Freaking Strange
"Aidae, du sitzt seit einer geschlagenen Woche in deinem verdammten Bett." warf mir mein Vater vor. "Hast du nicht etwas besseres zu tun?"
Ich zuckte mit den Schultern und griff nach meiner Schokolade. "Hab auch nicht vor es zu verlassen." Nuschelte ich und hielt die Folge Empire an, die grade in meinem DVD Player lief.
Viele schworen auf Netflix oder Amazon Prime, aber ich griff völlig oldschool auf DVDs zurück, da ich das Gefühl mochte die Verpackung des Filmes oder der Serie während des schauens in der Hand zu halten und auf und zu zu knipsen. Außerdem mochte ich das Gefühl zu wissen, dass ich mir meine DVDs selber kaufte und nicht einfach ins Internet gehen musste und nur zweimal auf die Fernbedienung tippte, damit ich das sehen konnte was ich wollte.
Mein Vater stellte sich vor den Fernseher und versperrte mir die Sicht auf das angehaltene Bild. "Seok Aidae draußen scheint die Sonne, es ist warm, die jungen Leute laufen durchs Dorf. Mach dich nach draußen und finde Freunde." schlug er mir vor und sah mich mit flehenden Augen an. Ich seufzte und rollte mit den meinen.
Nach der Sache mit Minhae war ich erstmal fertig, was das Thema Freunde betraf. Von nun an würde ich mich als Einzelgänger durchs Leben schummeln und einsam und alleine sterben. "Ne duu. Paps jetzt geh aus dem Bild Hakeem und Jamal singen gleich zusammen." Ich fuchtelte mit meinen Händen herum, doch mein Vater stand noch immer wie ein Elefant vor dem Bildschirm. "Aidae bitte." er machte einen auf Hundeblick. "Appa danke und jetzt weg da." quängelte ich und beugte mich nach vorn um seine Beine weg zu schieben, um wenigstens das angehaltene Bild wieder zu sehen.
"Die eine Folge noch und dann begleitest du mich zum Bäcker." Stellte er einen Kompromiss auf.
Das konnte er vergessen. Mich würden keine sieben Zombies aus diesem Zimmer bekommen, solange es noch Ferien waren und ich noch nicht in die Schule musste. "Aber draußen ist es so warm." Ich verschränkte die Arme und an der nächsten Handlung meine Vaters sah ich, dass er nun seinem Beruf als Psychologen nachging und einen auf Therapiesitzung machen wollte.
Er zog sich von meinem Schreibtisch den Stuhl her, setzte sich und überschlug die Beine, während noch immer das erfreute Gesicht der Cookie Lyon auf dem Fernseher strahlte.
"Ich weiß dir passt der Umzug nicht, aber wir mussten raus aus Seoul." Begann er. Ich ignorierte ihn geflissentlich und knipste die DVD Verpackung der Empire Staffel auf und zu. "Uns ging die Großstadtluft auf den Kopf." begründete er weiter und sah mich mit Psychateraugen an. Er erwartete nun dass ich vollends ausflippen würde, sowie vor zwei Monaten, als ich vom Umzug erfahren hatte, aber ich blieb ruhig, wollte ihm mit umgekehrter Psychologie dazu bringen, dass ich einfach in diesem Zimmer, fernab der Dorfbevölkerung, bleiben dürfte und meine Serie weiter schauen könnte.
"Ach weiß du so schlimm ist das doch nicht. Ich hab hier ein viel größeres Zimmer und werde neue Leute kennenlernen." Ich versuchte ein ehrliches strahlendes Lächeln aufzulegen. "Komm mir bloß nicht auf die Tour Aidae!" mahnte mein Vater und lachte. Was sollte er denn erwarten, wenn ich Tochter eines Psychologen war. Oft genug redete er über solche Tricks.
Am Ende lief es darauf hinaus, dass ich alleine zum Bäcker musste und das Date mit meiner Serie verschoben wurde.
Der 'Bäcker' war eigentlich ein kleiner Laden für alles was zum Leben wichtig war. Es gab sämtliche Sorten Instantramen, Obst, Gemüse und andere Lebensmittel, so wie eine kleine Kioskecke.
