Abgründe
Einige Zeit später befanden wir uns in Bards Haus.
(Ein tatsächliches Wunder, dass Zora sich durch die Kloake ins Haus begeben hatte, aber zu ihrer Verteidigung; man hatte die zukünftige Göttin davor ausgenockt.)
Ich hockte auf einem der abgeranzten Stühle in Bards Haus, nippte an einem Glas Milch und betrachtete den dreckigen Jungen vor mir. Erwartungsvoll leuchteten seine Augen zu mir hoch und ich fühlte mich leicht unter Druck gesetzt. Kinder waren gruselig.
Langsam streckte er seine schmutzigen Finger nach meinem reinen weißen Haar aus, doch erstarrte, als ich fragte:
„Wie heißt das Kind da nochmal?"
„Man, Zora!", stöhnte Celina für meinen Geschmack etwas zu dramatisch und verdrehte von ihrem Hocker neben der Tür aus die Augen. „Das sind drei Kinder, die Bard hat. Kannst du dir nicht mal diese drei Namen merken?!"
„Nein!", schnappte ich zurück und warf dem Jungen eine bösen Blick zu.
Er erbleichte und zog sich mit stolpernden Schritten m zu seinen verdreckten Geschwistern in abgetragener Kleidung zurück. Die beiden Mädchen mit dem verklebten goldenen Haar blickten daraufhin auf von dem verletzten Zwerg auf, der mit einem Pfeil im Bein bewusstlos auf dem wackligen Tisch lag, und blickten mich aus ihren leeren, blauen Augen an, bis sich mir der Magen vor Unbehagen umdrehte und ich mich in eine Ecke verkroch. Diese Kinder waren zu seltsam. Da stimmte doch was nicht.
Es war Abend, als die Zwerge und Bard in die Wohnung zurückkehrten. Seltsam. Konnte mich nicht erinnern, dass die uns überhaupt verlassen haben. Wie war ich überhaupt in Bards Haus gekommen? Doch mein Kopf beherbergte nur ein schwarzes Loch. Ich zuckte mit den Schultern. Wäre nicht das erste Mal.
Ich stieß mich von der maroden Wand ab und trat auf sie zu. Als ich mich den Zwergen näherte, wich Bard zur Seite aus, warf mir einen seltsamen Blick zu und gesellte sich zu seiner Familie. Wie ein Haufen Kleinkinder, sehr grimmige in Rüstung gekleidete Kleinkinder, scharrten sie sich um den alten Holztisch, auf dem Kili, seit ein paar Minuten wieder bei Bewusstsein, ruhte.
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Thorin sie, betrachtete seinen kranken Neffen und stopfte einige kleine Gegenstände in die Hand dessen Bruders. Ernst musterte er den blondhaarigen Zwerg und umschloss seine Hand fest. Danach murmelte er ihm etwas ins Ohr, was selbst für meine Elben, eh, Halbnirfinohren zu leise war.
„Hier, Bruder, iss dies.", sorgsam öffnete Fili den Mund seines Bruders und legte einige schwarze Pillen hinein. Ich rümpfte die Nase als mit ein seltsam verfaulter Hauch eines Geruchs entgegenschlug und beäugte Kili kritisch. Sein Gesicht, zuvor schon käsig, nahm einen ungesunden weißen Farbton an und seine violetten Venen verfärbten sich immer dunkler.
„Ähm, wieso verfüttert ihr ihm gerade Gift?" Meine Augenbrauen zuckten irritiert nach oben.
Der König vom Berg ohne Berg schob sich in meine Sichtlinie und ich schaute unbeeindruckt auf sein kaltes Gesicht hinunter. „Um ihm einen schnellen Tod zu gewähren."
„Huh?" War das wirklich Gift? Ich hatte mich nicht getäuscht? Wie war das? Sie töteten den gerade? Warum? Sollte der nicht erst ein paar Tage später durch Azog sterben?
„Das hätte ich auch schneller gekonnt.", teilte Rayna aus ihrer Ecke mit arrogant gehobenen Kopf mit. „Da hättet ihr doch nicht extra Gift kaufen müssen. Was für eine Geldverschwendung."
