13. Kapitel
Juhee
Jimin sah mich auffordernd an und schob mir sein Blatt Papier vorsichtig herüber. Gleichzeitig wollte er nach meinem greifen, aber als mir einfiel, dass ich gerade eine Liebeserklärung auf dieses Blatt gekritzelt hatte, kam das überhaupt nicht in Frage!
Schnell schob ich es ein Stück weg.
»Sei nicht so neugierig«, feixte ich, ohne zu ahnen, dass es ihn nur noch neugieriger machte.
»Zeig es mir«, bat er schmollend und schaute mich so süß an, dass ich ihm fast nicht nur mein Blatt gereicht hätte, sondern auch noch die Hand für einen Heiratsantrag.
»Nein, das geht nicht.«
»Wieso?«
»Ich, ähm ... habe nichts geschrieben.«
Oh ja, klasse. Der Typ ist doch nicht blind! Er sieht, dass du sogar die Ränder beschrieben hast, weil der Platz nicht ausreichte!
»Gar nicht wahr«, lachte er und griff erneut danach, aber ich war wieder schneller.
»Wollen wir doch mal sehen, was du geschrieben hast.« Jungkook tauchte plötzlich hinter Jimins Rücken auf und griff nach seinem Blatt Papier. Dieser wollte es ihm entreißen, aber Jungkook schirmte ihn ab.
»Sie hat zwei Augen. Eines davon ist größer. Die Pupillen sind braun. Ihre Haare sind schwarz und sie hat leichte Wellen. Ihre Nase -« Jungkook unterbrach sich selbst und schüttelte den Kopf.
»Ist das dein Ernst? Du verstehst wirklich gar nichts von Kunst! Wie willst du jemals ein gutes Bild malen, wenn deine Auffassungsgabe so grob und oberflächlich ist?«
»Hey!« Wütend entriss Jimin ihm das Papier. »Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt!«
»Du hättest meine Meinung aber dringend nötig! Willst du wissen, wie ich Juhee beschrieben habe? Es ist nämlich sehr viel detaillierter!« Er wedelte mit seinem Blatt Papier vor Jimins Nase herum. Dieser griff danach und funkelte Jungkook wütend an, während er die Zeilen las. Moment, er hatte mich auch beschrieben?
Taehyung gesellte sich an meine Seite und legte mir brüderlich einen Arm auf die Schulter. Erst als ich die Wärme seiner Hand spürte, bemerkte ich, dass ich die Hände zu Fäusten geballt hatte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Gleichzeitig entspannten sich meine Schultern wieder und auch mein Gesicht.
»Solltest du nicht eigentlich mich bewundern?«, fragte Taehyung gespielt beleidigt und schmollte etwas. Aber Jungkook winkte nur ab.
»Ich könnte dich blind zeichnen. Dafür brauche ich keine Notizen.«
Es wühlte mich innerlich völlig auf, als sie sich alle so anfuhren. Auf der einen Seite, machte es mich traurig mit anzusehen, dass sie sich stritten. Dann war ich wütend, weil ich nicht verstand wieso und verwirrt war ich auch, weil auffällig oft mein Name fiel.
War ich der Grund?
Der Unterricht war vorbei. Aber vor meinen Augen flimmerten dunkle Flecken. Ich fühlte mich, als würde ich durch den Nebel schauen. Am Rande bekam ich mit wie meine Mitschüler den Raum verließen, niemand beachtete mich oder die Streithähne.
Jimin und Jungkook standen sich schweigend gegenüber. Jimin war richtig sauer und Jungkook hob provozierend eine Augenbraue.
Was war nur los mit ihnen?
»Geht es dir gut?«, hörte ich Taehyung fragen. Ich wandte ihm meinen Kopf zu, aber ich konnte ihn nicht richtig sehen. Ich fühlte mich wie benebelt.
»Ich ... ich muss hier raus.« Erst als ich das Gebäude verließ, bemerkte ich, dass mein Gesicht völlig nass war. Ich weinte, aber wieso?
Was war nur los mit mir? Oder was noch wichtiger war, was war nur los mit ihnen? Waren sie jetzt völlig verrückt geworden? Sich mitten im Unterricht anzukeifen, war doch bescheuert! Somit riskierten sie einen Rauswurf. War ihnen der Kurs wirklich so egal?
Erst als ich an einem kleinen See auf dem Campus ankam, hatte ich mich halbwegs beruhigt und meine Gefühle wieder völlig im Griff. Ich setzte mich auf einen großen Stein und betrachtete meine Füße.
