33. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩
Für die_sanfte
Dafür, dass du dich nicht mit dem Offensichtlichen zufrieden gibst. ♡
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Aus dem Lehrbuch für Mystische Geschöpfe
*Kathlyn*
Als ich noch völlig schlaftrunken die Augen öffnete, wollte ich mich ursprünglich in eine bequemere Schlafposition begeben und anschließend weiterschlafen. Ursprünglich deshalb, weil ich einen muskulösen Brustkorb anstarrte und schlagartig wach war.
Ich hatte mich tatsächlich an Jace gekuschelt, meinen Kopf an seine Seite geschmiegt. Noch immer hatte er den Arm schützend um mich gelegt, seine Hand auf meiner Taille. Meine Hand ruhte auf seiner nackten Brust und begann schlagartig zu kribbeln, als ich seine warme Haut und seine Atembewegung bewusst wahrnahm. Vorsichtig zog ich sie fort und betete, dass er noch schlief.
Ein Blick in Richtung seines Kopfes verriet mir jedoch, dass dem nicht mehr so war. Zwei eisblaue Augen beobachteten mich aufmerksam. Schnell richtete ich mich auf, wurde von seiner Hand jedoch entschieden zurückgezogen, sodass mein Oberkörper auf seiner Brust landete.
„Bleib ruhig noch etwas liegen. Du warst bisher eine prima Ausrede, dass ich noch nicht aufstehen konnte."
Schamesröte kroch mir in die Wangen, die ich versuchte mit Empörung zu überspielen: „Du hast mir versprochen, dass du auf deine Seite zurückgehst, sobald ich eingeschlafen bin!"
„Und was kann ich dafür, wenn du mir folgst?"
Perplex sah ich mich um und musste zu meiner Schande feststellen, dass er Recht hatte. Ich lag auf seiner Seite des verdammten Bettes! Aber zumindest lag ich noch unter meiner eigenen Decke.
„Du hast mich mit rüber gezogen, gib es zu!"
„Warum regst du dich so auf? Es ist doch überhaupt nichts passiert." Sein Grinsen wurde breiter. „Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du meine Nähe suchst."
„Als hätte ich eine Wahl! Du bist doch derjenige, der mich festhält!" Ich stemmte mich auf seinem Brustkorb ab und versuchte vergeblich, mich zu befreien. Sein Arm lag wie eine Schraubzwinge um mich. Und als ich bemerkte, wie sein Blick tiefer wanderte und er mir unverhohlen in den Ausschnitt sah, ließ ich mich auf seine Brust zurücksinken.
„Ich bin keine deiner Spielgefährtinnen Jace!", fauchte ich. Doch der Blick, mit dem er mich nun bedachte, ging mir durch Mark und Bein.
„Das könnten wir sofort ändern." Seine Stimme war tiefer geworden, seine Augen hatten sich verdunkelt und etwas Wildes, Verlangendes lag darin. Als wüsste er ganz genau, was er wollte und das er es bekommen würde. Auch sein Griff um meine Körpermitte wurde fester, seine Finger krallten sich geradezu in meine Decke.
Die Luft zwischen uns war plötzlich aufgeheizt. Sämtliche Antworten waren wie weggeblasen. Mein Mund wurde schlagartig trocken, mein Herz schlug mir bis zum Hals und ein kribbeliges Gefühl flutete meinen Körper.
Ich verlor mich in diesen dunklen Augen, in denen ein Sturm tobte, der mich eindeutig verschlingen wollte. Und obwohl es mir missfallen, oder ich mich zumindest unwohl fühlen sollte, tat es das nicht. Noch nie zuvor hatte mich ein Mann so angesehen und noch nie zuvor hatte ich mich so begehrt gefühlt.
Ich spürte, wie seine Hand durch mein Haar strich, sich in meinem Hinterkopf grub und mich ihm mit leichtem Druck entgegen schob. Ich spürte seine harten Muskeln unter meinen Fingern, die sich angespannt hatten als er sich aufrichtete, und wie seine Haut zu glühen begann, während er näher kam. Noch immer gab mich sein Blick nicht frei, er wurde sogar intensiver. Ein Blick, der mir keine Zeit zum nachdenken geben wollte.
Schlagartig wusste ich, dass ich mir an diesem Mann die Finger verbrennen würde. Mein Körper reagierte schon viel zu sehr auf ihn und auch mein Herz begann ihn viel zu gern zu haben. Doch er war ein Werwolf, noch dazu ein Alpha. Der Alpha, der mich verschleppt hatte. Der Alpha, der schon die ganze Zeit über mit mir spielte und mich nun offiziell zu seiner Spielgefährtin machen wollte, wenn ich ihn nicht stoppte. Der Alpha, den ich töten musste, fand ich keine Lösung.