Ich stellte mich hinter dem großgewachsenen Typen an der Bäckertheke an und wartete bis er sich zu äußern hatte.
Seine Stimme war tief aber lag dennoch angenehm und nicht zu surrend in den Ohren. Das Gesicht sah ich nicht, doch ich würde ihn nicht älter schätzen, als ich es selber war. Das einzig auffällige waren seine blonden Haare, die garantiert gefärbt sein mussten, es sei denn er hatte einen Gen-Deffekt, doch das bezweifelte ich eher.
Als er Brot und Brötchen in der Tüte entgegen nahm, die ihm gereicht wurde und er zahlte, fielen mir die schwarzen Samthandschuhe auf, die er trug.
Also entweder er war Hypochonder von der krassesten Art oder ihm war wirklich verdammt kalt und dass im Hochsommer bei knappen dreißig Grad in der Sonne. Ich glaub ab Morgen würde ich auch mit Skijacke und Mütze im Zimmer sitzen, vielleicht klappte das ja dann wie mit der umgekehrten Psychologie, dass ich mir dann einfach im Kopf dachte es sei kalt, weil ich eine dicke Jacke und Mütze trug.
Der große in seinem schwarzen und enganliegenden Shirt verließ mit eleganten Schritten den Laden und von dem Lachen der Mitarbeiterin wurde ich aus meinen Gedanken geholt. "Vergiss ihn. Der lebt mit seinen Freunden schon seit Jahren hier und nie hab ich ihm mit einem Mädchen gesehen, was wohl auch daran liegen mag, dass er immer diese Handschuhe an hat." die Frau hinter der Theke schüttelte den Kopf und lachte noch immer leise.
Ich ignorierte ihre Bemerkung und gab die Bestellung auf, die mein Vater mir aufgetragen hatte.
Als sie mir das Brot reichte gab ich ihr das Geld und verabschiedete mich mit einem gemurmelten Tschüss.
Ungläubig schüttelte auch ich nun den Kopf. Handschuhe im Hochsommer. Eine Sache, die mir nicht mal in der Großstadt untergekommen ist und dabei schwirrten neben einem Haufen amerikanischen und europäischen Touristen in Seoul eine Menge merkwürdiger Gestalten herum.
Es gab einige sympathische, wie Straßenmusiker die verzweifelt versuchten Songs zu Covern oder zu tanzen, doch Handschuhe im Sommer waren mir nie begegnet.
Urok-Ri bestand aus nicht mehr als vier oder fünf Straßen und diesem kleinen Laden, in dem ich eben war. Die nächst größere Gegend im Umkreis von hundert Kilometern wäre Naengcheon-Ri und das lag eine gute dreiviertel Stunde von hier entfernt. Das würde nach den Ferien lustig werden. Ich und Busfahrten etwas, dass sich überhaupt nicht vertrug. Bis jetzt saß ich nur einmal alleine in einer der Stadtlinien in Seoul und war an der völlig falschen Station ausgestiegen, da ich eingedöst war und schließlich irgendwo in einem der Vororte aufgewacht bin, obwohl ich eigentlich nur in die Schwimmhalle wollte.
Seit dem fuhr ich entweder mit Fahrrad oder lief, doch hier in einer etwas bergigeren Gegend wäre das vielleicht nicht die beste Lösung.
Träge trottete ich zurück zum Haus und schielte zu dem unserer Nachbarn gegenüber.
Der große von eben stand mit einem etwas kleineren im Garten davor und unterhielt sich mit ihn.
Die blonden Haare fielen ihm in das scharf geschnittene Gesicht, was ihn besonders mürrisch wirken ließ und ihn mir sofort unsympathisch machte.
In ein und der selben Sekunde legten sich die Blicke der beiden auf mich, doch erfreut wirkten sich nicht grade. Ebenso wenig begeistert war ich, als sie die Köpfe zusammen steckten und wirklich unauffällig zu lästern schienen.
Klar sah ich in einer Alice im Wunderland Leggins und einem AHS Shirt nicht grade berauschend aus, doch so scheiße nun auch wieder nicht, dachte ich zumindest. Doch Schlabberlook war in diesem kleinen pennenden Örtchen wohl nicht normal. Denn der zweite hatte ein Outfit an, dass eher an die Seouler Fashionweek erinnerte, als an ein Kuhkaff.
