7 - Zwei linke Füße
Als Location für die Hochzeitsfeier haben sich Juliet und Greg für eine alte Schlossruine auf einem Berg entschieden, die eine märchenhafte Atmosphäre ausstrahlt. Die Ruine ist mit funkelnden Lichtern und bunten Blumen geschmückt, die zwischen den Steinsäulen und über den zerfallenden Mauern glänzen.
Wir, die Gäste, versammeln uns auf einem hübsch dekorierten Platz im Innenhof, um das frisch vermählte Paar mit Sekt und Rosenblüten zu empfangen. Es werden Glückwünsche ausgetauscht und Erinnerungsfotos gemacht. Außerdem halten einige Familienmitglieder und Freunde eine Rede, in der sie Juliets und Gregs Liebesgeschichte auf humorvolle Art nacherzählen.
Danach wird ein festliches Buffet bereitgestellt, das eine Vielzahl von köstlichen Speisen und Getränken umfasst. Dieses Mal ist unser Vater an der Reihe, um einen Toast auf das Hochzeitspaar zu sprechen.
Sobald der Großteil fertig mit dem Essen ist, folgt ein kurzes Spiel, bei dem die Trauzeugen Fragen über Juliet und Greg beantworten müssen. Erstaunlicherweise stellen sich Ben und Amy dabei besser an, als zuvor erwartet.
Die Stimmung ist durchgängig ausgelassen und locker. Jeder freut sich, Teil dieses besonderen Tages sein zu dürfen.
Lucifer und meine Brüder verstehen sich nach wie vor prächtig miteinander. Entweder sie albern herum oder unterhalten sich über Autos. Dass die Jungs ihn schon längst als weiteres Familienmitglied akzeptiert haben, ist nicht zu übersehen.
Ich selbst halte mich eher bedeckt und im Hintergrund auf. Ich beobachte die vielen Gäste und genieße es, so viele strahlende Gesichter zu sehen.
Am allermeisten strahlt natürlich Juliet. Ich suche die Umgebung nach meiner älteren Schwester ab und stelle überrascht fest, dass sie gerade mit selbstbewussten Schritten in meine Richtung gelaufen kommt.
Oh oh. Hoffentlich habe ich nicht wieder irgendwas falsch gemacht.
„Hailee!", flötet Juliet übertrieben freundlich meinen Namen, als sie mich wenige Herzschläge später erreicht hat. „Wie schön, dich zu sehen!" Ein Lächeln, von dem ich nicht sagen kann, ob es ernstgemeint ist oder nicht, ziert ihre rot angemalten Lippen.
„Hey Juliet ...", erwidere ich verunsichert und verkrampft. Um einer möglichen Konfrontation aus dem Weg zu gehen, schiebe ich hinterher: „Du siehst toll aus!"
Bei meinen Worten füllen sich ihre kastanienbraunen Augen mit einem glücklichen Leuchten. „Ich weiß!", behauptet sie arrogant, ehe sie mir zuzwinkert und lacht.
Für ein paar Sekunden sieht sie noch sorglos und unbeschwert aus, bis sie ihre Augenbrauen zusammenkneift und ihren Blick in Lucifers Richtung schweifen lässt. „Wo hast du eigentlich dieses süße Sahneschnittchen aufgegabelt?", möchte sie neugierig von mir wissen.
Tja, das ist eine gute Frage ... Dass er der Teufel höchstpersönlich ist und von Kinsley heraufbeschworen wurde, sollte ich ihr lieber nicht erzählen, oder?
„In der Uni", lüge ich.
„Ah, okay." Juliet nickt. Dann fügt sie hinzu: „Ich hatte wirklich meine Zweifel, ob du kommen würdest, Hailee, aber ich bin echt froh, dass du da bist. Und ich gönne es dir, dass du dich auch endlich mal bei einer Person zuhause fühlst."
Dieses Mal sieht ihr Lächeln echt aus.
„Da-Danke." Es bedeutet mir unheimlich viel, dass sie das sagt. Auch wenn ich es wegen meiner Überforderung vielleicht nicht zeigen kann, nisten sich ihre Worte wie ein Bienenschwarm auf meiner Seele ein.
Juliet zieht mich kurz in ihre Arme, ehe sie zu dem nächsten Tisch weiterzieht und ihre Gäste dort in ein lockeres Gespräch verwickelt.
Irgendwie ist es schade, dass wir nie eine gute Bindung zueinander hatten. Immer waren es Juliets Neid und Eifersucht, die uns im Weg standen. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum sie mein Leben so viel interessanter und besser als ihr eigenes findet.
Ich kann nicht genau sagen, wie lange ich meine Schwester noch beobachte, doch irgendwann schiebt sich ein grinsender Lucifer in mein Sichtfeld. „Darf ich bitten?", fragt er mich vornehm und streckt mir auffordernd seine Hand entgegen.
„Was?!", erwidere ich perplex.
Lucifer lacht, bevor er seine Frage konkretisiert: „Darf ich um diesen Tanz bitten, schöne Frau?"
Ich spüre, wie mir siedend heiße Blitze in die Wangen schießen. Einerseits wegen seines Kompliments, andererseits weil es mir unfassbar peinlich ist, zugeben zu müssen, dass ich nicht tanzen kann.
