2. Kapitel
Juhee
Das Haus in dem er wohnte war viel größer als ich erwartet hatte. Als ich aus dem Auto stieg, welches so unscheinbar aussah und das große Haus anstarrte, was protzig über die anderen Häuser lachte, wurde mir ganz mulmig im Magen. Vorsichtig schielte ich zu meinem Dad herüber, der meinen Koffer aus dem Auto schwang, als wäre er leicht wie eine Feder. Toll, wenn man bedachte, dass ich das Ding angehoben hatte, hätte ich Steine, statt Klamotten mitgenommen.
»Na komm.« Er lächelte mich an und ging den schmalen Gartenweg entlang zur Haustür. Noch immer umhauen von der Größe des Hauses, schlug ich langsam die Autotür zu und folgte ihm. Bewundernd musste ich ihm eingestehen, dass sein Garten wirklich gepflegt war. Auch die Blumen wuchsen in schönen kräftigen Farben. Ob er sich selbst darum kümmerte oder, ob er einen Gärtner hatte?
»Als was arbeitest du eigentlich, damit du dir so ein Haus leisten kannst?«, fragte ich neugierig. Mum hatte mal irgendetwas von einem Büroangestellten erwähnt. Aber wenn ich das alles so sah, konnte ich es nicht glauben.
Er schloss die Haustür auf und trug meinen Koffer in das Haus.
»Ich bin einer der Geschäftsführer von BigHit«
Ich stolperte über die Türschwelle.
BIGHIT?!
Mit aufgerissenen Augen und eine Hand an dem Schuhschrank, zu meiner rechten, starrte ich meinem Dad nach, der fröhlich in die Küche lief.
Scheiße, was?! Also das war definitiv kein Bürojob in der Art, wie ich es erwartet hatte.
»Ähm, entschuldige. Ich glaube ich habe es nicht ganz verstanden.« Schwafelnd wedelte ich mit meiner Hand hin und her, als ich mich an den Türrahmen der Küche lehnte, während mein Dad seine Zutaten für das Kimchi herauskramte.
Die Küche war riesig und mit einer Kücheninsel in der Mitte. Es gefiel mir und unter anderen Umständen, hätte ich ihr sicherlich noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt, aber gerade hatte ich andere Prioritäten.
»Ich sagte, dass ich einer der Geschäftsführer von BigHit.«
»Also doch«, brachte ich gerade noch heraus, als meine Knie drohten nachzugeben und ich eine Hand an mein Herz legte. Ich muss wohl leichenblass geworden sein, denn er sah mich plötzlich ziemlich besorgt an.
»Ist alles in Ordnung? Hast du einen Jetlag?«
»Ich ... ähm ...«
Luft holen, Juhee!
»Badezimmer?« Das letzte Wort quickte ich heraus.
»Treppe rauf und dann die erste Tür links.«
Und schon rauschte ich die Treppenstufen nach oben.
Sobald die Tür hinter mir ins Schloss fiel, sackte ich mit dem Rücken an ihr herunter. Meine Beine hatten nun endgültig ihren Dienst versagt. Warum zum Teufel hat mein Vater bei BigHit Anteile und warum verdammt nochmal, wusste ich das nicht!
Hallo? BTS war dort unter Vertrag! Es wäre meine Chance Jimin zu treffen!
»Oh Gott!« Ich zog die Beine eng an meinen Körper und vergrub mein Gesicht in den Händen.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein.« Als ich zu Madison sagte, dass ich BTS treffen wollte, war es ein Witz gewesen. Nichts weiter als ein dummer Scherz! Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass dieser Mann, den ich kaum kannte der Schlüssel zu meinem Glück war?
Ich krabbelte herüber zum Waschbecken und zog mich an ihm nach oben. Meine Haare waren noch immer völlig zerzaust und mein Eyeliner war auch verlaufen. Ich sah aus wie ein Waschbär.
