17. Kapitel

Juhee

Die Autofahrt verlief schweigen. Tae summte zwar leise zur Musik mit, während er das Auto durch den Feierabendverkehr steuerte, aber Madison gab von er Rückbank keinen Laut von sich. Sie flippte innerlich völlig aus, das wusste ich und es brachte mich wieder rum zum Grinsen. Um die Stimmung etwas aufzulockern, stimmte ich in Taehyungs Gesang mit ein schmetterte einen Song nach dem nächsten.

Durch meinen Seitenspiegel, sah ich Madison vor sich hin grinsen. Sie konnte nicht fassen, wer in diesem Auto war und ich konnte immer noch nicht glauben, dass sie wirklich hier war!
Tae fuhr uns direkt vor die Haustür meines Dads, ehe er die Musik leiser drehte und sich zu meiner besten Freundin nach hinten umdrehte.

»Es war mir eine Freude dich kennen zu lernen.«

Maddie nickte und zeigte ihr strahlendes Lächeln, womit sie in Amerika einfach jeden um den Finger wickeln konnte. Auch Taehyung schien darauf zu reagieren, denn sein Lächeln wurde noch breiter.

»Vielen Dank fürs abholen.« Madisons Stimme war höher, als ich es von ihr kannte. Aber wenigstens hatte sie es geschafft einen vollständigen Satz zu sagen. Sie stieg oder floh eher aus dem Auto, noch bevor ich die Tür öffnen konnte.

»Danke, Tae. Du hast mir wirklich geholfen.« Meine Hand wanderte bereits zum Türgriff. »Sag Bescheid, wenn ich etwas für dich tun kann.« Doch gerade als ich aussteigen wollte, verschlossen sich die Türen.

»Was ...« Ich konnte es nicht fassen und ruckelte doller an der Tür, was natürlich gar nichts brachte. Erst dann realisierte ich, was passiert war.

Taehyung hatte die Türen verschlossen.

»Was soll das?«, fragte ich fassungslos und schlug ihn auf den Oberarm.

»Au! Ich will doch nur mit dir reden.«

»Und das konntest du nicht auf der Hinfahrt, als wir Zeit hatten?«, fauchte ich ihn an. Ich sah Madison an der Haustür warten. Per Handzeichen versuchte ich ihr zu verstehen zu geben, dass ich noch eine Weile brauchen würde. Sie nickte, wenn auch nicht gerade begeistert und lehnte sich an die Hauswand.

Böse sah ich zu Taeyhung. »Also?«

»Sieh mich bitte nicht so an. Es ist schon schwer genug das anzusprechen.« Er holte tief Luft. 

»Jimin und Jungkook greifen sich nur noch an. Und das macht mir Sorgen, weil wir sonst immer zusammengehalten haben, aber gerade habe ich Angst, dass es die Band in zwei reißen könnte.« Er sah mich ernst an, während mir das Herz in die Hose rutschte.

Oh, scheiße! Ich schluckte schwer und versuchte unschuldig drein zu blicken, während ich nervös an meinen Armbändern herumfummelte.

»Warum sagst du es mir?«

»Ich denke du weißt, wieso.« Er ließ den Kopf seufzend nach hinten gegen die Kopflehne fallen. 

»Ich bin nicht Namjoon und kann sowas nicht so gut, aber es betrifft mittlerweile uns alle.«

»Ich weiß wirklich nicht, wie es dazu kam«, versicherte ich leise. »Und ich weiß auch nicht wie ich es beenden kann.«

»Aber dir ist klar, dass es um dich geht?«

»Ja, völlig.«

»Gut, denn dann solltest du mit einem von beiden reden.« Er sah zu mir und sein Gesicht war so ernst, wie noch nie. »Du musst dich entscheiden.«
Entscheiden. Wenn das mal so einfach wäre.
Jungkook war süß und aufmerksam.

Aber Jimin war einfach Jimin. Mich zu entscheiden würde bedeuten, einen Teil von mir zu verraten. Aber es nicht zu tun, könnte die Band zerstören.
Ich nickte langsam und hörte das vertraute Klicken einer sich öffnen Tür. Schnell sprang ich aus dem Auto und rannte zur Haustür. Tae hörte ich wegfahren, oh mich umdrehen zu müssen.

