Kapitel 15: Freizeit ist toll

Während Munakata-san einen Käfig holte - ich wollte gar nicht wissen, warum er einen in der Wohnung hatte, obwohl er keine Vögel hielt -, versuchten Ayame, Namiko und ich zu dritt, den Papagei einzufangen. Natürlich hackte er immernoch nach uns, schlug um sich, schimpfte und rannte unfassbar schnell weg. Ich blockierte also die Tür, während die anderen beiden hinter ihm durch den Raum rannten. Als er plötzlich auf mich zukam, versuchte ich, ihn aufzuhalten und konnte ihn tatsächlich packen. Doch er verpasste mir einen leichten Stromschlag und rannte auf den Flur. Zum Glück war Ayame schnell genug da und konnte ihn festhalten. Sie bekam keine gewischt. Nur das Timing war so perfekt, dass Munakata-san genau zu dem Zeitpunkt wieder auftauchte, zu dem Ayame bäuchlings auf dem Boden lag. Wahrscheinlich war sie froh, dass er keine Fragen gestellt hatte, sondern einfach den Papagei in den Käfig steckte.

Mittlerweile war es fünf Uhr. Wir saßen zu viert auf dem Sofa - ganz rechts Munakata-san, daneben ich, dann Ayame, ganz links Namiko - und warteten auf den Tierarzt und Munakata-sans Leute, die den Adler abholen sollten. Wir schwiegen uns mittlerweile schon gut zehn Minuten lang an, während die grün gefiederte Nervensäge einfach nicht aufhörte, sich lauthals zu beschweren, und der Krach im Bad auch nicht nachließ. Warum hatten wir den Adler eigentlich da eingesperrt? Der demolierte die ganze Einrichtung und wer wusste schon, wie lange die Tür noch durchhielt. Laut Munakata-san war der Vogel ein 'Strain'. Was das sein sollte, wusste ich nicht, aber fragen wollte ich auch nicht. Also im ersten Moment nicht, aber ich hatte auch noch andere Fragen an ihn. Das blaue Leuchten vorhin, Könige, Clans und natürlich persönliche Fragen.

Ich schaute ihn eine Weile von er Seite an und überlegte, ob ich einfach fragen sollte. "Munakata-san", sagte ich schließlich.

"Hm?" Er drehte seinen Kopf zu mir.

"Was war das, als du den Adler gegen die Wand geschlagen hast?"

"Das?", fragte er und hob das Schwert hoch, welches wieder blau leuchtete.

"Ja."

"Mich würde das auch mal interessieren", meinte Namiko.

"Das ist die blaue Aura", antwortete er, als ob das alles erklären würde. Warum ging er ständig davon aus, dass ich mit sowas etwas anfangen konnte? Anscheinend bemerkte er meinen Gesichtsausdruck und die Fragezeichen über meinem Kopf. "Also von vorne. Hier in Shizume gibt es sieben Könige. Die meisten haben auch Clansmen. Jeder Clan hat eine Farbe und sowohl König als auch Clansman haben eine Aura dieser Farbe. Und je nach Farbe haben wir verschiedene Fähigkeiten. Meine Aura ist übrigens die blaue."

"Und du bist der blaue König", ergänzte ich.

Er nickte. "Genau. Ich bin der vierte König."

"Und Suoh-san?", fragte Namiko.

Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber Munakata-san schien nicht sofort zu antworten. "Der dritte, rote, König."

"Was ist mit den anderen fünf?", wollte Ayame wissen.

"Das Himmelreich ist dir ein Begriff, oder?", fragte er zurück.

Diesmal zögerte Ayame. "Das Luftschiff? Ja."

"Dort lebt der erste König, der silberne König. Dann gibt es noch den goldenen, den grünen, den grauen und den farblosen König", erklärte er.

"Kennst du sie?", fragte ich wieder.