Celina erhob sich mit ernstem Gesicht aus ihrer Ecke und trat auf den Zwergenkönig zu. Starre Augen blickten in die seinen, ihre Mundwinkel zuckten kurz zu einem Ausdruck tiefster Verachtung. „Wenn ihr mir keine befriedigende Erklärung liefern könnt, König Thorin, werde ich mit Rayna und Zora sofort verschwinden."
„Was?", fragte Rayna nach, nachdem sie beim Hören ihres Namens vom Anblick des totenblassen Kili zurückgezuckt war.
„Warum?", erwiderte ich verwirrt.
Und leise, kaum für meine Ohren hörbar, zischte Bard leise: „Das dürft ihr nicht."
Thorins Miene verfinsterte sich und er blickte Celina beinahe empört an.
„Das sind in gewisser Weise Gegenmittel für das Pfeilgift des Elbenprinzen, welche Bard bei einer alten Frau gegen unser Geld erworben hat. Das Gift dieses Prinzen ist tückisches Gift der Aurea Mors Ebene im Westen der verbrannten Felder des Erebors. Tödlich für jedes Tier. Jeder Mensch, den das Unglück heimsucht, damit in Kontakt zu kommen, befällt dies Gift wie eine Droge. Solange man dieses Gift weiterhin in immer größeren Mengen zu sich nimmt, befällt einen lediglich die kränkliche Gestalt. Doch bei dem Verweigern des Giftes verkommt man in einen Zustand des bewusstlosen Todes. Langsam wird man dahinraffen, nicht mächtig zu erwachen. Es gibt kein Gegengift. Aus diesem Grund erwecken wir ihn mit demselben Gift, um ihn zu stabilisieren, sodass er das goldene Zeitalter der Zwerge erleben kann."
„Aurea Mors", murmelte ich leise. „der goldene Tod. Wie eine tödliche Droge."
Am Rande bekam ich mit, wie Bard sich versteifte und seine Fingernägel so tief in seine Fäuste krallte, das dunkelrotes Blut langsam zu Boden tropfte. Die Kinder erzitterten, nachdem sie der Erklärung des Königs gelauscht hatten und blickten betroffen nach unten. Eine einzelne Träne beobachtete ich, wie sie sich aus dem Gesicht des kleinen Jungen nach unten schälte, wie ein glitzernder Diamant zu Boden fiel und dort in tausend Spritzer zersplitterte.
Und es machte Sinn. Es machte Sinn, warum sie so schnell wussten, welches Gift ihn infiziert hatte, welches Gegenmittel sie brauchten und wer es verkaufte. Und warum sie so kränklich aussahen.
Ich biss auf meine Unterlippe und wandte mich ab, trottete mit zitternden Beinen in die nächste Auge und krallte meine bebenden Hände.
Wünschte ich wäre unsichtbar.
Diese Welt hatte ich erschaffen. Dieses Gift hatte ich erschaffen. Dieses Leid hatte ich erschaffen.
Diese Verdamnis hatte allein ich über diese unschuldigen Kinder gebracht.
Im selben Moment kroch Rayna zu mir rüber, stupste mich taktlos meinen dramatischen Gefühlen gegenüber an und flüsterte durch die Totenstille hindurch: „Also dann, wann starten wir Protokoll 66?"
Ein Schütteln ging durch mich. Protokoll 66. Ich knirschte mit den Zähnen und erinnerte mich daran, dass diese Kinder, alle Menschen hier, nichts weiter als meine Erschaffungen waren. NPCs in diesem Spiel. Keine lebenden Personen. Werkzeuge. Unterhaltung. Die Kälte im meinem Inneren begann zu vergehen und, ohne zu zögern, wandte ich mich Rayna zu.
„Jetzt.", sagte ich und begrüßte diese Ablenkung nur allzu gerne.
Raynas Augen wurden so groß wie Tennisbälle, dann nickte sie mit einem Grinsen strahlender als der Mond.
