D R E I U N D Z W A N Z I G
Noch ein Kapitel! Als kleine Entschädigung für die lange Wartezeit.
Habt ihr eigentlich Vorstellungen, wie die Charaktere aussehen? Ich muss sagen, ich habe bei keiner einzigen Figur eine Person im Kopf. Irgendwie will niemand so recht passen.
Viel Spaß beim Kapitel. ❤️
Henry kommt am Montag nicht in die Schule und auch am Dienstag ist er nicht da. Seine Abwesenheit macht mich fertig, aber gleichzeitig bin ich erleichtert, ihm nicht unter die Augen treten zu müssen.
In der Clique gibt es kein anderes Thema als Samaras und Henrys plötzliche Trennung.
Was zwischen uns passiert ist, scheint bis auf Lydia und May niemand zu wissen. Und Louis. Der ignoriert mich völlig, wirft mir immer wieder hasserfüllte Blicke zu. Ich weiß, dass er mich am liebsten vor allen Anderen runter machen würde, aber wahrscheinlich will er Henry nicht demütigen und tut es deshalb nicht. Ist mir recht.
Auch Samara hat es niemandem verraten, glaube ich jedenfalls. Sie hängt nicht mehr mit uns rum, kommt nur kurz hallo sagen, weicht Fragen aus und sieht mir nicht in die Augen. Könnte ich an ihrer Stelle auch nicht. Sie tut mir leid und das meine ich wirklich ernst. Was ich getan habe, tut mir leid. Vielleicht hätte es zwischen den beiden funktioniert, wenn ich mich zusammengerissen hätte, aber nein, ich hatte mich mal wieder nicht im Griff, das hab ich nie, wenn es darauf ankommt und ich hasse mich dafür. Ich wusste doch von Anfang an, dass ich ihn sowieso nicht haben kann.
Als ich Henry am Samstag angelogen habe, ihm sagte, dass ich nichts für ihn empfinde, war er ganz still, aber ich konnte die Fassungslosigkeit in seinen Augen sehen. Fassungslosigkeit, Ungläubigkeit und alles verschlingender Schmerz. Das hat mich zerstört.
Er hat Fragen gestellt, warum ich ihn geküsst habe, warum ich ihn quasi angefleht habe, nicht aufzuhören, mich welter zu küssen.
Ich habe geantwortet, dass ich betrunken war und mich noch nie so sehr geschämt. Am liebsten hätte ich ihm eine Erklärung gegeben, die mich besser dastehen lässt, aber desto herzloser er mich sieht, desto besser ist es wahrscheinlich für ihn.
Danach hat er gar nichts mehr gesagt, den Blick gesenkt. Er konnte mich nicht mehr ansehen. Ich hätte ihm so gerne unters Kinn gefasst, ihn gezwungen mich anzusehen und dann geküsst. Aber das ging natürlich nicht.
„Ich bring dich noch Nachhause.", hat er gemeint und wir sind schweigend zurückgegangen, mit dem größten Sicherheitsabstand aller Zeiten. Ich hab mich nicht getraut zu fragen, ob wir Freunde bleiben können. Das wäre unangebracht gewesen. Überhaupt etwas zu sagen, wäre unangebracht gewesen.
„Mach's gut.", hat er gesagt, mich mit glasigen Augen angesehen und sich dann zum gehen umgedreht. Ich wollte ihn zurückhalten, ihm etwas hinterher rufen, aber die Worte sind mir im Hals stecken geblieben. Was sollte ich ihm auch sagen? Die Wahrheit? Das ging nicht. Wobei er mich danach vielleicht für verrückt halten würde und mich doch nicht mehr wollen würde.
Danach habe ich noch eine Stunde auf der Treppe gesessen und versucht, mich einigermaßen zu fangen. Halten wir für die Nachwelt fest, dass ich nicht geweint habe. Und nein, das ist gar nicht gelogen. Überhaupt nicht.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mir selbst einmal das Herz brechen würde, dass das überhaupt möglich ist. Aber das Schlimmste an der ganzen Sache ist, ihm wehgetan zu haben.
