Kapitel 27

Ich betrat am nächsten Morgen das Büro wie sonst auch gegen halb 8. Ohne weitere Umwege ging ich zu meinem Büro. Zu meiner Verwunderung war es aber nicht verschlossen. Als ich es öffnete, erblickte ich Timothy, der gerade an meinem Rechner saß und stirnrunzelnd den Bildschirm betrachtete. Er bemerkte mich nicht, also ging ich zu ihm.

Mein Blick fiel dabei auf den Bildschirm und ich stockte kurz darauf in der Bewegung. Timothy schaute sich Überwachungsaufnahmen an. Unten in der rechten Ecke stand das Datum und die Uhrzeit. Der Tag verwirrte mich nicht, nur die Uhrzeit. Die Aufnahme war von vor 2 Wochen. Es war 23:06 Uhr. Kurz darauf verstand ich Timothys Stirnrunzeln, weil die Kamera dann schwarz wurde.

„Ist die Kamera defekt?" fragte ich irritiert.

"Nein." sagte Timothy schlicht. Er spulte 15 Minuten vor. Dann ging die Kamera wieder und wieder erschien das Bild von dem Flur, der zu meinem Büro führte. Es hatte sich aber nichts verändert. Noch immer war ein leerer Flur zu sehen.

„Guten Morgen." Ich zucke zusammen und konnte einen Aufschrei gerade noch verhindern. Als ich mich umdrehte, sah Adam mich freundlich an.

„Guten Morgen. Warum schaut ihr euch Überwachungsvideos an?" fragte ich irritiert.

„Die Kamera ist nicht deffekt. Das Videomaterial wurde gelöscht für diese 15 Minuten." Ich sah zum Bildschirm, der wieder schwarz war, weil Timothy zurückgespult hatte. Timothy starrte immer noch darauf, als versuchte er ein Rätsel zu lösen.

„Was hat das alles mit dem Diebstahl zu tun?" fragte ich Timothy. Dieser sah kurz zu Adam. Adam musste ihm ein zustimmendes Signal gegeben haben, denn er beantwortete mir kurz darauf meine Frage. „Die E-Mail, die gesendet wurde, wurde um 14:30 Uhr verschickt. Einen Tag, nach diesen Aufzeichnungen. Die E-Mail wurde aber gelöscht von Ihrem Konto. Als ich sie wiederhergestellt hatte, fiel mir auf, dass sie schon früher geschrieben wurde. Jemand hat eingestellt, dass die E-Mail ohne weiteres während Ihrer Arbeitszeiten verschickt wird."

„Dann hat das diese Person." Ich zeigte auf den schwarzen Bildschirm. „In der Zeitspanne gemacht, die wir jetzt nicht sehen können?" Adam trat neben mich. „So sieht es aus."

„Warum bist du dir da so sicher?"

Adam sah mich ernst an. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht ehe er wieder zum Computerbildschirm sah. „Erstens: Warum solltest du eine E-Mail um 23:15 Uhr schreiben, aber verschicken, wenn du eh im Büro bist? Zweitens: Du warst an diesem Abend mit deinem Freund in einer Bar etwas trinken. Wir haben die Aufzeichnungen. Und drittens: Ich glaube nicht, dass du so dumm wärst, eine Kampagne zu klauen, um sie dann als eigene auszugeben." Mir fiel ein Stein vom Herzen so wie mir der Mund aufklappte, als ich hörte, wie überzeugt Adam von meiner Unschuld war und er wusste wo ich mich an diesem Abend mit wem rumgetrieben habe.

Alles schien also darauf hinauszulaufen, dass jemand mich wirklich aus dem Unternehmen haben wollte. Die Frage stellte sich nur, wer?

„Ich habe einen Termin mit dem CEO des anderen Unternehmens. Mal sehen, ob ich herausfinden kann, wer sich mit einem Mitarbeiter dort getroffen hat. Ich habe die Bilder aller Mitarbeiter der Marketing Abteilung."

Timothy stand auf. „Ich fahre dann zurück ins Büro." Er steckte einen USB Stick in seine Tasche und schloss alle geöffneten Fenster.

„Ich nehme dich mit." sagte Adam und kurz darauf verabschiedeten sich die beiden. Ich hielt Adam aber noch einmal auf.

„Adam, eine Frage noch." Er drehte sich um. Timothy verließ das Büro und ging schon zum Fahrstuhl. „Was gibt's?" 

„April hat mich zu ihrem Geburtstag eingeladen."

„Bringst du deinen Freund mit?" April hatte ihm nichts erzählt? Das erstaunte mich nun wirklich. Ich hatte sie nie als Tratschtante gesehen, aber ich hätte gedacht, dass sie zumindest Adam erzählen würde, dass Logan nicht mein Freund ist.

„Ähm, Logan würde ich mitbringen, wenn das in Ordnung ist." Adam nickte. „Natürlich."

