senkte seinen Kopf und wusste anscheinend nicht so recht, wie er fangen sollte. Darin seine Gefühle offen zu zeigen und sich zu entschuldigen war noch nie eine seiner Stärken gewesen, deswegen wunderte es mich nicht, dass er solange brauchte, um auch nur einen Ton heraus zu bringen. Ich spielte an dem Ring an meinem Finger, mein Ehering, und wandte meinen Kopf dem Boden zu, als wäre er im Moment das Interessantes auf der Welt.
,,Es tut mir leid.'' Ich schaute stumm auf, sah ihm in die Augen und wusste, dass er es ernst meinte.
,,Was genau tut dir leid?'' fragte ich ihn daraufhin und wandte nun auch meinem Körper ihm zu. Ich richtete mich auf und sah ihm ernst und fragend ins Gesicht.
,,Dass du einfach gegangen bist, ohne ein Wort zu sagen? Mich hier alleine gelassen lasst?'' Die annähende Wut in meiner Stimme war nicht zu überhören und er konnte die Enttäuschung über sein Verhalten deutlich in mir spüren.
Ich jedoch leider nicht. So gut ich ihn auch kannte, ich besaß Edwards Gabe nicht, um seine Gedanken zu lesen.
,,Ich weiß, dass das was ich getan habe, nicht in Ordnung war und ich versuche mich dafür zu entschuldigen..'' antwortete er und verzog seine Lippen zu einem schmalen Strich. ,,Du hast allen Grund dazu wütend auf mich zu sein. Ich verstehe das.''
Ich schnaubte kurz auf und legte den Kopf in den Nacken. ,,In diesem Moment hast du es anscheinend nicht gewusst.'' sagte ich stattdessen und er nickte knapp.
,,Es war ein Schock.'' versuchte er sich zu verteidigen, doch wusste selbst, dass das bei mir nicht so funktionieren würde. Es war ein Schock für uns beide, nicht nur für ihn!
Jedoch auch nicht nur für mich..
Das wurde mir in diesem Moment klar.
Auch wenn ich seine Reaktion nicht tolerieren würde, musste er diese Nachricht dennoch auf seine eigene Art und Weise verarbeiten. Dessen war ich mir nun bewusst.
Ich seufzte laut auf und ließ Luft in meine Lungen eintreten, die ich überhaupt nicht brauchte. Doch in diesem Moment hatte ich das Gefühl zu ersticken, dass sich alles um mich herum drehte und nichts hiervon wahr war.
Doch als ich mich umschaute, jedes vertraute Detail unseres Zimmers in mir aussog, wusste ich, dass es kein Traum sein konnte.
,,Es ist wahr." sagte ich dann schließlich und war erstaunt, wie überzeugend ich klang.
Doch ich musste zustimmen, dass ich das mittlerweile auch war und ich hoffte, er würde es auch verstehen.
,,Alles was Carlisle gesagt hat, es ist wahr. Ich hab es gesehen.'' Bei meinem letzten Satz bemerkte ich, wie er kaum merkbar zusammen zuckte und meinem Blick auswisch.
Entweder er glaubte meinen Worten auf keinen Fall und hielt es für einen Schwachsinn - was es vermutlich in den Augen vieler Vampire auch war - oder er schenkte mir Glauben und musste die Antwort erst einmal verarbeiten.
Was auch immer Wahr sein mochte, er hatte nicht gesehen, was ich gesehen hatte..
,,Ich weiß.'' sagte Jasper plötzlich wie aus dem Nichts und riss mich damit vollkommen aus der Fassung. Ich zog verwundert die Augenbrauen zusammen und versuchte anhand seines Blickes, die Bedeutung hinter seinen Worten zu erkennen. Jedoch vergeblich.
,,Du weißt es?'' fragte ich deshalb und er nickte stumm.
Wollte er damit sagen -
Ich musste meinen Gedanken gar nicht zu Ende führen, bevor er bereits begann zu erzählen.
,,Ich habe davon gehört. Es ist Jahrzehnte her, in irgendeinem Pup in Edinburgh. Ich hab es damals nicht geglaubt, es für ein sinnloses Geschwafel gehalten und ihm danach keine weitere Beachtung geschenkt..
Doch als Carlisle davon erzählte - Ich weiß nicht wieso, doch ich habe es geglaubt.
Auch wenn es unmöglich schien, ich habe es geglaubt. Auf der Stelle.''
Niemand sagte auch nur ein Wort. Die Uhr in unserem Zimmer tickte. Irgendwo im Haus ächzte etwas. Fassungslos starrte ich ihn an.
,,Du wusstest es? Du wusstest es all die Jahre und hast nie etwas gesagt?'' hakte ich nach und bemerkte wie meine Stimme zitterte, dennoch klang sie eisig in der plötzlich eingetretenen Stille. Schuldbewusst zog er die Schultern hoch und sah mich unglücklich an.