May kann das überhaupt nicht verstehen, aber sie kennt die Hintergründe auch nicht. Sie hat mich für bescheuert erklärt. Lydia hingegen kann meine Entscheidung nachvollziehen, auch wenn es das nicht wirklich besser macht. Es schmerzt trotzdem.
Immerhin eine gute Sache habe ich an diesem Wochenende vollbracht: George und May gehen jetzt miteinander aus. Sie wollen es langsam angehen lassen, sind also noch kein Paar und wollen es den anderen auch noch nicht erzählen, aber sie haben sich ihre Gefühle gestanden und wollen sich jetzt ganz altmodisch daten. Ich finde das irgendwie süß.. Dass ich ein wenig nachhelfen musste, verschweige ich May.
Am Mittwoch ist Henry wieder da. Als er den Klassenraum betritt möchte ich im Erdboden versinken und ihm gleichzeitig um den Hals fallen.
Er sieht schlecht aus, müde, blass. Die Haare sind ungemacht, stehen zu allen Seiten ab. Er ist ein wandelndes Liebeskummer-Klischee, aber eines, über das ich nicht lachen kann.
Alle denken, es ist wegen Samara. Die Trennung hat die Runde gemacht. Sie denken auch, sie hätte ihn abserviert, was mich sauer macht. Sie alle sehen Henry nur als den Nerd, der sich glücklich schätzen kann, so ein hübsches Mädchen abbekommen zu haben. Dass es andersherum war, dass er Schluss gemacht hat, auf die Idee kommt niemand.
Seine Augen wandern durch den Klassenraum und kurz bleibt sein Blick an mir hängen. Seine Augen sind trüb, leer. Das fröhliche Leuchten darin fehlt. Mein Herz verkrampft sich.
Er wendet den Blick ab und geht an mir vorbei an seinen Platz hinter mir, ohne mich zu begrüßen. Erneut zieht sich mein Herz zusammen. Ich habe damit gerechnet, aber jetzt tut es doch mehr weh, als ich gedacht habe.
Louis kommt zu ihm, klopft ihm auf den Rücken, sagt irgendwas. Wahrscheinlich „Scheiß auf die" oder so. Soll er mich hassen, solange er nur für Henry da ist.
Normalerweise wäre Henry an meinem Tisch stehen geblieben, hätte sich raufgesetzt und irgendeinen dummen Spruch rausgehauen. Das fehlt mir jetzt schon. Am liebsten würde ich mich umdrehen, etwas sagen, aber da gibt es nichts, was ich sagen kann. Nichts, was alles wieder in Ordnung bringen könnte.
Hat er vor, mich zu ignorieren? Ich schließe die Augen für einen Moment und vergrabe das Gesicht in meinen Händen. Durchhalten, Olivia, durchhalten.
Nach der Stunde weiß ich nicht recht, wie ich den Klassenraum verlassen soll. Im Normalfall gehen wir mit Henry und Louis raus, aber das ist wahrscheinlich keine gute Idee.
Ich packe meine Sachen extra langsam, damit ich beobachten kann, wie die beiden sich verhalten. Louis rammt mich im Vorbeigehen mit der Schulter und ich zeige ihm den Mittelfinger. Ich verstehe, dass er wütend ist, aber er muss sich nicht aufführen wie ein bockiges Kind.
Henry geht an mir vorbei und Enttäuschung macht sich in mir breit, doch dann bleibt er an der Tür stehen, schaut zu uns herüber und wartet. Sein verlorener Blick lässt mich verzweifeln, aber gleichzeitig dahinschmelzen. Das ist ein Anfang.
Ich packe nun schneller meine Tasche und gehe dann mit Lydia zu ihm. Er geht ohne ein Wort voran, versichert sich aber immer wieder, dass wir in dem Gedränge noch hinter ihm sind. Hätte nicht gedacht, dass er überhaupt wartet.
