8 / Grayson Curtis by JumpingLady
[ i Love you. What? No i don't! Forget I said anything ]
Graysons Sicht
'Was ist das erste was dir einfällt, wenn du zehn Jahre zurückdenkst?'
'Du willst dich gar nicht mehr erinnern, oder?'
'Kannst du dich echt nicht mehr an mich erinnern?'
'Weißt du denn nicht mehr...'
Doch ich weiß, ja ich erinnere mich und das erste an was ich denke ist verdammt nochmal nicht diese monströse Anlage hier im Grünen, sondern meine kleine Phine, im Blumenkleid und mit geflochtenen Haaren. Sogar ein minderbemittelter in Punkto Hirnmasse müsste bei diesen ganzen Anspielungen und verzweifelten Hilferufen an meine Erinnerung bemerken, dass hier etwas passieren muss. Stattdessen reite ich auf meinem Schimmel neben ihr her, schweigend und Ausschau haltend nach den anderen, die mittlerweile bestimmt schon längst weiter geritten sind, ansonsten hätte sie anrufen können, ob wir denn noch am Leben sind.
Vorsichtig schaue ich an meinem Pferd runter auf das Pony, dass mühsam mit den großen Schritten von Jonny mithält.
"Magst du lieber wieder zum Stall reiten?" Frage ich meine stumme Begleiterin vorsichtig.
"Ja" sagt sie kurz angebunden, schaut mich weder an noch will sie in ihrer Antwort weiter ausschweifen.
Immer noch schweigend reiten wir nebeneinander her, von weitem kann ich schon meine Anlage sehen, die Koppeln und die große Stallanlage.
Ich atme hörbar aus, vielleicht habe ich auch gehofft dass sie sich deshalb zu mir umdreht und irgendwas sagt, aber ihr Blick bleibt weiterhin nach vorn gerichtet.
Man sagt ja es seien die Umstände die das Leben bestimmen. Noch vor wenigen Tagen waren meine Umstände andere, als sie es heute sind und meine Nerven waren auch lange nicht so strapaziert. Was wenn die Umstände jetzt von mir verlangen auch meine Einstellung zu ändern. Was wenn ich vielleicht noch vor ein paar Tagen dachte es sei falsch ihr die Wahrheit zu sagen, es aber jetzt das richtige wäre, weil die Umstände andere sind?
"Phine?" Ich muss mich räuspern um nicht komplett bescheuert zu klingen.
"Grayson" schnauft sie.
"Ach nichts" sage ich schnell, durch ihre gereizte Stimme habe ich den Mut dann doch wieder verloren. Die hört sich an als sei sie entweder richtig sauer oder endlos enttäuscht über mich.
Nach erweiterten zwanzig Minuten eisernen Schweigens und langweiligen Schritt Reitens hatten wir wieder die Anlage erreicht, von den anderen keine Spur. Weder die Bereiter im Stall noch eines der Mädchen haben unsere Freunde gesehen.
Phine gibt alle um mich zu ignorieren und ich tue es ihr gleich. Stillschweigend manövriere ich mein Pferd in die Box und nehme wortlos Josephine den Sattel ab.
"Komm mal mit" ich Strecke meinen Arm nach ihr aus, ziehe sie an meine Seite und drücke sie an mich während wir auf das große Haus zulaufen. Ich spüre genau wie sie sich allmählich entspannt und sich mit immer mehr Gewicht gegen mich lehnt, ein Lächeln umspielt meine Lippen, mit meinen Augen schiele ich zu ihr, sie ist noch genau wie vor zehn Jahren kleiner als ich.
Still frage ich mich ob sie es innerlich schon weiß, ob sie es die ganze Zeit schon wusste, dass ich es weiß, dass sie einfach nur auf meinen Teil der Wahrheit gewartet hat, das sie will das ich es zugebe.
An der Haustür drücke ich sie ein Stück von mir weg, so leise wie möglich schiebe ich sie vor mir her in das Haus, immer noch darauf bedacht das meine Eltern Phine nicht sehen.
"Komm" flüstere ich, verwirrt schaut sie mich an. Ich grinse ihr ermutigend zu während ich sie hinter mir die Treppe hoch ziehe.
Ich habe mich entschieden es ihr auf meine Weise zu sagen, ihr auf meine Weise zu zeigen das ich doch auf eine Art die Erinnerung an sie immer bewahrt hatte.
Vor meinem Zimmer bleibe ich stehen, sie läuft in mich rein, entschuldigt sich sofort und weicht einen Schritt zurück.
Ich stelle mich bewusst vor sie, schaue ihr bewusst in die Augen, lege meine Hände bewusst auf ihre Schultern.
Die Wahrheit ist, ich habe Angst.
Die Wahrheit ist, ich weiß nicht wie wir damit umgehen werden.
Die Wahrheit ist, das der Gedanke daran, dass die Vergangenheit immer zwischen uns stehen wird, weh tut.
Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, sind zwei Personen mit Geschichte, mit Erinnerungen, mit geteilten Erlebnissen. Wären wir uns begegnet ohne unsere Vorgeschichte, würde ich sie womöglich früher oder später um den Finger gewickelt haben, vielleicht wäre sie meine Hannah oder ich würde mich doch für eine Beziehung öffnen oder vielleicht hätten wir uns gar nicht verstanden.
