Das Wort Ist Schärfer Als Das Schwert
Auf dem Tor herrschte Totenstille. Der Wind toste um meine Ohren und einzelne Moosbrocken lösten sich von den Zinnen des Torbogens, die Baumkronen flatterten im Sturm wie verlorene Drachen. Die Mäntel der Elben wehten nicht, genauso wenig wie es die Mähnen ihrer Pferde taten. Von der hohen Mauer aus wirkten sie wie dunkle Götter; unantastbar. Wie eine Welle aus Schatten brach die Armee über die bräunliche Grasebene herein, donnernd dröhnten die beschlagenden Hufe der Kavallerie. Immer wieder erhellte das gleißende Licht der Blitze den Horizont, mit Gewalt krachten sie in die wirbelnden Baumkronen die lichterloh in Flammen aufgingen.
"Die sind im Dos'tjair*.", murmelte ich niemanden bestimmten zu, nicht, dass mir überhaupt jemand zuhörte. Nicht, dass überhaupt jemand noch auf der verdammten Brücke stand. Die Zwerge hatte es auf der Suche nach Thorin nach innen geführt und auch Celina und Rayna waren irgendwann verschwunden.
Das Blut, die Seelenessenz, wie auch immer man es nennen wollte hatte einen süßen Nachgeschmack in meinem Mund hinterlassen, der einfach nicht wegzugehen schien. Nachdenklich drückte ich meine Zunge gegen die spitzen Eckzähne um den Geschmack zu verdrängen und hob schließlich meine Hand und winkte mit einem spöttischen Grinsen hinunter.
Self-preservation war das Wort der Stunde, denn auch wenn Celina vorhatte, als Vermittler mit den Menschen aus Seetal zu verhandeln und die Zwerge natürlich in den Krieg zogen, würden mich keine zehn Pferde nach unten bekommen. Ich war wie der Gott, der die Schlacht überblicken würde, wie der Erzähler, der vom olympischen Standort auf das Geschehen hinabsah. Und wer wäre besser geeignet als ich?
Zwerge und Elben würden mich nicht angreifen und so konnte ich bequem auf den Zinnen der Mauer sitzen ohne mir die Hände blutig- ähm, dreckig zu machen. Und meine Nichtbeteiligung sollte wohl hoffentlich alle Zweifel, ich wäre ein wahnsinniger Massenmörder, vernichten.
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"Du bist dir nicht sicher, ob Zora gefallen ist?!", Doktor Elina schrie mit wutverzerrten Gesicht. Ihr glänzender Mantel fegte über den unebenen Steinboden des Korridors und Celina wagte es nicht, ihren Blick zu heben. Ihr Kopf versank zwischen ihren Schultern und nervös verlagerte sie ihr Gewicht. Nebenbei nahm sie das unangenehme Drücken der schweren Metallschärpe war, die sie aus den Rüstungen gepickt hatte. Ein Zeichen von Diplomaten, hatte Thorin gemeint und mit zusammengekniffenen Gesicht in Richtung der sich nähernden Armee geblickt. Da Gandalf noch nicht da war, würde ihr wohl die neutrale Rolle in der Verhandlung zufallen- zumindest war es die Hoffnung des Zwergenkönigs. Ob die Elben sie als solche akzeptieren würden?
Nur zu gut erinnerte sie sich an ihre Zeit im Gefängnis der Nirfin und im Anschluss hatten sie Zora befreien müssen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken als sie an die zerbrechliche Figur zurückdachte, die Rayna aus dem geschlossenen Raum getragen hatte. Aber ging es ihr danach nicht wieder gut? Zweifelnd dachte sie an Zoras Verhalten zurück, ihr verschmitztes Lachen und die noch schlechteren Witze. Dann war da aber wieder die andere Zora, die verletzliche Zora, die ihre Angst zugeben konnte und ihr Trost sprach und sie zumindest etwas zu verstehen und beruhigen schien und Celina war sich einfach nicht mehr sicher, welche Version die richtige Zora war. Als wäre das nicht schwierig genug, war dann da eventuell noch eine andere gefallene Zora? Vielleicht waren beide Versionen nur Masken- aber sie hatte so emotional und verletzt gewirkt?