»Alles okay?«, fragte Madison besorgt und stieß sich wieder von der Wand ab.

»Erzähl ich dir gleich«, antwortete ich und schloss die Haustür auf. Maddie schlüpfte in das Haus und ich zog die Tür wieder hinter mir ins Schloss. Als ich mich umdrehte, sah ich wie sie vor Freude durch das Wohnzimmer tanzte.

»Geht es dir gut?«, wollte ich wissen, als ich den Raum betrat. Doch anstatt mir zu antworten, griff sie hastig nach meinem Handgelenk und zog mich beiseite auf die vor uns stehende Couch.
Ihre Augen öffneten sich und Madison knirschte mit den Zähnen.

»Warst du das?«, fragte sie mich atemlos.

»War was?«, fragte ich gespielt unwissend und schmunzelte leicht.

»Na, Taehyung natürlich!«, flüsterbrüllte sie und verstärkte den Schmerz an meinem Handgelenk.

Ich schluckte. »Ich hatte einen Fahrer gebraucht und da mein Dad arbeitet hatte, bin ich auf ihn zugegangen und ihm um einen Gefallen zu bitten« Nun grinste ich leicht triumphierend und wertete das als Erfolg, da sich ein breites Grinsen in Madisons Gesicht breitmachte.

»Du bist ... ah!« Sie schrie und erschrak danach selbst, drückte mich und ich wurde in die Lehne der Couch gedrückt. Schnappartig holte ich nach Luft und versuchte mich krampfhaft aus ihrer festen Umarmung zu lösen. Aber sie drückte mich nur noch enger an sich heran und quietschte vor Freude.

»Danke, danke, danke! Du bist die beste Freundin der Welt!«
Ich sah in das Gesicht des Mädchens, welches Meilenweit von Amerika nach Korea geflogen war, weil ich einen Nervenzusammenbruch hatte. Ich denke, der Titel gehörte ihr.

»Oh mein Gott! Ich fasse es nicht!« Fröhlich ließ mich meine Freundin los und tanzte weiter durch das Wohnzimmer. »Er sieht in Natura noch besser aus! Und diese Stimme ... Gott, sie ist so tief und wunderschön! Und er ist so freundlich!« Sie sprang wie Rumpelstilzchen um das Sofa.

»Ich kenne Kim Taehyung! Ich kenne Kim Taehyung!« Sie hob die Hände in die Luft.

Okay, jetzt drehte sie völlig durch!

»Beruhig dich wieder!«, lachte ich und ließ mich auf das Sofa fallen. »Wenn die Jungs dich so sehen, wird es bei dieser einen Begegnung bleiben.«

»Du hast Recht!« Freudestrahlend nahm sie die Hände runter und setzte sich zu mir auf das Sofa.

»So jetzt kläre mich über die Neuigkeiten auf. Wie läuft es mit Jimin?«
Also erzählte ich ihr alles was sie noch nicht wusste.
Sie hörte mir aufmerksam zu und nickte verstehend, während sie ihren Arm an der Rückenlehne bettet und ihren Kopf darauflegte. Als ich fertig war, sagte sie eine ganze Weile nichts. Also wartete ich und beobachtete genau wie sie gedankenverloren auf ihrem Daumennagel kaute.

»Taehyung hat Recht, du musst dich entscheiden.«

»Ich weiß«, murmelte ich.

»Und für wen?«, fragte sie und sah mir dabei fest in die Augen.
Doch ich starrte nur ausdruckslos zurück und senkte am Ende den Blick. Das war Antwort genug für sie, denn Madison zog mich wissend in eine feste Umarmung.

~

Die nächsten Tage besuchte ich den Kunstkurs regelmäßig. Von Jimin und Jungkook war jedoch keine Spur. Ich saß alleine auf meinem Platz und erledigte still die Aufgaben. Aber so richtig konzentrieren konnte ich mich nicht. Immer wieder tauchte in meinem Kopf das Bild auf, in dem Jimin Jungkook und mich in meinem Zimmer sitzen sah. Er sah so wütend aus ... und so enttäuscht. Ich wollte ihm schreiben, wollte ihm alles erklären, aber irgendetwas hielt mich einfach davon ab. 

