Eine missmutige Celina
Gerade, als ich den Grünkohl aus der Holzschale mit einem diebischen Grinsen im Gesicht an mich nahm, hörte ich ein mahnendes:
,,Zoraaaaa!''
Fuck.
Celinas Stimme.
Was wollte sie von mir?
Dumme Frage, etwas anderes als mir den Spaß zu verderben, konnte sie doch eh nicht. Ich versteckte schnell den Grünkohl hinter mir und blickte dann zum Türrahmen, in welchem Cel stand. Wie hatte sie mich so schnell gefunden? Hatte sie den Grünkohl in meiner Hand bemerkt? Ich hoffe nicht!
Unschuldig drehte ich mich um: ,,Was?''
,,Wir sind Gast! Wir benehmen uns gefälligst!''
,,Seid wann sprichst du im majestatis pluralis?'' Celina stöhnte mich genervt an und fuhr sich durch die Haare.
,,Ich denke es wird Zeit für ein paar Regeln, al...''
,,Ich nicht.'', beschwerte ich mich sofort und verstärkte meinen Griff um den Grünkohl.
,,Halt die Klappe, Zora. Erstens, keiner wird gespoilert! Zweitens, Keine Essensschlachten! Drittens, versuch dich anzupassen! Viertens, ...''
,,Woran anpassen?''
,,Woran wohl, du Hohlkopf?!...''
,,Ich bin kein...''
,,Klappe! Der Krümel hat zu schweigen, wenn der Cookie spricht.''
,,Ich...''
,,VIERTENS, Leute, die spoilern, werden einem Warg zum Fraß vorgeworfen!''
,,Ach bitte, das machst du doch eh nicht.", lachte ich. Nur eine leere Drohung.
,,Du solltest mich nicht unterschätzen, Zorana. Ich habe in der Tat das Talent, Vieles wie einen Unfall aussehen zu lassen."
Keine Sekunde später hatte Cel einen Grünkohl im Gesicht. Entgeistert starrte sie mich an.
,,Niemand!"
Ein, weiterer Grünkohl landete in Celinas Gesicht.
„Nennt!"
Noch einer flog auf sie zu.
„Mich!"
Celina suchte Schutz hinter Bilbo, der, vom Geschrei angelockt, in die Vorratskammer gerannt kam.
,,ZORANA!"
Mit meinem Namen als Kampfschrei trafen die letzten zwei Grünkohle den Hobbit mitten im Gesicht.
,,Leg jetzt den Grünkohl wieder hin und entschuldige dich bei Bilbo!'', zischte Cel wütend und klopfte ein paar Grünkohl Blätter vom Hobbit ab. Der war übrigens in Schockstarre gefallen. Pah. Es war allein ihre Schuld! Sie sollte sich bei mir entschuldigen! Mein Name ist Zora! Wie die rote Zora aus dem Film! Nicht irgendein blöder Name mit
„-na" am Ende. Sie sollte froh sein, dass es hier Grünkohl gab, ansonsten hätte ich mit Nüssen geworfen! Was zur Hölle fiel ihr ein!
Finster kniff ich die Augen zusammen.
,,Nö! Du hast mir gar nichts zu befehlen! Du kannst nach deinen blöden Regeln schön alleine leben! Ich mache da nicht mit!''
,,Ich will doch nur das Beste für dich!''
,,Thanos wollte auch nur das Beste für das Universum.''
,,Vergleichst du mich gerade ernsthaft mit einem wahnsinnigen Tyrann, der das halbe Universum ausgelöscht hat?!''
,,Nein, mit einem Propheten der neuen Welt.''
,,Du hast sie doch nicht mehr alle!''
,,Alle wovon? Alle Kekse? Alle Tassen? Tassen sind altmodisch! Ich setze auf Gläser!''
Celina fasste sich an die Schläfen.
,,Du machst mich echt fertig."
Ich grinste sie zuckersüß an.
,,Immer wieder gerne! Sonst noch was?''
,,Ja. Ich möchte bitte den Laib Brot da neben dir.''
,,Was? Aus dem Fenster werfen? Essen? Zermatschen?''