„Ich verstehe.", hauchte Celina in diesem Moment Thorin zu und sackte zusammen. Sie seufzte auf und fügte hinzu: „Was bedeutet dies für unsere weiteren Pläne?"
Die Totenstille bekam lebendig als einige der Zwerge daraufhin lautstark darüber argumentierten, ob man Kili trotz seines Zustandes zum Erebor mitbringen sollte. Immerhin war es eine Once in a Lifetime Erfahrung.
Gedeckt von der turbulenten Stimmung, verdeckt von den vielen Personen in diesem kleinen Haus, und übertönt von deren lauten Stimmen, schlichen Rayna und ich uns nach draußen.
Die Tür fiel knarzend ins Schloss und der kühle Nachtwind begrüßte uns auf der anderen Seite. Die alte Seestadt leuchtete im Licht alter vergelbter Laternen und wurde zu einem Meer der Lichter. Sah man nicht genau hin, so würde man ohne Weiteres die dünnen Holzstege verfehlen. Alle Häuser lagen verdunkelt im Schatten der Nacht, sodass wir uns durch die Nacht tasten mussten. Unser Ziel war klar. Alfred.
Nach dem wir einige Zeit ziellos durch die Stadt geschlichen waren, übernahm Rayna abrupt die Führung. Sie schob sich an mir vorbei im gebeugten Stand und blickte sich an der nächsten Kreuzung der Stege nicht einmal mehr um.
„Ich kann ihn spüren.", kicherte sie. Besorgnis rauschte in mir auf und mein kaltes Herz sackte mir in den Magen. Ich kannte diesen Ton. Zweimal war ich bereits verdammt, ihn zu hören. Zweimal war eine Katastrophe passiert.
„Was? Wie?" Nervös starrte ich sie an und bemerkte kaum, dass diese Worte meine Zunge verließen.
Raynas Gesicht fiel und ihre Augen verengten sich zu einem monströsen Ausdruck.
„Er gießt gerade eine Pflanze in seinem Haus. Das Wasser unter der Stadt verbindet uns wie Geschwister. Es fließt wie verdorbenes Blut durch die Adern meiner Baumgestalt und durch die der Pflanze."
„Oh.", murmelte ich. Das dritte Mal.
„Er verdient es nicht, eine Pflanze zu haben und sei sie noch so mickrig.", brachte Rayna mit gefletschte Zähnen heraus. Sie griff nach meinem Unterarm, umklammerte ihn krampfhaft, während sich die weiche Haut in kaltes Holz verwandelte und in mein Fleisch bohrte. „Er verdient es nicht, Zor. Er verdient nur den Tod."
Zor. Wieder dieser Name, mit dem so viele Erinnerungen verbunden waren. Der Schlüssel zu den dunklen Erfahrungen, die ich tief in mir vergraben hatte.
Sie grinste mich von Sinnen an und ich sah den bekannten Wahnsinn in ihren im See ertrinkenden Augen.
„In der Tat.", gab ich von mir, meine Stimme um einige Oktaven frostiger. „Erlösen wir ihn."
Ihn, der den Wahnsinn in dir weckt, Freundin. Diese Quelle deiner Krankheit muss beseitigt werden.
Lass mich dich heilen.
Es war ein schneller Tod. Ein schmerzloser. Ich war es, die das Schwert schwang. Den Wehrlosen im Schlaf erdolchte. Ein sauberer Tod. Ein gnadenvoller Tod.
Ich unterdrückte ein Würgen bei dem metallischen Geruch des Blutes und beugte mich tiefer zum Wasser des Sees hin. Zusammengekauert hockte ich auf dem Steg und versuchte zu vergessen. Meine bebende Hand hielt das blutende Schwert, das Minuten zuvor noch in der Kehle des Mannes gesteckt hatte, in das tiefschwarze Wasser des Sees. Ich vermochte kaum dieses Gewicht wieder hinaus zu ziehen. Ich benötigte einige Versuche, um das triefende Schwert wieder in seine Scheide zu stecken, bevor ich mich zum Haus Alfreds umwandte.
