Kapitel 2
Zuvor
Als Bev erwachte brummte ihr Schädel wie eine angriffslustige Biene.
Sie brauchte mehrere Minuten, um zu begreifen, dass sie noch immer in ihrem Bett lag, den Kopf an der Wand die Beine taub über der Bettkante. Auch die Stille umfing sie nach wie vor, wie eine durchsichtige Blase.
Das unsichtbare Wesen erschien ihr wie aus einem fernen Traum. Es konnte nicht echt gewesen sein. Für all das hier gab es eine logische Erklärung. Auch für ihre Tür, die noch immer halb in der Wand steckte und durch die ein kalter Luftzug das Treppenhaus herauf in ihr Zimmer wehte.
Vorsichtig hob sie den Kopf. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihre Lider und ließ sie stöhnend zurücksinken. Was auch immer sie ausgeknockt hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Bev konnte nur hoffen, dass es sich um keine Gehirnerschütterung handelte. Einen Arztbesuch wollte sie nun wirklich nicht bezahlen.
Ein weiteres Mal versuchte sie sich aufzurichten und zog dabei unabsichtlich an ihren langen Haaren. In Gedanken vor sich hin fluchend suchte sie nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Dann schaffte sie es endlich in eine sitzende Position.
Der Raum um sie herum begann sich so schnell zu drehen, dass sie die Augen schließen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Keuchend atmete sie aus und spürte da erst wie kalt es in im Zimmer war und wie warm sich ihr Atem in dieser Kälte anfühlte.
Zitternd tastete sie ihren Hinterkopf ab und zuckte zusammen, als ihre klammen Finger eine dicke Beule ertasteten. Hoffentlich war es nicht mehr als das: Eine Beule, ohne jegliche weitere Folgen.
Langsam kehrte Leben in ihre tauben Beine zurück und sie wagte es, die Augen zu öffnen und aufzustehen. Noch immer drehte sich ihr Zuhause in wilden Kreisen. Der Boden verwandelte sich in Wellenlinien, als sei er ein Ozean voller unsichtbarer Tiefen. Und da war noch etwas. Ein Brennen an ihrem Fuß, dass sich bis zu ihrer Wade hinaufzog.
Plump sank sie erneut auf das Bett und zog ihre Schlafanzughose nach oben. Bev brauchte mehrere Augenblicke bis ihre Sicht scharf wurde und sie die roten Punkte auf ihrem Bein in Augenschein nehmen konnte. So klein, wie sie erst geglaubt hatte, waren sie gar nicht. Sie waren in etwa so groß wie ihr Zehnagel und von vertrocknetem Blut verkrustet.
Es war, als habe ein Tier an ihr geknabbert. Wie ein Hai, der einmal in einen Menschen biss, nur um zu begreifen, dass dieser überhaupt nicht schmeckte. Ein Hai hätte mich wohl eher in zwei Hälften zerteilt.
Aber was für Tiere gab es, die Türen aufbrachen und an Menschen knabberten?
Kein Hund, den sie je gesehen hatte würde solch große Bissspuren hinterlassen und ein größeres Tier als einen Hund gab es in der Stadt nicht.
Irgendwo in ihren steifen Gliedern saß der Schock tief, doch ihr Gehirn weigerte sich diesen zu verarbeiten.
Was auch immer letzte Nacht passiert war hätte doch mindestens einen ihrer Nachbarn auf ihre Notsituation aufmerksam machen müssen. Aber durch ihre geöffnete Tür konnte sie weder jemanden sehen noch hören.
Die Welt war verstummt. Und allein diese Tatsache bescherte Bev eine Gänsehaut.
Sie wollte nicht glauben, was da in ihren Gedanken Gestalt annahm. Nämlich, dass sie allein war, noch einsamer als ohnehin schon. Das sie einfach bei Derik hätte bleiben sollen. Das ihre Welt dann wenigstens von seiner wütenden Stimme erfüllt wäre und sie etwas hatte, an das sie sich klammern konnte.
Ihre Hand tastete über die Decke und fand den Schlüsselbund mit dem Taschenmesser. Sie schloss die Faust so fest darum, dass ihre Haut kalkweiß wurde und sie sich die Fingernägel in den eigenen Handballen grub. Der Schmerz blieb aus. Ihr Kopf pochte viel zu sehr und ihr Bein brannte, als habe jemand Salz in die Wunde gestreut.
