Kapitel 47

Ich nickte und Hugh löste sich mit einem erfreuten Gesichtsausdruck von mir. Er ging zu seinem großen weißen Kleiderschrank und schob eine Tür zur Seite. „Bedien dich." Er deutete auf seine Sachen. Plötzlich schüchtern, trat ich an den Kleiderschrank und sah auf Hughs Hemden und Shirts. Ich entdeckte ein graues Hemd, dass schon recht abgetragen aussah. Hugh folgte meinem Blick und etwas blitzte in seine Augen auf. Er zog es von dem Bügel herunter und hielt es mir hin. „Ausgesprochen gute Wahl." Ich sah Hugh an und legte den Kopf schräg. „Was ist so besonders an dem Hemd?" Hugh blickte auf den grauen, abgetragenen Stoff in seiner Hand. „Ich habe es mir von dem ernsten Geld gekauft, das ich mit meiner Kanzlei verdient habe." Ich sah überrascht auf das Hemd herunter und umfasste dabei mein linkes Handgelenk mit meinem Armband. Es war verblüffend, wie viel Hugh und ich gemeinsam hatten. Selbst wenn es nur solche Kleinigkeiten waren.

„Ich habe das Armband auch von meinem ersten Gehalt gekauft." sagte ich schmunzelnd. Hugh umfasste sanft mein Handgelenk und betrachtete das Armband. „Dann war es richtig, es dir wiederzugeben." Ich sah zu Hugh auf und er erwiderte meinen Blick. „Ich habe ja jetzt dich als Andenken an eine unglaubliche Nacht." Mir klappte der Mund auf.

Ich schlug Hugh spielerisch auf den Oberarm. „Du hast mich gerade an Andenken bezeichnet. Das ist nicht nett." Hugh fing meine Hand ein, als ich noch einmal ausholen wollte. Dann hob er mich ruckartig hoch und ich konnte ein Quieken gerade noch so unterdrücken. Er ging zum Bett und legte mich dort vorsichtig ab, wobei er sich dann über mich beugte. Sein Blick wurde heiß und seine Pupillen weiteten sich. Mein Herz begann zu rasen. In diesem Moment war alles vergessen. Kein Überfall, keine Bilder nur Hugh und ich.

Hugh griff nach meinem Handtuch und öffnete es langsam. Auch wenn es nicht das erste Mal war, dass er mich unbekleidet sah, war ich jedes Mal nervös. Plötzlich hörte Hugh auf. Er griff nach meinen Armen und sah sie prüfend an. Ich begriff erst, dass er meine blauen Flecken betrachtete, als er kleine Küsse auf ihnen verteilte. Mit stiegen wieder Tränen in die Augen und ich versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. Hugh bemerkte es aber dennoch und sah mir mit einer Mischung aus Trauer, Sorge und Wut in dir Augen. Dann setzte er mich auf, löste das Handtuch komplett, sodass es auf meinem Schoß landete und zog mir sein Hemd an. Er knöpfte es zu und hauchte mir dann einen Kuss auf die Stirn.

„Leg dich schon mal hin. Ich gehe nur auch nochmal kurz ins Bad." flüsterte er zwischen zwei Küssen. Ich nickte und krabbelte, kurz nachdem Hugh im Bad verschwunden war unter die Decke. Als Hugh sich irgendwann zu mir legte, hatte ich das Licht schon ausgeschaltet. Ich kuschelte mich an seine nackte Brust und Hugh legte seine Arme um mich.

„Lass uns erst einmal schlafen. Wir können uns mit allem noch auseinandersetzten, wenn wir ausgeruht sind." Ich nickte, wollte aber gerade widersprechen, weil ich morgen auf Arbeit musste, als Hugh mir zuvor kam. „Ich habe Adam schon Bescheid gegeben. Er weiß, dass du morgen nicht zur Arbeit gehst. Logan hab ich auch angerufen." Ich zuckte zusammen. Bei dem ganzen Stress hatte ich ihn vollkommen vergessen. Hugh war da gewesen und da hatte ich keinen Moment mehr an Logan gedacht. „Er ist dir nicht böse. Nur wütend auf die Welt." beruhigte mich Hugh.

Wie kam es, dass er mich wirklich immer sofort verstand und nur auf meine Reaktionen hin richtig reagieren konnte? „Danke." murmelte ich an seiner Brust. Als Antwort zog er mich noch näher zu sich heran. „Für alles. Hugh.", war das letzte, was ich murmelte, bevor ich in den Schlaf fiel.

Ich schlief nicht sehr gut. Immer wieder wachte ich auf, weil ich Angst hatte, wieder jemanden über mir zu sehen. Wann immer ich zusammenzuckend aufwachte, murmelte Hugh sofort beruhigende Worte in mein Ohr. Es dauerte nie lange, um mich wieder zu beruhigen, aber es tat mir leid, dass auch Hugh nicht sehr viel Schlaf in dieser Nacht fand.

