12. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩

Danke, dass jetzt doch schon so viele meine Geschichte gelesen haben! Und danke für die Votes! 😍
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Aus den Chroniken der Geschichte der Werwölfe, Band 2

*Jace*

Abschätzend musterten sie einander, wobei ihr Blick immer wieder hinter ihm zur Tür huschte. Sie wussten beide, dass Kathe sie nicht erreichen würde. Also umrundete sie die Couch, um wenigstens Abstand zu ihm zu schaffen.

„Deine Stunde war aber schnell um.", stellte sie erbittert fest und er brauchte einen Moment, um ihre Worte zu begreifen. Josi musste ihr davon erzählt haben und sie hatte es sofort als Chance gesehen.

„Eine weitere Stunde bei dieser Kälte draußen und du wärst am Boden festgefroren. Weißt du eigentlich welche Temperaturen nachts im Wald herrschen?"

„Ich werde nicht hier bleiben!"

„Und ob! Du wirst die Etage heute nicht mehr verlassen. Leo wird vor der Tür stehen bleiben und gelegentlich nach dir sehen."

„Ich brauche keinen Babysitter!"

„Anscheinend schon. Oder wo genau wolltest du eben hin?"

„Völlig egal, Hauptsache weg von dir!", keifte sie und er lachte.

„Da kann ich dich beruhigen. Ich habe jetzt eine Besprechung und danach noch einiges zu tun. Du bist mich also für eine Weile los." Er nickte zur Badtür hin. „Geh duschen und wärm dich auf. Josi hat saubere Sachen für dich. Wenn du möchtest, leistet sie dir auch etwas Gesellschaft."

Diesmal schwieg sie, also fuhr er fort: „Du kannst dich hier umsehen und alles in Beschlag nehmen, wenn du willst. Die einzige Ausnahme ist mein Arbeitszimmer. Dort hast du nichts zu suchen! Und ehe ich es vergesse ...", fiel ihm ein und er drehte sich um und ging zum Bad.

„Leo steht schon da.", teilte er Kathe mit, als er hörte wie sie losrannte, kurz darauf die Tür aufriss und gleich wieder zuschmiss. „Und das ist nicht sehr höflich."

Er zog den Badschlüssel ab und steckte ihn ein. Kathe öffnete protestierend den Mund. „Bis ich dir vertrauen kann, dass du nichts Dummes anstellst, bleibt er bei mir."

„Was soll ich im Bad bitte dummes anstellen?"

„Alles unter Wasser setzen zum Beispiel. Ich werde es jedenfalls nicht herausfordern."

„Dann werde ich das Bad wohl gar nicht benutzen!"

„Kein Problem. Wenn du nicht allein duschen möchtest, komme ich gern mit." Er grinste spitzbübisch und ihre Augen weiteten sich empört, ehe sie sich wütend zusammenzogen.

„Träum weiter!"

Langsam kam er auf sie zu und sie wich unwillkürlich wieder zurück. Als sie bemerkte, dass er die Tür anvisierte, blieb sie stehen. Er hatte die Hand schon auf der Türklinke, als er sie noch einmal ernst ins Auge fasste.

„Leo wird es mir erzählen, solltest du etwas anstellen. Und ich bin mir nicht sicher, ob dir die Konsequenzen gefallen." Sein Blick glitt an ihr hinunter und wieder hinauf. „Die Idee mit der Dusche gefällt mir nämlich ziemlich gut."

Hätten Blicke jetzt töten können ...

„Die Kugel wurde also selbst gegossen.", fasste Jace Mikes Erklärungen zusammen und betrachtete das kleine silberne Ding vor ihnen. So unscheinbar und doch so gefährlich. So tödlich. Noch dazu konnte niemand nachvollziehen, woher sie kam oder wie viele davon noch existierten. Die Absicht, mit der sie gegossen worden war, war allerdings eindeutig.

„Ja, und auch noch ziemlich professionell.", bestätigte Mike. „Hätte unser Schütze besser gezielt, wäre Alec jetzt tot. Und wäre die Kugel ein wenig anders zusammengesetzt, gäbe es vielleicht mehrere Tote."

„Wie meinst du das?"

„Das Geschoss besteht aus reinem Silber, dem etwas Pflanzliches beigemischt wurde. Ich vermute, dass es sich dabei um Eisenhut handelt." Eisenhut – Wolfswurz. Diese Pflanze hatte eine außergewöhnliche Wirkung auf Werwölfe, ähnlich einer Droge. „Das würde auch erklären, wieso Alecs Wunde nicht in einem normalen Tempo verheilt und weshalb die Kugel solche Schmerzen und Halluzinationen ausgelöst hat."

