Ein Nirfin macht Probleme
In einer Ecke der Zelle hockte ich, der flackernde Lichtschein der Fackeln drang aus den Händen der Elbenwachen nicht zu mir. Ihre Schritte verursachten kein Geräusch, es blieb totenstill, als sie sich mit dem Rücken zur Zelle treten. Ihr Atem, das Quitschen der Rüstungen, ich konnte nichts hören. Aus dieser Totenstille heraus fixierten mich die strahlend weißen Augen des Nirfin. Er verharrte vor der Zelle, ich fühlte mich hinter dem Gitter fast schon in Sicherheit. Wenn doch bloß nicht Tatsache wäre, dass Nirfin nachts körperlos sind!
Dass Nirfin nachts Geräusche wie Schritte verbrachen, war ausgeschlossen, auch die Elbenwachen verzapften kein Geräusch. Dann war doch die Frage, warum ich vorhin Schritte gehört hatte! Dieses Trio vor mir konnte es nicht gewesen sein und womöglich waren die Schritte erst verstummt, als der Verursacher den Nirfin gesehen hatte. Dann würde so ziemlich alles auf Bilbo hindeuten. Bilbo musste zu unserer Rettung gekommen sein, wie auch in den Filmen, war dann aber auf den Nirfin getroffen und hatte sich schnell wieder verdrückt.
Gott sei dank hatte der Nirfin ihn nicht gewittert, wer weiß, was dann aus unserem rein herzigen Hobbit geworden wäre? Aber warte! Was wird denn jetzt aus uns?! Wenn der Hobbit nicht zu unserer Rettung kommt wird es doch Jahre dauern, bis wir aus den Zellen kommen! Und vielleicht würden wir bis zu unserem Tod, hust Nirfin, hierbleiben!
Wer auch immer von uns uns in dieses Paralleluniversum von Mittelerde hatte springen lassen, der konnte was erleben! Normales Mittelerde wäre besser gewesen!
"Paidi mia."
Der Ruf ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Nervös presste ich meine Lippen zusammen, mein Rücken drückte sich unbewusst tief in die scharfkantige Steinwand hinter mir. Ich nahm meinen Mut zusammen und blickte auf. Es brachte ja nichts, so zu tun, als ob er nicht da wäre.
Ich riss meinen Kopf in die Höhe, bevor der Mut verfliegen konnte, bereit meiner Schöpfung zu sagen, was ich von seiner Anwesenheit hielt.
Kaum trafen meine Augen auf ihn stockte mir der Atem und ich vergaß wieder. Der Nirfin war mir näher als erwartet. Die Zellenwachen standen starr allein vor meiner Zelle, der Nirfin war fort von dort, denn die körperlose Seele hatte sich durch das Gitter zu mir bewegt. Nun schwebte der Schatten dort, die weißen Augen fast schon in ruhiger und freundlicher Manier auf mich gerichtet. Mich täuschte das Wesen nicht.
Als die Erschafferin der Rasse, als jemand, deren Schweiß und Blut dieses Wesen entworfen hatte, konnte ich mir die Gier des Nirfins nur zu gut vorstellen.
Denn wie jeden guten Schurken, hatte diese Rasse eine Motivation für all ihre Taten. Die lag, inzwischen würde ich mich gerne dafür ohrfeigen, darin, dass die anderen Wesen sie beinahe ausgerottet hatten, bis nur noch einige hundert Exemplare am Leben waren. Man konnte sich vorstellen, dass der Bestand ihrer Art so ziemlich die oberste Priorität hatte. Und wenn bei einigen hundert Verbliebenen ihrer Art mal ein oder zwei abhanden kamen oder starben... dann fiel das schon ziemlich auf.
Dieses böse Ding vor mir, wollte also die Nirfingene, die Celina in mich reingepflanzt hatte, womöglich wiederbeleben. Und damit hatte ich ein Problem. Denn, Weltherrschaft schön und gut, Seelen essen: NEIN, DANKE!
"Weiche von mir, böses Wesen. Ich bin nicht das Schnitzel, ähem, der Mensch, den du suchst!", erneut war meine Zunge schneller, als mein Kopf. Nervös drückte ich mich enger an den Stein, unwissend, wie der Nirfin reagieren würde.
