2 / Grayson Curtis by JumpingLady

["You're a man who can have everything he wants" ]

Graysons Sicht

"Ganz schön schwer. Angst?" Ich schmunzele bei den Worten meines besten Freundes.
Mit einem letzten prüfenden  Blick gehe ich den vor uns aufgebauten Parcours in Gedanken noch einmal durch.

Die Reise würde an einem wuchtigen, aber dennoch einladend gebauten Steilsprung beginnen.

Die grün roten Stangen erinnern mich an unseren LKW, noch heute morgen hatte ich unseren Kram gepackt und kaum zwei Stunden später sind wir auf diesem riesen Turniergelände angekommen.

Der zweite Sprung wird von einem  Oxer gebildet. Die erste Tücke, er steht mit dem Gefälle, für vier Galoppsprünge zu weit, für fünf gerade passabel. Will man aber auf Risiko gehen und Vier reiten passiert es schnell, dass man den Boden küsst.

Mein Blick  schweift zwischen dem zweiten und dritten Sprung zu den einzelnen Reitern, die noch den Parcours abgehen. Viele mir bekannte Gesichter, viele sehr gute Reiter und viele denen ich es zutraue die vier anstatt die fünf Galoppsprünge zu reiten.

"Was nun?" Reist mich Josh neben mir aus meinen Gedanken. Mein Blick fällt auf sein Gesicht, nun sind wir schon etliche Jahre beste Freunde und er weiß immer noch nicht das ich, Grayson Curtis, niemals Angst vor einem Parcours habe, mag er noch so schwer gebaut sein. "Hast du Angst ist es das Risiko nicht wert" der gebürtige Niederländer schaut mich aus seinen großen Augen an. Er kaut ein wenig auf seiner Unterlippe, erwidert meinen Blick, sagt aber nichts.

Noch immer ist Josh von dem Parcours gefesselt, mit langsamen Schritten laufe ich zu meinem Pferd. Wahrscheinlich ist es die dreifache auf die eine Distanz folgt vor dem Josh Bedenken hat. Ganz wohl ist mir bei der Sache auch nicht, Cynar hat hin und wieder die Angewohnheit zu früh abzuspringen und in einer dreifachen wird es hintenraus  schonmal ziemlich weit und der kleine Pferdekörper kann sich nicht ins unermessliche Strecken.

"Grayson" gut hundert Meter vor mir winkt Logan mir entgegen, in der Hand hält er die schwarzen Zügel von Cynar, der wiederum wild neben ihm hertänzelt, dieses Pferd ist nicht mit dem größten Nervenkostüm gesegnet.
Noch einmal drehe ich mich zu Josh um, der nun Gesellschaft von Cedric Ashworth gefunden hat um ihm wahrscheinlich letzte Tricks aus dem Nähkästchen zu entlocken.

Ein Lachen huscht auf mein Gesicht, als ich neben Logan Hannah entdecke, die mir freudestrahlend entgegen blickt.
Mit immer schneller werdenden Schritten laufe ich auf die beiden zu "ich dachte du lässt mich dieses Wochenende allein" ich breite meine Arme aus und hebe sie hoch. Vereinbart war, das ich alleine mit Logan auf das Turnier nach Detter fahre, mit Hannah hatte ich hier nicht gerechnet.
"Ich will doch den ganzen Spaß nicht verpassen" als ich sie runter lasse knufft sie mir in die Seite und zieht mich zu ihr herunter. Kurz berühren sich unsere Lippen, ein seidig leichter Kuss, mehr nicht, einfach nur ein Kuss zwischen zwei sehr guten Freunden, die zeitweise unvermittelt die Zweisamkeit suchen. Ich kenne Hannah fast genauso lange wie Josh, anfangs waren wir das unzertrennbare Dreierteam bis sich unsere Wege kurz nach dem Abschluss trennten. Als Hannah wieder zu uns kam schien vorerst alles so wie früher, auf ein enges freundschaftliches Band folgte der erste zarte Kuss, auf den zarten Kuss folgten leidenschaftliche Knutschereien und darauf folgte alles andere, nur zu einer Beziehung kam es all die Monate nie. Wir hatten nie ein Wort über das Verhältnis zwischen uns verloren, sie trifft sich mit anderen Jungs, genauso wie ich mich mit anderen Mädchen treffe, wir beide haben damit kein Problem.

"Wie viele hast du noch vor dir" Logan schaut mich an.
"23" gebe ich knapp zurück, meine Augen suchen nach Josh, der im Mittelfeld startet. Aufgeregt kommt er zu uns gelaufen, Cynar überkommt bei Joshs Getrampel eine Welle der Panik und steht kerzengrade vor uns in der Luft. Hannah springt zu Seite, Josh gefriert augenblicklich zu Statue und Logan versucht alles unter Kontrolle zu bringen.

"Das ging gerade nochmal gut" schnauft Josh.
Kopfschüttelnd nehme ich Logan das Pferd ab und laufe zum Abreiteplatz.