,,Ich habe nicht daran geglaubt, Alice.'' versuchte er sich herauszureden, jedoch hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handfläche, solange bis es weh tat. Doch ich konnte nicht aufhören. Ich war erstaunt von mir selbst, da ich mich so nicht kannte. Eigentlich war ich nicht nachtragend, schon gar nicht was Jasper anging, doch dieses Mal schien ich mich einfach nicht beruhigen zu wollen. Ich wusste nicht einmal, ob es überhaupt an mir lag.
,,Doch als Carlisle es glaubte, wieso hast du dann nichts gesagt? Du hast mich alleine gelassen!'' verzweifelt sah ich ihm entgegen und versuchte irgendeine Antwort in seinem Augen zu finden. Doch da war nichts. Nur eine ungewisse Angst, die mir einen Schauer über den Rücken jagte.
,,Und ich bereue es, glaube mir.'', antwortete er kurz darauf und sah mich ernst an. ,,Wenn ich es rückgängig machen könnte, dann würde ich es tun. Doch ich musste das alles erst einmal verarbeiten.'' Er lachte verzweifelt auf und ließ sich kraftlos auf dem Sofa nach hinten sinken.
,,Ich hab nie daran gedacht, einmal Vater zu werden.'' Seine Hände lagen in seinem Schoß, sein Gesicht war zu mir gerichtet.
Ich schluckte instinktiv. ,,Denkst du ich habe daran gedacht? Denkst du ich bin bereit Mutter zu werden. Doch ich kann es nicht ändern!'' Meine Stimme klang schrill. Gequält. Betroffen. Sekundenlang konnte ich ihn nur anstarren. Gab er mir wirklich die Schuld an dieser Situation? Für die einzige Sache in meinem Leben, die ich nicht vorausgesehen hatte?
Ein bedrückter Ausdruck legte sich über sein Gesicht. ,,Ich will auch nicht, dass du es änderst.'', sagte er dann plötzlich.
,,Ich will, dass sich nichts hiervon ändert.'' Jasper beugte sich nach vorne und stand auf.
,,Nicht?'', fragte ich ungläubig und sah zu ihm auf. Er schüttelte den Kopf.
,,Um Gottes Willen, nein!'', platzte er heraus. ,,Nur weil ich es am Anfang nicht begreifen konnte, heißt das nicht, dass ich es nicht will. Denn das tue ich.'' Eindringlich sah er mich, fast schon so, als wolle er beeinflussen, dass ich ihm glaubte. Doch das tat ich bereits.
Ich stand auf und stellte mich vor ihn. ,,Gut. Denn ich will auch nicht, dass sich etwas ändert.'', sagte ich. Er seufzte erleichtert, streckte die Hand nach mir aus und ich reichte sie ihm wortlos.
Wie ich es vermisst hatte ihn so nahe an mir zu spüren, auch wenn es nur für kurze Zeit gewesen war.
,,Was passiert jetzt?", fragte Jasper, kreuzte seine Finger mit meinen und zog mich näher zu ihm.
,,Ich weiß es nicht.", gestand ich ihm und meinte es ernst. Ich wusste nicht woran es lag, doch alles was mit meiner Zukunft oder der des Kindes zu tun hatte, war wie ein leeres Loch in meinem Kopf. So sehr ich es versuchte, so sehr ich mich auch anstrengte, keine einzige Vision erschien vor meinen Augen.
,,Was hat Carlisle gemeint?", fragte er weiter und ich legte ihm eine Hand auf die Brust. Krallte meine Finger in den Saum seines Shirts, um halt zu finden und erzählte ihm alles was Carlisle mir erzählt hatte. Angefangen von seinen Vermutungen, bis hin zu dem Ultraschall Termin im Krankenhaus. Ich erzählte ihm alles, was ich gesehen hatte, was ich fühlte, und auch wenn er sich immernoch schuldig fühlte, lauschte er jedem meiner Worte klar und deutlich.
,,Also", meinte ich und formte meine Lippen zu einem schmalen Lächeln. ,,Sieht so aus als ob unsere Familie ein weiteres Mitglied bekommen würde."
Seine Mundwinkel zuckten nach oben und es war das erste ehrliche Lächeln, das er mir heute schenkte.
,,Wir müssen es den anderen sagen.", sagte Jasper kurz darauf und legte eine Hand an meine Wange. Er, genau wie ich wussten, dass das der schwerste Part sein würde und mir kraute es davor, den anderen alles zu erzählen - besonders Rosalie. Doch ich wusste, dass wir es ihnen erzählen mussten. Wir hatten keine andere Wahl.
Deswegen nickte ich nur kurz, legte meinen Kopf an seine Brust und spürte seine Arme schützend um meinem Körper. Es würde alles gut werden.
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