3. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩
Aus den geheimen Forschungsunterlagen von Ilargia
*Jace*
Er atmete tief durch, als sie vor das Café traten. Er hasste es – obwohl es an dem Kaffee, dem Essen und dem Service nichts auszusetzen gab. Leider lag das Rathaus genau gegenüber und so war es der perfekte Ort, um unauffällig zu bleiben und den Ratssitzungen zu folgen. Soweit die Theorie.
Praktisch arbeitete in diesem Café ein gewisser jemand, der seine Konzentrationsfähigkeit mit jedem Mal mehr auf die Probe stellte. Insbesondere heute, wo sie auch noch über ihn gesprochen hatten.
Es ärgerte ihn. Wieso gingen die Städter davon aus, dass er das Abkommen brechen würde? Oder dass sein altes Rudel ihnen Probleme machen würde? Oder dass er sein Rudel nicht im Griff hatte? Ja, er hatte sich einen Haufen Feinde gemacht. Aber war das als Alpha nicht normal? Und es war sein Problem, nicht ihres. Sie hatten keinen Grund an ihm zu zweifeln!
Und dann natürlich wieder die Tatsache, dass er sich niemanden zu erkennen gab – auch nicht dem Rat. Spielte es wirklich eine Rolle, dass sie wussten wie er aussah? Oder wie er hieß? Änderte das irgendetwas an ihren Problemen? Wie die toten Tiere, die sein Rudel im Wald entdeckt hatte. Oder den verschwundenen Mann, der mit Sicherheit nicht mehr am Leben war.
Er schüttelte den Kopf über so viel Ignoranz. Die ganze Stadt war in Gefahr und sie regten sich lieber darüber auf, dass er nicht persönlich im Rathaus saß. Dabei kamen die Anweisungen direkt von ihm. Er erfüllte seine Pflichten! Wenn auch nicht so, wie sich die Menschen das vorstellten.
„Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?", wollte Josi wissen und unterbrach seine Gedanken. Jace sah sich suchend um, konnte sie jedoch nicht entdecken.
„Was meinst du?", hakte er nach und hörte, wie sie amüsiert kicherte.
„Was denn, warst du wieder abgelenkt? Lass mich raten: Die Kleine aus dem Café?" Sie hatte ihren Geist nicht abgeschirmt. Jeder aus dem Rudel, der sich in der Nähe befand, konnte sie hören. Er knurrte warnend.
Es musste ja nicht jeder mitbekommen, wie recht sie hatte. Er hatte den Rest der Sitzung völlig verpasst, weil er sich lieber auf das Gespräch zwischen ihr und ihren Freunden konzentriert hatte. Zumindest, bis sie an ihren Tisch kam um Kaffee nachzuschenken. Ab da war er damit beschäftigt gewesen sie anzustarren.
Alec schien zu bemerken, dass seine Gedanken schon wieder abdrifteten und stieß ihn in die Seite. Sie mussten sich dringend einen anderen Ort überlegen.
„Sie erteilen heute Nacht eine Ausgangssperre, wie du es vorgeschlagen hast. So können wir ungehindert durch die Stadt streifen und ihn suchen.", erklärte Josi nun.
„Wo steckst du?" Er konnte sie noch immer nicht entdecken.
„Ich bin über euch."
Jace warf unauffällig einen Blick nach oben und bewunderte Josi unwillkürlich. Jeder seiner Männer hätte das Dach abgedeckt, oder wäre durch die Decke gekracht. Sie hingegen konnte sich bewegen wie eine Katze und spazierte auf dem Dachfirst herum, als täte sie den ganzen Tag nichts anderes.
„Pass auf, dass dich niemand sieht.", befahl er. Obwohl sie nichts erwiderte, wusste er, dass sie mit den Augen rollte. „Jeder geht spätestens jetzt auf seinen Posten. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Verhaltet euch unauffällig. Wir schlagen erst zu, wenn die Straßen leer sind! Wer etwas wittert, teilt es dem Rudel mit! Und es wird sich nicht verwandelt, wenn Menschen in der Nähe sind!" Alle murmelten ihre Zustimmung und die drei Männer teilten sich auf.
„Soll ich das Café im Auge behalten?" Alec sprach nur zu ihm, niemand sonst konnte ihn hören. Deshalb zögerte Jace einen Moment lang.
„Nein. Ich will nicht, dass er uns wieder entwischt. Das können wir dem Rat kein zweites Mal erklären."
Sie hatten den Vampir zu spät gewittert und er war ihnen entwischt. Sie alle vermuteten, dass er Hilfe gehabt hatte, sonst wäre ihm das nicht gelungen. Seitdem war er in der Stadt. Er versteckte sich hier irgendwo, denn hier konnten sie ihn nicht so einfach jagen und zur Strecke bringen, wie im Wald. Zu viele Menschen. Also patrouillierten sie. Witterten. Suchten. Bisher ohne Ergebnisse.
Nach Einbruch der Dunkelheit würde der Blutsauger sicher auf die Jagd gehen. Tierblut hielt sie nie lange satt. Und der Mann war seit 2 Tagen verschwunden, er dürfte inzwischen blutleer sein. Jace hoffte zumindest, dass er nicht verwandelt worden war, sonst hätten sie noch mehr Probleme. Er musste dringend herausfinden, wie der Vampir unbemerkt so weit gekommen war.