»Entspann dich, Juhee« Ich zeigte durch das Spiegelbild mit dem Zeigefinger auch mich. »Die würden dich da gar nicht reinlassen! Und wenn doch, heißt das noch lange nicht, dass du da auch die Jungs triffst.« Ich wusch mit meinem Zeigefinger an meinem Augenlied herum, um das schlimmste zu reparieren, aber keine Chance. Seufzend betrachtete ich mein Spiegelbild.
»Sie würden mich so oder so rausschmeißen, weil sie mich für einen verrückten Groupie halten.« Und schon war ich traurig. Es war schlimm wie sich innerhalb von Sekunden die Stimmung verändern konnte.
Ich schloss meine Augen.
Okay, du wirst jetzt erst einmal duschen und dich umziehen und dann gehst du mit neuem Selbstvertrauen nach unten und zwingst deinen Dad dazu dich mit zu seinem Job zu nehmen.
Frisch geduscht und umgezogen fühlte ich mich tatsächlich viel besser.
Ich warf meine Haare zurück und trat aus dem Badezimmer. Meinen Koffer stellte ich in einem Raum am Ende des Flures, auf dem mein Name in einer schnörkligen Schrift stand. Naja, stellen war untertrieben. Viel mehr fiel mir mein Koffer aus der Hand, als ich sah wie groß der Raum war. Ich hatte sogar einen eigenen, kleinen Balkon. Der Fußboden war hell und das Bett groß genug, dass drei Leute darin schlafen konnten. Ein riesiger Kleiderschrank stand zu meiner rechten an der Wand. In der anderen Ecke auf der linken Seite, gab es eine Leseecke mit einem Regal voller Bücher, der als Raumteiler diente. Eine große helle Truhe stand am Fußende meines Bettes. Als ich sie öffnete, entdeckte ich frische Bettwäsche. Lächelnd setzte ich mich auf sie. Dieses Zimmer war einfach wunderschön. Woher mein Vater es wohl wusste? Oder hatte er es so eingerichtet, wie es ihm selbst gefiel?
»Hier kann ich es den Sommer über aushalten«, sagte ich zufrieden zu mir selbst und genoss noch eine Weile den Anblick, bevor ich mein Handy und das dazu passende Ladekabel aus der Handtasche zog, um endlich mein Handy aufzuladen. Sobald es an war, öffnete ich WhatsApp und schrieb Madison.
Ich: Ich weiß, dass es bei euch gerade sehr früh ist, aber schau dir mal dieses Zimmer an!
Ich fotografierte das Zimmer und schickte ihr das Bild.
Ich: Das ganze Haus ist so riesig!
Ihre Antwort wartete ich gar nicht erst ab, sondern machte mich gleich nach unten auf den Weg in die Küche, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.
»Es riecht gut«, sagte ich und hielt die Nase in die Luft, während ich mich an den großen Küchentisch setzte.
»Danke, es ist gleich soweit.«
Während des Essens führten wir viele höfliche Gespräche.
Wie es mit meinen Freunden so läuft (das Thema Jungs kam zum Glück nicht)?
Ob es mir gut ginge?
Was ich jetzt mit dem Schulabschluss tun würde?
Was meine Hobbys waren?
Wie es ihm ging?
Ob er eine neue Familie hatte? (Hatte er anscheinend nicht.)
Und er sagte mir, dass er sich sehr freue, dass ich ihn endlich besuchte.
»Ich habe sehr lange darauf gewartet. Deine Mutter wollte es immer nicht, aber ich freue mich, dass sie endlich zugestimmt hatte« Lächelnd schob er sich Kimchi in den Mund. Ich konnte nicht anders, als ihn dabei zu beobachten. Die Art wie er lächelte oder sprach. Und auch seine Gestik, um gewisse Dinge zu unterstreichen ... ich kannte sie von mir. Ja, es war merkwürdig meinen Vater nach all den Jahren wieder zu sehen, aber es war auch schön. Ich hatte endlich Antworten auf meine Fragen.
»Ja, ich freue mich auch.« Dass Mum fuchsteufelswild wurde, weil ich hier war und dass wir uns deshalb sehr stark gestritten hatten, wollte ich nicht erwähnen. Ich wollte nicht einmal selbst daran denken.
