Kapitel 5: Ein neuer Freund?
Wir redeten noch eine Weile miteinander, dann beschlossen die drei, mir die Stadt zu zeigen, damit ich mich nicht wieder verlief. Jede von uns nahm ihren Schlüssel mit, falls wir uns trennten oder durch die Menschenmasse getrennt wurden, dann verließen wir die Wohnung und gingen - diesmal unfallfrei - die Treppe hinunter. Ayame ging voraus, um uns die Tür aufzuhalten. Ich bedankte mich mit einem Nicken. Draußen liefen wir zuerst die nähere Umgebung ab, wobei Ayame mir meißelte die Straßennamen förmlich ins Hirn meißelte, während Suzume dafür sorgte, dass vor meinem inneren Auge so etwas wie eine Karte der Umgebung entstand. Ebenfalls sorgten die drei dafür, dass ich neue Kanji lernte. Auch meine Lesung von eben diesen verbesserten sie, falls sie falsch oder falsch ausgesprochen war. Überhaupt wiesen mich oft auf Aussprachefehler hin, aber nur, wenn man mich dadurch nicht richtig verstand. Nachdem ich mir die Straßen im Umkreis von 150 Metern eingeprägt hatte, wollten sie mir noch ein paar Sehenswürdigkeiten zeigen. Allerdings war es bereits fünf Uhr, deshalb konnten wir nur einen Ort besuchen, wobei Ayame nicht einmal sicher war, ob wir überhaupt das schaffen würden, denn wir mussten die Bahn nutzen und das war das Problem. Wenn wir Pech hatten, gerieten wir nämlich in den Feierabendverkehr und dann wurde es wortwörtlich eng. Ich folgte den dreien still in die Bahn, wo wir uns etwas abseits der anderen Fahrgäste hinsetzten. Es waren ohnehin nicht viele Leute dort. Namiko saß neben Suzume, die am Fenster saß und welcher ich gegenüber saß.
"Wo gehen wir hin?", fragte ich nochmal, da sie es mir beim ersten Mal nicht verraten wollten.
"Es ist immernoch eine Überraschung", lächelte Suzume.
"Kommt schon", bettelte ich.
Alle drei schüttelten den Kopf.
"Wenigstens einen Tipp?", bat ich.
Ayame überlegte tatsächlich kurz. Dann erwiderte sie auf Englisch: "Das erste Wort ist so ähnlich wie das Wort für Mond."
Vokabeln abfragen ohne es zu auffällig zu machen. Aber das war ja nicht die Regel bei den dreien, also machte mir das nicht aus. Außerdem wusste ich das Wort: >Tsuki<. Aber so ähnlich? Von der Schreibweise oder was? Natürlich, Klara... Selbstverständlich meinte Ayame die Aussprache. Aber in welcher Art war das gesuchte Wort anders als >Tsuki<? War da noch was zwischen dem 'Tsu' und dem 'ki' oder war es davor? Oder dahinter? War es überhaupt ein Wort, das ich kannte oder ein Eigenname, den ich noch nie zuvor gehört hatte. Ich wusste es nicht, dachte aber fast die ganze Zeit darüber nach. Zumindest, bis Suzume meine Gedanken unterbrach.
"Lass es gut sein, ich kann den Rauch ja schon fast sehen", scherzte sie.
Ich seufzte. "Du hast ja recht, es nutzt nichts."
Suzume ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen lehnte sie sich etwas zu mir nach vorne. "Als Munakata-san auf dich gefallen ist, habt ihr euch da geküsst?", flüsterte sie mir einem amüsierten Lächeln. Sie fand den Gedanken daran offenbar weitaus lustiger als ich.
"Nein, aber fast", antwortete ich nur, während ich mich an die Situation erinnerte. In dem Moment war ich von seinen Augen gefesselt, aber wenn ich darüber nachdachte erinnerte ich mich auch daran, dass seine Haare auf meiner Stirn gelegen hatten und auch sein warmer Atem, der mir plötzlich so nah war, fiel mir auch wieder ein. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
"Klara? Alles in Ordnung?" Ayame tippte mich auf einmal von der Seite an, was mich zusammenzucken ließ.
Ich realisierte, dass ich meinen Blick wohl aus dem Fenster gerichtet und dann verträumt in die nicht existente Landschaft gestarrt hatte. "Ja, mir geht's gut", erwiderte ich und hoffte, dass keiner der anderen etwas merkte.
Falsch gedacht, denn Suzume fing an zu kichern. "Mach dir keine Hoffnung, ihr glaube, er hält nichts von dieser Art Beziehung."
"Tu ich doch gar nicht", widersprach ich, obwohl ich zugeben musste, dass Suzume vielleicht recht hatte. Ich fühlte mich von ihm angezogen, aber ob mir das gefiel oder nicht, wusste ich noch nicht so genau.
"Ja, ja", lachte Suzume leise, damit sie nicht die Blicke der anderen Leute auf uns zog.
"Lasst uns das Thema wechseln. Über Munakata-san haben wir heute schon oft genug geredet", warf Ayame ein und ich war froh darüber.
"Gute Idee, ich bin dabei!", stimmte ich sofort zu.
"Meinetwegen", meinte Suzume.
"Ja, zum Beispiel, was wir heute Abend machen", schlug Namiko vor, die bislang auffällig still war.
"Karten spielen, vielleicht?", versuchte Ayame sie aufzuziehen.
"Nicht schon wieder!", stöhnte Namiko.