Kurz erstarrten die fließenden Schatten des Nirfins, dann kam er näher.
"Mhn, anxious, paidi mia."
Ich biss die Zähne in einem Moment der Klarheit zusammen, bleckte sie drohend, bevor Angst meinen Geist überschattete. Diese allgemeingeltende Drohgebärde war doch hoffentlich verständlich?
Der Nirfin stoppte, seine weißen Augen kaum zwanzig Zentimeter von meinen entfernt, er blickte auf mich herab, dann verengten sich die weißen Sonnen und er zog mich in eine Umarmung der Schatten, Ohnmacht überkam mich.
DAS WAR ALLES NUR CELINAS SCHULD!
Ich kam auf einer weichen Unterlage zu mir. Flauschiges Fell schmiegte sich an mein Gesicht und meine bloßen Hände. Meine Körperwärme klebte die Seide meiner Kleidung an mich, ich schwitzte ungemein.
Ein erdrückendes Gefühl lag auf meiner Brust und ich öffnete die Augen, mehr oder weniger verwirrt, wie ich hierhergekommen war. Mühsam stützte ich mich auf den Kissen auf und richtete mich auf. Ich befand mich in einem mir unbekannten Raum. Der Raum war leer, bis auf mich und das große hellgrüne Himmelbett.
Ich schlug die erdrückende Decke von mir und erhob mich langsam. Das erdrückende Gefühl auf meiner Brust nahm nicht ab. Lag doch nicht an der Decke. Immerhin war mir nicht mehr ganz so heiß wie vorher. Ich wischte mir kurz einige fettige Haarsträhnen aus dem Gesicht und sah mich nach einer Dusche um. Der Nirfin konnte warten, bis ich mich von all dem klebrigen Schweiß befreit hatte.
Ich blickte nach links. Ich blickte nach rechts. Nur weiße Steinwände, nur weißer Boden, beides von einem Kerzenleuchter in drei Metern Höhe beleuchtet. Keine Tür. Mit keine Tür meine ich keine Tür. Dieser verdammte Raum hatte keine Tür. Nicht in den Wänden, in der Decke, im Boden.
Wie zur Hölle war ich hier rein gekommen?! Wichtiger, wie kam ich wieder hinaus? Nervös lief ich durch den Raum und tastete die Wand nach Geheimtüren ab. Nichts da. Dass der Nirfin durch die Wände gekommen war, konnte ich bei seiner körperlosen Gestalt ja einsehen. Aber ich? Ich? Nicht mal der Nirfin konnte mich körperlos machen.
Verdammt. Ich hatte nie darüber nachgedacht, was ein Nirfin wohl machen würde, wenn er einen Unerweckten traf. Verflucht sei dieses Plothole.
Und so gingen die Tage ins Land. Niemand kam herein. Niemand brachte Nahrung. Und ich fühlte wie ich schwächer wurde. Mein Magen knurrte wie sonst noch was und ich war am Verdursten. Mein Zunge klebte trocken am Gaumen, sobald ich mich bewegte sah ich schwarze Punkte tanzen, so blieb ich bewegungslos auf dem Laken liegen. Ich hoffte, ich flehte so sehr, dass der Nirfin zurückkommen würde, mich retten würde, doch ich wurde enttäuscht.
Denn es war nicht der Nirfin, dieses Arschloch von Vater, der mich rettete.
Es war der dümmste Baum auf Erden.
"Zora?", rief es eines Morgens langgezogen. Ich stöhnte nur auf. Erneut diese Halluzinationen. Wundervoll. Wieso ich jetzt bloß Raynas Stimme hörte?
Dann ein Krachen, mein Blick zuckte nach oben zur Wand. Müde rollte ich meinen Körper herum. Da war ein Riss in dieser Wand.
Krachen.
Und noch ein Riss.
Krachen.
Und ein Loch. Und Celinas Kopf, der sich mit hochgezogener Augenbraue durch das autoreifengroße Loch streckte.
„Ach du, Zora! Keine Sorge, wir holen dich hier raus."
Ich krächzte unverständlich. Meine Kehle hatte zu lange keinen Tropfen Wasser mehr gesehen.