Gemeinsam gehen wir in die Cafeteria und steuern auf einen Tisch zu, an dem bereits unsere Freunde sitzen. Als sie Henry sehen, nehmen Louryl, Anna, Amy und May ihn in den Arm. May aus dem richtigen Grund, die anderen sind ahnungslos.
Er setzt sich und die Jungs klopfen ihm auf die Schulter, sagen, er soll den Kopf nicht hängen lassen. Ich nehme gegenüber von ihm Platz, wie ich es immer tue, alles andere wäre auch komisch gewesen. Der Gedanke, ihn die ganze Zeit ansehen zu müssen, behagt mir nicht.
Das Thema wird relativ schnell gewechselt, um Henry abzulenken, und er lacht sogar ein paar Mal sein schönes Henry-Lachen, weicht meinem Blick aber noch immer aus. Hunger habe ich nicht wirklich, weshalb ich lustlos mit meinem Sandwich rumspiele.
„Joooo, Leute!", ertönt eine Stimme. Caleb kommt zu unserem Tisch gelaufen und lässt sich auf den Platz neben mir fallen.
„Haben sich mittlerweile alle von meiner legendären Party erholt?", fragt er, registriert, dass ich mein Sandwich nicht esse, nimmt es von meinem Teller und beißt ab.
„Tu dir keinen Zwang an."
Er nimmt sich auch noch das, was ich bereits auseinandergenommen habe.
„War wirklich ne gute Party.", sagt May und lächelt in sich hinein. Der Grund dafür sitzt neben ihr und wird rot.
„Dieses Wochenende veranstalte ich noch eine, meine Alten sind schon wieder nicht da. Das wird so fett, ich sag's euch. Kommst du auch?" beim letzten Satz sieht er mich aus dunklen Augen an. Ihm scheint das wirklich wichtig zu sein.
„Ich... ich denke nicht. Ich hab die Nase erstmal voll von Partys, sorry."
Henry fällt seine Gabel herunter.
„Ach komm schon, ich hab extra den besten Gin der Welt gekauft, nur für dich."
„Zu viel Alkohol ist nicht gut für Olivia, sie verliert dann schnell mal die Kontrolle.", Henry sagt es ganz beiläufig, aber mir wird trotzdem eiskalt. Erstens, weil er mich nicht Livvy nennt, und zweitens, weil wir beide genau wissen, auf was er anspielt. Auch seine Stimme erschrickt mich. Es liegt keine Wärme darin. Die Anderen bemerken es nicht, lachen nur, lediglich May und Lydia sehen mich besorgt an. Den Rest der Zeit starre ich auf meinen Teller und sage nichts.
Am Ende der Pause verlassen wir alle die Cafeteria zusammen, Henry geht vor mir, neben mir Caleb.
„Du, Olivia. Das wollte ich dich schon gestern fragen, aber irgendwie... na ja, egal. Ich wollte jedenfalls fragen, ob du Lust hast, mit mir ins Kino zu gehen? Ich hatte das Gefühl, wir sind wirklich auf einer Wellenlänge und ich würde dich echt gern besser kennenlernen.", Caleb sieht mich aus großen Augen an, streicht sich das dunkle Haar aus dem Gesicht und versucht im selber Sportlerjacke lässig zu wirken, es gelingt ihm nur nicht ganz. Ich kann sehen, dass Henry sich vor mir versteift. So süß Caleb auch ist, das könnte ich Henry nie antun. Niemals.
„Ehrlich gesagt, eher nicht. Das hat nichts mit dir zu tun, du bist echt ein cooler Typ, ich bin nur einfach gerade nicht an... Dates oder dergleichen interessiert.", sage ich gerade heraus, in der Erwartung, dass er sauer wird, aber er überrascht mich wieder, genau wie letzten Freitag.
„Na gut, schade, dann eben nicht. Hätte mir nach deiner Abfuhr beim Tanzen eigentlich auch denken können, dass ich einen Korb kassiere. Aufgeben werde ich trotzdem nicht. Lass mich wissen, wenn du wieder zur Verfügung stehst.", er zwinkert mir zu und joggt dann in die andere Richtung des Flurs, um pünktlich zu seinem Klassenraum zu kommen.