„Und weiter?"

„Wäre das Mischungsverhältnis ein wenig stärker, wären die Halluzinationen und der Schmerz so schlimm geworden, dass er alles um sich herum angegriffen hätte. Im schlimmsten Fall hätte Alec jemanden töten können, oder er hätte sich verwandelt und wäre davongerannt."

„Und das Silber hätte mich irgendwann vergiftet." Alecs Miene war versteinert. Wer immer diese Kugel angefertigt hatte, wusste genau was er tat. Also: Wo kam sie her?

Ein Wort geisterte in ihren Köpfen herum, doch niemand wagte es auszusprechen.

„Was hatte Colin zu berichten?" Colin hatte in Ilargia ein Auge auf Kathe gehabt. Er hatte aber auch einige Neuigkeiten aus der Stadt mitgebracht. Jace hatte noch keine Zeit gehabt, mit ihm zu sprechen.

„Carola und die Ratsmitglieder haben den Schützen befragt. Er hat ausgesagt, er habe sich Waffe und Munition vor geraumer Zeit in der Stadt besorgt, zur Selbstverteidigung. Er wäre immer noch der Ansicht, wir würden irgendetwas planen und fühle sich nicht mehr sicher. Außerdem hätte er ja nur das Mädchen beschützen wollen.", berichtete Alec. „Der Rat hat ihn seines Amtes enthoben, ansonsten erwarten ihn wohl keine weiteren Konsequenzen. Nicht zuletzt, da etliche Bürger auf seiner Seite sind. Sobald es die Runde macht, dass wir Kathe haben, wird sich die Lage richtig zuspitzen."

„Darum kümmern wir uns, wenn es soweit ist. Was hältst du von dieser Geschichte? Könnte er die Kugel gekauft haben?"

Mike wog nachdenklich den Kopf hin und her. „Ehrlich gesagt: Nein. Wäre es eine reine Silberkugel, hätte ich es für möglich gehalten. Aber die Zusammensetzung mit Eisenhut ist genial, und die Wirkungsweise ist nur wenigen bekannt. Genauer gesagt wird diese Pflanze hauptsächlich verwendet ..."

„Von Jägern." Jace sprach das Wort voller Abscheu aus. Diese Menschen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, jeden einzelnen Werwolf auszulöschen und sie hatten schon unzählige Werwölfe hingerichtet und Jagd auf sie gemacht. Ihre Waffen wurden dafür immer ausgeklügelter und gefährlicher.

„Was wissen wir über den Schützen?" Sein Innerstes kochte vor Wut. Wenn sich ihr Verdacht bestätigte, hätten sie ein enormes Problem.

Alec sah auf seine Notizen. Sein Beta war gut vorbereitet, wie immer. „Sein Name ist Marius Frumos. Er lebt seit fast 16 Jahren in Ilargia, seit 3 Jahren ist er Ratsmitglied. Er ist verheiratet mit einer Nicoleta Frumos. Keine Kinder. Er arbeitet als Abteilungsleiter bei der Bank und ist dadurch auch viel auswärts tätig. Seine Frau ist zu Hause. Sie verbringt den Großteil des Tages im Einkaufszentrum."

„Seit fast 16 Jahren?", wiederholte Jace nachdenklich. „Ich brauche das genaue Datum. Woher stammt er?"

„Das wissen wir noch nicht. Theoretisch müsste es im Bürgerhaus vermerkt sein, aber weil so viel los war, sind wir an die Unterlagen noch nicht rangekommen. Wir sind dran. Dann wissen wir auch, seit wann er hier gemeldet ist. Laut unserer Quelle war es erst nach dem Brand, aber sicher ist sicher."

Jace nickte bestätigend. „Gibt es Hinweise auf eine Verbindung zu Jägern?"

„Nein, bisher nicht. Aber seine Abneigung gegen uns ist sehr ausgeprägt, das war unter dem alten Alpha wohl nicht so."

„Er war eines der Ratsmitglieder, die unbedingt einen Mittelsmann in der Wolfshöhle haben wollten.", warf nun Josi ein, die bisher geschwiegen hatte. „Damals liefen Verhandlungen, schließlich haben wir auch Mittelsmänner in Ilargia. Als du das Rudel übernommen hast, wurden die Verhandlungen jedoch eingestellt. Vielleicht deshalb?"