„Nicht.", flüsterte ich auf seine Lippen, die kurz vor meinen innehielten. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie flach meine Atmung geworden und wie nahe wir uns bereits gekommen waren.
„Weil?", raunte er mit einer tiefen Stimme zurück, die mir überall eine Gänsehaut bescherte, ohne Abstand zwischen uns zu bringen.
„Ich will nicht.", ignorierte ich sämtliche Proteste meines Körpers, der diesen Lippen zu gern ein zweites Mal verfallen wäre. Taylor hatte mich nie so feurig geküsst, dass ich alles um mich herum vergessen hatte. Jace hingegen wusste sehr gut, wie er einen um den Verstand bringen konnte. Und ich brauchte meinen Verstand.
Sein Blick klärte sich, als er mich forschend ansah. Dann ließ er mich los. Ich rückte von ihm ab und schlang meine Decke fest um mich. Mein Körper stand so unter Strom, dass ich zitterte, obwohl mir nicht kalt war. Im Gegenteil, ich glühte.
Ich konnte Jace nicht mehr ansehen, als er wortlos aufstand und das Schlafzimmer verließ. Was war bloß los mit mir? Gestern hätte ich ihn noch in Stücke reißen können und heute, wo ich eigentlich noch mehr Gründe hatte, mich von ihm fern zu halten ...?
Mein Verhalten war mir unangenehm. Nicht nur mein Verhalten eben, auch das von gestern. Wie ich mich an ihn gekrallt hatte, oder wie ich meine Nase in seinem Pullover vergraben hatte. Wie ich mich an ihn gekuschelt hatte, als er mich zurücktrug. Wie ich den Kuss genossen hatte. Oder seine Nähe in dieser Nacht.
Frustriert ließ ich mich ins Kissen fallen und schrie hinein. Das war alles andere als angemessen. Das musste Jace doch einfach falsch interpretieren! Ich durfte ihm keine falschen Signale mehr senden!
„Du kannst ins Bad, wenn du möchtest.", riss er mich aus meinem Selbstmitleid. Sein Ton und sein Blick waren ganz normal, doch ich wusste, dass ich ihn mit meiner Zurückweisung verletzt hatte.
„Danke.", murmelte ich und flüchtete hinein. Doch als ich die Tür schloss, holte mich mein schlechtes Gewissen augenblicklich ein.
Der Schlüssel steckte.
„Ich weiß, dass der gestrige Tag ein Alptraum war. Das möchte ich gar nicht schönreden. Aber müsst ihr hier sitzen und Trübsal blasen?" Emmely ließ den Blick von mir zu Josi wandern, die ihr Essen genauso lustlos herumschob wie ich.
Wir drei saßen allein an einem Tisch. Jace hatte sich nur etwas zu Essen auf einen Teller geklatscht und war wieder nach oben verschwunden, in sein Arbeitszimmer vermutlich. Caleb war auch nirgendwo zu sehen.
„Sollen wir auf dem Tisch tanzen? Würde es dir dann besser gehen?", brummte Josi, ohne aufzusehen.
„Ich verstehe, weshalb Kathlyn so deprimiert ist. Aber du?"
„Muss ich immer gute Laune haben?"
„Vielleicht hat sie einen Kater. Sie hat gestern noch mit Caleb getrunken.", versuchte ich sie zu verteidigen, schien damit aber in ein Wespennest gestochen zu haben, denn nun sah sie mich verärgert an.
„So schnell bekommen wir keinen Kater. Unser Körper –", begann Emmely, ehe sie stutzte und zu Josi herumfuhr. „Mit Caleb?"
„Na und? Das ist kein Verbrechen. Außerdem hatte ich schon einiges intus, als er mich gefragt hat. Der Alkohol war also nicht unschuldig."
„Was hat er dir eigentlich erzählt?", fragte ich beiläufig und nahm einen Schluck Kaffee.
„Du meinst, wer bei Jace geschlafen hat?" Sie bedachte mich mit einem wissenden Blick und lächelte herausfordernd. „Das habe ich vergessen."
Das war wohl ihre Art der Rache. Ich zuckte die Schultern und tat, als würde es mich ohnehin nicht interessieren. Wahrscheinlich könnte ich mit dem Namen sowieso nichts anfangen. Und es ging mich auch nichts an, schließlich wollte ich keine seiner Damen werden. Das hatte ich ihm mehrfach gesagt.
„Mike.", sagte Emmely tonlos. Ich sah auf, konnte ihn aber nicht entdecken.
„Es war Mike. Er hat sich mit Jace ein Gästezimmer geteilt. Wieso?" Emmely betrachtete mich neugierig. Wider Willen spürte ich Erleichterung, gleichzeitig fühlte ich mich unter den Blicken der beiden seltsam ertappt.