Erneut stand sie auf und steuerte ihr winziges Badezimmer an. Irgendein rationaler Teil ihrer Gedanken wollte sie glauben lassen, dass sie die Badezimmertür lediglich schließen und dreimal tief durchatmen musste, damit ihr Leben sobald sie die Tür öffnete wieder ganz normal aussah.
Bev schloss sich ein, putzte die Zähne, wusch sich ihr Gesicht und kämmte sich das lange Haar. Im Spiegel blickten ihr ihre eigenen braunen Augen entgegen. Sie wirkten noch leerer und abgekämpfter als sonst. Beinahe glanzlos.
Ihre runden Wangen, die egal wie viel sie abnahm immer voll blieben (wie bei einem Eichhörnchen, das Nüsse in den Backentaschen sammelte) waren heute eingefallen und blass. Beim Kämen spürte sie die Beule an ihrem Hinterkopf, doch durch ihre dichte Haarmähne war kaum etwas zu erkennen. Der Schwindel hatte inzwischen nachgelassen und nur als Bev nach unten sah, um ihre Jeanshose hochzuziehen überkam es sie und sie schwankte wie eine Betrunkene zur Seite.
Als sie mit allem fertig war atmete sie tief durch, bevor sie die Tür aufschloss und in ihr Zimmer trat.
Das Bettlaken war noch genauso zerwühlt wie zuvor und die Haustür klemmte noch immer in der Wand.
Bev hielt es nicht mehr aus.
Sie schlüpfte in ihre grauen Bärenpantoffeln und lief auf den Gang hinaus. Sie klingelte an der Tür der alten Dame und klopfte, als sie von innen kein Läuten hörte, genauso wie es die Kreatur gestern getan hatte.
Als sie damit nichts erreichte ging Bev zur nächsten Tür und zur übernächsten. Sie stieg ein weiteres Stockwerk nach oben und hämmerte gegen jede Tür die sie finden konnte.
Nichts.
Die Stille fühlte sich inzwischen so ohrenbetäubend an, dass sie am liebsten hysterisch aufgelacht hätte. Doch eigentlich war ihr viel mehr nach Heulen zumute. Sie war kein Gesellschaftsmensch, aber manchmal war es einfach gut zu wissen, dass man nicht allein war.
Schweren Herzens lief sie zurück zu ihrer eigenen Wohnung, in der sie sich so schutzlos und ausgeliefert vorkam, wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Warum war ihre Tür die einzige, die aufgebrochen worden war? War das hier Teil eines absurden Streichs, den irgendein Großunternehmen als Werbegage organisiert hatte?
Bev spürte selbst durch den Nebel in ihren Kopf, dass ihre eigenen Gedanken keinen Sinn ergaben.
So schnell sie konnte packte sie ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Draußen auf den Straßen wurde sie anderen Menschen begegnen, die ebenso wie sie ganz gewöhnlich ihres Weges gingen. Im Restaurant könnte sie dann ihren Vermieter anrufen und ihn fragen, was sie mit der Tür machen sollte. Sie wurde ganz gewiss kein Auge zu tun, wenn jeder da draußen Zugang zu ihrer Wohnung hatte.
Als Bev ihr Zimmer verließ und die Treppe nach unten ging, wuchs das Gefühl der Beklemmung. Seinen Höhepunkt erreichte es jedoch, als sie auf den Gehweg trat und von einer gähnenden Leere erfasst wurde.
Keine Autos oder Radfahrer fegten die Straße entlang. Niemand rempelte sie an, weil sie im Weg stehen blieb. Selbst die Straßenlaternen brannten noch, obwohl es längst taghell war.
Ihre Schritte hallten von den Hauswänden wider, als sie sich in Bewegung setzte.
Gab es einen neuen Lockdown, von dem sie nichts wusste? Oder eine Umweltkatastrophe? Atmete sie womöglich giftige Dämpfe ein?
Bev erfasste das niederschmetternde Gefühl der einzige Mensch auf der Welt zu sein.
Sie zog ihr Handy aus der Tasche, runzelte jedoch die Stirn, als ihr kein Netzt angezeigt wurde. Wahrscheinlich hatte mal wieder ein Unwetter einen Strommasten lahmgelegt. Denn irgendeine logische Erklärung musste es geben.
Noch während sie grübelte drang endlich ein vertrautes Geräusch an ihre Ohren: das Brummen eines Motors.