„Ähm, lieber nicht", versuche ich mich aus der Affäre zu ziehen. „Frag doch jemand anderen. Auswahl hast du ja genug."
Lucifers saphirblaue Augen bohren sich unangenehm in meine. „Ich habe aber dich gefragt, Hailee", sagt er mit solch einem liebevollen Unterton in der Stimme, dass sich ein aufgeregtes Kribbeln in meiner Magengrube ausbreitet.
Oh Gott! Warum gibt er mir ständig das Gefühl, etwas Besonderes zu sein?
Aus Angst davor, mich auf der Tanzfläche zu blamieren, murmele ich wahrheitsgemäß: „Ich kann mich leider nicht so gut bewegen, Luke. Ich habe quasi zwei linke Füße." Mein Gegenüber runzelt unbeeindruckt die Stirn. Also schiebe ich hinterher: „Maverick sagt immer, dass ich wie ein Elefant im Porzellanladen aussehe."
Während ich beschämt den Kopf senke, lacht Lucifer leise. „Ach, Mave soll sich nicht so anstellen! Nur weil du ihm auf der Silberhochzeit eurer Großeltern ein paar Mal auf die Füße getreten bist, bist du noch lange kein Elefant!"
Wie bitte?
Ruckartig hebe ich den Kopf und funkele Lucifer entsetzt an. Ein paar Sekunden ringe ich nach den richtigen Worten, bis ich empört schnaube: „Du wolltest meine Erinnerungen doch nicht gegen mich verwenden!"
„Upps." Er zuckt gespielt unschuldig mit den Schultern. „Tanz mit mir und ich verschwinde aus deinem Kopf."
„Das ist Erpressung!"
„Nein." Lucifer schüttelt den Kopf, sodass seine schwarzen Locken aufgeregt von rechts nach links hüpfen. „Das ist nur ein gutgemeintes Angebot."
Pah, von wegen!
Ich seufze. Genervt und frustriert. Dann schalte ich meinen Kopf aus und höre auf mein dummes Herz, indem ich Lucifers Hand ergreife und mich von ihm auf die Tanzfläche führen lasse.
Über uns funkeln die Sterne, um uns herum die unzähligen Lichterketten.
Die Tanzfläche ist aus einem Meer von Blumen abgesteckt, die in sanften Farben leuchten. An den Schlossruinen sind Scheinwerfer angebracht, die zu einer märchenhaften Stimmung beitragen und die Menschen auf der Tanzfläche in einen Schleier der Harmonie hüllen.
Gerade als ich damit anfangen möchte, meinen Körper zum Takt der Musik zu bewegen, ändert sich das Lied. Der schnelle, rockige Rhythmus verebbt und wird durch langsame, sanfte Töne ersetzt.
Verdammt! Das soll wohl ein schlechter Scherz sein, oder? Standardtänze liegen mir noch weniger als dieses normale Herumgezappel ...
Kurz habe ich die Hoffnung, still und heimlich von der Tanzfläche verschwinden zu können, allerdings durchkreuzt Lucifer meinen Plan, indem er sich meine Hände schnappt und sie auf seine breiten Schultern legt. Er hingegen platziert seine warmen Hände an meiner Taille.
„Entspann dich, Hails", raunt er mir leise zu. „Ich führe dich."
Kaum ist sein letztes Wort verklungen, schunkelt Lucifer unsere Körper vorsichtig nach rechts. Ohne es steuern zu können, wandert mein Blick zu unseren Schuhen hinab, damit ich aufpassen kann, ihm nicht aus Versehen auf die Füße zu treten.
„Hey! Schau mich bitte an!", fleht Lucifer sofort. „Ich will deine hübschen Augen sehen."
Keine Ahnung, warum ich ihm wie aufs Wort gehorche, doch ich hebe bereitwillig den Kopf und vereine unsere Blicke wie zwei Kometen, die aufeinanderprallen. Lucifers Saphiraugen leuchten und sind so tief und unergründlich wie der Ozean.
Noch immer ertönen die sanften Pianoklänge, zu denen wir uns bewegen. Passend zum Takt schaukelt uns Lucifer von rechts nach links, bis ich mich an den Rhythmus gewöhnt habe und mich seinen Bewegungen anpasse.
Wie von selbst drücke ich mich enger an seinen Körper und lege meinen Kopf auf seiner muskulösen Brust ab.
Warum fühlt es sich so gut an, in seiner Nähe zu sein? Sollte ich nicht eigentlich Angst oder zumindest Respekt vor ihm haben?
Mit einem leichten Kopfschütteln verbanne ich alle negativen Gedanken. Stattdessen versuche ich, mich auf diesen magischen Moment mit Lucifer zu konzentrieren und ihn als Erinnerung der Ewigkeit in meinem Herzen zu speichern.
„Siehst du, Hails", wispert Lucifer liebevoll in mein Ohr, „so schlecht tanzt du gar nicht." Ohne ihn zu sehen, weiß ich, dass seine Augen amüsiert aufblitzen. Und ja, eventuell muss ich deshalb lächeln. „Du brauchst einfach nur den richtigen Tanzpartner an deiner Seite!"
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