"Ich weiß nicht, Dokt-", begann Celina und tippte unruhig gegen die Metallschärpe. Mit jedem Tappen ertönte ein leises Klingen, wenn Nagel auf Metall traf, bis die Ältere ihr einen unwirschen Blick zuwarf und Cel schuldig erstarrte, als wäre sie bei etwas Verbotenem erwischt worden.
"Richtig, du weißt gar nichts. So fing es auch damals mit meinen Gefährten an-", erklärte die Frau schneidend und tigerte vor ihr hin und her.
"Aber Zora ist nicht wie-", warf sie ein, Celinas Stimme diesmal etwas sicherer. Zora war ja kein Serienkiller oder Psychopath- zumindest war sie momentan davon weitgehend überzeugt- obwohl da immer noch die leisen Zweifel waren.
"Sie ist genau wie die. Du vertraust mir doch, oder?", fragte die weiß gekleidete Figur, stoppte in ihrer Bewegung und starrte Celina eindringlich an. Celina schwieg, kaute auf ihrer Lippe und zuckte schließlich leicht mit den Schultern. Zu widersprechen wagte sie fixiert unter diesem kalten Blick nicht mehr.
"Du wirst schon sehen, du ignorantes Kind.", spuckte die Frau noch mit gewaltiger Überzeugung aus, bevor sie mit einem großen, selbstsicheren Schritt durch das blau gefärbte Portal verschwand. Celina schnitt eine verzweifelte Grimasse, als sie endlich wieder alleine war und setzte sich dann wieder in Bewegung in Richtung der versammelten Zwerge.
Obwohl sie um die Stelle, an der das Portal rotiert hatte, herumlief, fühlte sie das Knistern der Portalmagie wie ein Phantom bei ihrer Seele vibrieren. Die Magie der Doktorin erklang immer wie ein Lied in ihrem Innersten, harmonisch und verlockend und vielleicht bildete sich Celina das nur ein, aber sie glaubte ein zweite, fremdartige Melodie leise spielen zu hören. Sie verwarf den Gedanken nach einigen Sekunden unbekümmert, schob die Vermutung auf den Stress und ging weiter ihres Weges.
Rayna warf dem rauschenden Portal einen interessierten Blick hinterher und drückte sich unbemerkt tiefer in den Schatten der Rüstung, als ihre Freundin in Gedanken versunken vorbeischritt. Auf Raynas Gesicht war ein passiver, sorgenloser Ausdruck, nur die scharfen Augen, die in der Brustplatte der Rüstung glühend reflektierten, störten die Illusion von Blauäugigkeit.
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"Auf keinen Fall"
"Silberstern, du...-"
"Nein. Nada. Niet."
Mit verschränkten Armen starrte ich zu dem Zwerg hinunter, mein Blick unbeugsam und meine Haltung absolut. Verwischt nahm ich die anderen Zwerge im Hintergrund wahr, die aufmerksam unsere Unterhaltung aus der Distanz belauschten. Thorins Körperhaltung war angespannt, seine Fäuste gespannt und die Ader auf seiner Stirn pochend. Bis zu seinen Knien war die Rüstung braun und matschbespritzt, noch ein Anzeichen von dem Marsch zu den Verhandlungen über die Grasebene.
Schnaubend erinnerte ich mich an diese Farce zurück. Ein Pfeil, eine Botschaft, eine Gesandtschaft. Nicht, dass jemand es für nötig befunden hätte, mich aufzuklären, was da abging. Aber ganz so kompliziert war die Sache dann doch wieder nicht.
Die Armee hatte im Abstand von einigen hundert Metern gestoppt, die standen da seit einiger Zeit in Formation. Ein Teil der Kavallerie war abgestiegen und begleitet von zwei weiteren Soldaten hatten sie den größten Teil der Distanz überwunden. Einer der fünf Elben war hervorgetreten und hatte einige Worte gebrüllt, die ich trotz verbesserter Sinne nicht verstanden hatte- der Wind hatte zu laut getost und die Worte mit sich gerissen. Dann war ein anderer nach vorne gegangen, hatte einen seltsam geformten Pfeil mit einem seltsamen Bogen gespannt- an dieser Stelle fürchtete ich kurz um mein Leben und hatte mich in Deckung begeben- und vermutlich abgeschossen.