„Ich erinnere mich." Jace hatte dem Rat deutlich mitteilen lassen, dass er niemanden in der Wolfshöhle wollte. Der Rat hatte genug andere Möglichkeiten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Abgesehen davon, dass er den Menschen nicht traute und den Sinn dahinter nicht verstand.

„Er hatte sich dem Rat auch angeboten, an Kathes Stelle zu treten.", ergänzte Alec. „Es wäre sein Fehler gewesen und er wäre bereit, die Folgen zu tragen."

Jace schnaubte abfällig. „Ich möchte, dass ihr ihn im Auge behaltet. Ich will wissen mit wem er sich trifft und wohin er geht. Und bei dem geringsten Verdacht will ich sofort informiert werden."

„Ich kümmere mich darum."

„Was macht die Vampirfährte? Habt ihr inzwischen herausgefunden, wo er herkam?"

Diesmal schüttelte Alec den Kopf. „Es gibt nichts Neues. Die Spur verliert sich weit vor der östlichen Grenze, als gäbe es keine mehr. Entweder ist die Fährte zu alt, oder er hat seine Spuren zu gut verwischt. Es ergibt einfach keinen Sinn."

Jace holte nachdenklich eine Karte aus einer Schublade und faltete sie auseinander. Alec hatte recht, es ergab keinen Sinn. Blutsauger waren nicht für ihre Intelligenz bekannt. Und das Gebiet, das der Vampir durchquert hatte, war zu groß, um seine Spuren so gut zu verwischen.

„Mike, hol mir die zuständigen Grenzposten her." Das würde ein langer Abend werden ... Er hielt kurz inne und sah seine drei engsten Freunde eindringlich an: „Ich muss nicht erwähnen, dass diese Besprechung unter uns bleibt!"

Als sie endlich fertig waren, war es mitten in der Nacht. Leo stand noch immer brav vor der Tür und nickte Jace zu, als er nach oben kam.

„Sie war duschen und hat etwas gegessen. Ansonsten war es ruhig.", teilte er ihm mit und Jace entließ ihn zufrieden, ehe er leise die Tür öffnete.

Er sah sie sofort. Kathe hatte sich ein Bett auf der Couch gebaut, die Bettdecke war zum Teil heruntergerutscht, neben ihr brannte eine Lampe. Ihre gleichmäßigen Atemzüge verrieten ihm, dass sie schlief.

Lautlos hockte er sich vor sie und genoss es sie betrachten zu können, ohne dass sie vor ihm zurückwich, oder ihn wütend ansah. Das würde sich in wenigen Stunden wieder ändern. Ein Hauch Salz haftete an ihrem Duft – sie hatte geweint. Doch vor allem roch sie nach seinem Shampoo, und das gefiel ihm ausgesprochen gut. Sie war seins.

Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt und ihr hellblondes Haar berührt, das ihn immer an Mondstrahlen erinnerte. Wäre mit seinen Fingern über ihre weiche Haut gefahren, und hätte mit seinen Lippen ihre zartrosa Wangen liebkost, ehe er sich ihrem Mund widmete.

Innerlich seufzend zog er die Decke nach oben und stand auf. Er sollte gehen, solange er sich noch im Griff hatte.

Er wollte sich schon abwenden und die Etage wieder verlassen, als er auf der Kücheninsel ein Blatt Papier bemerkte. Stirnrunzelnd nahm er es in die Hand und überflog den Inhalt. Kathlyn hatte ihren Eltern einen Brief geschrieben. Dass es ihr gut ging. Dass sie sich keine Vorwürfe oder Sorgen machen sollten. Dass sie sich leider nicht verabschieden konnte. Wie sehr sie sie liebte.

Überall auf dem Papier waren Tränentropfen verteilt.

Jace zwang sich, das Schreiben nicht zu zerknüllen. Stattdessen faltete er es sorgfältig zusammen und steckte es ein. Dann warf er Kathe einen letzten Blick zu. Er wusste jetzt schon, dass er sehr viel Geduld brauchen würde. Je eher sie begriff, dass sie nun zu seinem Rudel gehörte und er ihr Alpha war, dem sie sich unterzuordnen hatte, desto besser.

Diese Nacht würde er ihr noch gewähren, doch ab morgen wäre ihre Schonfrist vorbei. 

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