A step backwards ♦

Piep! Piep! Piep. Die schrillen Geräusche lösten einen stechenden Schmerz in meinem Kopf aus.

Der salzige Meeresgeruch hatte sich in einen Mantel aus chemischen Desinfektionsmitteln geworfen. Verwirrt wollte ich die Augen aufreißen. Allein diese kleine Tätigkeit raubte mir unendlich viel Energie und bis auf ein beißendes, weißes Licht, konnte ich nicht viel erkennen. Warum hatten sich die Sonnenstrahlen in so einen kalten Schein verwandelt und wo war das Meeresblau geblieben?

»Bella, sie ist wach. Du musst Doktor Fishbone Bescheid sagen!« Diese Wortfetzen setzen sich wie die Krallen einer Zecke in meinen Nervenbahnen fest und brachten meinen Kopf fast zum Platzen.

Wieso redeten sie über mich und sprachen, davon, dass ich endlich aufgewacht wäre? Hatte Ted mich doch dazu überredet, seine Drogen zu probieren? Und das Resultat war ein grausiges Aufwachen mit einem Dröhnschädel im Krankenhaus? Ja, das musste es sein. Die weißen Farben, der Geruch, die Schläuche und Doktor Fishbone waren Indizien für diesen schrecklichen Ort.

»Hallo, kannst du mich hören?«Irgendetwas Dunkles wischte vor meinen Augen hin und her.

Die Stimme konnte ich einem Mann zuordnen, vielleicht war es dieser Doktor. Ich nahm alle Kraft auf mich, um mein Blickfeld weiter zu umfassen. Erste Konturen stachen hervor und ich sah in die dunklen Pupillen meines Gegenübers.

»Maybee, ganz ruhig. Du darfst dich jetzt nicht zu viel bewegen.« Eine Hand legte sich auf meine Schulter und blieb dort liegen, schwer wie eine Bleikugel.

»Wasss«, setzte ich an. Irgendwie funktionierte meine Zunge nicht richtig. Mein ganzer Mund schien ausgetrocknet und die Worte blieben mir im Hals stecken. Verzweifelt drückte ich mich in etwas Weiches hinter meinem Rücken, ganz unbequem waren die Krankenhauskissen anscheinend doch nicht. Wie konnte ich hier nur zur Verständigung geben, dass ich dringend etwas zum Trinken brauchte?

Möglicherweise verfügte Doktor Fishbone über die Fähigkeit der Telepathie, denn wenig später spürte ich, wie eine kalte Flüssigkeit meinen Rachenraum durchspülte. Ich schluckte gierig und bekam einen Hustenanfall, als sich versehentlich ein paar Wassertropfen in meine Luftröhre schlichen. Schwer atmend startete ich einen zweiten Versuch.

»Was ist passiert?« Es war merkwürdig meine eigene Stimme zu hören, die so unwirklich und fremd erschien. Denn mehr als ein klägliches Kratzen war nicht von ihr übrig geblieben.

»Du hattest einen Surfunfall, Maybee.« Die männliche Stimme begann zu sprechen und zum ersten Mal konnte ich wirklich in das Gesicht meines Gesprächspartners gucken. Seine Gesichtszüge hatten einen asiatischen Touch, die so gar nicht zum Namen passen wollten und wurden von pechschwarzen Haaren eingerahmt.

»Unfall!?«, krächzte ich und erntete ein mitfühlendes Nicken.

Angestrengt dachte ich nach, doch die Bilder, die die Aussagen des Arztes bestätigen könnten, blieben mir verwehrt. Tränen kullerten über meine Wimpern. Ich ballte die Faust und stieß sie kraftvoll in die Matratze. Diese wehrte sich mit einem federnden Quietschen.

»Ah!!!«, entfuhr es meiner Kehle und ich biss die Zähne zusammen.

Mein oberer Rücken fühlte sich an, als würde eine Feuerspur darauf entlang laufen und lichterloh in Flammen stehen.

»Du musst dich schonen«, besänftigte mich Doktor Fishbone, auf eine skurrile Weise schien sein Name zu einem Surfunfall zu passen.

»Ich will hier nicht länger bleiben!« Jammernd wollte ich mit den Beinen strampeln, doch ich empfand absolut nichts. Panisch tastete ich mit der Hand nach meinem Unterkörper und spürte dort etwas Hartes. Sie waren also noch da.

Der Asiate schien meine Entdeckung bemerkt zu haben.

