35. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩

*Jace*

„Viele Bürger finden seinen Vorschlag gut – Mary ebenfalls.", erörterte Beth und beobachtete, wie Jace den Zeitungsartikel mit finsterer Miene beiseitelegte. „Wir waren gestern zum Abendessen dort. Für die beiden ist es nicht einfach, Frumos wühlt ständig alles auf. Und er versetzt die Stadt erneut in Aufruhr. Der Rat kommt langsam an seine Grenzen. Die Bürger wollen Taten sehen. Steven macht sich deswegen ganz schöne Sorgen."

„Sie können doch nicht wirklich erwarten, dass wir einen von ihnen hierher bringen!" Jace schnaubte erbost auf.

„Übermorgen findet eine Ratsversammlung statt, an der wir teilnehmen sollen. Bis dahin brauchen wir eine Lösung."

„Warum bringt ihr Kathe nicht einfach in die Stadt?", mischte sich Caleb ein.

„Nach dem Vorfall von gestern? Nein!"

„Wie geht es ihr?", hakte Beth besorgt nach.

„Was soll ihr in der Stadt passieren Jace? Außer, dass sie ihre Familie und ihre Freunde wiedersieht? Oder hast du Angst vor dem, was sie erzählen könnte?"

„Es geht ihr gut, ihr ist nichts passiert.", antwortete er Beth, ehe er sich Caleb zuwandte: „Es geht Frumos nicht um Kathe. Selbst wenn sie vor ihm stünde, würde er neue Vorwände parat haben, weshalb er ihr nicht glaubt. Ihre Briefe haben wir angeblich diktiert. Genauso wird er behaupten, dass sie nicht die Wahrheit sagt, weil sie Angst hat. Stattdessen würde er versuchen, von ihr Informationen zu bekommen, die uns schaden können. Wir müssen herausfinden, was er wirklich will. Wie kommt ihr bei euren Nachforschungen voran?"

Beth wog nachdenklich den Kopf hin- und her. „Mäßig. Wir haben sie unter dem Vorwand angesprochen, dass wir mit Mary und Steven gut befreundet sind und uns Sorgen um Kathlyn machen. Der Rat hätte unserer Meinung nach zu wenig getan und man müsse etwas gegen die Wölfe unternehmen. Er und Nicoleta glauben uns zwar, doch der Kontakt besteht noch nicht lange – deshalb haben sie von ihren Plänen auch nicht viel verraten. Wir brauchen einfach mehr Zeit."

„Konntet ihr schon etwas herausfinden?"

„Nichts was uns weiterbringt. Er ist wahnsinnig wütend, dass er vom Rat ausgeschlossen wurde. Und er will unbedingt, dass das Abkommen aufgelöst wird."

„Warum tut ihr ihm den Gefallen nicht einfach?", warf Caleb ein. „Löst das Abkommen auf und überlasst die Stadt sich selbst. Das hättet ihr schon längst tun sollen!"

„Das Abkommen wurde damals mit einem Blutpakt besiegelt. Mit dem Dolch von Tasakaal. Sollten wir diesen Schwur brechen, wird uns die Mondgöttin dafür bestrafen."

„Willst du mir ernsthaft weismachen, dass du an dieses Märchen glaubst?"

„Er existiert. Die Aufzeichnungen von Ehan, dem damaligen Alpha des Rudels, bestätigen es. Ohne den Dolch lässt sich das Abkommen nicht auflösen. Du kennst die Konsequenzen, sollten wir es dennoch versuchen: Unser Rudel könnte sich nur noch zu Vollmond verwandeln. Die Bannkreise in der Wolfshöhle wären aufgehoben. Wir wären schutzlos. Wir könnten euch im Kampf gegen Claus nicht mehr zur Seite stehen. Die Stadt wäre schutzlos. Und wir müssten die Wolfshöhle verlassen. Nur das Abkommen hindert die Menschen daran, den Wald zu betreten und nach unserem Unterschlupf zu suchen. Das sind mir zu viele Risiken, als dass ich es probieren würde."

Caleb schüttelte ungläubig den Kopf. „Schön. Und wo ist dieser Dolch?"

„In Ehans Aufzeichnungen steht lediglich, dass er ihm gestohlen wurde. Seitdem ist er verschwunden."

„Was für ein Zufall." Einen Moment lang herrschte absolute Stille im Raum. Caleb knirschte mit den Zähnen, sagte jedoch nichts mehr.

„Wie sollen wir weiter vorgehen?", wollte Beth schließlich leise wissen.

„Versucht herauszufinden was Frumos plant. Gewinnt weiter sein Vertrauen und redet ihm nach dem Mund. Sucht den Kontakt, aber nicht zu auffällig. Ich habe auch noch einen Spezialauftrag für euch: In Frumos Arbeitszimmer gibt es einen Safe, getarnt als Akten. Darin befinden sich Briefe in einer anderen Sprache. Ich möchte, dass ihr mir einen Originalbrief bringt. Lasst euch aber nicht erwischen und hinterlasst keine Spuren." Beth nickte. „Außerdem findet morgen die Zeremonie für Amos und Leo statt. Wenn ihr dabei sein möchtet, solltet ihr euch eine Ausrede für die Menschen einfallen lassen."