„Du brauchst ihm nicht abzusagen, bloß weil du Mitleid mit mir hast.", Henry ist stehen geblieben und sieht mich direkt an. Er sieht angepisst aus.
„Bitte?"
„Du kannst trotzdem mit Jungs ausgehen. Ich stehe dir nicht im Weg. Klar, gefällt mir das nicht, aber es ist immer noch besser, als von dir bemitleidet zu werden oder mir am Ende anhören zu müssen, dass es meine Schuld ist, dass du niemanden findest."
„Henry, ich will überhaupt nicht mit anderen Jungs ausgehen."
„Es ist okay, wie gesagt ich werde dir nicht im Weg stehen, du brauchst nicht auf meine Gefühle Acht zu ge-"
„Henry, stop. Wirklich. Ich bemitleide dich nicht und ich gebe auch nicht extra Acht auf deine Gefühle. Ich möchte einfach nicht mit ihm ausgehen. Mit keinem Typen. Okay?"
„Und wieso nicht?"
Weil ich in dich verliebt bin. Weil du der Einzige bist, mit dem ich zusammen sein will. Kannst du das nicht an meinen Augen sehen? An der Art und Weise, wie mein Körper auf dich reagiert?
„Weil ich einfach keine Lust auf sowas habe."
„Wie auch immer.", Henry fährt sich fast wütend durchs Haar und lässt mich letztendlich im Flur stehen. Ich könnte schon wieder heulen. Auf Dauer werde ich diesen Zustand nicht ertragen.
„Henry, warte!", er geht noch ein Stück, bleibt dann aber schließlich doch stehen, mir nur den Rücken zugewandt. Wir sind fast die Einzigen, die sich noch in den Korridoren befinden, der Unterricht müsste jeden Moment los gehen.
„Ich warte, Olivia."
Ich trete an ihn heran, will eine Hand auf seine Schulter legen, lasse es aber.
„Wie es gerade zwischen uns ist, fühlt sich unerträglich an.", sage ich leise, aber so, dass er es hören kann. Er dreht sich zu mir herum. Der Schmerz in seinen Augen lässt mich zusammenzucken.
„Was glaubst du, wie sich das für mich anfühlt, Olivia?"
„Ich möchte meinen besten Freund nicht verlieren. Das ertrage ich nicht."
„Ich auch nicht. Aber genauso wenig ertrage ich es, in deiner Nähe zu sein und so zu tun, als sei alles völlig normal. Du kannst nichts dafür, dass du nicht das Gleiche fühlst, das ist in Ordnung. Aber mich zu küssen, deinen angeblich besten Freund einfach nur zum rummachen auszunutzen, das ist nicht in Ordnung. Und es sagt eine Menge darüber aus, wie wichtig dir das Ganze hier ist, nämlich gar nicht."
„Ich hab einen Fehler gemacht und es tut mir leid, wirklich leid! Aber das ändert nichts daran, wie viel du mir bedeutest. Henry, bitte...", ich beiße mir auf die Lippe. Ich werde nicht in der Schule weinen. Ich muss mir dieses Geheule generell wieder abgewöhnen, das ist doch nicht normal. Es tut weh, dass Henry so von mir denkt, aber vielleicht ist es besser, wenn er mich ein bisschen hassen kann. Vielleicht kommt er dann leichter darüber hinweg.
„Ich weiß, dass es dir leid tut. Aber das ändert gerade gar nichts. Ich brauche Abstand von dir. Abstand, bis ich wieder klar denken kann, bis ich wieder in deiner Nähe sein kann, ohne..."
Es klingelt zum Unterricht.
„Wir sehen uns, Olivia."
Als er weg ist, trete ich gegen ein Schließfach und fluche laut. So eine verdammte Scheiße.
Hoffe, das Ganze wird euch nicht zu depressiv, das hier soll keine Kiss Me Softly - Kaylee hat mal wieder Liebeskummer wegen Kyle - Fortsetzung werden (ja, das ist ein Insider.)
Hab euch lieb. ❤️
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