„Hier lang!", hauchte Celina leise und deutete auf eine hölzerne Tür. Vorsichtig blickte ich nocheinmal zurück zu dem Gang, aus dem wir gekommen waren.
Seitdem mich der Nirfin fast hat sterben lassen, sah ich mich lieber dreimal um, bevor ich mich aus der Deckung wagte.
Glücklicherweise hatte Rayna damals irgendwann, nachdem der Nirfin mich gekidnappt hatte, begriffen, dass sie sich in einen Baum verwandeln und so die Gitter verbiegen konnte. Danach waren sie und Celina losgelaufen, mich zu suchen und hatten Bilbo informiert, im Weinkeller auf uns zu warten.
Und genau dorthin waren wir jetzt auf dem Weg.
Unsere tappenden Schritte durchbrachen die Stille, als wir drei auf die Tür zu eilten. Ein kurzer Blick über die Schulter, dann traten wir durch die Tür und schlossen sie krachend hinter uns.
Und tatsächlich, die Zwerge hatten gewartet. Zusammengedrängt hockten sie in dem Lagerraum, an dessen Ränden sich Regale mit metallisch riechenden Fässern stapelten. Einige leere Fässer, genug für jeden von uns, standen auf einer geschlossenen Falltür, der schwarze Hebel zeigte zu mir. Eines der Fässer stand geöffnet im Raum, eine rote dickflüssige Flüssigkeit bildete eine Pfütze zu seinen Ständern.
Mein Magen knurrte mich flehentlich an. Mit zusammengepressten Lippen dachte ich an das ganze Laib Brot und den Beutel Wasser, die mir Celina als Wegproviant in die Hand gedrückt hatte. Aber es vermochte nicht, meinen Hunger zu stillen. Oder meinen Durst.
Vielleicht, dachte, hoffte ich, waren Nachos die Lösung. Und außerdem war das alles nur Celinas Schuld.
Ein Haufen mitleidsvoller und verständnisloser Blicke fuhr an mir auf und ab. Ich sah an mir hinunter. Eine durchschwitzte blaublasse Tunika und fettige weiße Strähnen erreichten meine Sicht.
Auch ich hatte nicht gedacht, dass die Elben mich so behandeln würden. Oder das ein Nirfin versuchen könnte, sein Kind zu ermorden.
Ich schnaubte vor Abscheu. Dann, ohne den anderen einen weiteren Blick zu schenken, kletterte ich in eines der leeren Fässer.
Ein ausgetauschter Blick, ein Befehl von Thorin und schon befanden wir uns auf dem Wasser.
„Wuhu!", jauchzte Rayna als die nächste Stromschnelle sie wieder an die Luft beförderte. Sie kreischte vor Freude, dann tauchte ihr Fass nach unten ab und ein Haufen Blubberblasen schoss nach oben. Dafür, dass sie im Düsterwald fast ertrunken wäre, nahm sie die ganze Sache ziemlich gelassen. Lag wohl an den Drogen in der Luft damals.
Celina hingegen trug ihren ihr-nervt-geht-sterben Gesichtsausdruck und zog Raynas Fass mit einem Arm hin und wieder über Wasser.
Grün rauschten die Felder an uns vorbei, Bäume neigten sich uns zum Gruß. Der klare schlängelnde Fluss trug unsere Fässer begleitet von spritzenden, funkelnden Wassertropfen den Weg entlang.
Während auch die Zwerge und der Hobbit sich mit Wasserspielchen vergnügten tat ich das einzig Sinnvolle. Ich tauchte meine Haare unter Wasser und wrang meine Tunika mehrmals aus.
Schönes weißes Haar, sanftes leichtes Seidenhemd, ich komme!
Ich kam mit meinem Fass wieder über Wasser, schüttelte meine Haare filmstarreif und nahm eine grüne Bewegung am Rande meines Sichtfeldes wahr.
„Huh?" Ich drehte meinen Kopf nach links um dieses Ding in Augenschein zu nehmen.
„Legostein!", brüllte ich begeistert. Verbissen starrten mich seine Augen ein. Seine meinen so ähnlichen Haare wehten mit seiner grünen Tunik...
Warte, was trug er denn da? Das sah ja aus wie irgendeine grün goldene Robe? Äh ja. Auf jeden Fall war er hier! Legolas, Prinz des Düsterwalds.