Die Straßen leerten sich mit rasanter Geschwindigkeit. Er beobachtete das alles aus einiger Entfernung und sah auch, wie die Ratsmitglieder das Café betraten. Das ärgerte ihn. Er hätte es lieber gesehen, wenn Kathe auf ihren Vater gehört hätte und mit den anderen nach Hause gegangen wäre.
Er wusste noch, wie er sie das erste Mal in diesem Café gesehen hatte. Sie war ihm sofort aufgefallen. Ihr Duft war damals schon atemberaubend, verführerisch. Zu dieser Zeit war sie nur ein Gast, gerade von der Schule gekommen. Sie war so unbeschwert. So unschuldig.
Auch heute hatte sie vollkommen sorgenfrei gewirkt, nichts ahnend von der Gefahr, die direkt vor ihr saß. Oder jene, die im Dunkeln lauerte. Er sah sie wieder vor ihrem Tisch stehen, das lange hellblonde Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Haut hatte verboten weich ausgesehen, ihre Lippen hatten seinen Blick magisch angezogen. Als sie sprach, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Und als sie ihn mit ihren himmelblauen Augen ansah, stockte ihm tatsächlich der Atem. Einzig die dunkelrote Schürze, die sie über der schwarzen Jeans und dem blauen Shirt trug, trübte das Bild. Sie erinnerte ihn zu sehr an Blut.
„Bisher ist alles ruhig. Nebenbei bemerkt ist es gar nicht so leicht, sich hier unauffällig zu bewegen – wenn man der Einzige auf der Straße ist.", maulte Alec.
Jace schmunzelte. „Wenn jemand zufällig aus dem Fenster sieht, sollte er keinen Verdacht schöpfen. Du weißt genau, worauf es ankommt. Tu nicht so, als würdest du das zum ersten Mal machen." In diesem Moment öffnete sich die Cafétür und die Ratsmitglieder strömten heraus. „Ihr bekommt Gesellschaft. Taucht unter, bis sie verschwunden sind!"
Auch Jace ging in Deckung und beobachtete, wie Kathlyn hinter ihnen abschloss. Er wartete noch eine Weile, dann machte er erneut seinen Rundgang, hakte bei seinem Rudel nach und hielt Ausschau nach dem ungebetenen Gast. Alles blieb weiterhin viel zu ruhig. Vielleicht hätte er doch mehr Mitglieder mitnehmen sollen, um einen größeren Teil der Stadt abzudecken. Noch dazu bekam er Hunger. Er hätte vorhin etwas essen sollen.
Kathe war hoffentlich so schlau gewesen, jetzt endlich nach Hause zu gehen. Die Dämmerung war längst vorüber, nun sollte sie definitiv nicht mehr unterwegs sein. Er ignorierte den unbändigen Drang, einfach nachzusehen. Er musste auf seinem Posten bleiben, auch als Alpha! Außerdem hatte er gehört, was ihr Vater ihr gedroht hatte. Auch dieses Gespräch hatte er natürlich belauscht – er konnte nicht anders. Frustriert raufte er sich die Haare. Dieses Mädchen beherrschte seine Gedanken, und es wurde immer schlimmer!
„Ich habe eine Spur!", meldete sich plötzlich Josi. „Ich bin in der Nähe vom Marktplatz. Ich wittere ihn, sehen kann ich ihn noch nicht."
Jace seufzte auf. Endlich! Und es war definitiv eine willkommene Ablenkung! Grinsend bleckte er die Zähne, voller Vorfreude auf die Jagd und den Kampf, und machte sich auf den Weg in die angegebene Richtung.
„Verdammt! Ich wittere noch einen Menschen! Die Gerüche vermischen sich.", teilte Josi ihnen beunruhigt mit und das Grinsen verging ihm augenblicklich. Eine böse Vorahnung beschlich ihn und er rannte los. Er hatte Kathe nicht rauskommen sehen und niemand sonst aus dem Rudel hatte ihm gemeldet, dass sie auf der Straße war. Still verfluchte er sich dafür, dass er Alec nicht einfach dort gelassen hatte.
„Was soll ich tun, wenn ich sie sehe?", fragte Josi atemlos, doch Jace war nicht in der Lage ihr zu antworten. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Marktplatz gerichtet, auf den er gerade einbog. Er hielt inne, lauschte, witterte. Selbst wenn es nicht Kathe war, so konnten sie kein weiteres Opfer gebrauchen – das würde der Rat nicht dulden. Ausgangssperre hin oder her, sie würden ihm die Schuld geben und das Verhältnis wäre noch angespannter.
Der aufdringliche Geruch von Tod und Fäulnis stieg ihm in die Nase und er wandte sich entschlossen der Gasse zu seiner rechten zu.
„Ich sehe ihn! Er ist in der kleinen Gasse, neben dem Marktplatz. Und er hat sich eine Mahlzeit besorgt. Was soll ich tun Jace?"
Er wollte Josi gerade antworten, da roch er sie – so plötzlich, als hätte sich ein unsichtbarer Schleier gehoben.
Es war Kathlyns Duft, vermischt mit Blut.
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