Als ich schließlich am Morgen aufwachte, war das Bett neben mir leer. Ich rollte mich für ein paar Minuten noch einmal zusammen, stand dann aber schließlich auf. Ich krempelte die Ärmel von Hughs Hemd hoch. Es reichte mir zu meinen Oberschenkeln und ich hatte wirklich das Gefühl in dem Kleidungsstück zu versinken, aber ich fühlte mich unglaublich wohl.

Ich blickte kurz zu dem kleinen Wecker auf Hughs Nachttisch herüber und stellte überrascht fest, dass es erst halb 9 war. Ich tappte barfuß durch Hughs Flur und spähte erst in sein Wohnzimmer. Da ich ihn aber nirgends entdeckte, versuchte ich die Tür gegenüber vom Wohnzimmer, die ich bisher noch nie geöffnet hatte.

Ich fand mich in Hughs Arbeitszimmer wieder. Zwischen Schränken mit diversen Ordnern und Gesetzesbüchern stand Hugh mit dem Rücken zu mir und starrte auf einen Flachbildfernseher, der links an der Wand hing. In der Mitte stand Hughs Schreibtisch an den er sich gelehnt hatte. Er hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und blickte unzufrieden auf den Bildschirm. Hugh trug eine Sporthose, ein weißes Shirt und eine dunkelblaue Strickjacke trug. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und betrachtete ihn eine Weile.

Mir gefiel, was ich sah. Sehr sogar. Hughs Haare waren noch nass vom Duschen. Ein kleines weißes Handtuch entdeckte ich auf der Lehne seines Stuhls.

„Gefällt dir, was du siehst?" zog Hugh mich auf, ohne auch nur eine Millisekunde von dem Fernseher wegzusehen.

„Wie hast du mich bemerkt?" fragte ich überrascht. Hugh sah nun doch zu mir rüber und sah mich liebevoll an. „Ich weiß einfach, wenn du in der Nähe bist." Dann streckte er den Arm nach mir aus und deutete mir, zu ihm zu kommen. Wieder plötzlich schüchtern trat ich in sein Arbeitszimmer. Ich ging zu ihm herüber und betrachtete seine wieder komplett weiße Einrichtung. „Sie steht vollkommen im Kontrast zu deinem Büro." Ich war bei Hugh angekommen und er zog mich zu sich heran, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben.

„Ich arbeite nicht viel hier. Und ich wollte die Einrichtung stimmig halten." erklärte er bevor er sein Kinn auf meinen Kopf legte. „Mir gefällt deine Wohnung. Sie ist größer als meine und du hast direkten Blick aufs Meer. Ja, das ist mir nicht entgangen, auch wenn die Rollos letztens unten waren." sagte ich lachend. Dann sah ich zu dem Bildschirm. Sofort versteifte ich mich. „Fehlt etwas?" fragte Hugh. Er malte wieder kleine Kreise mit seinen Daumen auf meinem Oberarm.

Auf dem Bildschirm waren die fünf Bilder zu sehen, die ich erhalten hatte. Unter ihnen stand jeweils der Tag, an dem ich sie erhalten hatte und wie. Außerdem hatte Hugh ein Textfeld eingefügt mit Ort und Zeit zu dem Beinahunfall, als ich vor ein Auto gestoßen wurde. Ein weiteres Textfeld über den Einbruch fand ich ebenfalls.

Plötzlich hob Hugh mein Gesicht, damit ich ihn ansehen musste. Er sah mir prüfenden ins Gesicht. „Du hast immerhin keinen blauen Fleck im Gesicht." sagte er mit gerunzelter Stirn. „Naja, so fest hat er nicht zugeschlagen." Ein heftiges Schnauben von Hugh war seine einzige Antwort dazu. Dann sahen wir wieder zu den Bildern. „Zwei waren in meiner Post, zwei wurden per SMS gesendet und eines hat Tori bekommen. Das sagt uns nur, dass er oder sie genug über mich weiß." Hugh nickte.

„Warte! Das eine Bild. Das lag auf meinem Tisch."

„Du hast es also nicht im Briefkasten gefunden?" fragte Hugh überrascht. Ich schüttelte den Kopf. „Es lag zwar auf dem Stapel, den ich aus dem Briefkasten geholt hatte, aber beim Hochgehen habe ich es nicht gesehen, als ich die Post durchgesehen hatte."

„Dann war jemand in deiner Wohnung." schlussfolgerte Hugh. Ich nickte. „Gibt es Überwachungskameras in deinem Haus?" Seufzend verneinte ich. „Das war bisher nie nötig gewesen. Es gab soweit ich weiß nie einen Einbruch in diesem Haus."

Hugh schwieg und sah weiter auf den Bildschirm. „Wer hat Tori das Bild gegeben?"

