Kapitel 7: Abendessen

Freudestrahlend verbeugte Suzume sich und verschwand wieder in die Küche.

"Ich gehe noch einen Stuhl holen", meinte Ayame, stand auf und ging zur Tür raus.

"Ich gehe dann mal das Bad benutzen. Du bist ja jetzt fertig, Klara", redete Namiko sich raus und folgte Ayame rasch.

Nur ich blieb mit verwirrtem, erschrockenem und unsicherem Gesichtsausdruck im Wohnzimmer zurück. Munakata-san schien vor allem von Namikos Verhalten überrascht. Die Ausrede war ja auch leicht zu enttarnen und unhöflich war es von ihr obendrein. Als er sich schließlich zu mir umdrehte und zu mir kam, wusste ich nicht, was ich tun sollte und bot ihm einfach einen Platz auf der Couch an. Er nickte mir zu und nahm Platz. Um nicht genauso unhöflich rüberzukommen - und auch nur deswegen - setzte ich mich neben ihn. Obwohl... War das überhaupt höflich oder wenigstens egal? Ich wusste es nicht! Mir bleib nichts anderes übrig als zu hoffen, dass es das war, denn ich saß bereits. Vielleicht war ihm meine Anspannung und Unsicherheit aufgefallen, vielleicht aber auch nicht; jedenfalls fing er ein Gespräch an.

"Ich dachte, Sie würden für die Zeit, die Sie hier in Tokyo verbringen, in einem Hotel wohnen", begann er und lächelte als fände er etwas lustig. "Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass Sie für eine Weile direkt nebenan wohnen werden."

"Ich auch nicht", lächelte ich zurück und lachte dabei schon fast. Die Antwort fiel mir leichter als gedacht und irgendwie hatte er recht: Es war ein lustiger Zufall. "Ayame kenne ich aus meiner Schulzeit. Weil ich Japanisch lernen will, hatte sie mir letztes Jahr vorgeschlagen, herzukommen. Die anderen habe ich tatsächlich erst gestern kennengelernt", fügte ich hinzu. "Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie heute morgen etwas anderes an", stellte ich fest nach einer Weile fest, um das Gespräch am Laufen zu halten, wobei ich auch gleichzeitig das Thema wechselte. Die graue Jacke, die er getragen hatte, hatte er gegen eine Uniform ausgetauscht. Zumindest sah der blaue Mantel mit dem violetten Futter, welches man an dem Revers und dem hohen Kragen sehen konnte, so aus. Dazu die weiße Krawatte, die er vielleicht auch heute morgen schon anhatte, aber die mir nicht aufgefallen war.

"Stimmt", er sah etwas beschämt zur Seite. "Weil ich heute morgen nicht an meinen Spint gekommen bin, sollte ich meine Uniform mitnehmen."

"Das tut mir leid."

"Nein, muss es nicht", erwiderte er.

Ich lächelte ihn an, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ayame kam unterdessen mit einem Stuhl zur Tür herein. Nachdem sie ihn an den Tisch gestellt hatte, kam sie zu mir. Offenbar wollte sie etwas von mir.

"Was ist?"

"Emma hat mich angerufen, während wir weg waren. Am besten rufst du sie später zurück", riet sie mir.

Emma war meine Mutter. Aber warum hatte sie Ayame angerufen? Ach ja, richtig! Ich hatte den Akku immernoch nicht wieder aufgeladen! Wahrscheinlich würde ich dann wohl mit Ayames PDA anrufen. Bis mein Akku wieder aufgeladen war...

"Ja, mache ich. Sag mal, hast du deinen PDA nicht gehört?", fragte ich. Eigentlich hätten wir das doch mitbekommen müssen.

"Nein, ich hatte ihn aber auch Zuhause liegen gelassen", gab diese zu. Dann wendete sie sich an Munakata-san. "Suzume ist gleich fertig. Glaube ich jedenfalls."

Dieser nickte bloß.

Nun kam auch Namiko zurück. Sie trug Teller und Besteck, welches sie auf den Tisch stellte beziehungsweise legte und ging dann wieder. Ayame kam unterdessen um die Couch herum und ich musste näher an Munakata-san rücken, damit sie sich setzen konnte. Als ob auf der anderen Seite, neben ihm, kein Platz gewesen wäre.

"Ihr scheint euch zu verstehen", stellte Ayame fest und schaute mich dabei an.

Munakata-san allerdings antwortete. "Wagner-san ist nett."

"Ja, nicht?"

"Danke?", meinte ich planlos und brachte Ayame zum Lachen und ihn zum Schmunzeln. "Ich mag Sie übrigens auch", rutschte es mir heraus und ich hätte mich noch im selben Moment ohrfeigen können.

"Das freut mich", gab er freundlich lächelnd zurück.

"Liegt da was in der Luft?", ertönte Namikos Stimme plötzlich direkt hinter mir.

Ich hatte nicht mitbekommen, wie sie reingekommen war und erschrak. Vor Schreck sprang ich auf, stolperte und wäre beinahe auf den Tisch geknallt, hätte mich Munakata-san nicht festgehalten und wieder auf die Beine gezogen.

"Alles in Ordnung?", fragte er.

"Ja, danke."

"Was macht ihr denn hier?" Suzume war mit einem Topf in der Hand in der Tür aufgetaucht und musterte uns.

"Nichts", antwortete ich normal.