Aber wir haben nunmal eine Vergangenheit mit Erinnerungen, mit schönen und traurigen. Wir kennen einander aus Kindheitstagen, genau das wird immer zwischen uns stehen, wir würden einander immer an den Erinnerungen messen, unser jetziges ich mit dem von früher vergleichen.
Ich werde lernen können mit Enttäuschung umzugehen, ich kann lernen mit einem gebrochenen Herz zu leben, aber kann sie das auch, wenn ich nicht mehr so bin wie ich es einmal war?
"Ich muss dich noch eine Sache fragen" flüstere ich zu ihr.
Unsere Blicke scheinen langsam ineinander zu verschmelzen.
"Frag" sagt sie schüchtern, es ist dunkel, im Flur brennt kein Licht.
"Wenn man alles hat, was man sich wünscht, ist man dann wirklich glücklich?"
"Ich hoffe es"
"Gut" mit einer fließenden Bewegung öffne ich die Tür meines Zimmers. Das helle Licht der Sonne fällt durch das große Fenster, durch das man direkt auf die Koppeln und den Wald schauen kann. Ich hatte die Unordnung ganz vergessen, für einen kurzen Moment schäme ich mich für das Chaos aber das müsste sie von früher noch gewohnt sein. Meine Klamotten lagen schon immer mehr auf dem Boden und dem Bett als im Schrank und meine Pokale hatten sich jeher auf der Fensterbank oder auf dem Schreibtisch getummelt.
"Ordentlich ist vielleicht etwas übertrieben aber der Ausblick ist schön" lacht Phine und läuft zu dem großen Fenster, dabei wäre sie beinahe über die weiße Reithose vom letzten Wochenende gefallen.
Ich beginne nach dem kleinen Kästchen zu suchen, das ich irgendwo in diesem Zimmer vermute. Eigentlich müsste es unter dem Bett liegen oder in einer Schublade vom Schreibtisch stehen. Das ist der erste Moment in dem ich lieber ein aufgeräumtes Zimmer hätte.
"Was suchst du?" Phine kommt auf mich zu.
"Meine Erinnerungen" sage ich gespielt stolz und etwas belustigt.
"Ich würde vielleicht in deinem Kopf suchen, in deinem Zimmer findet man eher nichts außer jede Menge Unrat" scherzt sie.
"Setz dich" ich zeige auf mein Bett. Skeptisch schiebt sie meine Bettdecke und die Klamotten beiseite "wie schläfst du hier drin?"
"Das zeig ich dir jetzt nicht" ich schaue nicht zu ihr, sondern freue mich über das Kästchen das ich soeben gefunden habe.
Phine schaut sich die Bilder an, die an meinen Wänden hängen. Suchend gleitet ihr Blick über die kleinen Fotos, sie schaut etwas traurig, presst die Lippen aufeinander und schaut betroffen auf ihre Hände.
Sie wird an meiner Wand kein Bild finden, das älter als zehn Jahre ist, und somit auch keins von uns.
"Hier" ich setze mich neben sie, halte ihr das Kästchen entgegen.
Leise lese ich ich die Inschrift der maroden, kleinen Holztruhe vor "wir haben einen Platz der nur uns gehört, einen Satz der nur uns gehört, und der bleibt für den Rest der Welt unerhört. Damit kein Zweifel der Welt unseren Wunsch zerstört" sie legt ihre linke Hand auf das Holz, streicht sachte über die Inschrift "was ist das?" Ohne ihr zu antworten nehme ich Ihr die Truhe ab, öffne den Deckel.
Seid zehn Jahren habe ich die Truhe nicht mehr geöffnet, ich habe sie zwar mit genommen, aber nie wieder einen Blick herein geworfen.
Mein Blick fällt in die Truhe, ich hatte vergessen wie viele Bilder ich von uns hatte, sogar die Holzfiguren die wir mal geschnitzt hatten liegen hier drin. Ein Freunschaftsarmband und die längst verwelkte Blumenkette die sie mir mal geschenkt hatte. Ein Wunder das Blumen sich so lange halten können.
"Du.." Ihr bleibt die Stimme weg.
"Ja ich erinnere mich." Sage ich und nehme eines der Bilder heraus.
"Weißt du noch wie das Pony hieß?" Frage ich sie und zeige auf den kleinen Schecken, auf dem wir beide gerade sitzen. Es war Fasching und wir hatten uns und das Pony spektakulär verkleidet und wollten damit die Großpferde und ihre Reiter auf die Palme bringen.
"Ich... Du also du" wieder setzt ihre Stimme aus, sie starrt mich nur an.
"Und jetzt nochmal die Frage" ich mache eine kleine Pause "wenn man alles hat was man sich wünscht, ist man dann wirklich glücklich? Bist du glücklich das ich mich an dich erinnere? Hast du keine Angst, dass ich nicht mehr so bin wie du mich in Erinnerung hast? Was wenn wir heute nicht mehr miteinander klar kommen werden, weil wir uns zu sehr verändert haben? Was dann? Davor habe ich Angst. Ich habe Angst das sich die schönen Erinnerungen gegen schlechte ersetzten. Ich habe Angst das wir es verbocken"
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