"Dann Shōgi", schlug Suzume vor. "Wir könnten es wie ein Turnier aufbauen, da wir zu viert sind. Oder wir spielen gegen jeden von uns einmal und zählen dann die Siege."
"Oder ihr hört einfach auf, mir ständig die Ergebnisse meines Versagens zu präsentieren", kritisierte Namiko den Vorschlag.
Bevor irgendwer etwas erwidern konnte, verkündete eine Stimme, die wahrscheinlich vom Boardcomputer stammte, da ich sie keinem Geschlecht zuordnen konnte, dass wir an der Station waren, zu der wir wollten, und dass sich die Türen in Fahrtrichtung links öffnen würden. Wir standen auf und verließen die Bahn. Dann dauerte es nicht mehr lange, vielleicht 15 Minuten, bis wir vor einem riesigen Gebäude standen, dass mich an Gebäude in Europa erinnerte. Es sah aus als wäre das aus zwei Flügeln und dem Zentrum, welches die Flügeln miteinander verband, bestehende Gebäude aus weißem Stein gebaut. Gedeckt war es mit grünen Ziegeln. Der große Hof, von dem das massive Gebäude umgeben war, war mit einem Stahlzaun umzäunt. Alles in allem war es sehr beeindruckend und plötzlich fiel mir ein, am was mich dieses Gebäude erinnerte: Der Buckingham Palace. Der hatte zwar ein anderes Dach, aber ansonsten war die Ähnlichkeit groß.
"Tsubaki-mon", erklärte Ayame. "Das Hauptquartier vom 'Tokyo Legal Affairs Bureau, Civil Registry Department, Annex 4'. Ich weiß, das ist kompliziert. Ich habe auch ein paar Monate gebraucht, um das ohne ins Stocken zu geraten sagen zu können."
"Das kann ich mir nichtmal merken", lachte ich.
Namiko musste ebenfalls lachen und als ich zu Suzume schaute sah ich, dass sie sich ein Lachen mit einem Grinsen verkniff.
"Sie beschützen unsere Stadt", erklärte Suzume mir. "Ohne sie würde Tokyo wahrscheinlich ganz anders aussehen. Ich meine zerstörter."
"Was meinst du damit?", hakte ich nach.
"Es tauchen hier manchmal Leute mit komischen Fähigkeiten auf. Manche können es einfach nicht kontrollieren, aber manche zerstören absichtlich Sachen. Um beides kümmern sie sich", erklärte Suzume weiter. "Du erkennst sie an den ihren blauen Jacken und den Säbeln."
"Säbel?", wiederholte ich. "Ist das nicht etwas... altmodisch?"
"Vielleicht, aber es funktioniert hervorragend", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir sagen.
Ich zuckte zusammen und wäre Ayame vor Schrecken beinahe in die Arme gesprungen. Dann drehte ich mich aber doch um. Hinter mir stand ein junger Mann, wahrscheinlich ungefähr so alt wie Munakata-san, mit kinnlangem hellbraunen Haar und einem Pony, der ihm zum Teil über sein linkes Auge fiel. Mit seinen hellbraunen Augen schaute er mich überrascht an. Offenbar hatte er nicht mit so einer Reaktion gerechnet, aber er hatte sich auch angeschlichen! Erst als ich den Mund aufmachte, um ihn zu fragen, woher er das wissen wollte, fiel mir auf, dass er eine blaue Jacke trug, die mit ihrem Kragen und Schnitt wie eine Uniform aussah. Ein Schwert trug er auch bei sich. War das peinlich! "Das habe ich auch gar nicht angezweifelt!", verteidigte ich mich schnell.
Er kicherte. "Beruhig dich, ich beiße nicht."
Ich räusperte mich. "Ja, natürlich", sagte ich dann ruhiger.
Er schaute die anderen an. "Seid ihr Touristen?", fragte er.
"So was in der Art", antwortete ich.
"Nein, sind wir nicht. Und ich möchte doch sehr um etwas mehr Höflichkeit bitten. Schließlich kennen wir uns nicht. Oder erst seit fünf Minuten, je nachdem, wie man es nimmt", meinte Suzume höflich.
"Sie haben ja recht", sah der Mann ein.
"Ihr seht euch ähnlich, Klara", stellte Namiko plötzlich fest.
"Wirklich?", kam es von mir. Ich schaute zu dem Mann und im gleichen Moment, sah er auch mich an.
"Als wäre sie meine Schwester", murmelte er zu sich selbst, als er bereits wieder wegsah.
"Stimmt", stimmte Ayame nachdenklich zu.
"Hey, Benzai! Komm!", rief plötzlich jemand nach ihm.
"Bitte entschuldigen Sie mich." Er verbeugte sich schnell und wollte davoneilen.
"Warte!", hielt ich ihn auf.
Er drehte sich nochmal um und sah mich an.
"Ich bin Klara. Klara Wagner", stellte ich mich vor.
"Freut mich, Sie kennenzulernen, Wagner-san. Ich bin Benzai Yūjirō." Er drehte sich kurz zu dem Mann um, der ihn gerufen hatte, anschließend wieder zu uns. "Hoffentlich sehen wir uns bald wieder." Bevor er dann weg ging, winkte er mir noch zu.
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Ich hab's tatsächlich mal geschafft, rechtzeitig zu sein. Ist zwar schon 22:40, aber immernoch Freitag xD Naja egal, was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich nicht weiß, ob ich das 6ste Kapitel bis nächste Woche Freitag fertig habe.
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