Eine unheimliche Stille lag in der Luft, die nur von einem leisen Schmatzen aus dem Inneren des Gebäudes durchbrochen, zu mir drang. Ich würgte, als ich daran dachte, was Rayna gerade mit der Leiche tat. Das war so...so krank.
Tränen schossen mir in die Augen und ich blinzelte hektisch. Es war zu spät für Reue. Diesen Weg hatte ich vor Jahren gewählt, bei Raynas ersten... Krankheitsausbruch. Und auf dem Weg zu ihrer Rettung hatte ich selber meinen Pfad verloren.
Und der Abgrund blickte zurück.
Ich ruhte die paar Minuten, bis Rayna aus dem Haus zu mir trat. Ihre Schultern zitterten und ihr Blick war starr zu Boden gerichtet. Niemand würde denken, dass das Blut an ihrer Kleidung nicht ihres war. Sie taumelte leicht zu mir und öffnete ihren Mund und schloss ihn wieder. Ihre Stimme klang heiser und hatte ihren wahnsinnigen Ton wieder verloren.
„Zora, ich... es..."
„Es ist in Ordnung."
Kaum waren meine Worte im dunklen Wind fortgeweht, hallte ein Schluchzen über den See.
Ich schwieg erst und versicherte ihr dann.
„Es ist nicht deine Schuld."
Ihr Kopf zuckte nach oben und ihren Augen starrten mich durchdringend an. Ich hatte frei Sicht auf ihr verzerrtes, bleiches Gesicht. Aus unnatürlich aufgerissenen Augen liefen bittere Tränen über gerötete Wangen.
Ihre Stimme zitterte: „Du.. du lügst! Ohne mich...wäre ich doch..."
Ich lachte spöttisch auf. „Nein, wag es nicht, sowas zu sagen! Es war meine Entscheidung- von Anfang an. Dieser Tribut gebührt mir!"
Rayna lachte auch auf. Gepresst und verzweifelt.
Ich bleckte die Zähne bei diesem Ton. Egal, was ich sagte, egal, was ich tat. Sie würde sich immer selber die Schuld dafür geben, was aus mir, aus uns, geworden ist. Und ich wusste nicht, wie ich es ihr versichern konnte. Versichern, dass ich ihr freiwillig in die Dunkelheit gefolgt war, um ihr zu helfen. Und dass es nicht ihre Schuld war, dass es mich derart verändert hatte.
„Komm.", schaffte ich es noch heraus zu pressen, bevor ich mich abwandte und mit knirschenden Zähnen zurück zu Bards Hütte wanderte.
Auch, wenn es meine Entscheidung war, Alfred zu töten, um Rayna dasselbe Leid wie nach dem ersten Anfall zu ersparen, nahm mich auch mein zweiter Mord mit.
Ein unnötiger Tod. Er hatte mir nichts getan. Monster.
„Wo wart ihr?"
Celina sprang auf uns zu, kaum dass wir durch die knarrende Tür, ins Innere getreten waren. Auch Bards Blick ruhte beunruhigend lange auf mir, während die Zwerge uns so erstaunt anblickten, dass ich annahm, dass sie vermutlich nicht mal mitbekommen hatten, dass Rayna und ich einen kleinen Spaziergang gemacht hatten.
„Warte, wieso ist Rayna nass? Zora, hast du sie etwa wieder ins Wasser geschubst?!"
Ich verdrehte die Augen und verfluchte den Umstand, dass Rayna sich mal wieder mit Blut bekleckert hatte. Um keinen Verdacht zu erheben, hatte sie eben wie auch mein Schwert im Wasser gebadet. Schon praktisch, wenn man so viel Wasser um einen herum hatte. Wenn ich da an die ersten beiden Anfälle...nein, daran wollte ich jetzt wirklich nicht denken.
„Wieso ich?", empörte ich mich noch im selben Augenblick. Meine Zunge funktionierte mal wieder schneller, als mein Gehirn. „Als ob Rayna Hilfe brauchen würde, um ins Wasser zu fallen!"