»Darf ich dich mal etwas fragen?«
»Was denn?« Dad legte die Gabel beiseite und hob fragend eine Augenbraue.
»Wenn du bei BigHit bist ... kennst du dann auch BTS?« Ich versuchte es beiläufig klingen zu lassen, aber das war gar nicht so einfach, wenn man bedachte wie lange ich schon auf diese Band stand.
»Ja, aber nur flüchtig. Sie sind immer am Trainieren, wenn ich in der Geschäftsleitung sitze. Manchmal«, er lachte, »da schneiden sie Grimassen in die Kamera vor meinem Büro. Aber sonst kenne ich sie nicht. Bang Shi-hyuk kümmert sich mehr um sie. Ich übernehme protokollarische Aufgaben. Wieso? Kennst du sie?«
»Ja, sie sind in Amerika sehr bekannt.«
»Oh wirklich?«
»Mhm.«
Entspannen, Juhee. Sonst wird das hier nichts.
»Dein Job klingt so spannend. Meinst du ich kann da mal mitkommen?«
Er verzog das Gesicht und ich konnte deutlich sehen, wie leid es ihm tat mich enttäuschen zu müssen.
»Ich denke nicht. Tut mir leid. Aber dort dürfen sich nur Leute aufhalten, die da auch arbeiten.»
»Gibt es keinen Bring deine Tochter mit zur Arbeit Tag?«, fragte ich hoffnungsvoll.
Sein Mund verzog sich zu einem amüsierten Lächeln.
»Tut mir leid, nein.«
Ich ließ traurig die Schultern fallen und schob meine Unterlippe nach vorne.
»Und wenn ich verspreche nichts anzustellen? Ich möchte nur selber gerne eine Choreo durchgehen.«
»Kannst du das nicht hier tun? Das Wohnzimmer ist groß genug, wenn du den Tisch beiseitestellst.« Er fühlte sich sichtlich unwohl bei dem Gedanken.
»Bitte. Ich stelle auch nichts an. Wir haben uns ewig nicht gesehen und ich würde so gerne sehen, wo du arbeitest.« Dass ich verrückt nach BTS war, musste er ja nun nicht unbedingt wissen.
»Juhee ...«
»Bitte, Dad. Lass mich mitkommen. Vielleicht finde ich ja dort meinen Traumberuf? Sieh es als eine Art Praktikum.«
~
»Ich fasse es nicht, dass ich zugestimmt habe«, sagte er einen Tag später, während er den Wagen durch Seoul fuhr.
»Ich bin sehr überzeugend«, grinste ich zufrieden und schaute aus dem Fenster.
»Das hast du von deiner Mutter! Die hat auch immer ihren Willen kommen.«
Kurz herrschte Schweigen. Irgendwas lag in seinem Blick, doch ich hielt es nicht für wichtig.
»Vergiss es«, bat er leise. »Lass uns nicht darüber reden.«
Ich nickte und sah wieder aus dem Fenster.
»Aber es gibt Regeln«, sagte mein Vater und bog nach rechts ab. »Erstens, kein Hin und her Gerenne, zweitens, du sprichst mit niemanden, drittens, es ist das einzige Mal und viertens, du gehst direkt zu Tanzstudio 6B und kommst nach einer Stunde wieder.«
»Eine Stunde?!«, fragte ich empört und mein Kopf schellte in seine Richtung. »Das ist viel zu kurz! Da bin ich gerade erst aufgewärmt!«
»Gut, zwei.«
»Fein.« Es war nicht ideal, aber solange ich mitdurfte, ließ ich diese Regel über mich ergehen.
Es lief alles wie am Schnürchen und ich fragte mich, wieso er anfangs so ein Aufstand darum gemacht hatte. Die Leute fragten nicht einmal wer ich war, als sie mich und ihn zusammen sahen. Als wir bei seinem Arbeitsplatz ankamen, erklärte er mir zum fünften Mal an diesem Tag den Weg.
»6B« Ich lächelte ihn charmant an. Es war schon immer meine Geheimwaffe gewesen. »Ich weiß, Dad. Danke!« Ich warf ihm eine Kusshand zu und verschwand so schnell es ging den Flur entlang.
