44. Kapitel

Jimin

Die Scheinwerfer schienen auf die Bühne, aber ich genoss das Gefühl der üppigen Kleidung an meinem Körper und der vielen Schminke in meinem Gesicht. Ich dachte nicht nach. Alles, was ich tun musste, war tanzen, singen und eine gute Performance ablegen.

Einen Moment lang schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Geräusche um mich herum: die lauten Beats des Songs, die Schritte meiner Bandkollegen, das Gekreische und die lauten Rufe der Fans ...

»Love you so mad ...«, sang Taehyung in das Mikrophon und ich hatte fast um ein Haar meinen Einsatz verpasst.

Ich riss die Augen gerade rechtzeitig wieder auf, um zu erkennen, dass ich jetzt an der Reihe war.

Im letzten Moment sang ich die Zeilen I'm so sick of this fake love und die ganze Arena tobte. Jungkook nickte mir kurz zu und wir führten die Choreographie weiter aus. Im Publikum zu sein wäre sicherlich ein ganz anderes Erlebnis. Auf der Bühne schlug einem die Menge wie eine Welle entgegen. Namjoons tiefe Stimme, aber auch die außergewöhnliche Kraft vermischte sich mit Yoongis brutalem Rap. Zusammen vermittelten sie Wut und Sehnsucht. Die rohe Wahrheit unserer Musik kann man nicht definieren. Man muss sie spüren.

Der letzte Ton erklang und das Licht ging aus.

Pause.

Jungkook war der Erste, der zu mir kam und mich abklatschte, die anderen Bandmitglieder folgten. Adrenalin flutete meinen Körper. Ich befand mich auf einem Hoch, von dem ich nie wieder runterkommen wollte.

Ich riss mir das befestigte Mikrophon vom Kopf und hielt augenblicklich Ausschau nach einem schwarzen Haarschopf.

Juhee stand vor der Bühne in der ersten Reihe, neben ihr ihre Freundin und Jae.

Ich prägte mir alles ein. Das Gefühl des glatten Holzbodens, als ich Juhee und ihre Begleiter zu einer Hintertür lotzte, um kurz mit ihnen sprechen zu können. Das schwitzige Gefühl meiner Hände, die ich an meiner Lederhose abrieb. Die kräftigen Züge aus meiner Wasserflasche, die ich nahm. Juhees Blick, der mich selbst aus einiger Entfernung mit einer Intensität traf, die mir noch heftiger vorkam als der Rausch, in dem ich mich durch diesen Auftritt befand. Bei ihr angekommen, konnte ich nicht anders, als zu grinsen.

»Hey«, murmelte ich und beugte mich ein wenig zu ihr runter. Der Kuss sollte eigentlich nur flüchtig werden, doch als ich Juhees Lippen an meinen spürte, konnte ich plötzlich nicht mehr aufhören.

Jae stieß ein merkwürdiges Geräusch neben uns aus, und kurz darauf lehnte sich Juhee lachend zurück.

»Also, wenn er so tanzt, kann ich ihm verzeihen, dass er einmal die Woche den Zeichenkurs schwänzt«, sagte Madison zu mir.

»Ich weiß«, gab Juhee lächelnd zurück, ohne den Blick von mir zu nehmen. »Er macht das ganz gut, oder?«

Mein Herz klopfte noch schneller.

»Hey«, sagte Tae und stellte sich neben uns. »Ich möchte auch gelobt werden.«

»Fishing for Compliments ist uncool, Taehyung«, erwiderte Madison. Obwohl ihr Tonfall Ernst war, zuckten ihre Mundwinkel. Ich blickte zu Tae, der Maddie mit einem Ausdruck im Gesicht betrachtete, den ich noch nie zuvor an ihm gesehen hatte: unbeschwert, offen und voller Zuneigung.

Ich fragte mich, ob ich Juhee auch so anschaute.

»Und, wie findet ihr die Liederauswahl?«, fragte ich kurz darauf an Juhee gewandt.

Sie lächelte mich an. »Eine gute Mischung von allem. Ich mag, dass ihr öfter eine Abwechslung von ruhigen und choreographiereichen Songs auswählt. Gefällt mir.«

Ich nickte.

»Wie fühlt es sich da oben so an, vor all den kreischenden Teenies?« Madison lachte.

Ich beugte mich zu ihr herunter. »Grins nicht so. Ich darf ja wohl ein bisschen aufgeregt sein. Man wird ja schließlich nicht immer von so einem genialen Publikum angefeuert.« Dabei zwinkerte ich Juhee zu und Taehyung teilte einen Blick mit Madison.

»Ich werde dir ein Zeichen geben, sobald du etwas verpatzt«, sagte Juhee neckend und boxte spielerhaft gegen meinen Oberarm. Noch immer lag dieses vielsagende Lächeln auf ihren Lippen, das den Wunsch in mir weckte, sie stundenlang zu küssen.

»Versprochen?«, fragte ich amüsierend.

Sie nickte und schaute in die Runde. Dann umfasste sie mein Gesicht mit beiden Händen und zog mich für einen Kuss zu sich herunter.

»Komm, Jimin«, sagte Taehyung dann und stieß mit der Schulter gegen meine. »Die Pause ist gleich vorbei. Ich bin mir sicher, da geht noch mehr.«

Ich lächelte Juhee noch einmal zu, bevor ich mit Tae kehrtmachte und zurück in Richtung hinteren Bühnenaufgang ging. Währenddessen dachte ich an den Beginn der Ferien zurück. An den Tag, wo Juhee vor mir lag und ich sie ausgelacht hatte. Ich hatte sie für einen verrückten Fan gehalten.

Seitdem hatte sich mein Leben um hundertachtzig Grad gedreht. Alles, was ich dachte, in naher Zukunft nicht erleben zu können, hatte sich zum Glück nicht in Luft aufgelöst. Statt mich nur auf meine Karriere zu fokussieren, hatte ich den Mut aufgebracht, mich gegen eine Regel zu entscheiden, keine Freundin haben zu dürfen.

Juhee hatte ihren Vater hinter Gitter gesetzt und bereits ein neues Leben angefangen. Mit mir.

Ich hatte gelernt, dass es wenig Sinn ergab, krampfhaft an irgendwelchen Plänen festzuhalten. Zu Beginn dieser Ferien hatte ich alles als eine Art Countdown zum Ende meines unbeschwerten Lebens empfunden, doch jetzt ... jetzt fühlte es sich an wie ein Anfang. Auch wenn ich tief im Inneren immer mit dem zu kämpfen haben werde, was geschehen war, hatte sich meine Perspektive auf das Leben grundlegend geändert.

Ich wusste, dass Taehyung sich auf den letzten Erfolg unseres letzten Konzerts bezogen hatte, aber ich grinste ihn von der Seite an.

»Und wie da mehr geht«, sagte ich und meinte es von ganzem Herzen.

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