,,NEIN! DIR INS GESICHT KLATSCHEN!''
,,Chill.''
,,SAG MIR NICHT, DASS ICH CHILLEN SOLL! ICH HASSE DICH!''
,,Hui, langsam wird wohl eine Aggressionstherapie nötig!''
,,Ich bringe dich um, Zora.''
,,Keine Sorge, du wirst so etwas nicht tun. Denn irgendwie habe ich so das Gefühl, dass ich dein Tod sein werde.''
,,ACH, HAST DU DAS?! ICH HABE DA AUCH SO EIN GEFÜHL! ICH FÜHLE, DASS SICH DEINE LEBENSZEIT GERADE UM DIE HÄLFTE VERKÜRZT HAT!''
,,WAS?! Bist du etwa ein Shinigami?''
,,Nein. Aber ich werde jetzt gehen.''
,,Warum?''
,,Wenn es am witzigsten ist, soll man aufhören.''
,,Womit? Traurig zu sein? Eis zu essen?''
Schweigen. Celina verließ den Raum.
Ausgang des heutigen Gefechtes:
Zora gewinnt, da Celina die Flucht ergriff.
Ich stolzierte an meinem fassungslosen Gastgeber vorbei in das Gästezimmer und warf mich auf das Bett. Das war wirklich ein dramatischer Abgang und diesmal war ich nicht wie sonst über Treppen, Schulranzen und Füße gestolpert. Ich sollte mir diesen Tag rot im Kalender anstreichen. Vielleicht hatte mein Karma heute ja Urlaub.
Und Celina hatte ihre erste Morddrohung mir gegenüber ausgesprochen, ich war ja so stolz! Rayna und ich schienen auf sie abzufärben. Ab jetzt würde ich alles spoilern, was nicht bei drei auf dem Baum war. Was der Cookie nicht weiß, macht ihn nicht heiß!
Da das Abendessen erst in wenigen Stunden fertig sein sollte, blieb mir noch Zeit, über meine wirklich seltsame Situation nachzudenken. Es waren einige Fragen offen, zum Beispiel, wie wir hierhergekommen waren und warum sich unsere Körper verändert hatten. Warum in meinem Kopf seltsame Erinnerungen waren. Das Letzte, was passiert war, bevor wir durch den Strudel hierhergekommen waren, war, dass Rayna versucht hatte, mir eine Abreibung zu verpassen, weil ich an ihrem geliebten Baum lehnte.
Rayna und der Baum waren sowieso eine Sache für sich. Aus welchem Grund auch immer, hatte sie eines Tages erklärt, dass der Baum, an dem wir uns in der Pause immer trafen, von nun an eine heilige Baumgöttin war. Ich seufzte tief auf.
Und seitdem durfte man den Baum nicht mehr berühren.
Oder treten.
Oder mit Marvel Stickern bekleben.
Oder verfluchen, wenn man über eine Wurzel stolperte.
Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass Cel dringend eine kognitive Neukalibrierung brauchte. Und einige neue Tassen für ihren Schrank. Hatte Ikea nicht welche im Angebot?
Ich rollte mich im Bett rum und beschloss heute Nacht eine kleine Überraschung für meine Kurzzeit-Mitbewohner vorzubereiten. Ich hatte ja ganz vergessen mich an Celina wegen der Drei in Biologie zu rächen. Aber das hatte Zeit, immerhin gab es da dieses berühmte Sprichwort:
Was du heute kannst besorgen, verschiebe gern auf morgen. Außer es geht um die Weltherrschaft. Da galt eher; der frühe Puma fängt die Maus.
Ich stieß meine Faust nach oben und lachte mein Bösewichtlachen, bis ich mich verschluckte. Plötzlich spürte ich etwas Kaltes und Glattes in meinem Mund. Hustend krümmte ich mich und spuckte einen kalten, glatten und seltsamen Gegenstand aus.
Hm?
