Kapitel 31
Den Sonntag verbrachte ich in meinem Bett. Ich hatte keine Motivation gehabt, mich mit irgendwem oder irgendwas zu befassen. Immer wieder fragte ich mich, wie Hugh ausgesehen haben musste, als Logan und ich die Party verlassen hatten.
Ich hatte mich nicht noch einmal umgedreht, aber die überraschte Stimme von Adam, als er Hughs Namen gesagt hatte, konnte nur bedeuten, dass Hugh seine Maske wohl in diesem Moment nicht mehr aufrechterhalten konnte. Ob nun Wut, Verwirrung, Erstaunen oder vielleicht Erleichterung in seinem Blick lag, konnte ich nur erraten. Aber wie schon im Urlaub und die letzten Tage hier, blieb mir Hugh trotzdem ein Rätsel. Ich konnte mir keine Reaktion vorstellen, die wahrscheinlicher war als die anderen.
Am Nachmittag konnten mich wenigstens Joshua und Tori ein wenig ablenken, als wir telefonierten. Zwischen den beiden schien wieder alles gut zu laufen, aber auch ihr Anruf versetzte mich wieder ins Grübeln, denn ich konnte mir nicht erklären, was Hugh dagegen haben könnte, dass ich mein eigenes Leben lebte und nicht ständig für Tori und Joshua da sein konnte. Zumindest nicht persönlich.
Diese ganzen Gedanken laugten nicht aus. Ich hatte keine Träne mehr vergossen, seit Logan mich vor meiner Tür abgesetzt hatte, weil ich das Gefühl hatte, keine mehr zu haben. Nicht nur Hugh laugte mich aus, sondern auch dieser Diebstahl auf Arbeit. Es traf mich doch mehr, als ich zugeben wollte, dass mir jemand diesen Diebstahl anhängen wollte und noch mehr traf es mich, dass meine Kollegen das einfach so glaubten und keiner sich für mich aussprach. Ich hatte immer gedacht, dass wir alle ein gutes inniges, aber professionelles Verhältnis hatten. Wahrscheinlich war ich da etwas zu gutgläubig, wenn nicht sogar naiv gewesen.
Diese ganze Zeit, die ich in meinem Bett lag, an die Decke starrte und über alles mögliche nachdachte, tat mir nicht wirklich gut. Nachdenken bedeutete für mich normalerweise, auf ein Ergebnis kommen, aber das blieb irgendwie aus. Auf jede meiner Fragen. Und das ließ mich unruhig werden. Normalerweise hatte ich alles im groben unter Kontrolle oder verstand es. Im Moment traf keines von beiden auf mein Leben zu.
Umso erleichterter war ich, als der Montag kam und ich trotz wenig Schlaf pünktlich auf Arbeit erscheinen konnte. Im Grunde war ich sogar überpünktlich. So konnte ich noch etwas still vor mich hinarbeiten, bis das Wochenmeeting begann.
Als dann um 9 Uhr alle in dem Konferenzraum versammelt waren, eröffnete ich wie üblich das Meeting, erklärte jedem unsere heutigen TOPs und ließ Madison Protokoll schreiben. Das Meeting lief ruhiger als sonst ab und alle wirkten ein bisschen verklemmt.
„Darf ich dich etwas fragen, Liv?" Sue sah mich unsicher an. Wir hatten eben den zweiten TOP abgehakt und wollten eigentlich gerade zum letzten übergehen, als ihre Frage die kurz entstandene Ruhe durchbrach. Ich sah von meinem Notizheft auf und nickte. „Selbstverständlich."
„Wie stehst du zu Mr. Black?" Irritiert blinzelte ich. „Wie meinst du das?"
„Naja ihr scheint euch zu kennen. Auch Mr. Rickson scheint dich persönlich zu kennen."
