26. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩
*Kathlyn*
Ein raschelndes Geräusch schlich sich in meine Träume und teilte meinem Unterbewusstsein mit, dass es besser wäre aufzuwachen. Widerwillig gehorchte ich und öffnete die Augen. Ich spürte sofort, dass ich nicht allein war.
Erschrocken fuhr ich hoch und erblickte Jace am Bettende vor dem Kleiderschrank. Er trug nur Shorts und stieg gerade in eine frische Jeans. Sein Haar war noch feucht und auf dem Bett lag ein Handtuch. Vor wenigen Augenblicken musste er also noch unter der Dusche gestanden haben.
„Wie kann man nur so tief schlafen? Ich hätte inzwischen die halbe Etage leerräumen können, und du hättest nichts bemerkt." Seine eisblauen Augen blitzten vergnügt, als er mich frech angrinste. Ich verdrängte sämtliche Erleichterung ihn zu sehen in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, ignorierte die Aussicht auf seinen muskulösen Torso und kuschelte mich stattdessen demonstrativ wieder unter die Decke.
„Das liegt vielleicht daran, dass ich das erste Mal seit langer Zeit wieder richtig gut geschlafen habe. Ich hatte nämlich das ganze Bett für mich!"
„Gut geschlafen, soso."
„Richtig gut geschlafen!", korrigierte ich und spürte wie das Bett federte, als er auf allen vieren über mich kroch.
„Ich denke, das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Die Wahrheit ist wohl eher, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast. Dass du die halbe Nacht wach warst. Dass du Angst hattest, ganz allein hier oben."
„Das ist Wunschdenken, weil du mit der Wahrheit nicht umgehen kannst." Mein Herz klopfte schon um einiges schneller, als ich zu ihm aufblickte. Noch immer trug er kein T-Shirt. Das war eindeutig nicht fair!
„Man sieht es an deinen Augenringen." Seine Hand schmiegte sich an mein Gesicht. Seine Finger strichen zärtlich über meine Wange. „Außerdem würden mich Alec und Emmely niemals anlügen."
„Sie wollen nur deine Gefühle nicht verletzen. Und ich habe keine Augenringe!" Er musste sich gleich nach seiner Ankunft nach mir erkundigt haben. Das freute mich mehr, als ich jemals zugeben würde.
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Er genoss diesen kleinen Schlagabtausch offenbar genauso sehr wie ich: „Außerdem brennt dein Nachtlicht noch."
„Das hast du angemacht, während ich geschlafen habe!"
Langsam beugte er sich zu mir und mein Herzschlag beschleunigte sich noch mehr. Er war mir so nah, dass ich die dunkelblauen Sprenkel betrachten konnte, die den Rand seiner Iris bildeten. Eisblaue Augen, mit einem dunkelblauen Rand. Es sah wunderschön aus.
„Du musst immer das letzte Wort haben. Gib doch einfach zu, dass du mich vermisst hast!" Der Geruch seines Shampoos kitzelte in meiner Nase und sein warmer Atem strich verführerisch über meine Lippen, genau wie er es beabsichtigt hatte. Wenn er mich nervös machen wollte, hatte er sein Ziel längst erreicht.
„Wie ich bereits sagte: Wunschdenken. Ich habe es höchstens vermisst, alleine schlafen zu dürfen. Aber es ist interessant, dass du deine Wünsche auf mich projizierst. Oder sind es deine Ängste? Hast du Angst, allein zu schlafen Jace? Hast du letzte Nacht allein im Bett gelegen und dir gewünscht, ich wäre da?"
„Wie kommst du darauf, dass ich allein war?" Sein herausfordernder Ton, verbunden mit seinem Blick verriet mir, dass er mich nicht nur necken wollte. Plötzlich kamen mir die Briefe aus seinem Arbeitszimmer wieder in den Sinn und es gefiel mir überhaupt nicht mehr, wie ein Beutetier unter ihm zu liegen. Mir wurde schlecht bei der Vorstellung, dass er sich noch vor kurzem genau so über ein anderes Mädchen gebeugt hatte. Vermutlich mit weit weniger an als jetzt.
„Prima, dann haben wir wohl beide gut geschlafen. Und jetzt geh runter, ich will mich anziehen!", fauchte ich, doch Jace rührte sich nicht.
„Habe ich da einen Nerv getroffen?"
„Wenn du nicht sofort runter gehst, werde ich gleich einen Nerv von dir treffen!", schwor ich ihm und überlegte, in welcher Geschwindigkeit ich mein Knie dafür anwinkeln müsste. Der Gedanke, dass seine Gespielin dies dann genauso ausbaden musste, gefiel mir ungemein.
