6. Kapitel

Juhee

Am nächsten Morgen wurde ich von Taehyung geweckt, indem er mich leicht an der Schulter wachrüttelte. Anscheinend war er nur am Anfang so schüchtern. Er sah mich lieb an, doch plötzlich war es mir unglaublich peinlich, dass er mich so sah. Wahrscheinlich total verheult, weil ich nachts geweint hatte, mit zerzausten Haaren und in viel zu großen Klamotten. 

»Guten Morgen«, murmelte ich noch ziemlich verschlafen. 

»Guten Morgen. Ich soll dich wecken. Wir haben zwar noch etwas Zeit, aber dann hast du auch noch genug Zeit, um dich fertig zu machen.« Zum Glück zeigte er mir dann nur schnell, wo das Bad war und ließ mir dann meine Privatsphäre. 

»Komm danach einfach in die Küche. Ist direkt neben dem Wohnzimmer.« Damit verschwand Tae und etwas erleichtert seufzte ich auf. Das alles war mir wirklich unangenehm. Ich begab mich so schnell wie möglich ins Bad und putzte mir notdürftig mit den Fingern die Zähne. Die Zahnpasta klaute ich mir einfach von jemandem, in der Hoffnung, dass es nicht auffiel. Meine Haare kämmte ich mit den Fingern und wusch mir das Gesicht. Ich sah wirklich so grauenvoll aus, wie ich gedacht hatte. Mit Augenringen, geröteten Augen und blasser Haut. Aber leider konnte ich da jetzt nichts mehr machen uns ging zu den anderen in die Küche. 

Eigentlich hoffte ich, mit Jimin reden zu können, aber angekommen, war er gar nicht da. Ich wusste, dass ich mich entschuldigen musste. In der Tür blieb ich stehen und sah die Hälfte der Gruppe dasitzen und anscheinend darauf wartend, dass die anderen kamen und sie essen konnten. Etwas beschämt stand ich nun im Eingang der Küche und wusste nicht, was ich machen sollte. Taehyung war der erste, der mich entdeckte. 

»Wir beißen nicht«, rief er mir zu und grinste. 

»Genau. Komm rein und iss was. Das baut auf«, stimme Hoseok ihm zu. Die beiden waren wirklich lieb, vor allem, weil sie immer so fröhlich waren. Ich ging langsam zu ihnen und setzte mich auf den Stuhl, den sie mir anboten. Dankend nahm ich ein Glas Wasser von Taehyung an, der mich jetzt auch freundlich anlächelte. 

»Hast du das gekocht?«, erkundigte ich mich interessiert bei ihm und deutete auf das Essen auf dem Tisch. Er nickte bestätigend. 

»Ja, genau. Ich koche echt gerne. Willst du einen Kaffee haben?« Ich schüttelte daraufhin den Kopf. 

»Nein, danke. Ich trinke keinen Kaffee. Schmeckt mir meistens nicht so.« Jimin tauchte nun auch auf und bevor ich den Mund aufmachen konnte, um ihn zu begrüßen, musste er wieder alles kommentieren, was ich sagte. Typisch eben. 

»Das stimmt doch gar nicht. Letztens hast du Kaffee getrunken. Auch wenn ich mir vorstellen kann, warum er nicht geschmeckt hat.« Ich verdrehte daraufhin nur die Augen und sagte nichts dazu. Ich musste ja nicht auch so sein. 

»Dir auch einen wunderschönen guten Morgen« Als er sich auch zu uns setzte, fingen wir schließlich an zu essen. Taehyung lachte mit Yoongi über bestimmte Themen, Namjoon und Jin führten ernstere Gespräche und ich redete ab und zu mit Taehyung. Aber im Grunde genommen sprach jeder mit jedem. Das Verhalten der Jungs untereinander war wirklich süß. Jimin sah die anderen auch teils belustigt und teils genervt an, aber ich merkte, wie er sie genau beobachtete. 

Ich selbst verzichtete heute allerdings aufs Frühstücken, da ich gestern schon ziemlich viel gegessen hatte. Ich achtete genau auf das, was ich aß. Ich war also ein typisches Mädchen. Außerdem hatte ich nach gestern Abend generell keinen Appetit. Also beschränkte ich mich darauf, die Jungs zu beobachten, ihnen zuzuhören und ab und zu ein paar Fragen zu beantworten. Leider gehörte ich nicht wirklich zu der Sorte Morgenmensch und war dementsprechend gesprächig. Aber das machte nichts.