"Sicher?", grinste sie und ging weiter zum Tisch.

Fragend schaute ich Ayame an, die auf mein Handgelenk deutete. Munakata-san hielt mich immernoch fest.

"Entschuldigung?", meinte ich vorsichtig. "Sie können mich wieder loslassen."

"Oh, sicher." Er schien selbst überrascht, dass er genau das noch nicht getan hatte.

Im Hintergrund lachte Namiko, welche aber von Ayame sogleich einen Schlag auf den Hinterkopf erhielt. Munakata-san schaute sie nur - genau wie ich - verärgert an.

"Ihr könnt euch schonmal hinsetzen, ich hole nur noch die Soße", meinte Suzume.

Wir taten, was sie sagte. Ayame saß neben Suzume - wenn sie gleich kam - und Namiko setzte sich auf den Stuhl, der eigentlich für Munakata-san gedacht war, womit ich neben ihm sitzen musste. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass Namiko uns verkuppeln wollte. Andererseits schien sie sich in seiner Nahe auch nicht sonderlich wohl zu fühlen, was auch der Grund sein konnte, dass sie sich weggesetzt hatte. Als Suzume kam und sich setzte, schaute sie ihre jüngere Schwester mit hochgezogener Braue an.

"Das nicht dein Platz", meinte sie.

"Das macht nichts", warf Munakata-san ein, bevor Namiko antworteten konnte und unterband somit jegliche Diskussion zwischen den beiden.

Suzume hatte Nudeln gemacht und verteilte sie unter uns. Die Soße verteilte Ayame und wie Zuhause auch blieb etwas Soße übrig. Während des Essens war es ziemlich still zwischen uns, bis Namiko schließlich das Schweigen brach: "Also das eben tut mir leid, Klara. Ich wollte dich nicht so erschrecken", entschuldigte sie sich.

"Es ist ja nichts passiert", winkte ich ab. Natürlich wusste ich ganz genau, dass um ein Haar etwas passiert wäre. Wenn Munakata-san nicht rechtzeitig reagiert hätte nämlich. Vorsichtig linste ich zu ihm herüber. Er aß schweigend seine Nudeln und sah eher unbeteiligt aus, aber ich war mir sicher, dass er zuhörte. Wieder legte sich ein Schweigen über uns alle. Es war wirklich unangenehm, weil deutlich spürbar war, dass es daran lag, dass er hier war. Nicht einmal Suzume wusste, was sie sagen sollte. Stattdessen schaute sie mich jedes Mal erwartungsvoll an, wenn ich zu ihr sah. Die anderen auch. Offenbar erwarteten sie, dass ich irgendwas sagte.

"Glaubt ihr, dass es morgen regnet?", fragte ich ihn die Runde. Dabei wusste ich nichtmal ob Regen vorhergesagt war.

Die anderen schauten mich plötzlich völlig perplex an, vor allem Munakata-san. "Wie kommst du darauf? Morgen soll die Sonne scheinen", meinte er.

"Aah... Nur so", antwortete ich etwas beschämt. Man, war ich blöd!

"Übermorgen soll es aber regnen", ertönte seine Stimme nach einer Weile wieder.

"Oh..."

"Du hast geraten, oder? Das war echt gut!", warf Namiko ein und versuchte, die betretene Stimmung zu heben.

"Danke, Namiko", sagte ich leise und steckte mir die letzte Nudel in den Mund. Auch die anderen waren jetzt fertig.

Munakata-san war der erste, der aufstand. Er verneigte sich vor uns allen, bevor er sich verabschiedete. "Ich denke, es ist Zeit für mich zu gehen. Danke für das Essen." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in den Flur.

Die anderen warfen mir Blicke zu. Verwirrt erwiderte ich diese, dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich, er wird warten, bis ihn jemand rauslässt! Sofort - und etwas ungeschickt - sprang ich auf und eilte hinterher.

Etwas ungeschickt stolperte ich um die Ecke, als ich zur Tür laufen wollte und fing mich auch nach einigen Schritten nicht wieder. Diesmal fing Munakata-san mich aber nicht auf oder besser gesagt konnte es nicht, weshalb ich schließlich bäuchlings vor ihm lag. Wieso passierte mir all dieser Mist heute? Ich musste wie ein totaler Tollpatsch rüberkommen. Wie peinlich... Schnell stand ich wieder auf und schaute ihn unsicher an. Jedoch konnte ich nicht erkennen, was er gerade dachte, und das machte es noch viel schlimmer für mich. Ich merkte wie ich rot anlief und schaute in der Hoffnung, dass er es nicht gesehen hatte, auf den Boden.

"Mir geht's gut", murmelte ich.

Er sagte nichts. Als ich nach ein paar Sekunden vorsichtig zu ihm hochschaute, bemerkte ich, dass er lächelte. "Hoffentlich hast du morgen einen besseren Tag", meinte er.

"Ja, hoffentlich", stimmte ich zu und machte ihm endlich die Tür auf, um ihn zu verabschieden - auch im Namen meiner Freundinnen.

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Ich fasse es nicht, dass ich jetzt einen Monat hierfür gebraucht habe, weil ich die fast fertige Version nochmal überarbeiten wollte und es vergessen hatte...

Ich glaube, ihr müsst euch an lange Wartezeiten, was Updates betrifft, gewöhnen 😅

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