Offensichtlich war mir der Ernst meiner Drohung anzusehen, denn Jace erhob sich tatsächlich. Ich schnappte mir meine Sachen und verschwand im Bad, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Das war nicht zu fassen! Alec und Josi hatten sich total gestritten, das ganze Rudel hatte Angst um ihn gehabt, Emmely war fast wahnsinnig geworden vor Sorge - während sich dieser Kerl in aller Seelenruhe vergnügte! Und ich dumme Kuh hatte kaum ein Auge zugetan. (Tja, er offensichtlich auch nicht.)
Es wurde eindeutig Zeit, dass ich hier wegkam. Sollte er doch (s)einer anderen auf die Nerven gehen! Ich würde ihn ganz sicher nicht vermissen!
Als ich aus dem Bad trat stand Jace in der Diele, inzwischen vollständig angezogen. Diesmal sah er ernst aus, als er mich ins Visier nahm und ich wusste augenblicklich, dass das nichts Gutes bedeutete.
„Wie du vielleicht gehört hast, bin ich nicht allein zurückgekommen. Ein paar Mitglieder eines anderen Rudels sind hier." Ich nickte knapp. Ob sie auch dabei war?
„Ich möchte, dass du dich von ihnen fern hältst. Du wirst kein Wort über deine Herkunft, die Bedingung oder Ilargia verlieren. Dasselbe gilt für Abläufe innerhalb unseres Rudels. Du wirst bei Emmely oder Brian bleiben, und nicht allein herumlaufen. Du wirst die Wolfshöhle nicht verlassen. Und du wirst es mir sagen, sollte irgendetwas vorfallen." Er war direkt vor mir stehen geblieben. Seine Körpersprache verriet mir, dass er keinen Widerspruch dulden würde, doch ich konnte mich nicht zurückhalten.
„Gelten diese Regeln für alle, oder wieder nur für mich?"
„Entweder du hältst dich daran, oder du bleibst hier oben!", entgegnete Jace kühl und das war der nächste Moment, in dem ich ihn zu gern von der Terrasse befördert hätte.
„Prima." Ich lächelte bissig und drehte mich der Tür zu. Sollte er das doch interpretieren wie er wollte.
„Da ist noch etwas.", stoppte er mich, als ich die Tür gerade öffnen wollte und ich wappnete mich für die nächsten Verbote, an die ich mich nicht halten würde.
„Unser morgendlicher Spaziergang wird für eine Weile ausfallen.", sagte er jedoch sanfter und zu meinem Ärger gesellte sich tatsächlich das Gefühl von Enttäuschung. Dabei war es im Grunde egal, denn ich hatte sowieso nicht vor, den nächsten Morgen hier aufzuwachen.
„Prima.", antwortete ich wieder, riss die Tür auf und stolzierte die Treppe hinunter. Als ich vorhin die Augen aufschlug war ich noch in Hochstimmung gewesen, als ich ihn sah. Nun wünschte ich mir, er wäre geblieben wo der Pfeffer wächst.
„Kathlyn!" Er seufzte meinen Namen als wäre ich ein uneinsichtiges, störrisches Kind und setzte damit dem Ganzen die Krone auf. „Es ist doch nur für ein paar Tage."
„Und das macht es jetzt besser? Das ich nur für ein paar Tage unter Aufsicht gestellt werde wie ein Kleinkind?" Während er mit seinem heiß geliebten anderen Rudel und wer weiß wem noch beschäftigt war. „Müssen mich die beiden auch an die Hand nehmen?"
„Übertreib es nicht! Ich stelle dich nicht unter Aufsicht, das dient zu deinem Schutz!", knurrte es nun hinter mir und ich schnaubte demonstrativ auf.
„Du lässt mich durch einen pubertierenden Jungen und eine Hochschwangere beschützen? Wie edel von dir! Da geht es mir gleich besser!"
„Du -", begann er bedrohlich, unterbrach sich dann aber selbst. Emmely stand am Treppenende und sah krampfhaft auf ihren Bauch, um den Eindruck zu erwecken, dass sie nicht jedes Wort verstanden hatte. Jace hatte sie über ihre Rolle wohl schon unterrichtet. Prima!
„Guten Morgen!", begrüßte ich sie überschwänglich und schloss sie in meine Arme. „Hast du gut geschlafen?" Ich hakte mich bei ihr unter und zog sie mit sanfter Gewalt Richtung Speisesaal, den schlecht gelaunten Alpha hinter mir ignorierend.
„Nein, ehrlich gesagt nicht." Sie gähnte, wie aufs Stichwort. „Die Nacht war furchtbar, aber diesmal lag es nicht am Baby."