„Wir kennen uns, das stimmt. Ich kenne auch Mr. Blacks Freundin, Schwester, seinen Neffen und einige seiner Freunde, weil wir uns im Urlaub zufällig über den Weg gelaufen sind, ohne zu wissen, wer der andere ist." bestätigte ich Sues Aussage. Dennoch kam es mir so vor, als wollte sie mit ihrer Frage eigentlich auf was Anderes heraus. Sie strich sich eine Strähne ihres kurzen roten Haares hinter ihr Ohr und sah mich unsicher an.
„Was ist es, Sue?" fragte ich mit einem beruhigenden Lächeln.
„Untersucht Mr. Black den Betrug?" rückte sie schließlich mit der Frage heraus. Im Raum trat einen drückende Stille ein.
„Aber natürlich. Welcher CEO würde das denn auch nicht tun? Sein Unternehmen steht auf dem Spiel." Ich hatte den Satz gerade zu Ende gesagt, als mir bewusst wurde, dass auch das nicht ihre eigentliche Frage war. Ich seufzte.
„Was genau er macht, kann ich euch nicht sagen, weil ich das selber nicht weiß. Aber derjenige, der dafür verantwortlich ist, auch wenn ich es gewesen wäre, wird zur Verantwortung gezogen werden." Ich sah jeden einzelnen meiner Kolleginnen und Kollegen an. Sie sollten verstehen, dass ich nichts damit zu tun hatte.
„Also warst du es wirklich nicht?" fragte ein Kollege. Ich schüttelte den Kopf. „Welches Motiv hätte ich denn haben sollen? Carters in den Ruin treiben? Das wäre auch mein Untergang gewesen."
„Aber die E-Mail stammt von deinem Account." warf ein anderer Kollege ein.
„Ja, das stimmt. Ich war es jedoch nicht. Das kann ich nur stets wiederholen." sagte ich eindringlich und ließ wieder meinen Blick durch die Menge schweifen. Madison hatte zwischenzeitlich aufgehört das Protokoll weiterzuschreiben. „Werden sie den Täter finden?" fragte sie.
„Davon gehe ich aus. Mr. Black leitet eine IT-Firma. Wenn da keiner etwas herausfindet, wer denn dann?" Madison nickte lächelnd. „Da hast du Recht."
„Werden sie das wirklich?" fragte Sue zweifelnd. „Warum denn nicht?" Sie zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Vielleicht war derjenige ja zu vorsichtig. Was machst du, wenn du doch dafür verantwortlich gemacht wirst?" etwas an ihrem Ton gefiel mir nicht. Vielleicht war es aber auch die Paranoia, die ich entwickelte, dass jede Kollegin die Täterin sein könnte.
„Sie wird nicht dafür verantwortlich gemacht." widersprach Madison. „Wenn sie es nicht war." fügte sie noch hinzu. Madison schien sich wohl da sehr sicher zu sein, dass ich es doch war. „Außerdem kennt sie ja Mr. Black." warf ein Kollege ein.
„Das hat damit nichts zu tun. Mr. Black würde auch mich im hohen Bogen aus dem Unternehmen werfen, wenn ich es getan hätte und ihm auch noch dreist ins Gesicht gelogen hätte." verteidigte ich ihn und auch irgendwie mich.
Es trat wieder Stille ein. „Machen wir mit dem nächsten Punkt weiter." Und damit hatte sich das Thema für mich gegessen. Spekulationen mit den anderen würden auch nichts bringen. Als das Meeting endlich vorbei war, gab Madison mir das Protokoll und alle verließen den Raum. Sue warf mir noch einen unsicheren Blick zu und verschwand dann auch aus dem Raum. Auch wenn Adam gesagt hatte, dass es besser wäre zu verschweigen, dass wir uns kannten, wollte ich einfach nicht lügen, wenn mir eine so direkte Frage gestellt wurde.
In meinem Büro angekommen, kam ich gar nicht dazu, mir Gedanken über die Unterhaltung zu machen, weil mein Telefon sofort klingelte. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
„Liv Brewster, Marketingabteilung von Carters. Einen schönen guten Tag."