Auch wenn mich die Elben vermutlich nicht mehr umbringen wollten. Nur- da waren die Erinnerungen an die Goblins, die auf uns geschossen hatten, an den kettenschwingenden Legolas und die Patrouille der Orks, denen ich auf meiner Suche nach der Wahrheit begegnet war und obwohl die Erinnerungen schwammig waren, wusste mein Körper genau was geschehen war.
Auf jeden Fall war von dem Pfeil keine Spur mehr zu sehen, als ich mich einige Zeit später wieder aus der Deckung hinter den Zinnen erhob Ich war gerade rechtzeitig um zu sehen, wie sich eine kleine Gruppe bestehend aus Thorin, Kili und Celina von einer Mauer nahe des Gebirges abseilte und sich auf den Weg über die Ebene zu dem weiß gefärbten Zelt machten.
Ein Blitz krachte hinunter in eine entfernte Zinne der Burg, auf deren Spitze auf einem Speer die Flagge der Durins befestigt war. Die Fahne brannte innerhalb weniger Sekunden zu Asche, nicht einmal der strömende Regen vermochte es sie zu löschen, bevor sie abbrannte. Einige Augenblicke folgten meine Augen dem aufsteigenden Rauch des nassen Haufens, bevor ich mich auf Thorin konzentrierte, der dasselbe noch mit einer zwiespältigen Gesichtsausdruck beobachtete. Ernst und eindringlich sah er mich dann an, unbeeindruckt blickte ich zurück. Dennoch waren seine Worte freundlich, wenn sie auch durch verbissene Zähne hervorgepresst wurden.
"Bitte kehrt mit uns zu den Verhandlungen zurück. Diese Elben-" An dieser Stelle spuckte er aus. "weigern sich die Verhandlung ohne eure Anwesenheit zu eröffnen."
Verbitterung legte sich auf seine Züge. Ich zuckte mit den Schultern und er fuhr zu sich selbst murmelnd fort: "...-as von Geiselhaltung od..."
"Und?", fragte ich irritiert. "So weit ich mich erinnere ist das eher ein Du-Problem."
Versteckt von dem Stoff meines Hemdes krallten sich meine Finger schmerzhaft in meine Arme und ich unterdrückte den Reflex, nach dem schweren Nirfinschwert an meiner Hüfte zu fassen, das ich dem toten Botschafter abgenommen hatte. Mein Mund fühlte sich klebrig an, viel zu süß und ich biss mir auf die Zunge, bis mich das Blut davon ablenkte.
"So weit ich mich entsinne, Elbe, seid ihr es mir schuldig." Ein vernichtender Blick traf Thorin.
"Ich? Euch etwas schuldig?", meine Stimme nahm in meinen Ohren einen gefährlichen Ton an und erbost verengte ich die Augen. "Waru-"
Der Zwerg unterbrach mich, bevor ich fortfahren konnte, sichtbar versuchend das Gespräch in einer freundlichen Zone zu halten. Er baute sich auf und starrte mich in bester Königsimitation an. "Wie das auch sei, sollten die Verhandlungen scheitern, bevor unsere Verstärkung eintrifft, wird diese Unternehmung scheitern. Welcher Zwist auch immer zwischen euch und euren Artgenossen liegt ist unwichtig im Angesicht der Bedrohung. Ihr wisst um die Fähigkeiten der Elben, ihr wisst, dass wir im Kampf im Nachteil sind."
Meine Finger pressten sich fester in meinen Arm, meine Lungen wurden enger und ich konzentrierte mich auf Thorins eindringliches Gesicht. Mein Kopf war leer und meine Gedanken zuckten zurück zu der kalten Viole gegen meinen Lippen, die angsteinflößenden Worte Thranduils und den Kr'apptusk in den Ketten.
