Kapitel 46

3. Teil der Lesenacht :D


Meine Nachbarin redete noch eine Weile mit Hugh. Dann klingelte es. Ich zuckte heftig zusammen. Mrs. Ferris ging zur Tür und kurz darauf kehrte sie mit zwei Polizisten wieder. Einer von ihnen kam auf mich zu und kniete sich neben das Sofa und sah zu mir auf. Er war ungefähr Mitte 50 schien aber noch in bester Verfassung zu sein. „Miss, wie heißen Sie?" Ich brauchte einige Versuche bis ich meinen Namen stottern konnte. „Miss Brewster, in welcher Wohnung wohnen Sie?"

Nachdem ich mir wieder einmal Tränen von den Wangen gewischt hatte, erklärte ich ihnen, wo ich wohnte. Der Polizist, nickte und stand auf. Kurz darauf erklärten sie uns, dass sie nachsehen würden, Mrs. Ferris aber die Tür so lange geschlossen halten sollte.

Ich weiß nicht, wie lange ich zitternd und noch immer heulend auf dem Sofa saß, bis es wieder klingelte. Ich erwartete die Polizisten, aber es war Hugh, der sich sofort neben mir auf dem Sofa niederließ. Ich sah zu ihm auf. Die Tränen, die ich dachte gerade unter Kontrolle gebracht zu haben, begannen wieder zu laufen. Dann zog Hugh mich auf seinen Schoß, drückte mich fest an sich und wiegte mich sanft hin und her. Immer wieder flüsterte er zusammenhanglose Worte, um mich zu beruhigen und er hatte Erfolg. Es dauerte eine Weile, aber irgendwann, nahm das Zittern ab und meine Tränen versiegten.

Als ich dann zu ihm auf sah, umfasste er sacht meine linke Wange. Sein Blick wurde dunkel und ich sah einen Kiefermuskel zucken. „Er hat dich geschlagen.", grollte er. Dann nahm er meine Unterarme und betrachtete sie. Auch sie sahen ganz schön geschundenen aus und wurden einige blaue Flecken davontragen.

„Er war einfach da.", murmelte ich leise. „Einfach da." Bevor ich wieder anfangen konnte zu weinen, zog Hugh mich wieder zu sich heran und begann wieder kleine Kreise mit seinen Daumen auf meinem Rücken und meinem Oberarm zu malen. Ob er überhaupt eine Ahnung hatte, wie viel es mir bedeutete, dass er jetzt hier war?

Die beiden Polizisten kamen kurz darauf wieder. Hugh stellte sich den beiden kurz vor, hörte aber nicht auf, mich zu streicheln. „Es gibt keine Einbruchsspuren. Das einzige, was auf einen Einbruch hindeutet, ist Ihre zerbrochene Lampe, deren Scherben im Bett und auf dem Boden im Schlafzimmer verteilt liegen. Das war es aber auch schon wieder."

Mir wurde übel. Wenn es keine Einbruchsspuren gab, wie war er dann in meine Wohnung gekommen? „Was werden Sie jetzt tun?" fragte Hugh. „Wir werden die Spurensicherung rufen und sehen, ob sich etwas finden lässt." Bei dem Gedanken noch mehr fremde Menschen in meine Wohnung zu lassen, drehte sich mit mein Magen um. „Er trug eine Skimaske und hatte Handschuhe als Latex an. Ich weiß nicht, ob sie etwas finden werden." Langsam schien ich wieder zu meinem alten Ich gefunden zu haben. Das schien wohl auch Hugh so zu sehen, denn er  drückte aufmunternd meinen Oberarm.

„Nun, wenn Sie das sagen. Möchten Sie Anzeige erstatten?" Natürlich, war mein erster Gedanke. Dann bekam ich aber Zweifel. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn fasst?" Die Polizisten tauschten einen Blick aus. Ich nickte. „Okay, die Wahrscheinlichkeit war gleich null."

„Könnte es sein, dass Sie vielleicht einen Albtraum hatten und schlafgewandelt sind?", fragte der andere Polizist. Der ältere riss die Augen auf und auch mir klappte der Mund auf. „Das ist jetzt aber die Höhe! Umgehen Sie so immer Ihrer Arbeit?" fragte Hugh aufgebracht. Der jüngere Polizist wollte antworten, aber der andere legte ihm seine Hand die die Schulter.

„Ich werde drüber nachdenken." sagte ich. „Liv!" Ich legte meine Hand auf Hughs Brustkorb. Sofort entspannte er sich. Als sich unsere Blicke verfingen, seufzte er schließlich. „Schon okay, ich kann nachher immer noch zur Polizei.", sagte ich während ich ins Hughs dunklen Augen sah.

