Kapitel 59

Am späten Nachmittag kamen Adam und April ins Krankenhaus. Als sie das Zimmer von Hugh betraten, saß ich gerade im Bett neben Hugh und begutachtete das neue Pflaster an Hughs Handgelenk. Zwischenzeitlich hatte Hugh seine eigenen Sachen angezogen und wir hatten etwas gegessen.

April hatte sofort angefangen zu weinen und Adam war auch sprachlos gewesen. Erst als Hugh mir zugezwinkert hatte und mir sagte, dass er wusste, dass das passieren würde, fiel April ihm regelrecht um den Hals, entschuldigte sich aber sofort wieder. Adam klopfte Hugh auf die Schulter und die beiden tauschten einen langen Blick aus, der wohl Worte beinhalten sollte, die ich nicht verstand.

Danach hielt April uns eine kleine Tirade, wie wir ihnen nicht Bescheid sagen konnten, dass Hugh wieder aufgewacht war. Ich hatte keine Minute an die andern gedacht. Jeder Gedanke hatte sich um Hugh gedreht. Immer wieder habe ich ihn gefragt, ob er etwas brauchte. Er war vollkommen überfordert von meiner Fürsorge, die scheinbar von Augenblick zu Augenblick mehr ausartete. Ich konnte mich aber nur schwer zurückhalten, denn mein Kopf hatte zwar verstanden, dass Hugh wieder wach war und es ihm den Umständen entsprechend ausgesprochen gut ging, aber mein Herz hatte es noch nicht verstanden. April und Adam hatten sofort die anderen angerufen und auch ich hatte Logan kontaktiert. Er hatte lange geschwiegen, als ich ihm gesagt hatte, dass Hugh wieder wach sei, bis er gefragt hatte, wie es ihm ginge. Ich versicherte ihm, dass Hugh soweit in Ordnung war und dann schien auch Logan ein Stein vom Herzen zu fallen.

Zwischenzeitlich hatte ich auch Joshua eine Nachricht geschrieben. Während der letzten Tage hatten wir viel Kontakt gehabt. Ich erzählte ihm von Hugh, den ganzen Missverständnissen und Joshua entpuppte sich als wirklich guter Zuhörer. Am Abend gingen Adam und April recht zeitnah, weil sie noch ein Meeting hatten, sodass Hugh und ich irgendwann wieder allein waren.

„Kommst du her?" Hugh hob die Decke leicht an. Ich nickte sofort und krabbelte wieder unter seine Decke, um mich an seinen warmen Körper zu kuscheln. „Wie sehr ich das vermisst habe." murmelte ich mehr zu mir selbst. Hugh küsste mich auf die Stirn. „Ich werde dafür Sorge tragen, dass du es nie wieder missen musst." flüsterte er mit erstickter Stimme. Überrascht sah ich zu Hugh auf. In seinen Augen schimmerte es verdächtig.

„Hugh." Ich legte meine Hand an seine Wange und er schloss die Augen, dennoch wirkte er gequält. „Was hast du?" fragte ich.

Hugh seufzte. „Ich werde diese Bilder nicht los." verwirrt runzelte ich die Stirn, was Hugh nicht sehen konnte, weil er noch immer die Augen geschlossen hielt. „Welche Bilder?" fragte ich also. „Du..." Ich? jetzt verwirrte er mich noch mehr. „Wie James dich gepackt hat, wie du mich ängstlich angesehen hast, wie du geweint hast." Hugh vergrub sein Gesicht an meiner Halsbeuge und atmete tief ein und aus. „Es geht mir nicht anders." murmelte ich und legte meine Arme um Hugh. Hugh stockte. „Ich sehe James immer wieder ausholen, höre immer wieder dieses abscheuliche Geräusch. Ich hab jeden Tag mehr die Hoffnung verloren, dich je wiederzusehen." gestand ich. Tränen liefen mir stumm über die Wangen. Hugh zog mich zu sich weiter heran. Die Nässe an meinem Hals überraschte mich. Ich verstärkte den Griff um Hugh was er ebenfalls tat.

Ich weiß nicht, wie lange wir dort saßen. Ich weiß auch nicht, wer wen getröstet hat. Aber dieser Moment tat unglaublich gut, einfach weil ich Hughs Atem an meinem Körper spürte, er mich in seinen Armen hielt und hin und wieder meinen Namen flüsterte.