„Sie dachte wohl, es wäre jemand weibliches.", grinste Josi.
„Was nicht schlimm gewesen wäre, weil es mir sowieso egal ist, wer mit ihm das Bett teilt!", gab ich patzig zurück.
„Meine Güte Kathlyn, du bist die Einzige!" Emmely sah mich vorwurfsvoll an. „Ich weiß, dass Liebschaften und Untreue bei euch Menschen üblich sind, aber bei uns – der Mondgöttin sei Dank – nicht."
„Er könnte mir nicht untreu werden, weil zwischen uns nichts ist. Ich schlafe neben ihm, nicht mit ihm! Und wenn es nach mir ginge, hätte ich mein eigenes Zimmer!" Das würde mir so manchen Ärger ersparen. Wie heute Morgen, zum Beispiel.
Josi und Emmely tauschten einen Blick und offenbar auch Worte, die ich nicht hören sollte. Ihre Blicke und ihr verkniffenes Schmunzeln ließ mein Inneres nur noch mehr brodeln. Die beiden hatten einfach keine Ahnung! So!
„Wäre jetzt jemand so freundlich, mich über diesen Claus aufzuklären, mit dem ich gestern Bekanntschaft machen durfte?", wechselte ich das Thema und wischte ihnen das Schmunzeln aus dem Gesicht.
Natürlich hatte ich niemandem von seinem Auftrag erzählt und der Dolch war in einem hoffentlich sicheren Versteck, bis ich wusste was ich tun sollte, oder wie ich aus dieser misslichen Lage herauskam. Ich könnte Jace davon erzählen, doch ich wusste, dass dieser Claus einen Spion in der Festung hatte. (Wie sonst war seine Karte in die Bibliothek gekommen?) Er würde es erfahren und sich an meinen Eltern oder Ilargia rächen. Könnte Jace ihn aufhalten? Ich wusste es nicht. Allgemein wusste ich viel zu wenig.
„Erinnerst du dich an das Rudel, von dem ich dir erzählt habe? Dass die Schwachstellen anderer Rudel ausnutzte, um sie sich einzuverleiben?" Emmely wartete, bis ich nickte. „Das war sein Rudel."
„Er und sein Beta Nero gehören zu einem Rudel namens Deorum. Sie sind für ihre Grausamkeit und ihren Hass auf Menschen und Mischlinge bekannt.", ergänzte Josi mit finsterer Miene. „Sie halten sich nicht an den Kodex."
„Mischlinge?", hakte ich in dem Glauben nach, mich verhört zu haben.
„Nachkommen zwischen Werwölfen und Menschen. Es ist ein abfälliger Begriff. Als wären sie keine vollwertigen Werwölfe."
„Moment – aus den Nachkommen zwischen Menschen und Wölfen werden auch Wölfe?"
„Ja. Das Werwolf-Gen setzt sich immer durch. Aber das Kind wäre schwächer, als ein Kind von reinen Werwölfen. Deshalb betrachtet Deorum sie als Blutsschande."
„Er würde nicht davor zurückschrecken, ein Mischlingskind zu töten." Emmely strich sich geistesabwesend über den Bauch. „Du hattest unheimliches Glück, dass er dich am Leben gelassen hat. Weißt du das?"
„Was haben Jace und Caleb mit ihm zu tun?", fragte ich weiter und versuchte ihre letzte Äußerung zu ignorieren. Sie hatte ja keine Ahnung. Ich hatte alles, aber kein Glück!
„Die beiden sind in seinem Rudel aufgewachsen, bis sie alt genug waren sich zu entscheiden. Beide haben das Rudel verlassen. Beide kennen ihn also sehr gut. Sie kennen Deorums Schwachstellen, sie sind Alphas mit einem Rudel hinter sich und sie könnten eine ernste Gefahr für Claus werden. Also versucht er, die beiden los zu werden. Er wollte sie gegeneinander aufhetzen, doch das hat nicht funktioniert. Da hat er Späher im Wald gelassen, vermutlich um Jace zu töten und den Verdacht auf Caleb zu lenken. Auch das hat nicht funktioniert.", erzählte Josi. „Wer weiß, was er als nächstes plant."
„Aber auch damit wird er nicht durchkommen! Caleb und Jace werden ihm die Stirn bieten!", fuhr Emmely fort und versuchte optimistisch zu klingen. Ich betrachtete meinen immer noch vollen Teller und schwieg. Die beiden hatten keine Ahnung und darüber war ich sehr froh.
Was hätten sie wohl dazu gesagt, wenn sie wüssten, dass ich dieser neue Plan war?
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