"Nur Suoh-san. Ansonsten entweder gar nicht oder nur flüchtig." Er schaute an mir vorbei. "Mal eine andere Frage: Wie erklären wir Mizushima-san das Fenster?" Die Scherben hatten wir zwar beseitigt, aber das Loch blieb natürlich.

"Von der Wand ganz abgesehen. Du hast ziemlich übertrieben", merkte ich an. Die Stelle, an die der Adler geschmettert wurde, hatte eine Delle. Dass das Tier noch lebte, war schon ein Wunder.

"Kann sein."

"Sie wird durchdrehen; egal was ihr sagt", meinte Namiko und hatte wahrscheinlich recht.

Innerhalb der nächsten Minuten tauschten wir wenigstens ein paar Worte aus, dann war auch schon der Tierarzt da. Wir baten ihn, den Lärm im Bad zu ignorieren. Während der Doktor noch den Flügel untersuchte, kamen bereits Munakata-sans Leute. Sie waren zu dritt. Einer hatte rote Haare und trug einen Käfig, einer hatte grün-braune Haare und der letzte trug eine Brille und hatte anscheinend schlechte Laune. Da Munakata-san damit beschäftigt war, den Papagei vom Abhauen abzuhalten, kümmerten Namiko und ich uns um die drei. Mir entging nicht, dass Namiko den mit der Brille fast schon anstarrte und ihn dieser Umstand ziemlich nervte.

"Er ist im Bad. Dort. Seid vorsichtig", meinte ich bloß, zeigte auf die Tür und ließ die anderen aufschließen. Selber versuchte ich, nicht im Weg zu stehen.

Mit einem genervten Ausdruck trat der Brillenträger vor, drehte den Schlüssel um und trat ein. Ich erwartete, dass sofort ein Kampf ausbrach, aber tatsächlich dauerte es zwei Sekunden, bis die drei Schwierigkeiten hatten. Kurz nachdem er eingetreten war, kam er rückwärts laufend auch schon wieder raus und fiel in Namiko, die natürlich im Weg stehen musste. Sofort rannten die anderen rein. Man hörte einige Zurufe, bevor der Brillenträger reinlief und ich ein Geräusch hörte, das mich vermuten ließ, dass der Adler zum zweiten Mal die Wand geküsst hatte, gelinde gesagt. Wahrscheinlich waren ein paar Fliesen im Eimer.

"Wir haben ihn", grinste der Rothaarige und hielt triumphierend den Käfig mit einem ausgeknockten Weißkopfseeadler hoch. Zum Glück war der Tierarzt schon weg.

"Gut gemacht", lächelte ich zurück und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass die drei übertrieben hatten.

"Vorsteher!" Der mit der Brille stand beim Wohnzimmer in der Tür und wollte ganz offensichtlich etwas von Munakata-san.

"Ja?"

"Was machst du hier?"

"Geht dich nichts an."

Er verdrehte die Augen, ging dann aber mit seinen Kollegen. Ich konnte nur noch jemanden "Er besucht wahrscheinlich seine Freundin" sagen hören, woraufhin ich rot wurde und Namiko bat, schonmal ohne mich ins Wohnzimmer zu gehen. Ich war zwar nicht seine Freundin, aber ich glaubte schon, dass er eigentlich wegen mir gekommen war. Was mir aber klar war, war dass die Gerüchteküche spätestens jetzt anfing, zu kochen. Kusanagi-san und Suoh-san wussten schon seit einiger Zeit bescheid. Die Anwesenden vom Vorfall im Park konnten sich ihren Teil wahrscheinlich auch denken. Bis auf Awashima-san jedenfalls, die anscheinend dachte, ich wäre in Benzai-san verliebt.

"Wagner-san?"

Ich fuhr herum und blickte plötzlich in violette Augen. Wieso stand er so dicht bei mir? Es wunderte mich, dass ich nicht zurücksprang, aber ich bemerkte die wiederkehrende Wärme auf meinem Gesicht. "J-ja?"

Er lehnte sich neben mich an die Wand. "Wie geht es dir?"