Weil ich nicht wusste, wie ich die Frage schön formulieren konnte, stellte ich sie einfach so, wie sie mir im Kopf herumschwirrte, seit April mich eingeladen hatte. „Was kann ich ihr denn schenken?" Adam lachte. "Das ist eine sehr gute Frage. Aber April liebt Bücher. Vielleicht fällt dir ja was sein." Ich nickte. „Vielleicht kannst du ja mit Hugh reden." schlug er noch vor. Verwirrt sah ich ihn an. "Er gibt April auch Tipps, was sie mir zu Weihnachten schenken könnte." Damit verschwanden die beiden Männer aus meinem Büro.

Ich ließ mich in meinen Drehstuhl fallen und sah aus dem Fenster. Der Tag hatte gerade erst angefangen und ich war jetzt schon wieder vollkommen hinüber.

Erstaunlicherweise passierte den restlichen Tag über nichts Bemerkenswertes. Meine Kollegen waren zwar immer noch distanziert, aber sie rissen sich zusammen, weil sie mit mir zusammenarbeiten mussten. Trotzdem hoffte ich, dass bald geklärt werden würde, wer hinter diesem ganzen Mist steckte. Denn es zerrte doch mehr an mir, als mir selbst eingestehen wollte. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu allen Kollegen gehabt. In jedem Bereich des Unternehmens. Daher hatte ich auch keine Ahnung, wer mich aus dem Unternehmen schmeißen wollte.

Um 17:00 Uhr machte ich Feierabend. Da ich noch mit Logan reden wollte, machte ich mich auf den Weg in seine Kanzlei. Er hatte mir geschrieben, dass er nicht vor 18 Uhr rauskommen würde, aber ich gern vorbeikommen könnte.

Da ich unterwegs noch einen Kaffee für uns beide gekauft hatte, war ich erst kurz vor 6 da. Bill öffnete mir sofort die Tür, als er mich sah.

„Guten Abend, Liv. Logan meinte ich soll Sie einfach durchwinken. Er wartet auf sie." „Danke Bill." Ich lächelte ihn kurz an und ging dann zu Logans Büro. Ich schaute währenddessen zu der Tür, die zu Hughs Büro führte. Und als ob ich es mit meinen Blicken beschworen hätte, öffnete sich die Tür und Hugh kam aus dem Büro.

Er schien mich sofort zu spüren, denn sein Blick flog unmittelbar zu mir. Ich blieb stumm vor Logans Bürotür stehen und erwiderte Hughs Blick. Er sah kurz zu den Kaffeebechern in meinen Händen und atmete einmal laut aus. Dann nickte er mir knapp zu und ging zu Bill. Sie besprachen noch etwas für den morgigen Tag. Ich klopfte währenddessen bei Logan an. Dieser rief sofort „Herein." und ich betrat das Büro.

„Um 6 Feierabend machen, war wohl doch nichts." Logan schüttelte den Kopf. „Nein, da habe ich mich überschätzt. Das ist so viel Papierkram." Er sah verzweifelt auf. Der Blick blieb aber an den Kaffeebechern hängen.

„Ist einer für mich?" fragte er hoffnungsvoll. „Nein, natürlich nicht. Ich hole mir oft zwei Kaffee."

„Echt?" fragte Logan verdutzt und sah mich etwas geknickt an. Ich lachte laut auf.

„Sarkasmus Logan, Sarkasmus." Dieser schnaubte nur, bedankte sich aber mit einem Luftkuss, als ich ihm seinen Becher reichte. „Du bist die Beste."

Ein Klopfen ließ mich herumfahren. Hugh stand im Türrahmen und sah mich an. Dann glitt sein Blick zu Logan. „Ich wollte mich nur verabschieden."

„Dann sehen wir uns nächste Woche wieder." sagte Logan. „Ein schönes Wochenende dann."

„Nicht ganz." warf ich ein. Beide Männer sahen mich jetzt an. Da ich zwischen ihnen stand, musste ich immer hin und her schauen. Logans Blick war verwirrt, aber Hugh sah mich schon wieder mit diesem Argwohn an. Ich bereute meine Bemerkung sofort wieder. Das Beste wäre gewesen, wenn ich meinen Mund gehalten hätte, da jetzt zwei Fronten aufeinander knallen konnten. Aber da ich jetzt schon angefangen hatte, konnte ich auch gleich Hugh erzählen, dass wir uns am Samstag sehen würden.

„Wir sehen uns am Samstag auf einer Geburtstagsfeier. Die Freundin, von der ich dir erzählt habe, hat uns eingeladen." Logans Blick huschte zu Hugh. Er öffnete den Mund, um was zu sagen, schien aber nochmal nachzudenken und fragte dann an mich gewandt: „Die Urlaubsfreundin?" fragte Logan überrascht.

„Die, mit der ich mich gestern getroffen habe." fügte ich hinzu. „Ach, ja." Er nickte.

„Und was hat das mit Hugh zu tun?" fragte Logan. Diese ganze Situation war so verfahren.

„Adam Black, sagt Ihnen der Name etwas?" frage Hugh. „Ja, das ist der CEO von Blacktronic." Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte er eins uns eins zusammengefügt.

„Du hast Adam Black auf Fuerteventura getroffen?" fragte er mit aufgerissen Augen.