„Jetzt ist Mike ja wieder da." Ich lächelte sie aufrichtig an und sie strahlte zurück. Dann warf ich einen unauffälligen Blick über meine Schulter, doch Jace war uns nicht gefolgt. Allgemein war der Speisesaal für diese Zeit äußerst leer.
„Sie haben bei Vastus gefrühstückt.", raunte Emmely bemüht leise und nahm sich einen Teller. „Momentan treffen sich alle ranghohen Mitglieder beider Rudel im Besprechungsraum. Mike hat auch nur schnell geduscht und sich umgezogen."
„Warum bist du nicht dabei, als seine Frau?"
„Ich habe eine andere wichtige Aufgabe." Sie warf mir einen mahnenden Blick zu. „Er macht sich nur Sorgen um dich. Du bist ein Mensch. Du bist noch angreifbarer als wir und wir wissen nicht, wie das andere Rudel auf dich reagiert."
„Und du bist schwanger! Ich würde niemals wollen, dass du dich für mich in die Schusslinie begibst."
„Ich glaube auch nicht, dass Jace ernsthaft damit rechnet, sonst hätten diese Aufgabe ganz andere bekommen, glaub mir. Ich schätze er möchte einfach, dass du nicht allein bist, so lange Vastus hier ist."
„Wieso sind sie hier?" Ich wollte nicht mehr über Jace reden. Stattdessen brannte ich darauf, mehr über das andere Rudel - und vor allem ihre Mitglieder - zu erfahren. Vielleicht gab es dort eine Nicoleta?
„Sicher geht es um die Vorfälle an der Grenze und die Morde." Inzwischen hatten wir Platz genommen und begonnen unsere Brötchen zu schmieren. Die Tische um uns herum waren leer. Bei ihren Worten fiel mir fast das Messer aus der Hand.
„Morde? Ich dachte, es wäre nur eine Leiche gefunden worden?"
„Einer unserer Grenzposten wurde ermordet, ja. Doch ebenso zwei Grenzposten von Caleb. Jedenfalls sind es ernste Themen, die Stimmung zwischen den Rudeln ist angespannt und das Misstrauen ist groß. Du solltest Jace für seine Sorge also dankbar sein."
„Ja, ich bin ihm auch wahnsinnig dankbar." Ich verdrehte die Augen. Ständig war sie auf Harmonie und Frieden bedacht, und versuchte zu vermitteln. Josi hätte mich wenigstens verstanden, mit ihrem explosiven Temperament. Nach dem was ich nun gehört hatte, war es nicht absehbar wann Vastus wieder verschwinden würde - und so lange hätte ich Emmely und Brian an der Backe. Aber ich wollte unter keinen Umständen noch länger hier bleiben!
Emmely überhörte meinen Sarkasmus. „Ich glaube, ich brauche heute Mittagsschlaf.", murmelte sie und gähnte erneut.
„So eine scheiß Kälte!", schimpfte eine große, schlanke und gut eingepackte Gestalt plötzlich. Sie stapfte zu den Thermoskannen und nahm sich eine Tasse. Emmely zog empört ihre Augenbrauen nach oben.
„Wieso bist du nicht auf deinem Posten?", wollte sie vorwurfsvoll wissen und die Person drehte sich zu uns um. Cindys haselnussbraune Augen musterten uns missbilligend, ehe sie demonstrativ ihre Tasse hob.
„Ich habe mir nur einen Kaffee geholt, wenn es genehm ist! Ich sitze schließlich nicht den ganzen Tag im Warmen. Letzte Nacht hat es geschüttet, ich bin immer noch ganz klamm. Am liebsten würde ich mich umziehen."
Nun wurde Emmelys Blick weicher. „Wie lange geht deine Schicht noch?"
„Keine Ahnung. Dank Vastus ist alles durcheinander." Sie seufzte theatralisch, ehe sie samt Tasse den Speisesaal verließ.
„Jace hat sie zum Patrouillendienst eingeteilt und sie hat die zweite Nachtschicht. Damit hat er einen Nerv getroffen, wo sie doch so auf ihren Schönheitsschlaf achtet.", kicherte Emmely nun und ich glaubte Schadenfreude herauszuhören. „Sie hat Glück, dass er sie nicht gesehen hat. Sie darf ihren Posten nicht verlassen."
Nachdenklich betrachtete ich die Thermoskanne. Und plötzlich wusste ich, wie und wann ich endgültig von hier verschwinden würde. Vorausgesetzt Jace würde mitspielen.
<~~~▪︎●■●▪︎~~~>
Habt ihr ein Idee, was sie vorhat?
Oder wie würdet ihr es anstellen?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top