F Ü N F
Ich versuche mich zu stoppen, kann aber nicht aufhören, dieses Mädchen anzustarren. Scheinbar bin ich nicht die Einzige, denn Mr Byrnes versucht verzweifelt die Aufmerksamkeit der Klasse wiederzuerlangen.
"Entschuldigen Sie, dass ich zu spät bin. Ich bin neu hier und hab mich verlaufen."
Ahhhh, das war dann wohl zu Amy. Hätte ich mir eigentlich denken können. Das atemberaubend schöne neue Mädchen. Kann ja kein Zufall sein.
Amy wirft ihre perfekten karamellbraunen Locken nach hinten, lächelt ein bezauberndes schüchternes Lächeln und bewegt ihren wohlgeformten Körper durch den Klassenraum. Lydia sieht aus, als würde vor Begeisterung hyperventilieren.
Amy findet schließlich Platz neben einem rothaarigen Jungen mit Sommersprossen und Retro-Brille, der genauso paralysiert wirkt, wie die Anderen. Ich wende den Blick mühsam ab und warte, dass der Unterricht beginnt, obwohl ich nicht weiß, ob ich überhaupt aufpassen will. Immerhin ist das hier alles eh imaginär. Die Stunde vergeht und das alles wird immer unrealistischer, denn Mr Byrnes redet über wirklich interessante Bücher. Wenn ich an Englische Literatur in der Realität denke, könnte ich einschlafen.
Am Ende der Stunde packen wir unsere Sachen zusammen und eine brüchige Stimme ertönt:
"Coole Haarfarbe.", ich wirbele herum und sehe nur noch, wie der rothaarige Junge grinsend den Raum verlässt.
"Oh. Mein. Gott.", Lydia hüpft aufgeregt auf und ab.
"Was ist denn jetzt? Der war nicht mal heiß.", erwidere ich und feuere meinen Block in die Tasche.
"Mensch, Olivia! Das war Henry!"
"Henry. Toll. Und weiter?"
"Ich wünschte du hättest das Buch gelesen! Henry ist Louis bester Freund. Beide total verschieden, Henry ist eher unauffällig und ein Tollpatsch, während Louis... oh Louis... Louis ist gefährlich und spannend und mutig und -"
"Erfunden?"
"Olivia!"
Ich schmunzele nur.
"Sei einfach nett zu Henry, vielleicht kommen wir so an Louis!", quengelt Lydia und zieht mich aus dem Raum. Ich sage nichts. Ich will nicht nett zu Henry sein. Ich will nicht an Louis kommen. Ich will überhaupt nicht mit irgendjemandem hier reden, das wäre einfach zu heftig. Es geht nicht in meinen Kopf, dass alles um mich herum gar nicht existiert. Existiere ich überhaupt noch? Ich weiß es nicht.
Wir schlendern zu unseren Schließfächern und holen unsere Sachen für die nächste Stunde, als wir einen lauten Knall hören. Lydia und ich sehen uns um und erblicken zwei Typen, ein paar Schüler haben sich mit großem Sicherheitsabstand um sie versammelt.
Der eine Typ steht schwer atmend mit dem Rücken ans Schließfach gepresst. Angst steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Der andere steht ihm bedrohlich gegenüber, die Hände zu Fäusten geballt.
"Olivia, das muss Louis sein! Himmel, sieht er gut aus."
Louis' Haar ist pechschwarz. Auch seine Klamotten sind komplett dunkel. Er ist leicht gebräunt und starrt den anderen Typen aus stechend blauen Augen an.
Ja, er ist wohl wirklich der heißeste Typ, den ich je zu Gesicht bekommen habe und das pisst mich an. Ich hasse dieses Buch.
Der Junge wimmert irgendetwas und Louis packt ihn am Kragen. Als er zum Schlag ansetzen will, ruft eine Mädchenstimme:
"HEY! Lass ihn in Ruhe!", neugierig drehen alle, inklusive mir, sich um.
Amy hat sich durch die Menge gedrängelt und starrt Louis unverwandt an. Oha, die tollkühne Heldin.
"Und du bist?", Louis zieht eine Augenbraue hoch, was unwiderstehlich aussieht.
Amy antwortet ihm nicht. Sie geht geradewegs auf ihn zu uns bleibt erst wenige Zentimeter vor ihm stehen.
"Warum gehst du auf ihn los? Was hat er dir getan?"
"Allein seine Existenz reicht aus, um mich zu provozieren."
"Ich kann einfach nicht glauben, dass du so einen Scheiß liest.", murmele ich Lydia zu, die gespannt das Geschehen verfolgt.
Ich verliere das Interesse. Das ist mir echt zu unrealistisch. Ich weiche ein Stück von der Menge zurück und lehne mich an ein Schließfach. Wenig später sehe ich Henry, der sich zu Louis vorkämpft.