Ich nickte. „Ihn, seine Freundin, seine Schwester und seine anderen Freunde." Logan sah zwischen uns hin und her. Dann verengte er die Augen zu schlitzen, was er immer tat, wenn er etwas verstand, was ihm nicht ganz gefiel.

„Ihr kennt euch." sagte er schließlich. Ich nickte. Was Hugh tat, konnte ich nicht sehen, weil ich mich wieder Logan zugewandt hatte. Ich hatte nicht vorgehabt, ihm das alles so zu erklären, aber mein Mund war schneller gewesen, als mein Kopf. Das war eine Seltenheit bei mir. Aber auch mir passierte Sowas. Ich hätte warten sollen, bis Hugh sich verabschiedet hätte.

Die Frage war jetzt, ob Logan auch schlussfolgerte, dass Hugh der Mann war mit dem ich geschlafen habe. Aber diesen Gedanken schien er nicht zu haben, denn er schüttelte nur den Kopf. „Das hättet ihr ja mal früher erwähnen können." Ich nickte wieder. „Hätten wir tun können."

„Dann sehen wir uns übermorgen." sagte Hugh. Er nickte uns beiden kurz zu und verschwand dann. Es schien, als wollte er die Kanzlei so schnell wie möglich verlassen. Übelnehmen konnte ich es ihm nicht. Ich setzte mich auf den Sessel gegenüber von Logan und trank einen Schluck von meinem Kaffee.

„Hast du mir darum nichts gesagt, weil du mit einem Freund meines Partners geschlafen hast?" Den Kaffee spuckte ich gleich wieder aus. Ich konnte mir zum Glück noch die Hand vor den Mund halten. Wortlos reichte Logan mir ein Taschentuch.

Ich trocknete Hand, Arm und Mund, bevor ich Logan wieder ansah. „Du hast mir davon erzählt, als würde ich sie nicht kennen. Warum?"

Ich seufzte nur. „Der Mann, ist er in einer Beziehung?" fragte Logan schließlich.

„Was? Nein! Wie kommst du denn auf den Blödsinn? Er wirft mir doch vor meinen Freund zu betrügen, der gar nicht existiert."

„Wer ist dieser Freund? Bin das ich? Oder warum bin ich auch eingeladen?"

Ich seufzte. „Ja, sie denken alle, dass du mein Freund bist." sagte ich geknickt. „Aber ich habe April schon gesagt, dass du es nicht bist. Sie hat es aber keinem anderes weiter gesagt. Warum kann ich dir auch nicht erklären."

„April ist?" „Die Freundin, die Geburtstag hat." beendete ich seinen Satz.

Logan sah mich eine Weile schweigend an. „Du wirst deine Gründe gehabt haben, warum du mir nicht gesagt hast, wen du dort kennengelernt hast, aber ich werde nicht deinen Freund spielen."

„Das will ich auch gar nicht. Es wäre endlich die Möglichkeit, um das richtigzustellen." versicherte ich ihm. „Ich will ehrlich gesagt alles zwischen ihm und mir wieder in Ordnung bringen." Logan lächelte mich plötzlich liebevoll an. „Also bist du über die 'ich will das alles hinter mir lassen' Phase herüber?" Ich nickte. Logans Lächeln wurde breiter. Dann wurde sein Blick aber ernst. „Wenn ich ihn am Samstag erkennen sollte, werde ich mit ihm aber mal reden. Es ist mir egal wer er ist. Was er zu dir gesagt hat, lasse ich nicht einfach so stehen."

„Das muss nicht sein." Das sagte ich nicht, weil ich Angst hatte, dass Logan sauer wäre, wenn er erfahren würde, mit wem ich geschlafen hatte. Ich wollte nur nicht, dass Logan sich darum auch noch Sorgen machen musste. „Du bist wie eine kleine Schwester für mich, die ich nie hatte. Das muss. Glaub mir." Ich ließ ihm seinen Willen für den Moment, weil ich wusste, dass Logan darauf jetzt beharren würde. Letzten Endes war ich ja auch dankbar, dass er sich so um mich sorgte. Zu der Zeit, in der Joshua es nicht konnte, war Logan für mich dagewesen. Und ich konnte ihn nur gut genug verstehen. Ich an seiner Stelle würde das gleiche tun.

„Ich hole dich dann am Samstag ab, okay?" Ich nickte. Dann überließ ich Logan wieder seinem Papierkram und verabschiedete mich. Manchmal fragte ich mich, womit ich so einen nachsichtigen besten Freund verdient hatte. Andere wären ausgeflippt, wenn ich ihnen diesen wichtigen Teil verschwiegen hätte. Und ehrlich gesagt hatte ich auch noch ein wenig Angst, dass Logan ausflippen würde, wenn er den Rest der Geschichte erfuhr.

Zuhause dachte ich über alle möglichen Reaktionen von Logan nach. Aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, dass er sauer sein würde. Ich wäre es bestimmt. Vielleicht hätte ich es ihm doch sagen sollen, aber meine Feigheit gewann mal wieder und so konnte ich nur hoffen, dass Samstag kein Desaster passierte.

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