Dann erinnerte ich mich daran, dass diese ganze verdammte Elbenkolonie aus Nirfin und ihren Sklaven bestand.
„Ein Nirfin!", kreischte ich panisch auf und versuchte mit Paddeln mein Fass zu beschleunigen.
„Nirfin? Wo?", Raynas Kopf tauchte begleitet von fliegenden schwarzen Haaren auf. Ihr Kopf flog suchend hin und her, bis sie Legolas fand.
„Legolas, komm hier! Sei ein braves Hündchen!"
Ein Blick des Todes traf sie. Dann suchte der Nirfin meinen Blick und sprang auf einen Baum, der sich parallel dem Wasser entlang reckte. Wie ein Ninja rannte er den Baumstamm herauf, behielt unsere Gruppe stets im Blick und zog schließlich seinen Bogen.
Oh oh. Ich hatte da ein ganz mieses Gefühl.
Er zog einen seiner Pfeile aus dem Köcher zielte erst auf mich, ich erstarrte, drehte seinen Oberkörper weiter nach links und kniff die Augen zusammen. Zögernd drehte ich mich ebenfalls nach links, versuchte herauszufinden, worauf er zielte, da tauchte Raynas Fass aus dem Wasser auf.
Ich riss die Augen auf, konnte aber nichts tun, sondern hörte nur das tödliche Zirren des Pfeils, der einmal durch die Mitte des Fasses flog und sich von dem harten Holz nicht aufhalten ließ.
Das Krachen des splitternden Holzes hallte in meinem Kopf unendlich wieder.
Ich erlebte ein gefühlsmäßiges Déjà-vu, erneut konnte ich meine Selbstbeherrschung in Anbetracht von Raynas Tod zerbrechen hören, spürte meine Augen vor Wut und Frustration brennen.
Schöpfung hin oder her, der Nirfin musste sterben.
Da tauchte ein Holzstamm aus dem Wasser und in meinem Kopf formte sich ein waghalsiger Plan.
Mit verengten Augen fokussierte ich Legolas, der neben dem Fluss auf meiner Höhe her lief.
Diesen Nirfin mach ich platt.
Mit diesem Gedanken im Kopf rappelte ich mich im Fass mühsam auf, auf dem schwankenden und drehenden Boden zu stehen, benötigte meine volle Konzentration. Dann stützte ich mich auf den glitschigen Holzrand des Fasses mit meinen Händen ab und sprang schließlich hinauf. Um mein Gleichgewicht zu halten, ruderte ich kurz mit den Armen, wissend, dass ich in einigen Millisekunden fallen würde.
Bevor es so weit kam, sprang ich ab, immer auf den aufgetauchten Baumstamm zu, benutze die Muskeln, die ich mir erarbeitet hatte, als ich in der Goblinhöhle über die wackelnden Seilbrücken tanzte, als ich an den brennenden Kiefern hing, als ich mich gegen die Spinnen stellte.
Kurz tanzte schwarzer Rauch an den Rändern meines Blickfeldes, dann landete ich sicher auf dem Baumstamm und rannte gleich weiter, sprang auf Celinas Fass zu, auf Kilis, blendete alles aus und schließlich machte ich mich für den letzten Satz bereit, rotierte auf dem drehenden Fass stehend, Kilis Kopf zwischen meinen Beinen. Meine Füße klebten nahezu an dem nassen Holz, ich fixierte Legolas.
Meine Augen brannten inzwischen höllisch, sie standen in Flammen, schwarzer Rauch an meinen Sichträndern.
Weiß blitzten Legolas Augen auf, er steckte seinen Bogen zurück, seine Hände tasteten nach etwas glitzerndem an seiner Robe, eine Kette, erkannte ich.
Aber auch das würde mich nicht von meinem Entschluss, Rayna zu rächen abbringen.
Ich ballte die Fäuste, stieß mich ab und sprang mit einem Brüllen auf Legolas zu.
Keine Sekunde später tauchte unbemerkt von Zora Raynas verwandelter Baumstammkopf wieder auf, nachdem Zora ihn als Sprungbrett benutzt hatte, und sah ihr verwundert nach.
Ich lebe übrigens.
Spyke
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