Er trug ein nobel aussehendes Top mit breiten Trägern und verdammt tiefen V-Ausschnitt der einen Teil des durchtrainierten Oberkörpers zeigte und eine weiße höllisch enge Hose mit einem Gucci Gürtel. So wie er aussah war vermutlich alles an ihm aus Gucci. Die Lippen waren perfekt voll und die Nase saß ohne Markel. Die braun gefärbten Haare hingen ihm gewollt zerzaust im Gesicht.
Er sah wirklich nicht schlecht aus, doch wirkte mit seinem Lästerbro neben sich Nummern zu arrogant und perfekt für mich und flog ebenfalls in die Kategorie unsympathisch as fuck.
Ich reckte meinen Kopf, ebenso arrogant wie die beiden, in die Luft und strackste an ihnen vorbei und in meinen Garten bis zur Haustür, wo meine Mutter mich bereits erwartete und mir die Tür aufhielt. Ich wusste nicht wie sie es machte, doch immer wenn ich nahe der Haustür war, stand sie bereits da um sie offen zu halten.
Ich drückte ihr die Tüte mit dem Brot in die Hand und wollte wieder in mein Zimmer, doch wurde von ihr aufgehalten. "Die Jungs von gegenüber sahen aber wirklich süß aus." kommentierte sie und deutete auf die Eingangstür.
Wenig begeistert zog ich eine Augenbraue hoch. "Garantiert nicht." murrte ich und durchquerte die Stube.
"Wieso denn nicht? Geh doch zu ihnen und rede mit ihnen. Stell dich vor, befreundet euch." schlug sie mit mütterlichem Eifer vor.
Ich lachte auf. Garantiert würde ich mich nicht mit Gucci und Channel abgeben, da würde mir ja wohl was fehlen.
"Ich halte das für keine gute Idee. Die sahen eher so aus, als würden sie über jeden herziehen, der ihnen nicht ins Auge passt." hielt ich Eomma meine Meinung vor Augen. Ihr Blick scannte mich von oben bis unten. "Bei deiner Zusammenstellung kein Wunder." lachte sie und tappste in die Küche. Ich rollte mit den Augen und zog meinen halb zerfallenen Dutt zurecht, bevor ich durch den kleinen Innenhof in mein Zimmer lief und mich wieder meinen geliebten Serien widmete.
Als es Abendbrotzeit wurde stellte meine Mutter mir eine Schale Nudeln in die Tür, besah mich kurz, seufzte und verschwand nachdem sie die Tür zu zog.
Zwei Folgen Empire später stand ich auf und holte die Schüssel zu mir, bevor ich die Serie wechselte und mich wieder in mein tiefgelegtes Bett verschanzte.
Nun lief Prison Break und wie so oft ärgerte ich mich darüber, dass T-Bag einfach nie getötet wurde, egal wie viele Gründe man auch hatte dieses pedophile Arschloch zu töten, er lieferte immer den einen, der gegen seinen Tod sprach.
Ein Windzug mitten in der Nacht rief mich schließlich aus den Tiefen meiner Serie und eilig sah ich mich um.
Merkwürdig keines der Fenster war offen und dennoch wütete erneut eine Böhe mit der mir eisig wurde.
Nicht mal ein Ventilator hätte einen solchen Wind bezwecken können was mich ein wenig beunruhigte.
Der dritte Windzug war so heftig, dass er sogar die Papiere von meinem Schreibtisch wirbelte. Irgendetwas schien an mir vorbei zu wirbeln und für eine Millisekunde bildete ich mir ein, dass irgendjemand neben meinem Fernseher stand, bevor das Licht aufeinmal flackerte und schließlich anblieb, obwohl ich es die ganze Zeit aushatte.
In der nächsten Sekunde ging es wieder aus und im Zimmer war es verdammt leise. Nicht einmal zu atmen wagte ich in diesem Moment, während nur eine Sache durch meinen Kopf geisterte: Was für ein Beginn einer krassen Staffel American HorrorStory das wohl sein könnte!
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