„Sehr freundlich, Zora.", meinte Rayna hinter mir und schloss die Tür mit einem Knall. Bards Kinder zuckten zusammen und sie warf einen entschuldigenden Blick in die Runde. Dann schob sie sich an mir vorbei, wollte wohl wieder in ihre Ecke zurück.
Es fiel mir erst kurz vorm Einschlafen wieder ein. Rayna hatte den restlichen Abend nicht gewagt, in meine Richtung zu blicken. Ihr Blick war stets gesenkt geblieben. Und diese Distanz, nach all dem, was ich für unsere Freundschaft geopfert hatte, schmerzte.
Meine Träume wurden jäh von einer leise murmelnden Stimme unterbrochen.
„Aufstehen, Zora."
Ich kämpfte um den Sieg gegen den Schlaf und versuchte, meine müden Muskeln zu motivieren.
„Zora..."
Hauchte Celina.
„Zozo..."
Flüsterte sie.
Und wie ein Gespenst glitzerte ihre Stimme wie scharfes Glas in meinen Ohren.
„Zor."
Ich riss meine Augen auf und wurde prompt von der Helligkeit der vergelbten Laternen geblendet. Abrupt schreckte ich hoch, Adrenalin schoss durch meine Muskeln und mir wurde schummerig. Die Härchen an meinen Armen stellten sich auf.
„Hey, Zora ist..."
Ein dröhnendes Fiepen lag auf meinen Ohren und die blutigen Erinnerungen von gestern schossen durch meinen Kopf. Ich blickte auf den schlafenden Alfred hinunter, in nächsten Moment, steckte mein Schwert bereits in ihm, so viel Blut, so viel...
Ich zitterte und Rang um meinen Verstand, kämpfte gegen das Adrenalin und den Gedanken, erneut von dieser verbotenen Flüssigkeit zu kosten, mein Schwert zu ergreifen und alle...
„ZORANA!", schrie Celina auf und das plötzliche Rütteln an meinen Schultern brachte mich zurück in die Realität.
„Wa-was?", stammelte ich verwirrt und begriff nicht recht, was eigentlich los war.
„Man, Zora,", beschwerte sich Cel und verdrehte die Augen. „du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Musste das sein?!"
„Ja, sonst würde es doch keiner tun.", verteidigte ich mich prompt. Und obwohl ich diese blutigen Fetzen meiner Vergangenheit in den Hintergrund drängte, brach meine Stimme. Und meine Augen suchten unfokussiert nach Raynas.
Im Hintergrund hallte Celinas Stimme. Ob es mir gut ginge.
Erst dann begriff ich, dass es nicht meine Gedanken waren, die so schwankten, sondern der Boden unter mir. Mal wieder befand ich mich auf einem Schiff. Im Gegensatz zu dem notorisch abgerockten Kahn von vorher, war dieses Boot allerdings ganz passabel und mit allerhand verschieden tödlichen Waffen und etwas Nahrung gefüllt.
„Was mache ich hier?", sprach ich irritiert meinen Gedanken aus. Die Gruppe Zwerge am anderen Ende des Schiffs, in eindrucksvolle, aber schlechtsitzende Plattenrüstung gekleidet, schenkte mir aber nicht mal die Illusion der Aufmerksamkeit. Stattdessen hatten sie sich wie ein tratschender Kreis Teetanten um Thorin geschart und tauschten verdeckt von den Geräuschen der am Bug zerfallenden Wellen Botschaften aus.
„Du bist morgens echt zu nichts zu gebrauchen. Wir sind natürlich auf dem Weg zum Erebor."
„Jetzt schon? Aber was ist mit..."
Celina warf mir einen vernichtenden Blick zu. „Hast du alles verschlafen. Als ich damals versucht hatte dich zu wecken, da hattest du einfach zusammenhanglosen Irrsinn geredet und weiter geschlafen. Rayna meinte auch, dass es dir nicht schaden würde."