Ich starrte das Display meines Handys an. Tag und Nacht. Wie sehr ich ihn vermisste ... Aber nichts. Er schrieb nicht. Er rief nicht an. Gar nichts.
Auch Jungkook hatte ich unwissend vor den Kopf gestoßen. Ich hatte seine Gefühle verletzt und wusste einfach nicht wie ich das wieder geradebiegen sollte. Ich hatte erwartet ihn in diesem Kurs zu treffen, damit wir reden konnten, aber auch er kam nicht. Nicht einen einzigen Tag, seit einer Woche.

Traurig betrachtete ich mein gezeichnetes Bild. Wir sollten das Stillleben einer Obstschale abmalen. Es war ein Kinderspiel. Innerhalb von einer halben Stunde hatte ich sie eins zu eins abgezeichnet, ohne mehrmals hinzuschauen. Die restliche Zeit nutzte ich um englische Wörter in die Ecke des Bildes zu schreiben. Klein, kaum wahrnehmbar standen sie da und lachten mich aus.

Love.
Jealousy.
Longing.
Hope.
Luck.
Sorrow.


Mein Handy blinkte auf. Ich hatte es unter eines meiner Zeichenmappen geschoben, damit die Kunstlehrerin es nicht mitbekam. Mein Herz schlug schneller. War es Jimin?
Die Lehrerin drehte sich um, um an die Tafel zu schreiben, als ich unauffällig auf mein Handy schielte. Enttäuschung traf meinen Stolz sehr hart, als ich sah, dass es nur Tae war. Er hatte mir ein weiteres Katzenvideo geschickt. Er war der Einzige, der mir regelmäßig schrieb und mir Videos von süßen Tieren zusendete. 

Ich lächelte leicht. Er war mir sehr ans Herz gewachsen, weil er versuchte mich aufzuheitern. Manchmal trafen wir uns und gingen Essen oder ins Kino. Dabei redeten wir nicht über Jimin oder Jungkook, denn Taehyung wusste, dass es ein Tabuthema für mich war. Er war einfach für mich da, genau wie Madison. Obwohl sie in letzter Zeit immer häufiger irgendwo hin verschwand und mir nicht sagen wollte, wohin. Normalerweise wäre ich zu neugierig gewesen, um es einfach so stehen zu lassen. Aber ich wollte es wirklich nicht wissen.
Gedankenverloren kritzelte ich ein kleines Herz neben dem Wort Longing.

Würden Jungkook und ich je wieder Freunde sein? Würden wir das können? Ich vermisste ihn sehr in diesem Kurs. Mit ihm zu Zeichnen war, als würde ich über meinen Tellerrand hinausschauen. Es war befreiend und berauschend. Er inspirierte mich und zwang mich dazu meine Möglichkeiten auszuschöpfen.
Dass ich mit meinem Bleistift immer wieder in kurzen Abständen auf meinen Zeichenblock klopfte, bemerkte ich erst, als sich eine Junge vor mir umdrehte und mich böse ansah.

»Kannst du das auch lassen?«, fragte er genervt.

»Entschuldige«, murmelte ich schnell und ließ den Stift fallen.
Wie es Jimin wohl ging? Was er gerade wohl tat? Dachte er auch an mich? Vermisste er mich?

Hasste er mich?
Liebte er mich?

Gott, das war alles so frustrierend! Mit einem lauten Knall ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen und der Junge vor mir drehte sich erneut zu mir herum. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, sah ich ihn so böse an, dass er sich keinen weiteren Kommentar traute und wortlos wieder nach vorne schaute.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und betrachtete trübsinnig mein Handy. Vielleicht sollte ich ihn einfach anrufen. Aber was war, wenn er nicht mit mir reden wollte? Was war, wenn er mich nie wiedersehen wollte?

Mir fehlte seine Stimme, die so wunderschön klang, genauso wie sein Gesang.
Mir fehlten seine Augen und das spitzbübische Funkeln in ihnen.
Mir fehlte sein Geruch, bei dem ich mich sofort Zuhause fühlte.
Mir fehlte sein Lächeln, womit er mein Herz zum Rasen brachte.

Ohne ihn fühlte ich mich so leer.

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