Als hätte er meine Abwesenheit bemerkt, wurden seine Worte eindringlicher: "Ich versichere euch, dass ihr hingegen mit dem Z'rchriw ungefährdet seid. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass die Elben bis zum Eintreffen meines Vetters hingehalten werden."
Der König beobachtete mich einen Augenblick, doch ich wandte mich ab und schwieg. Gott, meine Hände zitterten so sehr. Mein Herz pochte in meiner Brust und ich versuchte jegliches zu verdrängen. War versucht ein endgültiges Nein herauszupressen, aber er hatte ja recht, hatte ja einen validen Punkt. Und, Gott, ich wollte auf keinen Fall, dass die Nirfin angriffen und die Burg belagerten- ich riss meine Augen auf. Was war, wenn die einfach im Dos'tjair durch die Mauern sprangen? Ich schüttelte mich beim Gedanken daran. Oh Gott, was war, wenn die bereits hier waren?
"Wie lang?", schwebten hohle Worte über meine blassen Lippen wie die Berührung eines Phantoms.
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Das Zelt wehte im Wind und überragte mich wie ein imposanter Riese. Celina warf mir einen undeutbaren Blick von der Seite zu und auch der Zwergenkönig vor mir stoppte kurz, um seine Gedanken zu sortieren. Neben dem Zelteingang standen Kili und eine störrisch blickender Nirfinkrieger, die sich eisern anschwiegen. Kili wirkte leichenblass, unter seinen eingesunkenen Augen waren schwarze Ringe und ich entsandte mich plötzlich, dass er ja mit Aurea Mors vergiftet wurde. Mit einem leicht schwankenden Schritt trat er zu Thorin, der unsere Gruppe anführte und flüsternd tauschten sie Informationen aus.
Die Erinnerung daran, dass ich wirklich hier war und wirklich wieder zu den Nirfin zurückgekehrt war- wenn auch aus wirklich noblen Beweggründen, schockte mich. Hatte ich nicht geschworen nie wieder zurückzukehren? Gott, was konnte ich erwarten? Was würde mich erwarten? Das letzte Mal, als ich den Nirfin gegenüberstand, hatte ich immerhin gedroht, mich zu töten. Die Hand, die bereits auf dem warmen Griff des Z'rchriw ruhte, krampfte bei dem Gedanken daran, was wohl nicht besonders für meinen mentalen Zustand sprach.
Die Augen des Nirfin auf meiner Bewegung spürte ich, noch bevor ich sie sah. Warnend blickten mich weiße Augen an und mit einem bemühten Lächeln entspannte ich meinen Griff. Celina stupste mich kurz an und deutete mit einem Kopfnicken zu dem großen dunklen Schatten des Zelts, der waberte, als wäre er lebendig. Seelenruhig, als würde ich wirklich keine Gefahr darstellen, begab ich mich selbst in den Dos'tjair, wissend, dass es mir zwar kaum einen Vorteil gegenüber den verborgenen Nirfin gewährte, aber zumindest würde es mich trotzdem beweglicher machen.
Ein undeutliches Gefühl stieg in mir auf, kaum dass das Zerren des Sturms an meiner Kleidung und die Kälte des Regens verschwanden. Wie eine Warnung oder eine leise Drohung schwebte es über mir, als würde mit einem falschen Schritt das Beil der Guillotine auf mich hinunterfallen. Ich schauderte und dann hob Kili den Vorhang des Zelts und auf einmal war ich begleitet von Thorin und Celina auf dem Weg nach drinnen.
"Fürst Celeborn.", adressierte Thorin den großen Mann, der in einem weißen Gewand gekleidet, das von langem, silbern schimmerndem Haar bedeckt wurde, in der Mitte des Zeltes stand. Weiße Augen waren in scheinbar freundlicher Manier auf den König gerichtet, das Lächeln wurde größer als sein Blick über Celina und mich glitt. Perlmuttfarbig schimmerten seine Augen und obwohl ich keine einzige Falte in seinem Gesicht sehne konnte, war er vermutlich dennoch älter.
Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals von jemanden namens Celeborn gehört hatte. Der Elb- der Nirfin vermittelte eine ruhige Aura, einladend forderte er Thorin mit einer Handbewegung auf und Thorin erhob seine Stimme selbstbewusst: "Fürst Celeborn, Sohn von Galadhon, die Elbin Zora Silberstern wie ihr gefordert habt, unverletzt."
Ein amüsiertes Geräusch entfuhr mir bei dem Gedanken daran, dass die Zwerge mich verletzt hätten, verletzt hätten können. Und dann glitt die Angst in den Hintergrund, die Vorsicht und Sorge verblassten aus meinen Gedanken, vielleicht ein wenig zu abrupt- aber auch dieser Gedankengang waberte aus der Reichweite. Stattdessen kreisten meine Gedanken um die Tatsache, dass mich Thorin nicht als Tochter des Thranduil vorgestellt hatte und warum ihm die Elben nicht mein- ähm... Verhältnis mitgeteilt hatten.
Ich sprang aus diesen Gedanken wieder, wenn der Nirfin mich anlächelte: "Elen síla lúmenn' omentielvo*."
"Le suilon*.", antwortete ich reflexartig, ohne diese Worte bewusst zu sprechen. Und ohne zu wissen, was ich gesagt hatte. Oder er.
Thorin starrte mich misstrauisch an und auch Celina war wachsam. Ihr Blick glitt zweifelnd an mir auf und ab, als würde sie etwas suchen, aber nicht finden. Der König riss sich aus seiner Trance und räusperte sich laut. Das störende Geräusch hallte durch den Raum und war wie ein Schlag mit dem Zaunpfosten. Ich löste meinen Blick von Celebors Figur, irgendwo hatten ich den Namen doch mal gehört, oder? Immerhin hatte ich dieses Universum erschaffen, also musste ich ihn doch kennen?
Langsam wandte sich der Nirfin von mir ab und Thorin zu. Für einen winzigen Flügelschlag lang lag so etwas wie Abneigung und Missbilligung in Celebors Gesichtsausdruck, dann war alles wieder vorbei und mit einer höflichen Armbewegung forderte der Nirfin Thorin auf, näher zu treten. Auf dem Tisch lag ein leeres Dokument und aus dem Schatten trat ein weiterer Nirfin hervor. Neben den beiden Nirfin nahmen auch Thorin und Celina an dem Tisch Platz und dann begannen die qualvoll langweiligen Stunden, die auch als Diplomatie bekannt sind.
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Als Thorin zum mindestens neunten Mal sämtliche Fortschritte der Verhandlung verwarf, nachdem er sich von dem Elbenfürsten beleidigt fühlte, tat es physisch weh, ein Aufstöhnen zu unterdrücken. Theoretisch gesehen, war die Dauer der Verhandlungen ja gut, immerhin war es ja unser Ziel, die Nirfin hinzuhalten, bis Verstärkung eintraf, aber es waren doch gefühlt Tage vergangen. Es verdross mich auch, dass die Nirfin krasse Konditionen für Kilis Behandlung stellten. Und noch stärker verärgerte es mich, dass sie meine Auslieferung forderten- auch, wenn sie es als Zeichen der Bereitschaft zur Sicherung des freundlichen Verhältnisses durch die Zwerge verkauften. Neben der Beleidigung, dass angenommen wird, dass Thorin die Macht hätte, mich als Gegenstand der Verhandlung wie ein Objekt für einige Bedingungen zu verschachern, war da natürlich auch die Tatsache, dass die Elben rein theoretisch keinen Grund für einen Kompromiss hatten.