"Louis, lass gut sein okay? Handele dir nicht schon wieder Ärger sein.", Louis hält den Typen immer noch am Kragen gepackt, aber er wirkt besänftigt.
"Du hast recht.", murmelt er und lässt den Typen los. Henry klopft ihm auf die Schulter und gemeinsam verschwinden sie in einen Nebenkorridor. Natürlich nicht ohne Amy noch kurz einen letzten Blick zuzuwerfen. Diese redet gerade mit dem Typen, der von Louis angegriffen wurde.
"War das nicht cool?", kommt Lydia angesprungen.
"Total."
"Der Typ war Justin, wird Amys bester Freund und verliebt sich in sie. Henry steht auch auf Amy. Also noch nicht, erst ab der Party am See. Oh Gott wir müssen uns mit irgendwem anfreunden, der hingeht!"
"Was passiert eigentlich, wenn wir die Geschichte ändern?", frage ich, da mir dieser Gedanke ganz plötzlich durch den Kopf schießt. Lydia scheint überfordert.
"Nichts, denke ich. Das Buch ist ja bereits geschrieben."
"Und wenn wir gehen, dann ist es, als wären wir nie da gewesen?"
"Ich weiß es nicht, frag das besser Liane."
"Ganz bestimmt nicht."
"Mein Gott, dann frag ich sie eben.", Lydia verdreht die Augen und schleift mich durch den Korridor. Als nächstes haben wir Musik. Nicht gerade mein Lieblingsfach. Ich meine, ich liebe es, Musik zu hören, aber ich selbst bin total untalentiert. Anders als Lydia, die singt wie ein Engel.
Es erfolgt genau die gleiche Vorstellung, wie in Englische Literatur. Unsere Lehrerin sieht ein wenig aus wie Professor Trewlawney aus Harry Potter. Scheinbar hat Liane nicht nur den Namen der Stadt geklaut.
Ein paar Leute aus unserem vorherigen Kurs sind auch hier. Zum Beispiel Henry und irgendein Mädchen, das Lydia so giftig angeguckt hat. Louis ist hier und ich mustere ihn unauffällig. Himmel, sieht er gut aus. Zu gut. So ein Schönling.
Es stellt sich heraus, dass Trewlawney alias Mrs Brighton nicht viel wert auf Theorie legt. Nachdem sie uns zehn Minuten irgendetwas über eine Oper erzählt, dürfen wir "praktisch arbeiten". Toll. Ich kann weder ein Instrument spielen, noch singen, noch tanzen. Atmen. Und jammern. Das kann ich ziemlich gut. Ich beschließe, erst einmal nur zuzuschauen. Louis sitzt in einer Ecke und spielt mit dem Handy. Die meisten anderen Schüler schwirren in andere Räume aus, um dort zu proben. Eine Mädchengruppe sitzt mit Gitarren in der Mitte des Raumes. Henry spielt Klavier. Er spielt nicht nur, er spielt sogar verdammt gut. Ich kenne die Melodie, die er spielt, nicht. Aber sie entspannt mich sehr und ich bin kurz versucht, die Augen zu schließen.
Lydia tritt hinter ihn und schaut aufs Notenblatt. Dann fängt sie an zu singen. Henry zuckt kurz zusammen, lächelt dann aber und spielt weiter.
Wieder einmal bewundere ich meine Freundin für ihre Stimme. Außerdem frage ich mich, woher sie das Lied kennt. Als die beiden fertig sind, sagt Henry:
"Du singst echt richtig gut! Hast du Lust, das Stück zusammen auf Note aufzuführen?"
"Ja klar, das wäre toll!", antwortet Lydia etwas zu begeistert.
"Okay, cool.", meint Henry, dann sieht er mich an.
"Und du?"
"Was?"
"Was machst du?"
"Ich kann nichts."
"Du kannst doch leise mitsingen."
"Nur über meine Leiche."
Henry schüttelt den Kopf, schmunzelt aber.
"Wisst ihr, am Freitag ist eine Party am See. Ihr seid ja neu hier und wollt bestimmt ein paar Leute kennenlernen. Habt Ihr Lust zu kommen? Ich kann euch dann dort abfangen, damit ihr nicht alleine da rumlauft."
"Das ist so nett von dir, wir kommen gerne!", Lydia klatscht vor Aufregung in die Hände ich schlage mir mit der Hand ins Gesicht.
Was ist bloß falsch mit diesem Mädchen?
Hey, da bin ich wieder. :D
Ja ich weiß, wir sind schon bei Kapitel 5 und es ist immer noch nichts Großartiges passiert, aber diese Einleitung ist einfach nötig. Ich verspreche, ab dem nächsten Kapitel wird es ein bisschen spannender :D
Lasst mir gerne ein Feedback da, darüber freue ich mich mehr, als über Votes :)
- sara ❤
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