37. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩

Warnung: Dieses Kapitel beinhaltet Gewalt-Szenen

Für SteffiDietz
Und weil wir Frauen immer neugierig sein müssen 😘
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*Kathlyn*

Das ganze Rudel hatte einen Kreis um die Lichtung gebildet, auf der Jace und Caleb standen. Beide hatten ihre Oberteile und ihre Schuhe ausgezogen und wärmten sich für den Kampf auf.

Nun konnte ich Caleb näher betrachten – was ich heute Nacht tunlichst vermieden hatte. Er war muskulös, ohne Zweifel. Doch was mir sofort ins Auge stach war die große Narbe, die links an seinem Hals begann, sich quer über seinen Oberkörper fortzog und unter seinem rechten Rippenbogen endete.

Auch Jace hatte Narben – vier genau genommen. Parallel zueinander verliefen sie über sein rechtes Schulterblatt. Sie waren fein, beinahe Zierde, sodass sie mir zunächst gar nicht aufgefallen waren und ich sie später nicht weiter beachtet hatte. Ich hatte ihnen einfach keine besondere Bedeutung beigemessen.

Calebs Narbe hingegen dominierte seine halbnackte Erscheinung und gab ihm gleichzeitig einen Anstrich von Gefahr und Verletzlichkeit. Was auch immer passiert war, er sollte sich bei jedem Blick in den Spiegel daran erinnern.

„Das war Nero." Josi hatte meinen Blick bemerkt. „Caleb musste zusehen, wie seine Eltern getötet wurden. Er hat versucht ihnen zu helfen und das hätte ihn beinahe selbst das Leben gekostet, wäre Jace nicht gewesen."

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, doch sie schien auch keine Reaktion zu erwarten. Außerdem liefen Caleb und Jace gerade aufeinander zu und gaben sich die Hand, wodurch sämtliche Gespräche um uns herum verstummten. Und dann begann der Kampf.

Ich mochte Actionfilme schon immer, sofern nicht alle zwei Minuten etwas explodierte. Doch manche Kampfszenen fand ich einfach übertrieben und unrealistisch. Niemand konnte einen ausgewachsenen Mann meterweit durch die Gegend schleudern. Und selbst wenn, so würde der andere danach nicht einfach wieder aufstehen, als wäre nichts gewesen und fröhlich weiterkämpfen. Nun allerdings fühlte ich mich in genau so einen Film hineinversetzt und es fehlte nur noch die Kamera.

Dass dieser Kampf hier jedoch bitterer Ernst war, sah man an den tiefen Abdrücken in der Erde, die ihre Füße hinterließen, sowie an der abgesplitterten Baumrinde und den Kerben, die von fehlgeleiteten Schlägen herrührten. Außerdem waren ihre Bewegungen so schnell und präzise, dass ich Mühe hatte ihnen zu folgen. Schweiß bedeckte ihre Körper, dennoch gerieten sie nicht außer Atem. Das zeigte mir nur wieder, wie überlegen sie uns körperlich waren.

„Wie lauten die Regeln?" Jace war gerade einem erneuten Hieb von Caleb ausgewichen und dieser hatte einen Baum getroffen, sodass er komplett wackelte. Ein Schlag dieser Art hätte für mich wohl einen Schädelbruch zur Folge gehabt und selbst Jace hätte ihn nicht ohne weiteres weggesteckt.

„Keine Hilfsmittel aus Silber, keine Waffen, keine Einmischung anderer Rudelmitglieder. Der Gegner darf nicht lebensbedrohlich verletzt werden. Gewonnen hat derjenige, vor dem der andere sich verneigt.", antwortete Josi leise. Ansonsten war es totenstill auf der Lichtung, nur die Geräusche des Kampfes waren zu hören. Alle sahen gebannt zu und auch ich fieberte unwillkürlich mit.

Die beiden Alphas standen sich in nichts nach. Hochkonzentriert wichen sie dem anderen aus, versuchten ihn mit Tritten und Hieben zu treffen, oder ihn zu Boden zu werfen. Caleb war hierbei deutlich angriffslustiger und konnte ein paar gezielte Treffer landen, die mich den Atem anhielten ließen. Jace steckte sie erstaunlich gut weg, das übliche Funkeln in den Augen.

„Jetzt komm schon Jace. Klatsch ihm endlich eine für mich.", murmelte Josi ungeduldig und neben uns ertönte ein abfälliges Schnauben.

„Wie ernst kann ein Kampf unter Freunden schon werden?", spottete ein Rudelmitglied von Vastus, das wohl Eric hieß. Er war mir bei meiner Befragung schon unangenehm aufgefallen und die Art, wie er Jace beobachtete gefiel mir nicht. „Jace zögert bei seinen Freunden genauso, wie bei seiner Familie."

„Eric!", tadelte das Mädchen von Vastus . Ich hatte ihren Namen noch nicht mitbekommen, hoffte jedoch er wäre nicht ‚Nicoletta'.

„Es ist die Wahrheit – selbst Deorum hat das erkannt. Das Bündnis mit Iluna ist reine Höflichkeit, weil Caleb mit ihm befreundet ist und nicht, weil wir einen Vorteil davon hätten!"