»Maybee, du leidest unter einer Parese, eine inkomplette Lähmung beider Beine. Der Grund ist eine Quetschung im Rückenmark, die du dir bei dem Unglück zugezogen hast.«

»Ich hatte keinen Unfall, verdammt noch mal! Und meine Beine bewegen kann ich auch!« Mit dem Schwall dieses Wutausbruches wollte ich die grausame Wahrheit widerlegen.

»Ted hat mir doch Drogen angeboten!«, warf ich ein.

»Wovon redest du? Du hast keine Drogen genommen.« Der letze Ankerhaken war aus dem Boden gerissen und ich befand mich auf direktem Weg in die erbarmungslose Realität.

Ein Film spielte sich vor meinem Kopf ab, das Gehirn hatte anscheinend die verloren gegangene Filmrolle gefunden. Erin und ich im Auto auf dem Weg zu den Meisterschaften nach Malibu, Ted bei den Beach Bums, der knappe Rückstand nach dem ersten Durchgang und schließlich ich, die verzweifelt versuchte ihren Knöchel zu befreien, um der herannahenden Welle zu entkommen. Letzteres hatte ich offenbar nicht geschafft.

Ich wollte diese entsetzlichen Erinnerungen verdrängen und schaute mich in dem Zimmer um. Das ständige Aufblinken der Geräte beruhigte mich aber keineswegs.

Jemand räusperte sich. Doktor Fishbone hatte ein Klemmbrett in der Hand und begann mir die grauenvolle Diagnose weiter vorzulesen.

»Neben der Lähmung hast du etliche Prellungen und ein paar Rippenbrüche. Auf Grund einer Hypoxämie, also Sauerstoffmangel mussten wir dich ins künstliche Koma versetzen, um weitere Schäden des Großhirns zu verhindern.«

»Warum erzählen Sie mir das alles?! Ich will das nicht wissen! Sie müssen im falschen Raum sein. Tragen Sie den Scheiß jemand anderem vor!« Zaghaft verzogen sich die Mundwinkel des Arztes.

»Ich weiß, anfangs ist es immer schwer mit dem Gesagten klarzukommen. Aber deine Lähmung ist reversibel, mit der Zeit wirst du wieder laufen können!«

Jetzt waren alle Bände gebrochen.

»Ich muss in den Rollstuhl?!« Meine Arme fingen an, wild um sich zu schlagen und entzogen sich dem Griff des Asiaten, jedoch nur so lange, bis ich ein kleines Pieken in der Armbeuge spürte.

Meine Muskeln wurden schlapp und ich döste weg.

Zum zweiten Mal an diesem Tag wurde ich von einem unangenehmen Geräusch geweckt. Diesmal hörte es sich an, wie das metallische Schieben einer Fahrstuhltür. Im Augenwinkel sah ich weiße Gestalten und unendlich viele Türen an mir vorbeiziehen. Plötzlich blieb mein Krankenbett stehen, auf dem ich immer noch wie eine Gefangene lag.

Inzwischen hatte ich wieder klare Sicht und sah eine hellbraune Holztür vor meiner Nase aufgehen.

»Was schieben Sie denn für einen Krüppel herein? Ich hatte mit etwas Besserem gerechnet.«

»Ein bisschen mehr Respekt, Rachel!« Die vertraute Stimme von vorhin drang an mein Ohr.

Ich wurde über die Türschwelle geschoben und neben einem anderen Bett platziert. Meine Augen scannten blonde Haare, eine dunkle Iris, dünne Augenbrauen und einen eingegipsten rechten Oberarm. Der Anblick war mir unsympathisch.

»Willkommen zurück aus dem Dornröschenschlaf.« Das helle Lachen bereitete mir sofort Kopfschmerzen. Jetzt musste ich die Zeit hier auch noch mit so einer Oberzicke totschlagen.

»Maybee, du ruhst dich ein paar Tage aus, ich werde mit deinen Eltern ein Gespräch in Bezug auf eine Reha führen.«

Wie aus dem Nichts kam in mir eine Frage auf, die mir eigentlich schon früher in den Sinn gekommen sein müsste.

»Wie lange war ich eigentlich im, im Koma?« Es war unangenehm diese vier Buchstaben über die Lippen zu bringen.

»Zwei Wochen«, antwortete Doktor Fishbone mir.

Na toll, die Sommerferien hatten begonnen und ich musste hier ganz alleine in diesem Kasten ausharren, ohne mich auch nur einen Schritt auf meinen Beinen fortbewegen zu können.

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