Sie konnte nicht sagen warum dieses Geräusch, das eigentlich Erleichterung in ihr zum Vorschein bringen sollte, sie plötzlich so sehr erschreckte. Vielleicht lag es daran, dass es das Einzige weit und breit war und deshalb mehr nach einer Bedrohung, als nach Rettung, klang.
Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, war Bev in einer Seitengasse in Deckung gegangen.
Sie konnte sehen, wie das Auto langsam, als würde es nach etwas suchen, die Straße entlang fuhr. Als es aus ihrem Blickfeld verschwand und die Stille zu ihr zurückkehrte huschte Bev aus ihrem Versteck und setzte ihren Weg fort. Das Restaurant, in dem sie jeden Tag bis spät nach 20 Uhr schuftete war ihr Ziel. Dort erwartete sie auf ihre Kollegen und damit hoffentlich auf Antworten zu stoßen. Sie klammerte sich daran, wie an einen Rettungsring. Sie war so sehr mit diesem Gedanken beschäftigt, dass sie die Schritte hinter sich kaum wahrnahm. Erst als sie näher kamen und unüberhörbar wurden drehte Bev sich um.
Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber wieder mit dem Nichts konfrontiert zu werden fühlte sich seltsam falsch an.
Da war niemand. Aber die Schritte kamen näher und näher.
Bev ging schneller.
Hinter sich vernahm sie einen Laut, halb Grunzen, halb Knurren. Die unsichtbare Kreatur beschleunigte ihre Schritte und Bev spürte wie sie begann in Panik zu verfallen. Sie rannte los.
Keine Menschentrauben und keine roten Ampeln blockierten ihren Weg. Sie hätte ewig geradeaus laufen können, hätte sie so etwas wie eine Kondition besessen. Doch bereits jetzt spürte sie ein Stechen zwischen ihren Rippen und ein Brennen in der Kehle. Sie würde nicht mehr lange durchhalten.
Das Ding hinter ihr hechelte und grunzte wie eine Mischung aus Wolf und Wildschwein. Bev stellte sich vor, dass es sein Maul, besetzt mit einer Reihe spitzer Fangzähne, aufgerissen hatte, um sie mit Leib und Seele zu verschlingen.
Sie spürte seine Präsenz in ihrem Rücken, nahm wahr, wie es immer näher und näher kam. Es hatte keine Eile, denn es wurde Bev jede Sekunde mit Leichtigkeit einholen.
„Hey! Hier drüben!"
Ihr Blick löste sich von dem mit Kaugummi bepflasterten Gehweg und schoss zielgerichtet, wie ein Pfeil in die Richtung der Stimme.
Da stand ein Mann in einer offenen Tür und winkte. Er sah misstrauisch und verzweifelt zugleich aus. Im Augenblick aber war er Bevs einzige Möglichkeit zu entkommen.
Sie rannte auf ihn zu, wedelte ebenfalls mit den Armen und rief: „Es ist hinter mir! Bitte hilf mir!"
Der Mann hielt ihr die Tür auf und Bev sprang an ihm vorbei ins Innere des Hauses. Hinter sich spürte sie den Luftzug der Tür, als der Mann diese zuschlug und verriegelte. Etwas Schweres krachte dagegen und beide zuckten sie zusammen. Wieder hörte Bev ein Knurren. Es klang beinahe beleidigt. Dann, ohne einen weiteren Versuch die Tür aufzubrechen, entfernte sich das Wesen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war Bev sich sicher, dass es vorerst nicht zurückkommen wurde.
Atemschöpfend sah sie zu dem Fremden auf. Er mochte älter sein als sie. Wahrscheinlich doppelt so alt. Hier, im fahlen Licht des Flurs schätzte sie ihn auf vierzig. Vielleicht, so überlegte sie, wirkte er aber auch einfach nur älter wegen des schwarzen Schnurrbarts und dem Strickpullover den er trug. Er hatte strubbliges, schwarzes Haar und buschige Augenbrauen. Die Augen wirkten traurig und müde, als habe er schon zu viel schlimme Dinge gesehen, als das seine Seele sich davon erholen konnte.
„Es tut mir leid", sagte Bev, ohne zu wissen für was sie sich entschuldigte.
Der Mann winkte ab. „Braucht es nicht."