"Danke, gut. Und selbst?" Reiß dich zusammen!

"Auch gut. Awashima-kun hat mich gezwungen, mich krank schreiben zu lassen, bis mein Arm verheilt ist. Ich werde also in den nächsten Wochen mehr Zeit haben."

Wohin wollte er mit diesem Gespräch? "Es ist besser so, sonst wirst du nächstes Mal noch schlimmer verletzt. Aura hin oder her, rechts ist dein Schwertarm."

"Gut aufgepasst", meinte er lächelnd. "Mit links nach etwas zu schlagen fühlt sich seltsam an und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich mit links auch nur halb so gut kämpfen könnte." Er seufzte. "Wie ich es jetzt schon hasse."

"Deine Jungs schaffen das schon", wollte ich ihn aufmuntern.

"Daran habe ich keine Zweifel. Aber ich habe jetzt zwei Monate lang mit Langeweile zu kämpfen."

"Wie wäre es mit dem 3000er Puzzle, falls du das noch hast?", schlug ich vor.

Er schüttelte den Kopf und lachte dabei sogar etwas. "Bloß nicht."

"Ich könnte helfen", rutschte es mir heraus. Dafür hätte ich mich Ohrfeigen können. Und zwar mehrfach. Hoffentlich hatte ich keine Grenze überschritten.

Zuerst schaute er mich nur an und ich wusste mal wieder nicht, was er gerade dachte. "Ich habe prinzipiell nichts dagegen, Zeit mit dir zu verbringen. Aber doch bitte woanders und nicht bei mir Zuhause", antwortete er schließlich und überraschte mich damit sehr.

"Gerne", fiel mir dazu nur ein.

Er schaute die Wand vor uns an und schwieg ein paar endlose Sekunden. "Hast du am Donnerstag Zeit?"

Ich lächelte. "Wann?"

"Abends um Acht", antwortete er, schaute mich aber immernoch nicht wieder an. Ich stand rechts neben ihm, aber er schaute nun nach links.

Intuitiv löste ich mich von der Wand und stellte mich dicht vor ihn. Lächelnd schaute ich auf. "Ich komme."

"Wirklich?" Er wirkte überrascht. Aber nicht lange, denn unmittelbar nachdem er das Wort ausgesprochen hatte, räusperte er sich und setzte wieder seine normale Miene auf. "Ich hole dich um halb acht ab, wenn das in Ordnung ist."

"Klar." Ich strahlte ihn an und war überrascht als er mir plötzlich über die Haare strich. Doch bevor ich etwas sagen konnte verschwand er wieder ins Wohnzimmer und ließ mich verwirrt zurück. Er hatte mich vorher noch nie berührt, zumindest nicht mit Absicht.

Als ich mich wieder gefasst hatte und auch ins Wohnzimmer wollte, kam er mir mit Ayame entgegen.

"Auf Wiedersehen, Wagner-chan", meinte er. Könnten Worte zwinkern, hätten sie es gerade getan.

"Auf Wiedersehen", antwortete ich fast schon mechanisch.

Nachdem Ayame ihn verabschiedet hatte, drehte sie sich zu mir um und schaut mich fragend an.

"Ist was passiert?", wollte sie wissen.

Eigentlich wollte ich ruhig bleiben, um ihr wie ein normaler Mensch zu antworten, und ihr nicht vor Freude um den Hals fallen. Aber genau das tat ich. "Ich hab ein Date!", freute ich mich gerade so laut, dass man es vor der Haustür hoffentlich nicht hören konnte.

"Du hast was? Mit Munakata-san?!" Sie konnte es eindeutig nicht richtig glauben, aber ich auch noch nicht. Trotzdem nickte ich.

"Glückwunsch."

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Mir hat zwar nur einer etwas zurückgemeldet, aber das Kapitel war sowieso fast fertig, also hatte ich nicht viel Arbeit damit. Hoffentlich gefällt es euch.

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