BTS zu treffen kam mir nicht einmal in den Sinn. Darum ging es mir auch gar nicht mehr. Was ich wollte war, mir anzusehen wie es hier aussah. Wo die Jungs trainierten. Wo sie aßen, wenn sie Pause hatten. Welche Leute sie regelmäßig sahen, wenn sie den Gang entlangliefen. Es war wie ein Traum, eine völlig neue Welt. Und jetzt war ich ein Teil davon ... für heute.
Das Tanzstudio fand ich recht schnell. Zuerst wusste ich nicht, was ich machen sollte und lief vor der Tür auf und ab. Was, wenn es besetzt war? Ich konnte ja nicht einfach so hereinplatzen. Und wenn es leer war, verschwendete ich sinnlos Zeit. Dad sagte, dass der Raum heute unbenutzt war.
Okay, Zeit mutig zu sein. Ich atmete tief durch klopfte zuerst zaghaft, dann etwas doller gegen die Tür. Kurz drehte ich mich zu der Überwachungskamera im Flur um. Ob mein Vater mir dabei zusah, wie ich mich so anstellte? Bitte lass ihn das nicht gesehen haben.
Als keine Reaktion von drinnen kam, öffnete ich vorsichtig die Tür und steckte zuerst den Kopf durch den Schlitz. Mein Herz schlug wie wild, aber es war niemand da. Erleichtert trat ich in den Raum und schloss die Tür. Gleich gegenüber an der Wand war ein riesiger Spiegel. Selbstverliebt musste ich feststellen, dass mein Sportoutfit gar nicht so übel aussah. Besonders meine grünen Nikeschuhe sahen klasse aus!
Das erste was ich tun wollte, war mich freudestrahlend über den hellen Fußboden zu rollen. Wer weiß wie viele populäre Idolfüße ihn schon betreten hatten! Aber das wäre selbst für mich zu schräg, also ließ ich es.
Nach meiner Aufwärmphase, schaltete ich mein Handy an und tanzte zu I NEED U, sowie FIRE. Selbstverständlich tanzte ich Jimins Part. Es war anstrengend und furchtbar warm in diesem Raum, aber ich hielt mich tapfer. Das war der Preis dafür ihre Tänze zu können. Und wieder einmal hatte ich großen Respekt vor ihnen, dass sie es auf der Bühne schafften jeden Song zu tanzen und zu singen, ohne dabei umzufallen.
Meine ein Liter Wasserflasche, trank ich in einem Zug halb leer.
Okay, ich hatte noch eine halbe Stunde. Welchen Song jetzt? Ich scrollte die Lieder meiner Playlist durch und blieb bei Boy Meets Evil hängen. Jung Hoseok ist ein begnadeter Tänzer. Ich war nicht einmal halb so gut wie er aber ich liebte diesen Song und ich liebte diese Schritte. Also schaltete ich den Song ein und schloss dabei die Augen.
Die ersten Takte begannen und ich fing an zu tanzen. Ich hielt mich ganz gut, anfangs. Aber da war immer wieder die gleiche Stelle, die ich einfach nicht hinbekam. Dieser dämliche Rückwärtssalto. Jedes Mal war es der Moment, wo ich stoppte und von vorne begann. Ich übte es so oft. Immer und immer wieder.
Völlig durchgeschwitzt, schaltete ich diesen Song ein letztes Mal ein. Meine Klamotten klebten an meinem Körper, aber das war mir jetzt nicht wichtig. Mein Kampfgeist war geweckt und ich wollte diese Schritte einfach schaffen!
Also schloss ich meine Augen, um die Musik besser fühlen zu können und begann von vorne. Dieses Mal klappte es und ich war sehr stolz auf mich selbst. Ich tanzte die letzten Takte und kam schließlich schwer atmend zum Stehen. Am Ende machte ich ein paar peinliche Dancemoves die meine Freude darüber ausdrückten, dass es endlich geklappt hatte.
Die Musik verklang und als ich mich umdrehte, merkte ich, dass ich nicht mehr alleine war.
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