Wie war der denn in meinen Mund gekommen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, einen Schlüssel gegessen zu haben. Der Schlüssel funkelte mich silbern an. Was sollte ich denn jetzt damit? Gehörte der vielleicht dem Hobbit? Hatte ich ihn unterbewusst als Lolli missbraucht? Steckte Gandalf dahinter? Was sollte ich denn jetzt mit einem Schlüssel, zudem ich kein Schloss hatte?! Ich ließ ihn in eine Tasche an der Tunika gleiten. Vielleicht konnte ich ihn verkaufen oder so...
Vielleicht gab es ja auch im Erebor eine geheimnisvolle Schatztruhe, die nur mit Hilfe dieses Schlüssels geöffnet werden konnte. Und wenn der Schlüssel doch Bilbo gehörte, dann hatte er eben Pech gehabt. Das war jetzt mein Souvenir aus Mittelerde.
Nach dem Abendessen mit dem Hobbit, bei dem ich den Schlüssel übrigens mit keinem Wort erwähnt hatte, zwang mich Celina, Rayna einen Korb Brot zu bringen, wenn ich morgen nicht mit einem Eimer kaltes Wasser geweckt werden wollte. Grummelnd schnappte ich mir einen Mantel, riss die Tür nach draußen auf und stürmte Rayna suchend in die Freiheit.
,,Rayna? Wo bist duuuu?", brüllte ich einige Male in verschiedene Richtungen, aber der dumme Baum gab mir einfach keine Antwort. Wütend stampfte ich auf. Wieso konnte Rayna nicht einfach in der Nähe bleiben! Jetzt musste ich mein Suchgebiet wohl bis zum Wald hin ausweiten. Wenn ich sie fand, würde ich ihr Gesicht mit diesem Korb verzieren.
Es herrschte absolute Stille. Im Halbdunklen konnte ich die Bäume am Waldrand nicht voneinander unterscheiden und es blieb mir ein Rätsel, welcher von ihnen jetzt Rayna war. Suchend wanderte ich herum. In ganz Hobbingen war kein großer Baum zu sehen, der Rayna ähnelte, weshalb sie anscheinend wohl oder übel in den Wald gelaufen war. Aber im Dunklen brachten mich da keine zehn Pferde rein. Plötzlich raschelte in der Windstille der Baum direkt gegenüber von mir seltsam.
,,Man, Rayna, sag doch was, wenn ich dich suche. Ich weiß, ihr Bäume macht eigentlich Fotomarkise und so, aber Cel meinte, ich soll dir Brot bringen.", redete ich los, warf den Korb gegen den Baum ab und ging zurück zu Bilbos Höhle. Glücklicherweise hatte ich, während dem Suchen nach Rayna, Brotkrümel fallen lassen, sodass ich problemlos den Weg zurückfand. Diesen Trick hatte ich mir von Hänsel und Gretel abgeschaut. Summend folgte ich der Brotspur und klopfte gekonnt an die richtige, runde Tür.
Celina riss die Tür auf und musterte mich, während sie ihr Gesicht missmutig verzog. ,,Wo ist der Korb? Das nächste Mal machst du die Tür hinter dir wieder zu."
Ungeduldig drängelte ich sie zur Seite.
,,Ja, wo ist der Korb wohl?! Den habe ich Rayna ganz sanft gegeben. Wehe du missbrauchst mich nochmal als Dienstbotin! Obwohl ich den Job echt gut gemacht habe." Ich striff mir den Mantel ab, den ich mir kurzzeitig von Bilbo gemopst hatte, und hängte ihn wieder an den Haken.
,,Du kannst dir doch nicht einfach Bilbos Mantel nehmen.", flüsterte Celina leicht entrüstet und schaute kurz vorsichtig durch eine Tür. Sie wollte anscheinend nicht, dass der Hobbit davon Wind bekam. Da musste sie sich keine Sorgen machen. Wenn es drauf ankam, konnte ich still sein.
,,Natürlich kann ich das.", entgegnete ich trocken und trat dann ins Wohnzimmer, wo mich eine Überraschung erwartete. Ein Baum hockte, zusammengefaltet an die Wand gelehnt, im Raum. Ein Baum mit orangenen Früchten. Ein Baum namens Rayna.
,,Ups."
Spyke et HyruleCat
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