3 / Grayson Curtis by JumpingLady
[ Es sind die Umstände, die unser Leben bestimmen - Kokowääh 2 ]
Graysons Sicht
Da, wo ich mich jeweils befinde, ist mein Ausgangspunkt. Ich stehe immer am Anfang, bin niemals am Ziel. Der Wille ist vielleicht die einzige wirkliche und entscheidende Freiheit, die wir uns im Leben geben können. Wir können uns schlicht und ergreifend nicht auf unser Schicksal verlassen und zusehen wie sich unser Leben unter unseren Füßen hinweg entfaltet. Wir, du, ich und all unsere Bekannten sind doch schließlich freie Menschen, mit eigenen Zielen und eigenen Träumen, die es gilt aus eigener Kraft und aus eigenem Willen heraus zu verwirklichen.
Ein Ruck geht durch meinen Körper, ich schüttele meine Arme, meinen Kopf, stehe schnell auf und versuche ein paar Schritte zu gehen. Versuche meine Gedanken loszuwerden, versuche einen klaren Kopf zu bekommen. Ich brauche schrecklich viele Sekunden um meine Gedanken von der Realität zu trennen, brauche zu lang, bis ich begriffen habe, dass ich vor unserem LKW mit Hannah, Josh und Logan sitze. Sie schauen mich verwirrt an, ihren Blick erwidernd mache ich automatisch ein paar Schritte zurück. In Gedanken gehe ich noch einmal die letzten Stunden durch, ehe ich tief ein und ausatme.
Heute Morgen sind wir nach Detter gefahren.
Ich habe mich mit Josh in ein und derselben Prüfung gemessen.
Ich bin null geritten.
War zu langsam für den Sieg.
Jedoch war ich, wie zu erwarten, besser als Josh.
Siegerehrung, Mittagessen, Pferde füttern. Alles gehe ich noch einmal durch, bis zu diesem Zeitpunkt, in dem wir gemütlich beieinander sitzen und die warme Sonne genießen.
Ich blicke zu meine Freunden. Logan, der der immer für meine Pferde da ist, der der mich in meinen schlimmsten Momenten erträgt.
Hannah, die mit der ich so viele schöne Stunden verbringen kann, die die mich auf andere Gedanken bringt.
Josh, dem ich dankbar für die Denkanstöße bin, der mich immer wieder daran erinnert dass das Leben ein Geschenk ist und keine Verpflichtung,
Logan, mein Pfleger.
Hannah, meine bessere Hälfte.
Josh, mein bester Freund, und dennoch habe ich das Gefühl irgendetwas fehlt. Eine klaffende Lücke in der nahtlosen Reihe aus Freunden. Irgendetwas gibt mir das Gefühl, das etwas ausschlaggebendes fehlt, etwas das aus mir erst einen kompletten Menschen macht. Aber dennoch ist es etwas, dessen Existenz ich bezweifle, vielleicht ist es auch das gewisse etwas was jedem Menschen fehlt.
"Grayson, alles in Ordnung?" Joshs Stimme reißt mich wieder in die Wirklichkeit, auch die anderen schauen mich missmutig an.
Erneut schüttele ich meinen Kopf "alles bestens" gebe ich als Antwort und setze mich auf meinen Stuhl, als sei nichts gewesen. Wieder kehrt Ruhe ein, wir sitzen alle schweigend da, schauen über das Turniergelände und beobachten die Leute mit ihren Pferden, die Ritte, die schnell oder grauenvoll sind, die Zuschauer, die etwas von dem hier verstehen oder die die sich nur hier herum treiben um gesehen zu werden.
Mein Blick gleitet über die Menschen, jung, alt, groß, klein. Alle schauen unbeschwert dem Treiben zu. Meine Augen bleiben auf einer Gruppe Mädchen hängen, von weitem sehe ich nur ihre zu kurzen Röcke und die zu tief ausgeschnittenen Shirts, die langen, wild liegenden Haare und die viel zu großen Sonnenbrillen. Sie tuscheln miteinander, stecken die Köpfe zusammen und deuten immer wieder auf Reiter oder Zuschauer. Neben ihnen sitzt ein altes Ehepaar, mit einem Fernglas. Daneben stehen eine Gruppe Männer mit Reitklamotten, die ich schon aus kleineren Klassen kenne und die seither Kollegen, Freunde und Rivalen in einem sind.
Das leere Gefühl in meinem Körper will nicht schwinden, es genügt mir nicht nur hier zu sitzen und Leute zu beobachten. Schnell entscheide ich mich zu der Männergruppe zu gehen, vielleicht gibt es dort wenigstens ein paar neue Gerüchte oder etwas Ablenkung.
"Curtis du altes Haus" werde ich schon von weitem begrüßt. "Junge was bist du langsam geritten, hast dich wohl mit deiner Freundin zu sehr verausgabt" lachend werde ich empfangen und lachend erwidere ich den Versuch mich auf die Palme zu bringen, dennoch bemerke ich, dass Hannah nicht meine Freundin ist.