Das einzige, was sie forderten, schienen irgendwelche Erbstücke und ich zu sein. Da sie mich quasi schon hatten -im Ernst, würden die Nirfin im und um Zelt angreifen, hätten wir keine Chance- schien der einzige Grund für die diplomatischen Versuche wohl ein bisschen Schmuck zu sein. Je nachdem wie wichtig ihnen der Schmuck war, desto länger würden sie wohl die Verhandlungen führen. Aber dann ergab sich trotzdem die Frage, warum um Gotteswillen sie nicht einfach in die Burg eindrangen und sich nahmen, was sie wollte. God knows die zurückgebliebenen Zwerge waren keine Gegner. Weitere mögliche Gründe konnten das Verhalten der Nirfin erklären, denn vielleicht hatten die ja einfach in Sorge um einen militärischen Konflikt mit dem restlichen Zwergenreich? War Thorin nicht recht gut vernetzt, so als Abkömmling Durins? Vielleicht fürchteten die Zwerge auch Handelsbeziehungen zu verlieren? Handelten die überhaupt?
Was auch immer Thorin in der Hand hatte, lag leider unausgesprochen in der Luft. Auch ausgesprochen hätte es nicht viel genützt, mein Kopf surrte jetzt schon von den ganzen fachsprachlichen und gestochenen Redewendungen- ich verstand kaum ein Wort seit Stunden. Irgendwo zwischen der Heilung von Kili und irgendeiner vergangenen Schlacht hatte ich den Faden verloren.
Schlimmer noch, die Zwerge stanken unheilig. Vielleicht war es der Stress, vielleicht auch der Grund, dass sie unter Tonnen von Schichten aus Leder und Metall in einem geschlossenen Zelt saßen und davor von einem Berg geklettert und durch den Matsch gewatet waren. Zumindest der Regen schien aufgehört zu haben und wann immer der Wind gegen den Eingang des Zeltes wehte, schwebte ein göttlicher Hauch Frischluft zu mir herein und das Verlangen wuchs, mich nach draußen zu begeben.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und löste mich aus der Körperhaltung, in der ich Stunden verharrt hatte. Cereborn, der gerade zum dutzenden Mal erklärte, warum Kili während und nach der Behandlung nicht die Obhut der Elben verlassen durfte (irgendetwas mit Wahrung von Wissen), stockte, was mir sehr wohl zeigte, dass er noch immer sehr aufmerksam war. Unter den momentanen Umständen vergleichbar mit einer Heldentat. Thorin folgte seinem Blick, er war hin und hergerissen von Zermürbung und einer Warnung, die Verhandlungen nicht zu verkürzen oder unachtsam zu beenden.
Von der Aufmerksamkeit der beiden genötigt, murmelte ich nur trocken: "Bin nur kurz vor dem Zelt." Was hoffentlich meine Intention zeigte, mich nicht zu entfernen und daher eine Fortsetzung der Verhandlungen ermöglichen sollte. Nachdem kein Widerspruch kam, auf den ich mit einer gewaltigen Menge Gewalt geantwortet hätte, denn es wäre ja Körperverletzung und unrechtmäßige Festhalten gewesen, kehrte ich den Anwesenden in Richtung Ausgang gehend den Rücken zu.
Der Elb, der vor dem Ausgang stand bemühte sich daraufhin nach dem im Moment flatternden Vorhang des Eingangs zu greifen, um ihn vermutlich zu Öffnen, doch ich trat noch im Dos'tjair einfach durch ihn und den Vorhang hindurch. Es war ein seltsames Gefühl, durch einen materiellen Nirfin zu gehen, wie als würde man durch einen feinen Filter fließen. Der Elb erstarrte in der Bewegung, als ich durch ihn und den Vorhang hindurchglitt und der Nirfin vor dem Zelt fixierte mich mit weißen Augen.
Tief sog ich die frische Bergluft ein und meine Sorgen über die Verhandlungen verflossen. Unbekümmert wandte ich meine Augen von der Wache, die mich wahrscheinlich nicht angreifen würde und verließ Dos'tjair. Die Kälte in der Luft tat nach dem tauben Gefühl durch das Dos'tjair gut und ich nahm die Hand von dem Z'rchriw und schüttelte mein Handgelenk aus.
"Wie lange dauert sowas normalerweise.", erkundigte ich mich amüsiert, bevor mir wieder einfiel, dass ich einen Nirfin angesprochen hatte.
"Verhandlung ähnlich dieser sind dokumentiert bis zu einigen Tagen zu dauern, eure königliche Hoheit*.", antwortete der Nirfin respektvoll.