„Liv, hallo hier ist April."
Überrascht lehnte ich mich zurück. „Hallo, April. Wie geht es dir?"
„Ganz gut soweit, danke. Ich rufe an, weil Adam dich gerne in seinem Büro sprechen möchte. Könntest du in 2 Stunden vorbeikommen?" Ich bewegte die Maus, um meinen Computer wieder anzuschalten und öffnete meinen Terminkalender.
„Das könnte ich hinbekommen, ja."
„Okay. Das wäre super. Es geht um die Sache mit der Kampagne." Das hatte ich mir schon gedacht, wobei mir auch der Gedanke kam, dass er mich wegen der Party sehen wollte, die Logan und ich so überstürzt verlassen hatten. Mit dem Gedanken an die Party kamen auch die Gedanken an Hugh und unsere Auseinandersetzung wieder hoch.
„Ich werde da sein." sagte ich schließlich, weil April sicherlich noch auf eine Reaktion meinerseits wartete.
„Bis später." Wir legten auf. Ich stieß einen langen Seufzer aus und rieb mir mit den Händen über mein Gesicht. Ob Adam neue Erkenntnisse hatte? Ich hoffte es.
Nachdem ich die nächste Stunde einige Daten gepflegt und aktualisiert hatte, machte ich mich auf dem Weg zum Blacktower. Die Fahrt dauerte erstaunlicherweise doch keine knappe Stunde, sondern nur 40 Minuten. Ich war sehr schnell durch die Stadt gekommen, weil vergleichsweise wenig Autos auf den Straßen unterwegs waren.
Ich parkte in der Nähe vom Blacktower. Als ich das Hochhaus schließlich betrat, sah ich mich erst einmal um. Die komplette Frontseite des Gebäudes bestand aus verdunkeltem Glas. Im Kontrast zu dem weißen Marmorboden standen unzählige schwarze Elemente und auch die große schwarzgehaltene Rezeption. Adam machte seinem Namen alle Ehre, dachte ich schmunzelnd.
Ich ging zu der Frau an der Rezeption und erklärte ihr, dass ich einen Termin mit Adam hatte. Sie gab mir einen Besucherausweis, den ich wieder abgeben sollte, wenn ich den Tower verließ und deutete auf die Fahrstühle.
Für den CEO typisch, befand sich Adams Büro in der obersten Etage. Ich fuhr mit einigen anderen Personen im Aufzug nach oben, wobei mit steigender Etagenzahl, die Personenanzahl nach und nach abnahm. Als ich schließlich als einzige die letzten Etagen hochfuhr atmete ich noch einmal tief durch und hoffte, dass Adam gute Nachrichten für mich hatte.
Als sie die Fahrstuhltüren öffneten, fand ich mich in einem Flur wieder, wo eine Frau hinter einem Schreibtisch saß und arbeitete. Ich ging auf die Schwarzhaarige zu und grüßte sie. Sie sah auf und musterte mich kurz, als schien sie abzuchecken, ob ich Konkurrenz war oder nicht. Ich selber trug schwarze Ballerinas, eine dunkle Jeans und eine weiße Bluse, die ich in auf der einen Seite vorne die Hose gesteckt hatte. Meine Haare trug ich offen.
„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?" Ich entdeckte ihr Namensschild, auf dem Colleen stand.
„Ich habe einen Termin bei Mr. Black." Sich sah mich kurz zweifelnd an, sah dann auf ihrem Computer nach und nickte dann widerstrebend. „Den Gang entlang. Mr. Blacks Assistentin wird sie empfangen."
„Vielen Dank." Ich ging den Gang entlang, folgte ihm um die Ecke und stand in einem größeren Raum. Ich entdeckte April sofort, die an ihrem schwarzen Schreibtisch saß und versunken in ihre Arbeit durch einen Ordner blätterte.