~

Als wir im Management ankamen, trainierten die Jungs wie hammerkranke. Auf das Thema Jimin wollte ich erst mal nicht zu sprechen kommen, da ich vorhin den Moment verpasst hatte, mich bei ihm zu bedanken. Alles von gestern schwirrte wirr in meinem Kopf herum und ließ mir keine Ruhe. Ich fühlte mich grauenvoller, als ich dachte. Diese Typen hatten mich bedrängt und meine selbst aufgezogenen Grenzen überschritten, doch ich kam damit klar. Irgendwie. Jimin allerdings war zum Verrückt werden. An sich war er nett, freundlich und zuvorkommend. Von der Begegnung mit dem Kaffee heute Morgen mal abgesehen. Aber ich wurde einfach nicht schlau aus ihm und seinem Verhalten.

In der Trainingspause kam Jungkook zu mir in den Aufenthaltsraum. 

»Störe ich dich?« 

»Nein, alles gut. Was ist?« Der Jüngste setzte sich zu mir. »Wir haben abgestimmt und beschlossen, dass wir dir unsere Nummern geben, falls so etwas wie gestern noch einmal passieren sollte.« 

Ich stutzte und grinste dann. »Ist das ein Vorwand, um meine Nummer zu bekommen? Wenn ja, dann lass dir was Besseres einfallen.« Jungkook sah mich verwirrt an, was mich schmunzeln ließ. »Nein. Ehrlich nicht. Obwohl ich mir den merken sollte« 

Ich fing an zu lachen und Jungkook stimmte mit ein. Irgendwie war es witzig, dass man ihn so leicht verunsichern konnte. »Das war nur ein Scherz. Ich kann euch meine geben. Dann könnt ihr mir ja schreiben, dass ich eure habe.« Ich diktierte ihm die paar Ziffern und er speicherte sie in seinem Handy ein. 

»Okay, gut. Das war eigentlich auch schon alles.« Jungkook wollte gerade gehen, doch er drehte sich nochmal um. 

»Willst du vielleicht mitkommen?« Ich nickte leicht bestätigend und setzte mich in Bewegung. Als wir in den Trainingsraum kamen, sahen wir, dass Jimin auf dem Boden lag. Und er lachte. Mir fiel auf, dass ich ihn noch nie so Lachen gesehen habe, aber es gefiel mir. Er sah so glücklich aus. In dem Moment vergaß ich kurz meine Gedanken über ihn und genoss den Anblick einfach. 

»Was habe ich verpasst?«, fragte Jungkook von weitem dann und riss mich somit aus meinen Gedanken. 

»Ach gar nichts. Hoseok hat mal wieder mit Jimin irgendeine Scheiße gemacht«, lachte Yoongi. Jungkook erhob sich und ging zu den anderen herüber. Dabei deutete er mir an, ihm zu folgen. Ich beobachtete Jimin noch immer aus den Augenwinkeln, der mich anscheinend noch nicht bemerkt hatte. 

»Juhee hat jetzt unsere Nummern«, grinste Jungkook Jin an und sah mich dabei an. Ich nickte ihm bestätigend zu und setzte mich wieder auf Anweisung der anderen auf den Boden gegenüber der riesigen Spiegelwand. Jimin hatte sich mittlerweile beruhigt und bemerkte mich jetzt auch. 

»Du bist es.« 

»Blitzmerker«, erwiderte ich, grinste und hoffte, dass er nach seinem Lachanfall auch wieder gute Laune hatte. Doch ich lag falsch. Er zog nur die Augenbrauen zusammen uns sah mich merkwürdig an. Dann stand er auf und ging zu Hoseok, um sich etwas zu trinken zu holen. Ich starrte ihn unbewusst beim Trinken an, doch ich bemerkte es erst, als er mich wieder anfunkelte. 

»Ich sagte doch, starr mich nicht an.« Sein Tonfall war genervt und etwas wütend. Müsste er das nicht eigentlich gewohnt sein? In Amerika zumindest war er einer der beliebtesten Mitglieder, so viel wusste ich. 

»Ich starrte dich nicht an.« Beleidigt ertappt und jetzt ebenfalls genervt drehte ich mich um und sah, wie Jungkook mich ansah. Nachdenklich. Was hatte er? Und warum war Jimin wieder so abweisend? Oder war er zu allen so? Eigentlich ja nicht, so viel wusste ich inzwischen über ihn. Namjoon unterbrach die peinliche Stille, die eingetroffen war, indem er das Training weitergehen ließ. 