Das hatte ich ja fast wieder vergessen, auch wenn es innen nicht zur Sprache gekommen war, war ich ja dennoch eine königliche Hoheit. Furcht vor der Reaktion Thranduils stieg in mir auf, immerhin hatte ich ihm Selbstmord angedroht um zu entkommen-ohgottohgottohgott...
Und dann war mein Geist mit dem nächsten Atemzug wieder still und entspannt und alles war gut. Einige Zeit verging in der ich die friedvolle Stille genoss, überraschenderweise störte mich die Anwesenheit des Nirfins nicht daran.
Ein fliegender Schatten näherte sich am Himmel, ein kleiner Vogel, der immer näher kam und immer größer wurde. Abwartend machte ich mir nicht die Mühe, meine Augen mit dem Dos'tjair zu verbessern, immerhin sah der Elb neben mir auch keinen Grund dafür. Das Gefieder des Riesenadlers war schwarz wie die Nacht und mit jedem Flügelschlag wurde ihr Geräusch lauter. Das Tier mit den intelligenten Augen verlangsamte schließlich und peilte uns eindeutig an. Mit jedem lauten Flappen des kräftigen Flügelschlags wurde der Geruch des Wesens näher zu mir getragen. Wie Rauch und Kiefernnadel, sinnierte ich, als der Adler, der doppelt so groß war wie ich, landete und sich bis auf einige Meter näherte.
Sein Schnabel klackerte helle Töne.
"Hallo?", fragte ich neugierig zurück, mich wundernd, ob Gandalf ihn zu unserer Rettung gesandt hatte. Ein leises, heiseres Krähen unterbrach den Blickaustausch von dem Nirfin und dem Adler und ich schaute hinab auf einen verletzten schwarzen Raben, an dessen Fuß eine Rolle blutbeflecktes Pergament gebunden war. Dann verschob sich die Form des Schnabels, die Knochen knackten und Muskeln rotierten. Die Federn zogen sich zurück und braunes Leder kam zum Vorschein, bis schließlich ein Mensch vor mir stand.
Jedes Jahresende setze ich mir erneut das Ziel, diese Fanfiktion zu beenden. Dass ich es nie schaffe das einzuhalten, zeigt wohl, dass Vorsätze besser für das nächste Jahr gemacht werden.
K1Spyke
* (in dieser Reihenfolge)
Dos'tjair- ein Zustand der Nirfin. Offizielle Bezeichnung für das Begeben auf die nicht-materielle Ebene. Verstärkung der Fähigkeiten des Nirfin inklusive der Sinne, Ermöglichung des Gleitens durch Materie. Nachteile: Verstumpfung der Gedanken und Gefühle, taubes Gefühl auf der Haut, da Temperatur nicht wahrgenommen wird, fordert stetigen Fluss von Energie für die Aufrechterhaltung
Elen síla lúmenn' omentielvo- Quenya, Begrüßung; Ein Stern scheint auf die Stunde unserer Begegnung
Le Suilon- Sindarin, eher formellere Begrüßung; ich grüße dich
(Natürlich spricht Zora kein Sindarin bis auf das bereits aufgegriffene mae govannen. Es kann vermutet werden, dass in der Kreation des Avatars von Zora bereits Sindarin Kenntnisse aufgefasst wurden. Durch Zoras steigenden mentale Instabilität kann ihr Körper, damit auch die chemischen Prozesse der kreierten Emotionen, ihre eigentlichen Emotionen unterdrücken- sie verliert sozusagen im Kampf gegen ihre Natur. Während negative Emotionen wie ihre Depression und Panik auf ihr Gemüt drücken, gleicht ihr Körper diese sozusagen aus. Das kann auch als versuchte unterbewusste Heilung durch ihre Fähigkeiten aufgefasst werden.)
Eure königliche Hoheit- Anrede für Prinzen und Prinzessinnen laut Wiki. Keine Ahnung, ob man das auch so in lotr oder der Hobbit tut, hab aber aus Erste nichts anderes gefunden und hey, Zora ist eine Prinzessin oder?
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