„Eine Frau. Sie saß in einem schwarzen SUV. Tori meinte die Frau hätte schwarze kurze Haare und sei recht schlank."

„Glaubst du, dass der Einbruch und der Unfall damit zusammen hängen?" Hugh runzelte die Stirn. „Aus irgendeinem Grund würde ich sogar soweit gehen und sagen, dass selbst der Diebstahl bei Carters damit etwas zu tun hat." Überrascht blickte ich zu Hugh auf. Hugh erwiderte meinen Blick. „Du hast selbst gesagt, dass Madison nicht viel weiß über Trojaner und das Manipulieren von Kameras."

„Also gibt es jemanden, der das alles leitet? Warum? Was habe ich getan?" Hugh sah wieder zu dem Bildschirm. „Es hat angefangen nachdem wir uns wieder getroffen haben, oder?" Ich nickte. „Dann hängt es mit mir zusammen. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass jemand nicht will, dass du glücklich bist und ich werde wohl als Gefahr angesehen. Hast du einen Ex, der noch immer auf dich fixiert sein könnte?" Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich war immer die, die verlassen wurde." erklärte ich nüchtern. Es machte mir nichts mehr aus, weil auch ich nicht mehr viel für meine damaligen Freunde empfunden habe. Ich war nie so tief verstrickt gewesen in eine Beziehung, dass mich die Trennung wirklich verletzen konnte. Hugh war da natürlich die Ausnahme.

„Also jemand möchte mich aus meiner Firma werfen, unsere Beziehung sabotieren und mich gleichzeitig noch ins Krankenhaus befördern?"

„Ich glaube eher, dass dich jemand einschüchtern wollte mit dem Einbruch oder dem Stoß vor das Auto. So, als wolle jemand mit dir spielen." Ich zuckte heftig zusammen, als mich die Erkenntnis traf, die ich schon viel früher hätte haben müssen.

Ich sah Hugh in die Augen und öffnete den Mund, um ihm meine Theorie zu erklären. Es kam jedoch kein Ton heraus. Mein Herz begann zu rasen, bei dem Gedanken und ich begann wieder zu zittern. „Liv." Hugh hob mich in seine Arme und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, mich auf seinem Schoß. Er begann mich, ähnlich wie gestern hin und her zu wiegen und flüsterte beruhigende Worte in mein Haar.

„Joshua hat den Freund unserer Mutter neulich gesehen." Hughs Bewegung wurden langsamer. „Du hattest gesagt, dass er euch schlecht behandelt hat." Ich nickte. „Da habe ich ein wenig untertrieben." Hugh hatte aufgehört uns hin und her zu wiegen. Er wartete stumm, aber geduldig dass ich weiter redete.

„James hasst Frauen. Also auch Mädchen. Das ganze weibliche Geschlecht. Meine Mutter hatte er immer nur ausgenutzt. Sie bot ihm ein Dach über dem Kopf und wahrscheinlich auch wenig anspruchsvollen Sex. Während er Joshua einfach nur immer unter Druck setzte, er solle doch mehr Leistung bringen und am besten dieses Balg loswerden, ließ er seine wirklich schlechte Laune an mir aus. Anfangs, als ich 14 war, begann er kleine Psychospiele mit mir zu spielen. Er machte irgendwas kaputt und beschuldigte dann mich, es gewesen zu sein. Er klaute nachts meine Hausaufgaben aus meinem Rucksack, sodass ich sie nicht in der Schule dabei hatte und von den Lehrern auch noch fertig gemacht wurde. Er verbot mir zu sprechen und ab 21 Uhr durfte ich mein Zimmer nicht mehr verlassen. An manchen Tagen hatte er es sogar abgesperrt. Und wenn meine Mutter mal einen fürsorglichen Moment hatte, erklärte er ihr, dass ich verzogen sei, dass er all das durchziehen musste, damit ich nicht verkomme. Als ich 16 war und wir zusammen einkaufen waren, steckte er mir eine Flasche Nagellack in meine Tasche. Er wusste, wie schön ich Nagellack fand und als ich dann natürlich erwischt wurde, als wir den Laden verließen, rastete er so aus, dass ich dachte, er würde mich gleich tot prügeln. Dass er es war, hatte er mir einige Monate später im Suff erzählt." Hugh hielt mich fest an sich gedrückt und küsste immer wieder meine Stirn. „Meine Mutter hatte er schnell auf seine Seite gezogen und wann immer ich wieder beschuldigt wurde etwas getan zu haben, bestrafte auch sie mich. Nur auf ihre eigene Art und Weise." Mittlerweile sprach ich ohne jegliches Gefühl. Es war wie ein Schutzmechanismus, um nicht zusammenzubrechen, denn ich hatte geschworen ihnen nie wieder Macht über mich zu geben. 

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