„Ich werde mit Martin sprechen."

„Gut. Und ich werde mir für die Ratssitzung etwas einfallen lassen.", versprach er und Beth öffnete nickend die Tür seines Arbeitszimmers.

Augenblicklich hörte man Gekicher und er wusste, dass Kathe oben war – offensichtlich nicht allein. Das Gekicher verstummte und wurde von einem erfreuten: „Beth!", abgelöst.

„Das perfekte Stichwort für eine kleine Pause.", verkündete Caleb fröhlich und stieß sich vom Tisch ab, an dem er gelehnt hatte. Jace folgte ihm.

„Kommst du aus Ilargia? Hast du zufällig meine Eltern gesehen? Wie geht es ihnen?" Kathe war aufgesprungen, während Josi auf der Couch fläzte und Caleb anfunkelte, der nun an der Kücheninsel lehnte und breit zurückgrinste.

„Es geht ihnen gut, keine Sorge." Beth hatte nicht damit gerechnet, gleich dem nächsten Rede und Antwort stehen zu müssen. „Wir waren erst gestern zum Abendessen dort."

„Streiten sie noch so viel?"

„Vor uns haben sie sich zumindest nicht gestritten. Mary hat auch nichts erzählt."

„Ein Glück! Wo ist Martin?"

„Auf Arbeit. Ich hatte heute früher Feierabend, deshalb bin ich schnell vorbei gekommen."

„Was grinst du so dämlich?", knurrte Josi verärgert.

„Heute wieder auf Kriegsfuß, Liebes?"

„'Wieder'? Wohl eher ‚immer noch'!"

„Gestern Abend hatten wir das Kriegsbeil begraben. Ich hatte gehofft, es würde begraben bleiben."

„Ich könnte dich begraben. Dann kannst du das Kriegsbeil mitnehmen und aufpassen, dass es niemand wieder ausbuddelt."

„Ich gehe dann mal. Ich muss noch ins Einkaufszentrum, ein Geschenk besorgen.", ignorierte Beth die beiden.

„Stimmt, ihr habt doch bald euren zehnten Hochzeitstag!", erinnerte sich Kathe.

„Hochzeitstag?", wiederholte Jace mit gerunzelter Stirn und Beth lachte.

„Wir brauchten ein Datum, weil Martin und ich immer wieder gefragt wurden, wann wir ‚geheiratet' haben. Also haben wir uns für den 10. Oktober 2010 entschieden, weil es eigentlich leicht zu merken ist. Wir dürfen es nur nicht vergessen – wie du siehst, legen die Menschen großen Wert darauf."

„Was soll das heißen, ihr brauchtet ein Datum?" Kathe ließ sich perplex wieder auf die Couch sinken und sah sie irritiert an.

„Geh nur, ich mache das schon.", bot Josi an und Beth nickte und verschwand winkend durch die Tür.

„Diese Erklärung möchte ich um nichts auf der Welt verpassen." Caleb verschränkte die Arme vor der Brust. Auch Jace lehnte sich nun gegen die Kücheninsel, gespannt auf Kathlyns Reaktion.

„Werwölfe heiraten nicht. Sie beanspruchen ihren Partner und diese Verbindung gilt dann ein Leben lang.", erklärte Josi nun.

„Was soll das bedeuten, sie beanspruchen ihren Partner?"

„Nehmen wir das Beispiel von Mike und Emmely. Mike hätte jede ledige Frau für sich beanspruchen können und er hat sich für Emmely entschieden. Das musste er vor den Rudeln laut aussprechen – vor ihrem und vor seinem Rudel. Damit hat er allen Mitgliedern die Möglichkeit gegeben, ihn herauszufordern. Das heißt, hätte ein anderer ebenfalls Interesse an Emmely gehabt, hätte er mit Mike um sie kämpfen müssen. Oder hätte Emmely diese Verbindung nicht gewollt, hätte sie gegen Mike kämpfen und ihn besiegen müssen. Dasselbe gilt auch umgekehrt – falls also Emmely Mike beansprucht hätte."

„Moment! Habe ich das richtig verstanden: Man wird der Partner von dem, der am stärksten ist? Ob man will oder nicht, außer man besiegt ihn?"

„Ganz genau. Das nennt sich das Recht des Stärkeren. Du siehst also, dass es bei uns nicht so kitschig und romantisch zugeht, wie bei euch Menschen."

„Da muss ich widersprechen Liebes. Heutzutage kommt es sehr selten vor, dass jemand beansprucht wird, und es sind noch keine Gefühle im Spiel. Bei Mike und Emmely war das genauso der Fall, wie bei Beth und Martin. Früher war das vielleicht anders, doch die Zeiten haben sich geändert."

„Das klingt für mich nicht so.", erwiderte Kathe schnaubend. „Hätte jemand Mike besiegt, dann hätte Emmely einen anderen nehmen müssen. So etwas nennt man bei uns Zwangsehe. Stammt diese Regel aus dem Mittelalter?"

