19. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩
Aus den Ilargia News
*Jace*
Als er nicht weitersprach, hob sie fragend beide Augenbrauen. Ihr Mund öffnete sich, als wolle er die Frage laut aussprechen. Jace' Blick streifte ihn automatisch und er spürte wieder diese Gier in sich anwachsen. Die Gier nach ihr, nach ihren Lippen, nach ihrem Atem, nach ihrem Geschmack. Kathlyn schloss den Mund und presste die Lippen aufeinander, als sie seinen inneren Kampf bemerkte.
„Dann werde ich dir einen Kuss stehlen, den du nie wieder vergessen wirst.", raunte er schließlich und ihre Wangen verfärbten sich eine Spur röter, doch sie erwiderte nichts.
„Also?" Jace kam ihr noch näher und spürte, wie nervös er sie machte.
„Gut, aber nur unter drei Bedingungen. Erstens: Ich bestimme den Zeitpunkt. Irgendwann wird dich irgendjemand darüber informieren, dass es soweit ist und ab diesem Moment hast du 10 Minuten, um mich zu finden. Zweitens: Josi wird die Zeit stoppen. Und drittens: Du suchst allein. Keine Tipps von anderen, keine fremde Hilfe."
„Die habe ich sowieso nicht nötig." Ein breites Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
„Das werden wir sehen."
„Ich freue mich darauf." Erneut betrachtete er ihre vollen, roten Lippen, ehe er zurücktrat und sich umsah. Die Küche war ein Schlachtfeld, aber die Platten sahen wirklich gut aus. „Brian und du, ihr habt das alles allein vorbereitet?"
„Ja. Weißt du, wo ein Besen ist?"
„Das Fest fängt bald an, du solltest dich lieber fertig machen. Alec", rief er dann im Geist nach seinem Beta, der sofort antwortete, „schick mir Brian her. Und Cindy."
„Nein! Ich will nicht, dass Brian meine Sauerei aufräumen muss!" Ohne ihn weiter zu beachten begann sie, das am Boden liegende Essen aufzuheben. Jace stöhnte innerlich über ihre Sturheit und zog sie wieder auf die Beine. Gerade als sie protestieren wollte klopfte es an der Tür und Brian sah vorsichtig herein. Als er das Chaos bemerkte, weiteten sich seine Augen und Kathe senkte schuldbewusst den Kopf.
„Du hast den Rest des Tages frei. Genieß das Mondfest.", sagte Jace da und sie sah ihn überrascht an. Brian brachte nur ein nicken zustande und verschwand wortlos. Vielleicht hätte er ihn nicht so anfahren sollen, als er nach Kathe gesucht hatte. Der Junge war noch nicht allzu lange im Rudel und sehr empfindlich. Vor allem ihm als Alpha gegenüber. Das war auch nicht verwunderlich, denn Brians alter Alpha war nicht zimperlich gewesen. Jace würde das später mit ihm klären müssen.
„Siehst du. Ich bin auch ganz nett.", konnte er es sich nicht verkneifen, doch als es erneut klopfte setzte er sofort seine strenge Miene auf.
„Du hast mich rufen lassen?" Cindy kam zur Tür herein und lächelte zögernd. Sie hatte Lockenwickler in den Haaren, offensichtlich war sie gerade dabei gewesen sich hübsch zu machen.
„Es wundert mich, dass du nicht in der Küche warst."
„Brian hatte sich angeboten, den Rest vom Festessen allein zu machen. Damit ich mich fertig machen kann." Ihr Blick glitt zu Kathe und flackerte einen Moment verunsichert. „Oder hat jemand etwas anderes behauptet?"
„Du kannst dich fertig machen, sobald du hier aufgeräumt hast.", entschied Jace kühl. Nun sah sie sich sprachlos um, betrachtete den verschmierten Jace und abschließend Kathe, deren Finger noch immer verräterische Spuren aufwiesen. Es war nicht schwer zu erraten, wer für das Chaos verantwortlich war.
„Kann ich das nicht nach dem Fest machen? Sonst verpasse ich die Hälfte."