Ich stöhnte frustriert auf. Jetzt hatte ich schon wieder was Wichtiges verpasst. Und einen Haufen Fragen ohne Antworten. Und auf die eine Frage benötigte ich dringend eine Antwort.
„Und die haben euch echt einfach Vorräte und Waffen mitnehmen lassen? Kaum zu glauben, dass dieser Schleimer Alfred das wirklich bewilligt hat." Scheinbar gelangweilt sprach ich dieses riskante Thema an.
Der Blick, den mir Cel zuwarf, war seltsam. „Wo warst du eigentlich gestern Abend?"
„Wieso fragst du?" Hinter meinem wie immer göttlich lässigen Verhalten verbarg sich große Sorge. Ich hatte dieses Spiel gestartet, weil ich es einfach wissen musste. Wissen, ob Rayna und ich wieder davonkamen. Und was mit Alfred passiert war. Ob sie ihn schon entdeckt hatten oder ihn irgendwie mit uns in Verbindung bringen konnten.
„Ach, ist jetzt auch egal. Auf jeden Fall, war dieser Typ absolut komisch heute morgen drauf.", sagte Celina und runzelte die Stirn.
Was, der lebt noch?! Hätte ich beinahe gerufen.
Aber, das war doch unmöglich! Und auch wenn er meinen tödlichen Angriff überlebt hätte, bei Rayna hätte der Typ doch keine Chance gehabt.
„Wie komisch?" Die Panik ließ meine Stimmen etwas höher klingen als sonst.
„Der hatte so seltsame weiße Linien im Gesicht und irgendwie...keine Ahnung. Der wirkte so seltsam unmenschlich."
„Unmenschlich?!" Die Furcht, dass er überlebt hatte, war zwar abgeklangen, aber ein dunkler Verdacht ließ die Panik wieder aufkommen.
„Seine Stimme war vollkommen betonungslos. Und er hat so seltsame Sachen gesagt." Die Falten in Celinas Stirn vertieften sich und ihr Blick schien mich geradezu zu durchleuchten.
„Zora, auch weil seltsamerweise ein Botschafter der Elben von ihm in einigen Tagen angekündigt wurde, muss ich das jetzt wissen."
Kalter Schweiß klebte an meinen Händen und erinnerten mich kurz an das Blut von gestern.
„Hast du deine Nirfinfähigkeiten auf ihn angewandt?"
„Was?" Entsetzen durchschoss mich. Das hatte ich nicht, würde ich auch nie, mit denen wollte ich nach all der Zeit, wo sie mich in diesem Raum fast getötet hatten, nichts zu tun haben. Aber, wenn ich es nicht getan hatte, war ein Nirfin...
„Du wirkst seltsam, seitdem Rayna und ich dich damals gerettet haben. Auch, wenn du Thranduil und Legolas magst, solltest du wissen, dass du zu uns gehörst."
„Was?" Meine Stimme war diesmal lauter, Entsetzen durchschoss mich. Nein. Das- sie würde doch nicht glauben, dass ich- mit denen- ich-
„Zora, weil du meine Freundin bist, kann ich dir alles, was vorher passiert ist verzeihen, aber wir erwarten von dir, dass du auf unserer Seite stehst." Celinas Blick war ernst.
Grausam. Monströs. Ungeheuerlich. Als Celina sich abwandte und zurück in die Reihen der Zwerge trat, die sie durchließen und mich abschotteten, traten mir Tränen in die Augen.
Wie konnte sie es nur annehmen?
Meine Unterlippe bebte stumm und ein bitterer Geschmack lagerte sich wie nasse Seide auf meiner Zunge an.
Was war in der Zeit nur passiert? Was ließ Celina und die Zwerge annehmen, dass ich sie an die Elben verraten habe?
Ich suchte Hilfe in Rayna, doch sie senkte nur den Blick.
Ich war mir eine Zeit lang nicht sicher, wohin sich diese Geschichte entwickeln würde, aber anscheinend eher in den dunklen Bereich der Bücher. Ich weise hiermit ausdrücklich darauf hin, dass es jetzt zynischer und brutaler wird.
Spyke
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