„Bis dahin sollten Sie aber so wenig wie möglich in Ihrer Wohnung verändern." Ich nickte. Damit verabschiedeten sich die beiden Polizisten. Eine wirkliche Hilfe waren sie nun wirklich nicht gewesen. Mrs. Ferris runzelte die Stirn. „Viel haben die nun aber wirklich nicht getan. Kommen Sie heute Nacht irgendwo unter?" fragte sich mich dann besorgt.

„Liv kann mit zu mir kommen." sagte Hugh, bevor ich antworte konnte. Ich sah zu ihm auf. Als er meinen überraschten Blick bemerkte, hob er eine Augenbraue. „Das ist jetzt aber nicht überraschend." Ich schmunzelte. „Muss mich wohl noch dran gewöhnen."

„Dann gewöhn dich schnell daran." Liebevoll betrachtete er mich. Dann stand ich auf und Hugh tat es mir gleich. „Ich danke Ihnen Mrs. Ferris. Für alles. Und entschuldigen Sie, dass ich so einfach bei Ihnen reingeplatzt bin." Mrs. Ferris winkte ab. „Passen Sie gut auf sich auf." Ich bedankte mich noch einmal bei ihr. Dann fiel mir der Bademantel wieder ein. „Ich werde Ihnen den Bademantel wiedergeben." Aber Mrs. Ferris lächelte nur und versicherte mir, dass sie noch genug hatte.

Nachdem wir die Wohnung verlassen hatten, und Mrs. Ferris die Tür geschlossen hatte, zog Hugh mich wieder in seine Arme. „Wir können noch deine Sachen holen. Dann kommst du zu mir." Ich nickte und kuschelte mich dann tiefer in Hughs Arme. „Ich hab mir das nicht eingebildet." Hughs Umarmung wurde fester. „Ich weiß. Ich glaube dir, mein Licht." Hugh küsste mich auf die Stirn. Dann führte er mich die Treppen hoch in meine Wohnung. Die Tür stand noch offen. Auf den Boden lagen einzelne Post-its, die ich mit abgerissen haben musste, als ich raus gelaufen bin. Hugh sah sich genau in der Wohnung um und ließ mich erst ins Schlafzimmer, als er sich selbst sicher war, das keine Gefahr drohte. Ich schnappte mir eine Reisetasche und holte ein paar Sachen aus meinem Kleiderschrank. Dann ging ich ins Bad und packte dort auch noch das wichtigste zusammen. Als ich herauskam, sah ich Hugh, der sich auf dem Sofa hingesetzt hatte. Er schien meinen Blick zu spüren, denn er drehte sich um und sah mich an.

„Willst du mir erklären, was das ist?" Ich schloss die Augen. Ich hatte heute wieder aber auch Glück. Dann ging ich zu Hugh herüber und setzte mich neben ihn.

Hugh sagte nichts. Er sah einfach auf die Bilder, die auf dem Tisch lagen, herunter und wartete. Ich zog die Beine an und schlang meine Arme herum. Dann legte ich das Kinn auf meine Knie. „Ich wollte es dir sagen, nachdem ich gestern Abend das letzte Bild bekommen habe."

"Wann hast du das erste Bild bekommen?" Ich zeigte auf das Bild, dass Hugh und mich im Fahrstuhl auf Fuerteventura zeigte. „Das war nach dem Mädelsabend bei April." Hugh atmete laut aus. „Und die anderen?" „Die" ich deutete auf die von mir ausgedruckten Bilder „Habe ich bekommen während wir in dem Restaurant saßen." Hugh sah mich überrascht an. „Darum bist du so schnell gegangen?" Ich nickte. „Ich dachte, ich hätte etwas Falsches gesagt oder getan." Hugh rieb sich über die Stirn. Ich legte meine Hand auf Hughs Knie. Er legte seine Hand über meine und sah mich an. Dann blickte er wieder zu den Bildern. „Das habe ich gestern früh bekommen, als du mich bei mir zu Hause abgesetzt hast." erklärte ich und zeigte auf das dritte Bild. „Und das wurde gestern Tori gegeben, als ich sie von der Schule abholen wollte. Und genau dann hatte ich beschlossen, dir eigentlich davon zu erzählen." Hugh sah mich aufmerksam an. „Wenn du bedroht wirst, ist dir das nicht so wichtig. Aber wenn deine Nichte mit hereingezogen wird, dann schon. Du solltest mehr auf dich achten, Liv." sagte Hugh sanft, aber auch tadelnd. Dann zog er mich auf seinen Schoß. Der Bademantel verrutschte. Hugh hob fragend eine Augenbraue. „Trägst du überhaupt etwas drunter?" fragte er und legte seine Hand auf meinen nackten Oberschenkel. Ich wurde rot, nickte aber. Prüfend zog Hugh den Kragen des Bademantels ein Stück von mir weg. „Viel ist es ja nicht. Gut, dass Mrs. Ferris dir die Tür aufgemacht hat." Ich schlug spielend Hughs Hand weg. „Hey. Es ist warm." Ich musste lachen. Dann kuschelte ich mich wieder an Hugh. Er allein schaffte es, mich zum Lachen zu bringen, auch wenn mir eigentlich zu weinen zu Mute war.

„Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, oder?" Ich nickte an Hughs Brust. „Ja, das weiß ich."

„Darum hast du mich gestern gefragt, wie viele Exfreundinnen ich habe." Hugh schien alle Puzzleteile zusammenzufügen. Ich nickte wieder. Plötzlich stand Hugh mit mir in den Armen auf. „Was machst du?" fragte ich erschrocken. „Wir packen jetzt deine Sachen, und fahren erst einmal zu mir. Wir beide brauchen ganz dringend Schlaf. Wenn wir ausgeschlafen haben, können wir uns weiter mit den Bildern und dem Einbruch beschäftigen." Erneut nickte ich. Plötzlich schoss mir die Frage durch den Kopf, wie die Polizisten die Bilder übersehen haben konnten, als sie sich in meiner Wohnung umgesehen hatten. Eine Antwort fand ich jedoch nicht. Mittlerweile war ich aber auch viel zu müde, um mich noch weiter mit den Bildern zu beschäftigen.

Hugh trug mich in mein Schlafzimmer. Ich packte den Rest zusammen und Hugh nahm mir die Tasche ab. „Ich zieh mir nur noch etwas an." Hugh sah mich schweigend an, während Ich mir ein lockeres Top und eine Jogginghose überzog. „Darf ich bei dir duschen?"

„Selbstverständlich." Hugh drückte mir einen Kuss auf die Stirn und kurz darauf verließen wir meine Wohnung. Vorher nahm Hugh noch die fünf Fotos mit.

Kurz darauf saßen wir in Hughs Wagen und hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach. Die Stille war nicht unangenehm, eher einvernehmlich. Ich war froh, Hugh in meiner Nähe zu haben, denn obwohl ich gerade überfallen wurde, fühlte Ich mich jetzt komplett sicher. Es war seltsam, dass seine pure Anwesenheit mir so viel Halt gab. Und obwohl Hugh wahrscheinlich mehr als aufgeregt war, dass ich ihm nicht von den Bildern erzählt hatte, hatte er sich zurückgehalten und war ruhig geblieben. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, ihn als Freund zu haben.

„Warum hast du eigentlich in der Kanzlei angerufen?" fragte Hugh irgendwann. „Ich habe  beim Rausrennen einen Zettel abgerissen auf dem zufällig die Telefonnummer der Kanzlei stand. Zuerst war ich kurz vorm Heulen, weil ich dachte niemanden zu erreichen, aber ich hatte trotzdem die Hoffnung, dass irgendwer rangehen würde." Hugh nickte. „Ich bin froh, dass du angerufen hast." gestand er. Ich lächelte. „Glaub mir. Ich auch." Hugh warf mir einen kurzen Seitenblick zu, bevor er wieder auf die fast menschenleere Straße sah.

Als wir schließlich in Hughs Wohnung waren, ging ich geradewegs ins Badezimmer unter die Dusche. Nur in ein Handtuch gewickelt suchte ich darauf nach meiner Tasche, weil ich nicht in den Sachen schlafen wollte, die ich eigentlich für die Nacht angehabt hatte.

Die Tasche stand auf dem Bett in Hughs Schlafzimmer. Hugh saß neben ihr und blickte auf seine verschränkten Hände. Als er mich hörte, sah er auf. Sein besorgter Blick verwandelte sich umgehend in einen raubtierhaften, als er bemerkte, dass ich nur ein Handtuch trug. „Ich ähm... wollte etwas anderes anziehen. Und nicht..." Hugh stand auf, kam ohne ein Wort auf mich zu und sah mich mit einer undurchdringlichen Miene an. Ich wollte einen Schritt zurück weichen, verbot es mir aber, weil ich keine Angst vor Hugh haben musste. Nicht vor ihm. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als er dicht vor mir stehen blieb und ich den Kopf in den Nacken legen musste, um den Blickkontakt halten zu können. Hugh hob eine Hand und löste langsam meinen Dutt, den ich mir gemacht hatte, damit meine Haare nicht nass wurden. Als mir meine Haarmähne über die Schultern fiel, nahm er eine Strähne und wickelte sie um seinen Finger.

Während er seinen Finger betrachtete, der mit meiner Haarsträhne spielte, sagte er: „Du kannst auch etwas von mir tragen." Mir wurde warm bei dem Gedanken, in Hughs Kleidung zu versinken. Mein Mund wurde trocken und ich versuchte das aufgeregte Schauern zu unterdrücken. Ich wusste, dass Hugh und ich heute Nacht nicht miteinander schlafen würden, aber trotzdem wühlten mich seine Berührungen auf. Hugh wollte nur meine Nähe spüren. So wie ich seine. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top