Nach einer Weile lösten wir uns wieder voneinander. Hugh nahm mein Gesicht in seine Hände und wischte mit den Daumen meine Tränen weg. Das gleiche tat ich bei ihm. Wir lächelten uns glücklich und doch irgendwie gequält an, aber das Glück überwiegte.

„Wir sind durch die Hölle gegangen." flüsterte Hugh, ohne aufzuhören, mit den Daumen über meine Wangen zu streichen. Ich nickte. Das sind wir wirklich. „Aber das ist jetzt unser Happy End." Ich schmunzelte. „Wie in Nicholas Sparks Filmen." Das wurde wohl zu einem Running Gag. Hugh nickte. „Wie in Nicholas Sparks Filmen." bestätigte er und gab mir einen unglaublich sanften Kuss auf die Lippen. Keiner von uns forderte in diesem Moment etwas vom anderen. Wir genossen einfach das Gefühlt unserer Lippen aufeinander. Wir harmonierten perfekt, hielten uns leicht fest und doch bedeutete es, dass wir uns am anderen regelrecht festkrallten. Als Hugh sich von mir löste blickte er mir wieder voller Liebe in die Augen. „Ich liebe dich, Liv."

„Und ich liebe dich, Hugh."

Plötzlich fielen mir wieder Hughs Eltern ein. Ich wendete den Blick ab, damit Hugh nichts merkte, aber das tat er natürlich trotzdem. „Woran denkst du?" Ich seufzte. So konnte man auch einen Moment zerstören. „Deine Eltern waren hier." Hugh versteifte sich augenblicklich. „Ich will nichts mit ihnen zu tun haben. Wenn sie sich nicht eingemischt hätten, wäre dir nie etwas passiert!" Hugh strahlte auf einmal pure Aggression aus. Ich nickte verstehend. „Ich habe sie sofort aus dem Zimmer geworfen. Wir haben uns dann vor dem Zimmer, naja irgendwie unterhalten, aber ich muss dir gestehen, dass ich die beiden nicht sehr mag." Hugh schnaubte. „Das macht dich umso besser." Ich sah überrascht zu Hugh auf. Er legte nur den Kopf schräg. „Was haben sie gesagt?"

„Dass sie nur das Beste für dich wollten und alles aus dem Ruder gelaufen ist." Hugh schnaubte. „Und am Ende fragte mich dein Vater, ob ich dich liebe. Als ich es bejahte, wünschte er uns viel Glück und sagte, dass er sich wünscht, dir das auch einmal sagen zu können. Die nette Geste zerstörte er aber gleich wieder, weil er auf sein Image achten wollte." Hugh schüttelte nur den Kopf. „Sie werden keine Rolle in unserem Leben spielen Liv. Das werden sie nie. Wir werden sie alle hinter uns lassen. Immerhin haben wir unsere eigene Familie, die mit dir jetzt noch sehr viel größer geworden ist." Hugh lächelte mich liebevoll an. Er hatte Recht. Hugh, Logan, Joshua, Tori, April, Adam, Patrick, Doreen, Nick, Natalie, Liam, Mike. Sie alle waren irgendwie nicht nur sehr gute Freunde, sondern Familie in den letzten Wochen geworden. Ich konnte es nicht fassen, als mir bewusst wurde, dass ich auf einmal so viele Menschen um mich herum hatte, die mir stets zur Seite stehen würden. Jetzt verstand ich, was April damals meinte, als sie gesagt hatte, dass sie auch leicht überfordert war, als sie alle kennengelernt hatte.

„Du hast Recht. Wir haben unsere eigene Familie." bestätigte ich überglücklich. Hugh schmunzelte. „Und irgendwann werden wir diese Familie mit unseren Kindern erweitern." Ich riss die Augen auf. „Kinder?" fragte ich überfordert. Hugh sah mich überrascht an. „Natürlich. Ich möchte eine kleine Liv, mit solch schönem Haar haben. Mindestens." Mir klappte der Mund auf. „Du etwa nicht?" Ich schüttelte de Kopf und Hughs Blick trübte sich. „Halt, warte. Mein Kopf schütteln hieß, dass ich Kinder will. Natürlich, Hugh, aber das kam gerade nur so plötzlich." Hugh wirkte erleichtert. „Ich möchte aber noch warten." sagte ich unsicher. Hugh nickte verstehend. „Ich auch. Erst will ich dich noch etwas für mich allein genießen, bevor ich dich teilen muss." Ich lächelte. Da ging es mir nicht anders. „Aber eine Sache wäre da noch." meinte Hugh plötzlich. Verwirrt sah ich ihn an.