Es verging eine Weile. Eine Stunde. Vielleicht auch nur eine halbe. Ich wusste es nicht. Mein Zeitgefühl war völlig verloren. Es war unwichtig, sowie einfach alles andere auch. Vielleicht hätte ich bei ihnen dazwischen gehen müssen. Vielleicht hätte ich ihnen sagen müssen, wie blöd sie sich aufführten - Wie Kinder. Es gab so viel, was ich hätte tun können. Stattdessen bin ich weggelaufen. So wie ich es immer tat, wenn es Ernst wurde.
»Juhee!« Ich drehte mich ruckartig um und erblickte Taehyung, der völlig außer Atem vor mir zum Stehen kam. Ich konnte kaum verstehen was er mir sagen wollte, da er zu schlimm hechelte. Er war so besorgt, dass er mir schon richtig Angst machte.
»Komm mit.« Er nahm mich am Handgelenk und zog mich hastig hinter sich her.
»Taehyung, was ist denn los?« Ich war mir nicht sicher ob er mich gehört hatte. Er antwortete mir auch nicht. Zum Glück waren meine Tränen schon getrocknet, die ich auf dem Weg zum See vergossen hatte. Das wäre mir vor ihm sonst zu peinlich gewesen, obwohl meine Augen noch ziemlich rot gewesen sein mussten.
Als wir dann einige Zeit gelaufen waren merkte ich, dass wir zum Vorhof des Campus gelaufen sind. Von weitem erkannte ich Jimin mit einem Schüler aus meinem Zeichenkurs. Die beiden standen voreinander und schrien sich an. Der Campus war leer. Ich sah mich um und erblickte die anderen vier. Sie standen nur da und machten nichts. Plötzlich hörte ich einen Aufschrei und sah dann wieder zu den Beiden rüber.
Der Junge, es ... war Jungkook, hielt sich die Nase, während Jimin mit geballter Faust vor ihm stand und ihn weiter beschimpfte. Ich sah beide mit großen Augen an. Die anderen standen einfach nur da und sahen ihnen zu. Wann kamen sie denn bitte hierher? Schnell und ohne nachzudenken, rannte ich auf die beiden zu, da Jimin Jungkook zu Boden warf und sich auf ihn setzte. Er schien nicht einmal gemerkt zu haben, dass ich dazu gekommen war. Doch bevor ich die beiden Streithähne erreichen konnte, stellte Namjoon sich mir in den Weg und fing mich ab. Als ich jedoch über seine Schulter blickte, schrie ich.
Jimin hob seine Faust und hielt Jungkook zudem noch am Kragen. Das konnte ich mir nicht ansehen, denn Jimin hatte eine Wut in seinem Gesicht, die man nicht beschreiben konnte. Doch noch bevor ich sehen konnte wie er zuschlägt, drückte ich mein Gesicht in Namjoons Brust. Ich spürte wie er seine Arme um mich legte. Doch diesmal hörte ich nicht Jungkooks sondern Jimins Stimme schreien. Zwar nicht laut, aber er musste Schmerzen haben. Ich blinzelte über Namjoons Schulter und sah wie Jimin sein Auge hielt. Er sah zu mir. Er muss durch meinen Schrei abgelenkt worden sein, als Jungkook ihn schlug. Nun rannten aber Jin und Yoongi zu ihm, um ihn von Jungkook herunterzuziehen. Er jedoch rührte sich nicht und sah mich ohne Unterbrechung an. In der Zeit kassierte er noch einen, aber nicht ganz so kräftigen Schlag. Doch als er dann endlich wieder auf eigenen Beinen stand, richtete Jungkook sich wieder auf. Als er dann einen Schritt auf Jimin zumachte, kamen auch schon Hoseok und Namjoon und schubsten ihn weg.
Nur Tae, welcher mich hierhergeholt hatte, stand im Abseits und sah etwas verstört aus. Jimin befreite sich dann von dem Griff von Jin und Yoongi mit einem starken Schütteln. Seinen Blick zu mir jedoch hielt er stand, bis er irgendwann mit einem sauren Gesichtsausdruck den Hof verließ und in eine mir unbekannte Richtung ging.
Jungkook ging in die entgegengesetzte Richtung und fluchte. Man konnte ihn noch lange von weiter Entfernung hören.
Ich konnte Jimin nicht mehr sehen, aber ich entschloss mich ihm trotzdem zu folgen. Die andere riefen mir nach und sagten, dass ich doch bleiben sollte, aber ich lief einfach weiter.