Dann ging er voraus und humpelte den düsteren Flur entlang. Dabei zog er sein rechtes Bein so stark nach, dass es für ihn vermutlich am besten wäre einen Gehstock oder eine Krücke zu verwenden.
„Du hast Glück gehabt mein Kind. Wer diesen Monstern zu nahe kommt kehrt nicht lebend zurück."
Verwirrt runzelte sie die Stirn. Was der Mann sagte passte nicht zu dem was sie erlebt hatte.
Wie um Bev daran zu erinnern begann die Bisswunde an ihrer Wade zu Brennen und sie kaute auf ihrer Lippe herum, um nicht wenigstens einen winzigen Schmerzenslaut nach draußen schlüpfen zu lassen.
Sie kamen in eine kleine Küche, die in einem fröhlichen Gelbton gestrichen war, angesichts der derzeitigen Umstände aber eine gewisse Trostlosigkeit ausstrahlte.
Der Mann ließ sich schwerfällig auf einen der Stühle fallen und bedeutete ihr sich ebenfalls zu setzen. Zögernd kam Bev der Bitte nach. Schweigend saßen sie sich gegenüber und am liebsten hätte Bev ihn mit Fragen gelöchert. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass er vermutlich genauso wenig über die unsichtbaren Wesen und die leergefegten Straßen wusste. Er war nur ein Mann mittleren Alters mit einem lahmen Fuß und traurigen Augen.
„Warst du allein unterwegs? Ist noch jemand in der Nähe?"
Bev mochte die Fragen des Mannes nicht. Und noch weniger mochte sie den Blick, mit dem er sie von Kopf bis Fuß musterte.
„Bist du verletzt? Hat dich eines dieser Dinger erwischt?"
Irgendetwas an der Art und Weise wie er es sagte ließ sie den Kopf schütteln.
„Nein, ich bin rechtzeitig weggelaufen."
Erleichtert ließ er die Schultern hängen. „Gut. Das ist gut."
Sein Blick war auf die Tischplatte gerichtet und Bev konnte förmlich sehen, wie sich die Gedanken in seinem Kopf zu ordnen begannen.
„Was war das?", fragte sie in die Stille. „Warum hat es mich verfolgt und wo sind all die anderen?"
Langsam sah er sie wieder an und tiefe Sorgenfalten durchzogen sein Gesicht. „Ich weiß es nicht, aber ich befürchte diese Monster sind unersättlich."
Bev schluckte hörbar.
„ Sie meinen diese Dinger haben Menschen gefressen?"
Hilflos zuckte er mit den Schultern und wirkte dabei wie ein kleiner Schuljunge, der die Antwort nicht weiß und sich dafür schämte.
„Alles was ich weiß, ist, dass sie uns jagen. Und sobald man von ihnen erwischt wird war's das. Diese Monster haben mehr als einmal an meine Tür geklopft. Sie wissen, dass ich noch hier drin bin. Irgendwann werden sie mit dem Klopfen aufhören und sich einen anderen Weg nach drinnen suchen."
Bev schauderte.
„Warum kann ich sie nicht sehen?"
Wieder ein Schulterzucken.
„Ich bezweifele, dass eine Maus weiß wie ein Adler aussieht. Irgendwann packt er sie einfach am Rücken und quetscht das Leben aus ihrem Körper."
„Aber wo kommen diese Kreaturen so plötzlich her?"
Auch wenn Bev wusste, dass der Mann ebenso wenig Antworten auf ihre Fragen hatte, so musste sie doch in Erfahrung bringen wie er darüber dachte.
Seufzend fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, fast so als zermürbe ihn das Gespräch.
„Da gibt es vermutlich einen Haufen wilder Theorien. Aliens, ein Experiment, Kriegsführung oder einfach das Schicksal der Menschheit. Wer hat denn gesagt, dass es nicht irgendwann ein Lebewesen gibt, das sich den Mensch als Hauptnahrungsquelle aussucht?"
„Und ich dachte immer die Menschheit wird sich eines Tages selbst zerstören."
Ein humorloses Lachen rumpelte aus der Tiefe seiner Brust empor. „Wenn sich nicht bald etwas ändert war's das sowieso. Einen Feind den man weder sehen noch hören kann, kann man auch nicht bekämpfen."
„Aber man kann sie doch hör-"
Es klopft an der Haustür und beide fuhren sie vor Schreck zusammen.