„Dann schlage ich vor, du fängst gleich an." Er nahm Kathe bei der Hand und zog sie hinter sich her, aus der Küche. Doch als sie an Cindy vorbeiliefen bemerkte er genau, wie diese Kathlyn verärgert anfunkelte.
„Ich kann nicht behaupten, dass sie mir leid tut.", gab Kathe unverblümt zu, als sie die Stufen zur Suite hinaufstiegen.
„Ich denke, da ist sie anderer Ansicht. Deinetwegen wird sie zu spät zum Fest kommen. Und ich bin mir sicher, dass sie dir das noch heimzahlen wird." Er wusste, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung, wie nachtragend Frauen sein konnten.
„Tz. Ich verstehe sowieso nicht, was ihr am Vollmond so besonderes findet. Ich glaube nicht, dass da oben eine Göttin wohnt. Das ist nur ein Himmelskörper, der von der Sonne angestrahlt wird."
Jace hielt ihr schmunzelnd die Tür auf. Es fiel ihr immer noch schwer, an Magie zu glauben. Obwohl er selbst – der lebende Beweis – vor ihr stand.
„Das ist alles eine Frage der Sichtweise.", erklärte er, schloss die Tür und betrachtete sie nachdenklich. Sie sah ihn gespannt an. „Ohne das Licht der Sonne, hätte der Mond ebenso wenig Magie, wie ohne die Dunkelheit. Würde ihn die Sonne nicht anstrahlen, würde er nicht leuchten. Doch wäre es nicht dunkel, würden wir sein Leuchten nicht bemerken."
„So habe ich das noch nie betrachtet."
„Deshalb ist der Mond für uns so Besonders: Er spiegelt Licht und Dunkelheit perfekt wieder. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Das eine hat ohne das andere keine Magie. Bei uns Werwölfen ist es genauso. Wir könnten nicht existieren, gäbe es keine Menschen, oder keine Wölfe. Wir sind der Mond. Wir sind Licht und Dunkelheit vereint.", fuhr er fort.
„Du bist das Licht und ich die Dunkelheit.", dachte er.
Er hatte geduscht und sich umgezogen. Die Zeit, die Kathe nun im Bad brauchte, verbrachte er in seinem Arbeitszimmer. Tobias hatte ihm eine neue Ausgabe der Ilargia News mitgegeben. Dort war ein reger Disput zwischen Marius Frumos, den Ratsmitgliedern und Kathlyns Eltern im Gange. Jace hatte mit seinem Plan Erfolg gehabt, doch der würde nicht lange anhalten.
Nachdenklich betrachtete er den Brief, den ihm Anna heute überreicht hatte. (Da sich Josi um Kathe kümmern sollte, war Anna bei der Ratssitzung für sie eingesprungen.) Dieser Brief konnte genauso viel Schaden wie Nutzen anrichten.
Er war gerade dabei, Kathes Vertrauen zu gewinnen. Zumindest war sie nicht noch einmal mit einem Messer auf ihn losgegangen, und sie hatte auch nicht noch einmal versucht zu fliehen. Stattdessen begann sie, sich im Rudel einzubringen und Freunde zu finden. Das war gut.
Doch der Brief würde ihr Heimweh verschlimmern und er könnte sie auf dumme Ideen bringen. Er könnte alles komplizierter machen. Und wofür? Ein politisches Spiel gegen Ilargia? Gegen Frumos?
Ein unsinniges, ermüdendes Unterfangen. Die Menschen glaubten sowieso, was sie wollten. Was ihnen gelegen kam. Was ihre Taten rechtfertigte. Das hatte er schon so oft erlebt, bitter lernen müssen.
Und was Frumos betraf, so würde der nicht aufgeben, ganz gleich wie offensichtlich er sich irrte. Er wollte das Abkommen um jeden Preis auflösen. Dafür würde er weiterhin die Tatsachen verdrehen, lügen und Hass schüren. Selbst ein weiterer Brief von Kathe würde nichts daran ändern.