Ich ging auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Sie hob den Kopf und sah mich überrascht an. „Liv. Du-" sie sah auf ihre Armbanduhr. „bist früh." Dann stand sie auf, umrundete den Schreibtisch und umarmte mich kurz. Ich erwiderte die Umarmung dieses Mal weniger überrascht, und auch freudig. „Schön, dass du da bist."
„Der Verkehr war nicht so dicht, wie erwartet." erklärte ich mein frühzeitiges Erscheinen.
„Kein Problem." April winkte ab. Sie trug einen engen Bleistiftrock und eine beige Bluse mit leichtem Streifenmuster. Dazu trug sie farblich passende Absatzschuhe.
„Wo du schon Mal da bist. Was hältst du von einem Mädelsabend bei mir?" fragte sie und sah mich erwartungsvoll an. Ich erwiderte ihren Blick verdattert. Sie lud mich zu einem Mädelsabend ein? Ich war verwirrt.
„Ähm. Das kommt plötzlich." rutschte mir mein Gedanke heraus. April blinzelte. Ihr Lächeln verrutschte leicht und ich fühlte mich sofort schlecht.
„Ich dachte nur, dass es dir gefallen würde. Doreen und Natalie werden auch da sein. Also wirklich nur wir vier. Niemanden, den du nicht kennst." Jetzt musste ich lächeln.
„Das klingt gut. Ich komme gern. Wann und wo? Und was soll ich mitbringen?"
„Und du sagst das jetzt nicht einfach so, weil du dich dazu verpflichtet fühlst?" hakte April nach. Ich schüttelte aber den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Zugegeben bin ich überrascht, dass du mich einlädst, aber ich komme gern."
April lächelte wieder. „Ich mag dich halt." sagte sie schlicht. Ihre Offenheit hätte ich auch ganz gerne. Bei ihr schien Vieles ganz leicht zu gehen.
„Kommst du mit in die Küche? Das bei Adam dauert bestimmt noch eine Weile." Ich nickte und wir setzten uns an den Tisch. April goss mir Kaffee ein und stellte sich selber eine Tasse Tee hin.
„Ich wollte mich nochmal für unseren plötzlichen Abgang entschuldigen am Samstag." April schüttelte den Kopf. „Das ist okay. Adam versteht das auch. Wir wissen ehrlich gesagt nicht, was genau zwischen dir und Hugh vorgefallen ist, aber wir wussten, dass du gehen musstest. Ich hatte auch schon den Moment, wo ich Adam einfach stehen lassen musste, weil ich nicht mehr konnte." Ich Blick wurde ein wenig traurig.
„True Colors?" fragte ich nur. April sah mich überrascht an. „Woher weißt du das?"
„Hugh hatte mir erklärt, dass das in gewisser Weise euer Lied ist, Adam dir seine Liebe gestanden hat und du aber gegangen bist." Sie riss die Augen auf.
„Was hat er dir noch erzählt?" Nichts weiter.
„Du hattest deine Gründe und Hugh weiß, dass er das nicht einfach so weitererzählen darf."
„Dafür, dass ihr euch gestritten habt, scheinst du nicht sehr sauer auf ihn zu sein."
„Selbst, wenn ich sauer wäre, könnte ich ihm nicht unterstellen, dass er mir etwas erzählt, was ihm nicht zusteht. Außerdem bin ich zu ermüdet, um sauer zu sein." April lachte leise und nickte. Wir tranken unsere Getränke in einvernehmlichem Schweigen weiter, bis wir Adams Stimme hörten.
„Ich kann dir wirklich nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest." April setzte sich aufrecht hin und sah mich mit großen Augen an. Mit wem redete er?
„Ich kann dir einfach nicht alles erzählen. Sie würde es nicht wollen." antwortete die andere Stimme. Gänsehaut breitete sich sofort auf meinem gesamten Körper aus. Adam hatte mit Hugh die ganze Zeit geredet? Warum hatte April mir das nicht gesagt? Ich sah sie an und wollte gerade fragen, als sie den Kopf schüttelte und ihren Finger auf die Lippen legte, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich schwieg.
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