Ich konnte ihn jedoch auch nach circa zwei Stunden nicht finden. Langsam wurde es auch schon dunkel. Ich holte mein Handy heraus, um meinem Dad zu sagen, dass ich mich auf den Weg nach Hause machen würde, doch ich musste zu meinem Bedauern feststellen, dass mein Akku leer war. So entschloss ich mich so schnell wie möglich auf den Heimweg zu machen. Dies erwies sich letztendlich als nicht so einfach.
Eigentlich hatte ich immer einen guten Orientierungssinn, doch für dieses Mal lies auch dieser zu wünschen übrig. Ich hatte mich verlaufen. Jedes Mal kam ich an ein und derselben Ecke raus, egal welchen Weg ich wählte. Abgesehen davon sah in dieser Gegend alles gleich aus. Es war so gut wie unmöglich für einen Neuling wie mich die Straßen und Gassen zu unterscheiden. Und gerade bei der Dämmerung machte es das nicht einfacher.
Ich musste wohl jemanden nach dem Weg fragen, aber ich fand wirklich niemanden. Langsam wurde mir auch kalt und ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Etwas Gruseliges hatte die Gegend schon und instinktiv hoffte ich, dass ich den Jungs nicht begegnen würde, die mich vor einigen Tagen ins Visier genommen hatten.
Als ich mich dann an einer Gasse nach links und rechts orientierte spürte ich eine Hand an meinen Oberarm die mich grob in die Gasse zurückzog und mich unsanft an die Wand drückte. Ich wusste es. Ich konnte sagen was ich wollte, doch in dem Moment hatte ich Angst wie noch nie. Vor Schreck liefen mir sogar ein paar Tränen die Wangen herunter. Ich kniff die Augen vor Angst zusammen und schrie so laut ich konnte. Es war ein Reflex.
»Jimin!« Warum ich ausgerechnet seinen Namen rief, war mir nicht bewusst. Es war eine Art von Instinkt. Die Person hielt mir seine Hand vor dem Mund, weil ich Jimins Namen immer wieder rief. Langsam öffnete ich meine Augen. Ich sah nur alles verschwommen, doch ihn erkannte ich schon von Kilometern Entfernung. Jimin war es der da vor mir stand. Sofort hörte ich auf zu schreien. Obwohl ich so geschockt war und vor Angst fast gestorben wäre, war ich so froh ihn vor mir stehen zu haben. Aber als meine Sicht immer klarer und klarer wurde erkannte ich, dass Jimins Augen sich ebenfalls mit Tränen füllten.
Mit dieser neuen Situation wusste ich nicht umzugehen.
Langsam nahm er dann seine Hand von meinem Mund weg, als er merkte, dass ich nicht mehr schrie. Ich stürzte mich sofort auf ihn und umarmte ihn.
Es war mir egal, ob er das in dem Moment wollte oder nicht. Er jedoch blieb stumpf stehen.
»Wieso folgst du mir?« Er klang etwas genervt. Sofort löste ich die einseitige Umarmung und machte einen Schritt nach hinten. Ich hatte auf seine Frage keine Antwort.
»Wieso bist du wieder zurück zum Vorhof gekommen? Du solltest das nicht sehen.« Diese Frage wollte ich nicht beantworten. Ich wollte nicht, dass er sauer auf Tae ist. Er wusste sicher nicht was er anderes machen sollte und außerdem war ich auf einer Seite auch etwas froh, dass er mich wiedergeholt hatte.
Sonst würde ich jetzt nicht hier mit Jimin stehen. Ich zuckte einfach mit den Schultern, in der Hoffnung seine Frage auseichend beantwortet zu haben.
Er legte eine Hand an meine Wange und strich mir mit seinem Daumen die Tränen vom Gesicht. Ich beobachtete ihn dabei und sah wie ihm selbst dabei eine Träne entfleuchte. Und dann passierte es.
»Ich liebe dich«, sagte ich schnell, ohne ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Ich wollte seine Reaktion nicht sehen. Er setzte zum Reden an, doch dann hörte ich Schritte, die auf uns zukamen. Ich drehte meinen Kopf in die Richtung woher diese Schritte kamen.
Er tat es mir wenige Sekunden später nach und erblickte genauso wie ich, dass Jin sich auf uns zu bewegte. Laut seufzte Jimin, ging aus der Gasse und verschwand. Seokjin und ich sahen ihm noch ein wenig hinterher, bis wir ihn nicht mehr sahen. Dann stellte er sich vor mich.
Ich lehnte an der Wand und sah immer noch in die Richtung, in die Jimin verschwand.
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