„Wahre Stärke zeigt sich daran, wie man mit Schwächen und Schwächeren umgeht.", zitierte ich meinen Vater und zum ersten Mal verstand ich die Bedeutung. Jace' ganzes Verhalten – sowohl anderen, als auch mir gegenüber – zeigte, wie stark er wirklich war. Ganz gleich, ob er diesen Kampf gewann oder nicht.

„Oh Jägermädchen, du verstehst gar nichts!" Eric baute sich vor mir auf. In seinem Blick schlug mir so viel Hass entgegen, dass ich froh war, dass Josi gleich neben mir stand und eingreifen konnte. „In unserer Welt zeigt man nur Schwäche wenn man ein Verräter ist, oder sterben will. Sag mir, würde Jace für dich sterben, oder wird er uns alle für dich verraten?"

„Wenn du ein Problem mit mir hast, dann kläre es auch mit mir.", knurrte es plötzlich. Sie hatten den Kampf unterbrochen. Caleb lehnte an einem Baumstamm, uns nicht aus den Augen lassend, während Jace vor uns stand und Eric ins Auge gefasst hatte. Ich hatte ihn erst einmal so wütend gesehen.

„Ich denke, das Problem lässt sich schnell klären.", gab Eric ebenso eisig zurück. Und dann packte er mich am Arm und stieß mich gegen Jace, bevor irgendjemand reagieren konnte.

Jace fing mich ab, wirbelte im nächsten Moment mit mir im Arm herum und ich hörte es knacken. Ich kam mir vor, wie bei einem bizarren Tanz. Meine Füße kamen gar nicht so schnell mit, wie er mich vorwärts oder rückwärts schob, uns zur Seite drehte oder mich von einer Armseite in die andere schob. Dann wirbelte er mich herum, sodass ich plötzlich hinter ihm stand und fing Schläge von Eric ab, die der wutentbrannt auf ihn niederregnen ließ.

„Caleb!", brüllte Josi, doch niemand griff ein und auch Jace schüttelte den Kopf in ihre Richtung. Dies hier war ein Kampf, der schon längst ausgefochten werden wollte.

Mit einem brüllen schlug Eric einen Bogen um Jace herum und unsere Blicke trafen sich für einen Augenblick, bevor Jace ihm abermals in den Weg trat und seinen Angriff abwehrte. Diesmal hatte er jedoch keinen so festen Stand, denn die Erde war vom Kampf mit Caleb bereits aufgewühlt und uneben. Er wurde zurückgedrängt, genau gegen mich, und Eric presste uns beide gegen den Baum hinter mir.

Jace' Rücken war schweißnass, seine Haut glühte und ich hörte ihn tief und wütend knurren. Baumrinde bohrte sich in meine Kopfhaut und ich kniff die Augen zusammen. Dann spürte ich, wie Jace' Körper punktuell gegen meinen schlug, wenngleich er versuchte die Schläge und Tritte abzufangen.

„Versteht ihr es jetzt?", brüllte Eric. Er stand genau vor uns. „Entscheide dich endlich! Du kannst euch nicht beide schützen!"

Schlagartig wurde mir die Bedeutung seiner Worte bewusst. Jace könnte den Angriffen nur ausweichen, wenn er meine Deckung aufgab. Damit gab er mich Erics Angriffen frei. Und ich kam nicht weg, weil Jace Körper gegen mich gepresst wurde und hinter mir der Baum war.

Sein Kopf zuckte zurück und krachte gegen den Baumstamm. Es klang ungesund und Blut tropfte herab. Eric hielt nicht inne. Er schlug weiter auf Jace ein, der nur noch halbherzig versuchte ihn abzuwehren. Der Kampf mit Caleb zuvor musste schon kräftezehrend gewesen sein, nun schien es seinen Tribut zu fordern. Niemand griff ein.

„Jace!", flehte ich leise. Ich wusste, dass er mich hören konnte. Lieber war ich bereit auch ein paar Hiebe einzustecken, als dem weiter hilflos ausgeliefert zu sein und zuzusehen, wie er meinetwegen verletzt wurde.

„So schwach!", höhnte Eric und schlug ihm in den Magen. „Kein Wunder, dass selbst dein Onkel dich nicht mehr an seiner Seite will."

„Hinhocken!", raunt es so leise, dass ich für einen Moment dachte, es mir nur eingebildet zu haben. Dann krachte eine Faust haarscharf an seinem Kopf vorbei in den Baumstamm und hinterließ eine tiefe Kerbe. Gleichzeitig drehte Jace sich seitlich in die andere Richtung. Eine halbe Sekunde später ließ ich mich zu Boden sinken, als Eric ein zweites Mal auf den Baumstamm einschlug, bevor er sich von Jace einen ordentlichen Schlag einfing.

„Du solltest deinen Gegner nie unterschätzen!", belehrte er ihn, während diesmal Eric damit beschäftig war ihn abzuwehren. Meist erfolglos. Jace war um einiges schneller als er und, entgegen meiner Annahme, topfit. Seine Lippe war aufgeplatzt und sein Torso hatte einige Prellungen. Dennoch setzte er gezielte Schläge, die Eric kurz darauf nach hinten taumeln ließen.