Ob sie dieses Schreiben erhielt, spielte also im Grunde genommen keine Rolle. Nicht für die Lage in Ilargia. Jace war auch nicht verpflichtet, sie über Kathes Wohlergehen auf dem Laufenden zu halten. Sie gehörte jetzt ihm.
Wieso vernichtete er den Brief nicht einfach? Kathlyn würde es nie erfahren.
Unschlüssig betrachtete er ihn. Bereits ein paar Mal hatte er die Zeilen gelesen, die Mary und Steven an ihre Tochter verfasst hatten. Freude, dass sie sich gemeldet hatte. Sorge um ihr Wohlergehen. Beteuerungen ihrer unerschütterlichen Liebe.
Harmlos und doch mit dem Potential, alles wieder zunichte zu machen.
„Jace?", riss Kathes Stimme ihn abrupt aus seinen Gedanken und er verstaute den Brief in einer Schublade, ehe er die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete und hinaustrat. Diese Entscheidung konnte warten.
„Hallo?", wiederholte Kathe und sah erleichtert aus, als sie ihn entdeckte. Er musterte sie von Kopf bis Fuß, wie sie in der Diele stand, und sein Mund wurde schlagartig trocken.
Ihr blondes Haar fiel ihr in weichen, sanften Wellen über Schulter und Brüste. Ihre Augen hatte sie mit Make-up betont, sodass sie noch größer und strahlender, und ihre Wimpern noch länger und dunkler wirkten. Sie trug ein blaues Etuikleid, das eine Handbreit über ihren Knien endete, darunter eine hautfarbene Feinstrumpfhose, und schwarze, elegante Boots mit Absatz.
„Ist das so in Ordnung?", hakte sie unbehaglich nach, als er nichts sagte und sie nur anstarrte, und biss sich unsicher auf die Unterlippe. „Oder ist das zu übertrieben? Ich weiß nicht, was ihr bei so einem Anlass tragt."
„Nein, du, ähm ..." Er räusperte sich. „Du siehst toll aus."
„Danke." Sie schlüpfte in ihre Jacke. Sein Blick blieb an ihrem Hintern kleben, der in diesem Kleid verboten einladend aussah. Pure, siedend heiße Begierde flammte in ihm auf und drohte ihn zu verzehren. Mit aller Macht kämpfte er gegen das Verlangen an, sie in seine Arme zu ziehen und seine Lippen auf ihre zu pressen, um anschließend seine Hände unter ihr Kleid wandern zu lassen.
Jace rauschte ins Bad, bevor er sich nicht mehr im Griff hatte, und ließ die verwunderte Kathe stehen. Verärgert stützte er sich am Waschbecken ab und versuchte klare – und vor allem keusche – Gedanken zu bekommen. Wie sollte er diesen Abend durchstehen, wenn er jetzt bereits kurz davor war sich zu vergessen? Was machte dieses Mädchen nur mit ihm?
Er kühlte sein Gesicht solange mit Wasser, bis er sich einigermaßen beruhigt hatte. Sie sollten einfach schleunigst nach unten gehen, damit sie nicht länger allein waren. Josi und Emmely hätten sicher ein Auge auf Kathe, sodass er erst gar nicht in Versuchung kam.
„Wir können –", begann er, als er schließlich aus dem Bad trat und stockte. Von Kathe war keine Spur zu sehen. War sie ohne ihn nach unten gegangen? Die Vorstellung gefiel ihm nicht. Vor allem nicht in diesem Outfit, das sicher auch anderen Männern gefallen würde.
Gerade wollte er sich der Tür zuwenden, als er etwas bemerkte, was ihm noch nie passiert war. Etwas, das sein Herz unwillkürlich schneller schlagen ließ.
Jace hatte sein Arbeitszimmer offen gelassen.
<~~~▪︎●■●▪︎~~~>
Oh oh... Ob Kathe das auch bemerkt hat?
Und wie wird sich Cindy, Kathes neue Feindin, wohl rächen? Was würdet ihr tun?
Ich freue mich über Ideen und Votes!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top