4 / Grayson Curtis by JumpingLady
[if stupid could fly, you'd be a Jet ]
Graysons Sicht
Ein letzter Griff durch die Haare, ein letzter Blick in den Spiegel, ein letztes selbstbewusstes, freches und aufmüpfiges Grinsen - das Outfit sitzt. Die Haare liegen nicht zu wild, aber dennoch nicht zu schick, meine Klamotten bewegen sich entlang des schmalen Grades zwischen Eleganz, Hipster und Alltagsoutfit, das leicht zu weite Hemd findet sich in perfekter Harmonie mit meiner schwarzen Röhrenjeans wieder und meine leicht geröteten Wangen kaschieren meine tiefen Augenringe.
Mit großen und bestimmten Schritten mache ich mich alleine auf den Weg von meinem LKW zu der lauten Musik. Herrlich, einerseits liegt eine wunderbare einfühlsame Stille über dem Turniergelände, die Stallzelte sind in dunkles Licht gehüllt, hin und wieder hört man ein Pferd wiehern. Der große Platz, auf dem bis vor kurzer Zeit noch die letzten Prüfungen ausgetragen wurden ist mit dem sanften und dämmrigen Flutlicht erhellt. Vereinzelt laufen noch die letzten Vorbereitungen für den morgigen Finaltag, Helfer die sich langsam, aufgrund der Abendfrische in leichte Jacken gehüllt haben, laufen über den großen Platz und säubern ein letztes Mal die hoch hängenden wuchtigen Stangen.
Mein Blick fällt hinter mich, auf die vielen bekannten LKWs, meiner sticht mit seiner Farbe und der Größe aus der Menge hinaus, der von Josh steht direkt neben meinem und hat ebenfalls an Details nicht gespart. Lächelnd richte ich meinen Blick wieder nach vorn, je näher ich der Musik komme, desto breiter wird mein Grinsen, desto selbstsicherer mein Schritt und desto wilder mein pochendes Herz, das sich den Bassschlägen der Musik anpasst.
Die Party ist schon im vollen Gange, die Leute sind teilweise schon mehr als angetrunken und die Stimmung ist außerordentlichst ausgelassen. Meine Augen suchen nach meinem besten Freund und nach Logan, jedoch fallen mir als erstes die beiden Mädchen auf, die den halben Tag schon an Josh gehangen haben, wie zwei Honigbienen auf Futterjagd. Ich zögere einen Moment, eigentlich müsste Josh nicht weit von den zwei Mädchen sein, aber trotzdem könnte ich auch zuerst Hannah suchen gehen oder jemand anderen zu dem ich mich stellen könnte.
Gerade als ich zu einer gemischten Gruppe laufen will, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie diese Annie hysterisch mit ihrer Hand auf mich zeigt und ihre Freundin eng neben sich zieht, ein Lachen huscht mir über mein Gesicht, diesen Spaß kann ich mir dann doch nicht nehmen lassen.
Ich laufe auf die beiden zu, die sich schnell umdrehen, damit ich ja nicht auf den Gedanken komme, sie hätten mit ihren auffälligen Blicken gewollt, dass ich komme. Sie sehen etwas unbeholfen aus, wie sie in der Menge aus Reitern stehen und versuchen sich zu integrieren. "na" komme ich auf die beiden zu, stelle mich von hinten in ihre Mitte und lege jeweils ein Arm um sie. "habt ihr Josh und die anderen schon vergrault?" meine Stimme klingt wie immer selbstbewusst, rau mit einer Spur von Arroganz, wie ich das jedoch immer hinbekomme bleibt mir bisweilen ein Rätsel. Annie schaut ihre Freundin an, macht keine vorschnellen Anstalten mir zu antworten, ihre Freundin jedoch gafft in meine Richtung und scheint so schnell ebenfalls kein Wort heraus zubekommen. Mit einem schnellen Blick an mir herunter checke ich ab ob es vielleicht doch nur Vorstellung war, dass ich mich umgezogen habe und ich vor den zwei Mädchen mit Reitklamotten oder noch schlimmer in meinen Bettklamotten stehe. Nichts ist der Fall "manche Leute sagen ja ich sei eingebildet" sage ich und schnippe dabei mit meiner Hand vor den Augen des braunhaarigen Mädchens herum, damit sie wieder zu sich kommt "dabei gibt es mich wirklich" füge ich lachend hinzu, um erstens die unangenehme Stille zu überspielen und zweites um ihr ein Lachen zu entlocken und um vielleicht drittens mal wieder irre lustig zu sein.
Annie ist die erste die sich wieder fängt und lauthals drauf los lacht, Josephine wird verschont, denn genau in diesem Augenblick kommen alle die noch gefehlt haben. Josh, Logan und Hannah stellen sich zu uns und sofort beginnen die üblichen Gespräche. Der hat dort ein Pferd gekauft, hier hat jemand dem anderen zu lang auf den Arsch geschaut und dabei die Hand der Freundin gehalten oder es hat jemand das unpassenden Kleid an, die Haare sehen schlecht aus oder es ist schlichtweg der ganze Tag, der für den Eimer ist.
Mit jeder Stunde die verstreicht werden die Jungs mutiger, die Mädchen hemmungsloser und die Musik lauter, Annie hängt an Josh, Logan versucht bei Josephine sein Glück, Hannah hat sich zu einer anderen Gruppe gesellt und ich bin ausnahmsweise einmal das fünfte Rad am Wagen und habe weder jemanden zu trinken, tanzen oder zum vergnügen. Josephine sucht während ihrer Unterhaltung mit Logan immer wieder Augenkontakt mit mir, sie scheint einen Ausweg aus ihrer Lage zu suchen und ich suche nach wie vor immer noch nach dem richtigen für den heutigen Abend. "ich muss dir das reizende Mädchen mal eben entführen" ohne auf Logans oder gar Josephines Reaktion zu warten schnappe ich sie mir, hake mich unter und ziehe sie zu den Getränken.