„Und du solltest deine Wut besser nutzen. Willkürlich auf jemanden einzuprügeln hilft nicht bei jedem Gegner. Gezielte Schläge, Kräfte aufteilen, niemals ganz verausgaben." Diesmal ließ ein Tritt von Jace ihn zu Boden gehen. Ich hockte noch immer vor dem Baumstamm und sah zu, außerstande mich zu bewegen.

Eric brüllte wütend auf, ein knacken ertönte und seine Kleidung wurde buchstäblich weggesprengt. Seine Wolfsgestalt fletschte die Zähne, das Nackenhaar war aufgestellt und ich schnappte fassungslos nach Luft. Noch immer griff niemand ein.

Die wutverzerrten Augen des Wolfes trafen auf meine. Sein Blick ließ mich keinerlei Zweifel daran hegen, dass er mich ohne zu zögern töten würde. Während ich vor Angst wie gelähmt war, ließ Jace entspannt seine Fingerknöchel knacken. Der Wolf beachtete ihn gar nicht, sein Angriffsziel, seine Beute, hockte schließlich wehrlos nur wenige Meter von ihm entfernt.

Mit ein paar Sätzen kam er auf mich zugeschossen. Ich schrie auf und presste mich gegen den Baumstamm, als ich seine Zähne vor mir aufblitzen sah. Er riss sein Maul auf und sein beißender Atem schlug mir entgegen, bevor der Wolf plötzlich mit der Schnauze im Dreck landete. Genau vor meinen Füßen kam er zum liegen.

„Verwandle dich zurück!", befahl Jace scharf. Er hatte Eric im Nacken gepackt und drückte ihn zu Boden, als handle es sich lediglich um ein störrisches Kind. Eric versuchte sich aufzubäumen und schlug mit seinen Pranken um sich, doch Jace packte einfach seine Vorderpfote und verdrehte sie. Es knackte und der Wolf heulte auf.

„Verwandle dich zurück!", wiederholte er und verstärkte seinen Druck. Der Wolf versuchte nochmal sich zu wehren und musste erkennen, dass er keine Chance hatte. Dennoch waren seine Zähne viel zu nah, als dass ich mich bewegt hätte.

Schließlich gab Eric nach. Sein Körper krümmte sich und ein schweißgebadeter Beta kniete auf allen vieren vor mir, komplett außer Atem und den rechten Arm verdreht, vermutlich war er gebrochen. Jace drückte seinen Kopf mit der Stirn auf den Boden, sodass er sich vor mir verbeugen musste.

„Zweifle niemals wieder meine Stärke an Eric. Nur weil ich passiv agiere bedeutet das nicht, dass ich schwach bin oder dass ich nicht weiß, was ich tue."

„Du hättest mich längst besiegen können, hättest du nicht das Mädchen beschützt! Ich hatte Recht und genau das habe ich bewiesen!"

„Ich bin nicht mein Onkel! Es kommt mir nicht darauf an zu siegen, sondern darauf wie ich siege." Jace ließ ihn los und sah sich um. Alle sahen ihn gebannt an und hingen förmlich an seinen Lippen.

„Ich bin ein Alpha, der sein Rudel und diejenigen schützt, die ihm wichtig sind. Wer das nur als meine Schwäche betrachtet, der irrt sich. Es ist auch meine größte Stärke, denn ich habe einen guten Grund zu kämpfen und ich habe einen guten Grund zu siegen."

Auf der Lichtung herrschte absolute Stille. Dann hörte man ein einzelnes klatschen und Caleb trat nach vorn und stellte sich neben seinen Beta.

„Gut gesprochen und gut gekämpft, Jace. Dies ist wahrlich der Verbündete, den wir haben wollen!" Er lächelte mich an und streckte mir versöhnlich die Hand entgegen. „Alles in Ordnung Kleines?"

„Ich denke schon." Ich war mir der Blicke aller anderen nur zu bewusst, also biss ich die Zähne zusammen und griff seine Hand. Mit viel Schwung zog er mich auf die Beine und ich betrachtete Jace, der sich Blut von der Lippe wischte.

„Der wird schon wieder.", brummte Josi und trat Eric auf die verletzte Hand, sodass er aufschrie. „Wie konntest du das zulassen? Er hat Kathe in den Kampf hineingezogen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das verstößt eindeutig gegen die Regeln!"

„Jace hat mich gebeten nicht einzugreifen Liebes."

„Aber er ist dein Beta! Hast du dein Rudel jemals im Griff? Oder ist das alles für dich nur ein Spiel?"

„Ehrlich gesagt bin ich es leid zu spielen. Du willst Veränderungen in meinem Rudel, Liebes? Das kannst du haben!" Nun sprach er so laut, dass jeder auf der Lichtung ihn hören konnte und seine Worte lösten augenblickliches Getuschel aus:

„Ich erhebe Anspruch auf dich Josi, Beta des Rudels Iluna."

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Wer hat das nicht kommen sehen?

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