»Und ja nicht nerven, okay?« Jungkook zwinkerte mir bei diesen Worten zu und ich grinste über sein niedliches Verhalten. Ich sah ihnen eine Weile beim Tanzen zu und es war unglaublich. Sie waren wirklich gut. Und langweilig wurde es auch nicht, weil ständig jemand irgendeinen dummen Fehler machte oder sie sich gegenseitig ärgerten. Selbst Jimin schien fröhlicher zu sein und ich genoss es, ihn so zu sehen, auch wenn er mich aufregte. Ich weiß, ich war unfair, weil er mir gestern geholfen hatte, aber das änderte noch nichts an seiner Art mir gegenüber.

~

Gegen Abend brachten mich die Jungs sogar wirklich nach Hause. Als ob ich nicht schon alt genug wäre. Trotzdem war es nett von ihnen. Also verabschiedete ich mich unten am Hauseingang von ihnen und ging rein. Erschöpft begrüßte ich meinen Dad und zog mich um. Erst als ich Jins Sachen in die Wäsche gelegt hatte, merkte ich, wie erschöpft ich war. Der gestrige Abend lag mir noch immer schwer in den Knochen und ich war es auch nicht mehr gewohnt, so viele Leute um mich zu haben. Die dazu noch laut sind und alles Männer. Mit Jungs hatte ich bisher nur begrenzt Umgang. Die meisten mochten mich nicht, weil ich zu still war. Wenn sie mich dann doch näher kennengelernt hatten, war ich doch zu aufgedreht. Mein eigentliches Problem: Ich komme nicht gut mit fremden Menschen klar. Bis auf seltene Ausnahmen.

Ausgelaugt duschte ich schnell und ging dann ins Bett. Mein Dad kam noch einmal bestätigend zu mir herein, um mir eine gute Nacht zu wünschen. Ich schrieb Madison noch schnell, dass alles okay war, weil ich nicht geantwortet hatte und mich morgen bei ihr melden würde. Dann sah ich, dass ich eine neue Nachricht hatte und einem Gruppenchat hinzugefügt wurde. Ich wusste sofort, dass die Nachricht von Jungkook war.

Unbekannt: Bist du gut in deine Wohnung gekommen?

Ich musste schmunzeln, weil ich mir schon sein besorgtes Gesicht vorstellen konnte. Er war aber auch zu süß. Bei seinem Grinsen konnte ich echt vergessen, dass er eigentlich älter war als ich.

Ich: Ja, alles gut. Ich liege gesund und unversehrt in meinem Bett. Was ist mit euch? An eurer Stelle würde ich mich nach eurer Tanzeinlage nicht mehr bewegen können ...

Jungkook schickte einen Zwinkersmiley.

Jungkook: Dafür haben wir leider keine Zeit. Außerdem sind wir das gewohnt.

Von Hoseok bekam ich ein Bild von den anderen sechs Mitgliedern, wie alle gemütlich im Wohnzimmer saßen oder lagen. Jimin schien zu schlafen. Ich lächelte.

Ich: Süß. Ein Wunder, dass ihr Zeit dafür habt. Und das auch noch ohne Kamera.

Jungkook: Kommt es bei den Fans wirklich so an, als hätten wir keine Privatsphäre mehr?

Ich: Ja, schon irgendwie ...

Taehyung: Es stimmt doch auch. Wir machen das gerne für euch, aber anstrengend ist es auf jeden Fall. Und eine Kamera ist wirklich fast immer dabei.

Ich musste lachen. Auf dem Bild von eben war er nämlich derjenige, der seine Kamera in der Hand hielt.

Ich: Das ist mies ...

Ich wusste nicht wirklich, was ich dazu sagen sollte. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass sie einfach Mitleid haben sollten, aber Scherze schienen mir auch nicht angebracht, dafür kannten wir uns noch nicht genug.

Jimin: Du solltest langsam mal schlafen gehen. Nicht, dass du morgen immer noch so aussiehst wie ein Zombie.

Ich: Tut mir leid. Manche sehen ohne Make-Up eben bescheuert aus. Nicht alle können so wunderschön sein wie du.

Sarkasmus war meistens nicht die beste Idee, aber er würde es schon verstehen.

Ich: Aber du hast Recht. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.