"wie lange kennt ihr euch eigentlich schon? Also du und Annie?" fragend schaue ich das Mädchen vor mir an, sie schaut in meine Richtung, scheint mich aber nicht direkt anzuschauen, viel mehr finde ich ihr Blick hat etwas enttäuschtes und trauriges. Aber was will man denn bitte mehr? Sie kann mich haben, mit all meinen Vorzügen da gibt es nicht den geringsten Grund ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter zu machen. "schon ein paar Jahre" antwortet sie verträumt und mustert eingehend mein Gesicht. Naja, so habe ich mir das ganze auch nicht vorgestellt, sie könnte eigentlich etwas lockerer werden. Ich spüre wie mir die Hitze ins Gesicht steigt, allmählich wird die Luft hier drin ziemlich stickig "ist es so heiß hier drin, oder bin ich das?" ich wedele so gut es geht mit meinem Hemd und schaue das braunhaarige Mädchen an. Da war es, da war es worauf ich irgendwie schon den ganzen Abend lang warte, das Lächeln was ihre zarten Lippen umspielt und ihre Augen erreicht, sie versteckt ihr Gesicht schüchtern hinter ihren Händen, ihre Haare fallen ihr vor die Augen, versperren ihr die Sicht.
Nach dem gefühlten hundertsten Drink, dem zehnten Bier und dem dritten Hörsturz sehe ich alles doppelt und mein Orientierungssinn ist dahin, ich weiß nur noch das mich Josephine verlassen hat, um Annie zu suchen und das ich mich auf dem Weg zu ihnen befinde. Immer wieder stoße ich an Leute, die sich entweder beschweren oder denken ich wolle sie anmachen und sich dann dementsprechend verhalten. "Josh" rufe ich von weitem "Josh, Logan" auf zehn Meter Entfernung winke ich ihnen zu und torkele in ihre Richtung, als mein Blick auf Josephine fällt formen sich meine Lippen zu einem Lächeln, zwar weiß ich nicht mehr was ich mit ihr geredet habe, aber es war bestimmt nett.
"Phinchen" ich ziehe sie in ein Umarmung, als ich zu meinen Freunden stoße.
"Die beiden wollen gehen"
"ich nicht aber Phine"
"sei doch leise, wir haben das so abgemacht"
"siehst du?"
"Grayson, Hallo"
"die gehen"
"nein"
"doch" alle reden durcheinander, zumindest kommt es mir so vor, denn durch das Stimmenwirrwarr kann ich die Worte niemandem mehr wirklich zuordnen. "Du gehst jetzt auch lieber in deinen LKW" Josh fasst mich an den Schultern "aber doch nicht ohne Begleitung" protestiere ich. "Glaub mir es ist besser so" beschwichtigt mich mein Kumpel und schiebt mich mit Logan und den beiden Mädchen in Richtung Ausgang.
Ich weiß nicht mehr was mich geritten hat, als ich Josephine einen Kuss auf die Wange gehaucht habe, als wir uns zum Abschied umarmt hatten, aber was mich in diesem Moment überkam war unbeschreiblich, unverständlich und verwirrend für mich. Noch als meine Lippen ihre weiche Haut berührt haben durchfuhr mich ein fieses Grippeln, meine Hände fühlten sich taub an und in meinem Kopf zog sich alles zusammen. Sofort hatte ich von ihr abgelassen, erschrocken bin ich die ersten Schritte, ohne mich weiter zu verabschieden in Richtung meines LKWs gelaufen.
Noch immer presse ich meine Hände vor mein Gesicht, will nichts sehen, nichts hören, bin vollkommen allein.Die Bilder lassen mich nicht los, die Gedanken nagen sich an mein Bewusstsein, die Stimmen hallen in meinen Ohren wider.
Es sind die Bilder aus meinen Kindheitstagen, Bilder, Momente und Erinnerungen die ich schon längst vergessen glaubte. Bilder die mir zeigen wie ich früher war, Bilder bei den ich lachen muss und Bilder die mich in den Wahnsinn treiben könnten.
Seitdem meine Lippen ihre Haut verlassen haben, bitzeln sie, fühlen sich auch nur durch die leichte Berührung taub an, seitdem meine Lippen ihre Haut verlassen haben verlässt mich diese eine Erinnerung nicht, die Erinnerung an meinen siebten Geburtstag, die Erinnerung daran, wie ich damals mit einer Freundin oben auf der Rutsche saß , wie wir lachten, uns Streiche spielten und nach unseren Eltern gerufen haben, mich verlässt die Erinnerung nicht, egal wie fest ich die Augen schließe, egal woran ich versuche zu denken.
Ein unwohles Gefühl macht sich in meinen Gliedern breit, wo kommt das auf einmal her? Wo kommen diese Erinnerungen her? Erinnerungen, die ich aus meinem Gedächtnis verbannen wollte, weil ich Platz für neue schaffen wollte. Das Lachen des braunhaarigen Mädchens aus meiner Erinnerung scheint erst durch meinen ganzen Kopf zu hallen und dann wie ein Echo sich in meinen LKW einzunisten, wellenartig überkommt es mich immer wieder, das helle aufgeweckte Lachen eines jungen und glücklichen Mädchens.
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