Es ist ja die eine Sache jedes Wochenende aufs Turnier zufahren, es ist schön und man lernt immer neue Leute kennen, von den Partys mal ganz abgesehen. Aber es ist die andere Sache, das die Abreiteplätze selbst in hochkarätigen Prüfungen Rappel voll sind und du den Boden vor deinem Pferd kaum sehen kannst.
Immer wieder rauschen galoppierende Pferde an mir um Cynar vorbei, der erfrischende Luftzug auf meinen Armen befreit mich etwas von der stickigen Sommerluft. Die Sonne knallt in mein Gesicht, das Pferd unter mir galoppiert flüssig, in mir kommt das Gefühl hoch, das der heutige Tag noch einiges an überraschenden und schönen Momenten bereithält.

Mein Blick richtet sich auf die Mitte des Platzes zu dem kleinen Steilsprung "Steil frei" rufe ich, sodass die Reiter in naher Umgebung es hören können. Die letzten drei Galoppsprünge vor dem Steil zieht Cynar mächtig an, er macht sich schon jetzt alle Mühe einen guten Sprung zu machen.

" wir erwarten Grayson Curtis auf dem hannoveranisch gezogenen Wallach Cynar" erwarten ist gut, noch drehe ich auf dem Abreiteplatz meine Runden und will mein Pferd noch einmal über einen Oxer springen. Mit einem Ohr höre ich wie der Sprecher von meinen bisherigen erfolgen erzählt, um das Publikum nicht all zu sehr zu langweilen.
Toll, denke ich, wenn man so angekündigt wird, dann ist es fast schon ein Zwang gleich Leistung zu bringen.

Cynar hebt ab und fliegt über den Oxer, genauso wie ich es mir vorgestellt habe, kaum berühren Cynars Vorderhufe den Boden, da lenke ich ihn schon zum Ausgang, bevor ich wegen nicht erscheinen disqualifiziert werde.

Im vollen Galopp reite ich in die Bahn, erneut wird dem Publikum bekannt gegeben, dass Grayson Curtis in den Parcours geritten ist und im nächsten Moment ertönt das bimmelnde Geräusch der Glocke, die mir den Start frei gibt. Dennoch pariere ich Cynar ein letztes Mal durch, klopfe ihm den Hals, nicke den Richtern zu und fasse die Zügel nach. Bevor mein Blick den rot grünen Steil anvisiert schweift er über die Zuschauer. Freunde, Kollegen, Konkurrenten, all ihre Blicke sind auf mich und Cynar gerichtet.

Alles um uns herum wird still, ich blende all meine Gedanken, die nicht zu mir und dem ritt gehören aus. Das angestrengte Schnaufen von Cynar treibt mir eine Gänsehaut über die Oberschenkel. Kurz vor dem Steil zieht er an, ich halte gegen, damit die Distanz passend bleibt, lasse mich von ihm mitnehmen, Strecke meinen Oberkörper in der Bewegung mit. Das aufkommende Geräusch der Hufe auf dem elastischen Boden gibt mir das Signal weiter reiten zu können. Im leichten Sitz galoppiert mein Pferd auf den nächsten Sprung zu, der Oxer direkt auf die Zuschauer zu, für einen Moment fühle ich mich in die Arena der Jugendmeisterschaften vor ein paar Jahren zurückversetzt. Der letzte Sprung, ein Oxer ebenfalls auf die Zuschauer zu, die Fahnen und Plakate in den Händen hielten, vereinzelt begannen sie damals schon zu klatschen währen ich mit meinem Pferd noch in der Luft schwebte, sie wüssten genauso gut wie ich, dass ich damals null geritten bin.

Meine Konzentration liegt wieder vollends auf Cynar, mit genügend Schwung erwischen wir die Distanz, automatisch entscheide ich mich für die vier Galoppsprünge, gebe dem bebenden Pferd unter mir genügend Unterstützung, er hebt ab.

Die Schlussgerade macht sich vor uns auf, Sprünge die höher scheinen als Cynars Stockmaß misst, Sprünge die weiter sind als mein intellektueller Horizont in Mathe, Sprünge die die Pferde dazu zwingen ihre unsichtbaren Flügel weit aufzuspannen.
Im Geiste zähle ich die Galoppsprünge mit, es passt perfekt.

Noch bevor Cynar seine Hinterhand die nötigen Zentimeter mehr in die Luft reckt hallt Musik durch die Lautsprecher, eine Nullrunde auf höchstem Niveau, wenn auch nicht die schnellste, null ist null.
Ich mache mir nicht die Mühe mein Pferd nach der Ziellinie durchzuparieren, ich lasse ihn laufen.

Ich merke wie der Druck, perfekt zu sein, von mir abfällt und mein Herzschlag sich wieder normalisiert, am Ausritt ergreiftLogan die Zügel von Cynar und führt mich, wie ein Kleinkind, zu den Stallzelten.

Etwas erschöpft schließe ich meine Augen. Ich spüre das wundervolle grippelnde Gefühl des überschüssigen Adrenalins in meinen Gliedern.  Immer noch fallen die Sonnenstrahlen auf das Turniergelände. An meinen Schenkel spüre ich die bebende Atmung des Tieres unter mir, aus Reflex klopfe ich ihm dankend den Hals, halte meine Augen immer noch geschlossen, genieße das Gefühl gut gewesen zu sein.

Dieser ritt war wieder ein Beweis den ich mir selbst gegeben habe, ein Beweis dafür, dass es richtig war zu warten, zu warten und zu kämpfen für das eine, für den Sport und dessen Reize.

>> ich kann warten wenn es sich zu warten lohnt. ich kann vergessen was keinen Gedanken wert ist. <<

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