Damit legte ich mein Handy beiseite und vergrub meinen Kopf in meinem Kissen. Dieser Junge trieb mich noch in den Wahnsinn! Dabei kannte ich ihn erst seit ein paar Tagen. Das konnte ja noch lustig werden ...

~

Als ich am nächsten Morgen in die Küche kam, empfing mich mein Dad mit einem amüsieren Grinsen im Gesicht. Es war noch so früh, dass ich mich wunderte, dass er schon fertig hier saß. Sofort war ich hellwach, obwohl ich nur auf vier Stunden Schlaf kam und mich fühlte, als hätte mich der Tourbus von BTS überfahren.
Dad saß am Küchentisch und wedelte mit der Zeitung vor meiner Nase herum.

»Na?«, grinste er und wackelte mit den Augenbrauen, während er an seinem Kaffee schlürfte. »Hattest du gestern einen schönen Tag?«

Langsam ließ ich mich auf dem Stuhl gegenüber fallen und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.
»Wieso sagst du das und guckst dabei so gruselig?«, fragte ich verschlafen, als er mir die Zeitung hinhielt und auf eine fett gedruckte Überschrift deutete.

Hat einer der Jungs von BTS eine Freundin?

Darunter waren zwei Bilder abgelichtet von Jimin und mir, wie er mich im Dunkeln an der Hand hinter sich hergezogen hatte. Sie wurden gestern Abend im Park geschossen. Paparazzi gab es anscheinend überall und zu jeder Zeit.

»Oh nein!« Ich ließ die Zeitung auf den Tisch fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Das Management war bestimmt richtig sauer! Ich konnte schwören wie sich alles in mir zusammenzog und ich wollte auf der Stelle im Erdboden versinken. Ich las mir schnell den Text durch. In der groben Zusammenfassung stand da drin, dass ich mit ihnen gesehen wurde und nun gerätselt wird, wer ich war und welcher der beiden Jungs mein Herz erobert hatte. Es war Schwachsinn! Ich kannte Jimin kaum.

»Möchtest du mir da vielleicht etwas erklären?«, fragte mein Vater und wies mit dem Finger auf Jimin. Mit großen Augen sah ich zu ihm hoch.

»Das ist ein Missverständnis, ich schwöre!«

»Wie hast du das überhaupt angestellt?«, fragte er beeindruckt. »Es ist erst dein dritter Tag in Seoul.«

»Wenn ich das nur wüsste ... Er war plötzlich einfach da.« Und das stimmte sogar. Plötzlich fiel mir etwas auf. War er gar nicht sauer? Er sorgte sich nicht um seinen Job oder darum, dass ich die Titelstory war. Stattdessen fand er es witzig ... Er war so ganz anders als Mum.

Im gleichen Moment klingelte das Telefon meines Dads und er verließ den Raum, während ich weiterhin die Schlagzeile anstarrte. Mir viel auf, dass ich immer noch nicht mit Jimin gesprochen hatte. Ich überlegte, ob ich ihm das hier auftischen und mich gleichzeitig entschuldigen sollte, aber das kam mir zu unpersönlich vor und es schien mir nicht der richtige Weg zu sein. Also entschloss ich mich ihn einfach anzurufen. 

Während mein Handy die Nummer wählte, sah ich erneut auf den Artikel vor mir. Auf keinem der Fotos konnte man mein Gesicht erkennen. Das war auch gut so, denn ich konnte es gar nicht gebrauchen, dass sich eifersüchtige Fans auf mich stürzen, wie hungrige Wölfe.

Mein Smartphone wählte immer noch und ich wollte schon auflegen, als ein total verschlafener Jimin ranging. 

»Was ist? Alles okay?« Seine Stimme war vom Schlafen noch total rau und ich konnte nicht bestreiten, dass das irgendwie sexy klang. 

Moment, was? 

»Juhee? Warum hast du angerufen? Es ist halb fünf. Ich bin eben erst eingeschlafen.«  

»Tut mir leid«, sagte ich zerknirscht. »Ich hab vergessen, dass es erst so früh ist. Also wir sehen uns dann-« Bevor ich meinen Satz beenden konnte, unterbrach er mich schon. 

»Jetzt bin ich auch schon wach, also kannst du es mir auch sagen. Was ist los?« 

 Etwas perplex verstummte ich kurz. Die Sache mit der Entschuldigung war eine Sache, doch ich beschloss sie mir vorerst aufzuheben. 

 »Wir haben ein Problem.«                    

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