„Liv, da wäre noch was." Ich runzelte die Stirn. „Was denn?" fragte ich, weil ich nicht wusste, was Hugh meinte. „Liv, ich hatte eigentlich vor zu warten. Es langsamer angehen zu lassen, weil wir mit unglaublichem Tempo in diese Beziehung gerast sind, aber nach allem, was passiert ist, möchte ich das nicht mehr."

„Was möchtest du nicht mehr?" fragte ich. „Ich will dich heiraten." Ich nickte. „Ich dich auch." Hugh schüttelte aber den Kopf. „Nicht erst in ein paar Monaten oder nächstes Jahr. So schnell wie möglich, Liv. Ich will nicht mehr warten. Ich will dich meine Frau nennen können. Ich will, dass wir den selben Namen tragen. Ich will mit dir zusammenwohnen."

„Das ist wirklich ein starkes Tempo." murmelte ich. Hugh nickte. „Das weiß ich, aber ich weiß auch, dass wir es nicht überstürzen. Für mich gibt es keine andere Frau. Keine wird auch nur annähernd an dich herankommen, oder Gefühle in mir wecken, wie du es tust." Wusste er, wie süß er manchmal war, wenn er solche Dinge sagte? „Wir könnten uns ein Haus suchen. Und dann unsere Hochzeit planen. Liv, ich will nicht mehr von dir getrennt sein. Nicht mehr als nötig."

Völlig überfordert von Hughs Verzweiflung in seiner Stimme und die Liebe, die seine Augen ausstrahlten, sammelten sich abermals Tränen in meinen Augen. Hugh riss erschrocken die Augen auf. Wann hatte er angefangen so viele Gefühlsregungen zuzulassen? Wann war er so offen mir gegenüber geworden? Hugh machte in diesem Moment nicht dein Eindruck, einmal jemand gewesen zu sein, der selbst vor seinen Freunden kein einziges Lächeln zuließ. Ich verstand nicht, was an mir so besonders sein konnte, dass Hugh sich öffnete, dass er sich ausgerechnet in mich verliebte. Es gab sicherlich hübschere, klügere und liebevollere Frauen als mich, aber Hugh hatte sich dennoch in mich verliebt.

Und ich? Wie hatte es Hugh geschafft sich so schnell in mein Herz zu schleichen? Wie hatte ich mich so einfach in einen Mann verlieben können, der mich am Anfang versucht hat, zu meiden und gedacht hatte, ich wäre nur eine verlogene Heuchlerin? Wie konnte es sein, dass ich nicht mehr ohne diesen Mann Leben wollte? Dass ich jeden einzelnen Moment nur daran gedacht hatte, dass Hugh wieder aufwachen musste, weil es mich sonst zerstören würde. Wann hatte er so viel Macht über mich gewonnen?

Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. War das alles letzten Endes so wichtig? Wen interessierte es, wie lange wir zusammen waren, wie wir uns kennengelernt hatten und was wir alles durchgemacht hatten. Eigentlich war es doch einzig und allein wichtig, dass wir uns sicher waren, dass wir das richtige taten. War es das Richtige, Hugh Hals über Kopf zu heiraten, zusammenzuziehen und gemeinsam durchs Leben zu gehen? Ja, das war es auf jeden Fall!

„Lass uns heiraten." flüsterte ich schließlich, während mir immer mehr Tränen über die Wangen liefen. „Ich will bei dir sein und jeden Tag neben dir aufwachen, kitschige Nachrichten schreiben, dich lieben und abends wieder neben dir einschlafen." Hugh atmete zitternd aus, als hätte er die Luft angehalten während ich nichts gesagt hatte. Dann sah er mich voller Zärtlichkeit, Glück und Liebe an. „Lass uns heiraten." murmelte er an meinen Lippen, bevor er mich küsste. Leidenschaftlich. Vollkommen. Glücklich.

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Hallo alle zusammen :)

Am  Sonntag werde ich die letzten Kapitel für mein Buch hochladen. Dann habe ich es tatsächlich abgeschlossen. Leider hat alles mal ein Ende, aber ich kann euch versichern, es war nicht mein letztes Buch. Ein weiters ist in Planung. mehr dazu gibt es am Sonntag.

Ciao.

C.N.

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