Der Mann erhob sich von seinem Stuhl und humpelte in den Flur hinaus. In der Hand hielt er ein Küchenmesser. Über die Schulter hinweg warf er Bev einen kurzen Blick zu.
„Du solltest nach oben gehen, da habe ich ein Gästezimmer. Wir können später reden, wenn dieses Ding endlich Leine zieht."
Sie nickte steif und machte sich auf den Weg nach oben. Das Klopfen hallte so unheilvoll durch das Haus, dass sie es selbst von dort hören konnte.
Was soll das überhaupt?
Warum brach es die Tür nicht einfach auf und verschaffte sich Zutritt? Warum wartete es und klopfte, als sei es ein anständiger Bürger, der sich bei der Pizzaauslieferung an der Tür vertan hatte?
Bev ging weiter, immer weiter und öffnete eine Tür nach der anderen, bis sie das Gästezimmer fand. Dort drehte sie hinter sich den Schlüssel im Schloss und genoss das Klick-Geräusch, das dieser dabei machte. Es fühlte sich gut an eine weitere Tür zwischen ihr und der Außenwelt zuschließen zu können. Wie eine Mauer, auch wenn sie bezweifelte, dass sie im Ernstfall irgendwen aufhalten würde.
Dass alles war einfach viel zu absurd. Es konnte nicht stimmen, konnte nicht wahr sein. Wo waren all die Leute hin und warum schlichen diese unsichtbaren Kreaturen durch die Straßen? Was hatte eine davon in ihrer Wohnung zu suchen gehabt?
Wenn sie wirklich Menschen fraßen, dann wäre Bev doch längst tot. Aber dieser Mann - sie kannte seinen Namen noch nicht - hatte so sicher und ernst geklungen, als er vom „Appetit" der Monster sprach. Außerdem schien er sie nicht hören zu können. Dabei gaben sie definitiv genug Geräusche von sich, um einen rechtzeitig vorzuwarnen.
Erneut holte sie ihr Handy heraus und stellte fest, dass sie noch immer kein Netz hatte. Dafür stach ihr etwas anderes auf ihrem Sperrbildschirm ins Auge und ließ sie wie zu Eis erstarren.
05.08.2025
Als das Monster sie ausgeknockt hatte war der 01.08.2025 gewesen. Das hieß sie war vier Tage lang bewusstlos gewesen!
Vier Tage hatte sie wie eine Marionette ohne Fäden in ihrer Wohnung gelegen. Wie kam es, dass sie überhaupt noch lebte und nicht gefressen worden war?
Bev ließ sich auf das Bett sinken. Dieses ganze Durcheinander hatte etwas erschöpfendes an sich und am liebsten hätte sie die Augen davor verschlossen. Am Besten so lange, bis alles zu seiner Normalität zurückgefunden hatte.
Ihr Rucksack glitt ihr von den Schultern. In der Hand hielt sie noch immer den Schlüssel und das Taschenmesser. Der Griff der Waffe war inzwischen ganz warm und fühlte sich schwitzig an.
Unten hörte sie Gerumpel und nahm an, dass der Mann mit seinem verletzten Bein gestürzt sein musste. Unwohl zupfte sie ihren Pullover zurecht. Wahrscheinlich sollte sie nachschauen gehen und sicherstellen, dass alles in Ordnung war. Doch sie fühlte sich wie auf der Stelle festgetackert.
Als sie ihn die Treppe hochkommen hörte wusste sie nicht, ob sie besorgt oder erleichtert sein sollte. Die Haustür war nicht aufgebrochen worden, so viel stand fest. Auch wenn Bev sich fragte wie er es geschafft hatte das Wesen abzuwimmeln.
„Bist du da drin?"
Sie zuckte zusammen, als die Türklinke nach unten gedrückt wurde. Viel zu sehr erinnerte es Bev an ihre erste Begegnung mit den Monstern und erneut kroch Furcht ihre Wirbelsäule empor.
Gleichzeitig hasste sie sich dafür, dass sie es wieder tat: Das sie sich hinkniete und durch das Schlüsselloch in den Flur schaute.
Kindisch, dachte sie. Absolut kindisch.
Nur, dass dieser Gedanke sofort wieder verschwand, da auf dem Flur niemand zu sehen war.
Nichts.
Die Stimme des Mannes aber rauschte ihr in den Ohren. „Mach auf. Die Kreatur ist weg, jetzt können wir reden."
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