„Der Kodex wurde verfasst um unser Überleben zu sichern und die Ordnung der Rudel untereinander, und mit den Menschen aufrecht zu erhalten. Wir hatten nicht die Zeit, jahrelang um einen Partner zu werben, genauso wie auch unsere Auswahl nur begrenzt war.", widersprach Caleb. „Das Recht des Stärkeren spielt also eine zentrale Rolle. Niemand folgt einem Schwächling und jemand der nicht stark genug ist, kann seine Familie nicht schützen."

„Außerdem gibt es Grenzen und Regeln innerhalb der Partnerschaft. Der Stärkere zu sein bedeutet auch, die Schwäche des anderen nicht auszunutzen und ihn zu beschützen. Man darf den Partner zu nichts zwingen.", mischte sich nun Jace ein und erntete einen zornfunkelnden Blick von ihr.

„Du meinst außer, dass er bis an sein Lebensende an den anderen gebunden ist? Offensichtlich wird Liebe bei euch überbewertet."

„Liebe ist ein Prozess – sie entwickelt sich. Auch aus so einer Verbindung kann Liebe entstehen."

„Liebe sollte zu so einer Verbindung führen und nicht umgekehrt!"

„Lass gut sein Kathe.", beschwichtigte Josi sie. „Du kannst den Kodex nicht ändern. Und unsere Jungs hier verstehen von den romantischen Vorstellungen einer Frau nicht viel. Oder von Romantik im Allgemeinen."

„Möchtest du Blumen, Liebes?"

„Nur auf deinem Grab."

„Was hat Romantik denn jetzt damit zu tun?", wollte Jace überfordert wissen.

„Romantik bedeutet, jemanden das Gefühl zu geben, für denjenigen etwas Besonderes zu sein. Und davon träumt jede Frau, ganz gleich was sie behauptet. Wie Mike, der auf dem einen Mondfest nur für Emmely gesungen hat. Das war romantisch.", erklärte Josi.

„Wenn einer von uns beiden singen und alle vertreiben würde, fändet ihr das sicher nicht mehr romantisch.", murmelte Caleb. „Ihr würdet es Folter nennen."

„Wenn man jemanden beansprucht, erklärt man vor dem ganzen Rudel, dass man ihn als Partner will. Demzufolge ist der andere etwas Besonderes. Wenn nötig kämpft man sogar um ihn.", warf Jace ein.

„Und das findest du romantisch? Dass der Partner wie ein Gegenstand behandelt wird, um den man sich gegebenenfalls prügelt? Ohne dass es jemanden interessiert, was der andere davon hält und ob er das überhaupt will?" Kathe hatte die Arme verschränkt und sah ihn über die Couchlehne hinweg herausfordernd an.

„Ist es wirklich unromantisch, zu wissen was man will und darum zu kämpfen? Oder dass man dem anderen auf diese Art und Weise zeigt, wie sehr man ihn begehrt? Deshalb sieht man ihn noch lange nicht als einen Gegenstand. Der Partner gehört uns nicht. Er ist unser Gegenpart, unser Gegenstück, den wir achten und beschützen, und um den wir um jeden Preis kämpfen. Sowohl wenn wir ihn beanspruchen, als auch danach, unser Leben lang! Kein anderer wird seinen Platz einnehmen, so wie bei euch Menschen, denn es gibt niemanden, der so Besonders für uns ist wie unser Partner. Ist das unromantisch Kathlyn?"

„Offenbar haben wir unterschiedliche Vorstellungen von Romantik Jace. In meiner Vorstellung wirbt man um das Mädchen und trägt sie auf Händen, anstatt ihre Freunde zu vergraulen, über ihren Kopf hinweg zu entscheiden und sie sich über die Schulter zu schmeißen!", gab sie zurück und Caleb lachte auf.

„Du kannst ganz still sein! Du verstehst von diesem Thema noch weniger als Brian!", keifte Josi ihn an.

„Er versteht nichts davon, er widerspricht euch nur nicht.", konterte Caleb und beobachtete, wie die beiden sich gleichzeitig erhoben und zur Tür marschierten.

„Kümmert euch lieber wieder um eure Besprechungen. Davon versteht ihr eindeutig mehr!", riet Kathlyn und öffnete die Tür.

„Selbst als Alphas habt ihr eindeutig noch viel zu lernen!", ergänzte Josi und knallte die Tür beschwingt hinter sich zu. Caleb starrte sie verärgert an und einen Moment lang herrschte Stille.

„Romantik! Pah! Wenn die Mondgöttin gewollt hätte, dass wir ganz romantisch für die Damen singen, dann hätte sie uns in Vögel verwandelt und nicht in Wölfe!", knurrte der Alpha von Vastus schließlich. „Aber ganz wie sie möchte. Ich werde ihr ein Ständchen singen, dass sie nicht so schnell vergessen wird."

Keiner der beiden ahnte in diesem Moment, dass Josi nicht die einzige wäre, die den kommenden Tag nicht so schnell vergessen würde.

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Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstest. Ist gerade extrem stressig...

Und, seid ihr eher Kathes oder Jace' Meinung?

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