Mein Blick schweift durch die Runde, zwei Typen die ich gut leiden kann, andere zwei die ich zwar mag aber die wiederum mit meiner Art nicht ganz im grünen sind und dann ist da noch der Kerl von dem ich immer den Name vergesse, den ich aber ausstehen kann wie die Pest, führt sich auf als wäre er die Nummer eins und könnte alles machen was er wolle.
"reitest du später nochmal" fragt mich einer der Jungs.
"jap" sage ich
"damit du nochmal die Chance bekommst gegen mich zu verlieren oder was?" ich werde von dem, mir mehr als unsymphatischen, Typ unterbrochen, der zu meinem Bedauern auch die Prüfung vorhin gewonnen hatte.
"hat einer die Null gewählt, das du dich meldest?" ich verdrehe meine Augen und schaue zu der schwarzhaarigen Flitzpiepe.
"für wen hälst du dich eigentlich Grayson" der Typ baut sich vor mir auf, ihn anzumachen war eventuell doch nicht die richtige Idee, denn er ist gut einen Kopf größer und gefühlte zehn Meter breiter als ich, dennoch werde ich mich mit Sicherheit nicht geschlagen geben.
"mich" sage ich mit zuckersüßer und selbstverliebter Mädchenstimme "mich findest du im Wörterbuch unter 'perfekt' " ich lege ein verschmitztes Lächeln auf, mir fehlen nur noch die langen Haare, die ich zurück werfen kann und die langen Wimpern mit denen ich klimpern kann.
"Ich an deiner Stelle würde jetzt zusehen das ich Land gewinne Grayson" sagt einer der anderen und noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hat fliehe ich wie eine Maus vor einem großen Kater vor dem Quadratmeterkerl und verflüchtige mich zu den Stallzelten.
Am Eingang bleibe ich kurz stehen, atme die teils staubige Stallluft ein. Der Ledergeruch strömt mir entgegen, vereinzelt schauen Pferde durch die Boxenfenster, eine wundersame Ruhe liegt über dem Stalltrakt. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen und versuche mir dieses Bild in einer völlig anderen Dimension vorzustellen. zehnmal mehr Boxen, zehnmal größere Anlagen, zehnmal teurere Pferde und zehnmal bessere Partys, aber das hier ist dem Himmel schon sehr nah.
Meine Lederstiefel drücken sich in den weichen Boden, meine Knie federn meine stumpfen Schritte ab. Mein Blick sucht nach bekannten Gesichtern, nach Josh, Hannah oder Logan.
Ich verharre in meinen Schritten, als ich ihn entdecke mit einem fremden Mädchen, das ist es aber nicht was mich aus der Fassung bringt. Für einen kurzen Moment halte ich die Luft an, mein Herz macht augenblicklich eine Pause und ich verfalle automatisch in eine Schockstarre. Feine Wolke, meine zickige und aufmüpfige Stute türmt sich in ihrer Box auf und langt mit ihrem Zähnen nach dem Mädchen das unmittelbar vor ihrer Box steht und mich hypnotisierend anstarrt. Gerade so hat die Stute den Arm des Mädchens verfehlt und geradeso bin ich wahrscheinlich einer Klage ihrer Eltern entkommen. Mit schnellen Schritten gehe ich auf sie zu, sie verfolgt wie in Trance jede meiner Bewegung. Unangenehm berührt fixiere ich meine Stute. "halt Abstand" blaffe ich das Mädchen an und scheuche Feine Wolke zurück. Stotternd und mit bebenden Lippen schaut mich das braunhaarige Mädchen an "ich..also.. Hi.. Gra..." setzt sie an, doch bringt sie keinen vollständig verständlichen Satz aus dem Mund.
Kopfschüttelnd schiebe ich mich an ihr vorbei in die Box von meinem Pferd. "ich kann jetzt auch nur vermuten, was die damit gemeint hat" sage ich leise zu der Stute, die mir ihren Kopf entgegen streckt. Sanft berühre ich ihr weiches Fell. Trotz der Hitze in den Boxen durchfährt mich ein leichter Schauer, noch immer spüre ich den Blick des Mädchens auf mir ruhen. Die Stute spielt mit meine Hand, ein lädcheln umspielt meine Lippen, mit einem Mal fühle ich mich komplett, zufrieden und ausgeglichen.
Egal, was im Leben geschieht, es hat alles einen Sinn.
Auf jedes Warum gibt es irgendwann einmal eine Antwort.
Vielleicht nicht heute und auch nich morgen aber irgendwann.
Was einen gestern noch zur Verzweiflung gebracht hat, kann schon Morgen der Weg für etwas wunderschönes ebnen. Nur wer die Dunkelheit kennengelernthat, wird auch das Licht zu schätzen wissen. Denn in jeder dunklen Stunde steckt ein heller Stern.
Ich reiße meinen Blick von der Stute los, hebe ihn, schaue zu der Stelle an der ich das Mädchen vermute. Unsere Blicke treffen sich, ihre Wangen färben sich unnatürlich rot, ihre Hände zittern.
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